Chronisch-venöse Insuffizienz

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Klassifikation nach ICD-10
I87.2 Venöse Insuffizienz (chronisch, peripher)
ICD-10 online (WHO-Version 2016)

Die Chronisch-venöse Insuffizienz (CVI), auch chronisch venöses Stauungssyndrom, chronische Veneninsuffizienz genannt, beruht auf einer Mikrozirkulationsstörung der Gefäße infolge einer venösen Abflussbehinderung. Folge sind zum Teil schwere Venen- und Hautveränderungen.

Epidemiologie

In den USA sollen 6 bis 7 Millionen Patienten von der chronisch-venösen Insuffizienz betroffen sein. Die schwierigste Komplikation sind venöse Ulzerationen, deren Prävalenz bei bis zu 5 % liegt.

Risikofaktoren

Das Risiko, an einer chronisch-venösen Insuffizienz zu leiden, steigt mit Alter, Fettleibigkeit, einer Anamnese mit Venenentzündungen, tiefer Venenthrombose und schwerem Beintrauma. CVI kommt bei Frauen doppelt so häufig vor wie bei Männern.

Ätiologie

Grundkrankheiten, die eine chronisch-venöse Insuffizienz verursachen können, sind Krampfadern (Varikosen, sowohl Stammvarikosen als auch Perforansvarikosen), Phlebothrombosen (CVI als postthrombotisches Spätsyndrom), arterio-venöse Fisteln und venöse Angiodysplasien (angeborene Defekte der Venenklappen).

Pathophysiologie

Ausschlaggebend für die Entstehung einer chronisch-venösen Insuffizienz ist das Vorhandensein eines pathologischen Bluthochdrucks der oberflächlichen Venen. Normal ist dieser bei 20 bis 30 mmHg, steigt jedoch durch venöse Thrombose, primär oder sekundär pathologische Venenklappen oder abgeschwächte Muskelpumpe auf 60 bis 90 mmHg. Dieser Hochdruck verursacht die für die späteren Komplikationen verantwortlichen anatomischen, physiologischen und histologischen Veränderungen der Gefäße.

Die wichtigsten durch venösen Hochdruck verursachten Veränderungen betreffen die Venenklappen. Thrombosen verursachen einen venösen Hochdruck und zerstören gleichzeitig die Venenklappen, deshalb persistiert der Hochdruck auch bei z. B. einer Rekanalisation. So entsteht ein für die Medizin so typischer Teufelskreis. Die Gefäßwandveränderungen durch Hochdruck verursachen weitere Klappenschäden und somit erhält sich der Hochdruck selbst.

Unter physiologischen Bedingungen wird das Kapillarbett vor starken Druckveränderungen geschützt, da präkapilläre Arteriolen sich reflektorisch kontrahieren können. Diesen Reflex scheinen Patienten mit chronisch erhöhtem venösen Druck jedoch verloren zu haben, d. h. dass bei Veränderungen der Körperlage Druckveränderungen direkt an das Kapillarbett weitergegeben werden.

Bei dauerhaft erhöhtem venösen Druck entstehen Veränderungen, die die Kapillarwände betreffen. Dazu gehören eine Verbreiterung und Verlängerung des Kapillarbetts, erhöhte Endotheloberfläche, erhöhte Einlagerung von Kollagen IV in die Basalmembran und perikapilläre Einlagerung von Fibrin. Die Zusammenwirkung von erhöhtem venösen Druck und abnormen Kapillaren mit erhöhter Permeabilität führen zu einem Ausschwemmen von Wasser, großen Proteinen und roten Blutzellen in das Interstitium. Das sich ansammelnde Fibrin scheint auch weniger einfach gelöst werden zu können. Gleichzeitig kommt es zu einem verminderten Gasaustausch, also einer kutanen Hypoxie. Dies führt unter anderem zu einer Leukozytenaktivierung. Das Zusammenspiel dieser pathologischen Bedingungen führt zu lokaler Gewebeproliferation, Entzündungsvorgängen und Kapillarthrombosen.

Gradeinteilung

Klinisch wird die chronische-venöse Insuffizienz nach Widmer und der Modifikation nach Marshall und Wüstenberg (u. a.) in drei Grade untergeteilt.[1] Diese Einteilung bezieht sich auf die sichtbaren und ertastbaren Veränderungen der Haut:

Chronisch-venöse Insuffizienz (Stadium III)
  • Grad I: Reversible Ödeme, Corona phlebectatica (dunkelblaue Hautvenenveränderungen am med. und lat. Fußrand), perimalleoläre Kölbchenvenen
  • Grad II: persistierende Ödeme unterschiedlicher Genese, Hämosiderose und Purpura jaune d’ocre – ockerfarbene Verfärbungen der Haut infolge der Einlagerung wasser-unlöslicher Eisen-Eiweiß-Verbindungen im Unterschenkelbereich, Dermatosklerosen und Lipodermatosklerose, Atrophie blanche, Stauungsekzem, zyanotische Hautfarbe.
  • Grad IIIa: Abgeheiltes Ulcus cruris (Ulkusnarbe)
  • Grad IIIb: stark entwickeltes (florides) Ulcus cruris

Diagnostik

Meistens reichen die beschriebenen Hautveränderungen schon zur Diagnose aus. Dennoch ist es in manchen Fällen wichtig, eine weiterreichende Diagnostik durchzuführen, um die Ätiologie und eventuell das weitere Vorgehen zu bestimmen. Aszendierende Pressphlebographie ist hier zwar Goldstandard, aber invasiv und teuer. Also nutzt man meist die Duplexsonographie. Durch die B-Bild Sonographie lassen sich Veränderungen der Venenwand und umgebender Strukturen nachweisen, durch den Doppler veränderte Strömungsverhältnisse. Um auch eine arterielle Gefäßkrankheit ausschließen zu können, da sich dann die Kompressionsbehandlung ausschließen würde, sollte man auch den ABI (ankle-brachial Index) bestimmen. Wichtig zur Diagnosestellung ist außerdem, dass man die Zeichen einer CVI kennt. Das wären zum einen Coronia phlebectatica ( Blaufärbungen an der Betroffenen Stelle) und Atrophie Blanche( Weissfärbungen an der betroffenen Stelle). Außerdem gibt es eine Pigmentverschiebung, das heißt, die betroffene Extremität weist Flecken auf, die Pigmentflecken ähneln.

Therapie

Symptomatisch

  • Hochlagern der Beine für 30 Minuten 4- bis 5-mal pro Tag reduziert bereits deutlich die Ödemneigung und verbessert die Mikrozirkulation. Allein reicht dies natürlich nur in ganz leichten Stadien aus, und für beschäftigte Menschen ist es wahrscheinlich schwierig, mehrmals am Tag die Beine hochzulagern.
  • Manuelle Lymphdrainage
  • Kompressionstherapie: Die Kompressionstherapie z. B. mit Kompressionsstrümpfen ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Durch Kompression wird der venöse Querschnitt verringert und der Rückstrom des Blutes gesteigert. Zudem stellt diese Therapieform die Funktionsfähigkeit noch nicht vollständig zerstörter Venenklappen wieder her.[2] Kompressionstherapie soll die kutane Hämodynamik verbessern, die Geschwindigkeit des Blutflusses in den tiefen Venen, den lymphatischen Fluss und den venösen Druck verringern. Sie soll sogar die Fibrinolyse steigern und somit der Gefäßsklerose entgegenwirken. Sie vermindert das Auftreten von Ödemen und Ulzerationen. Meist reicht Klasse II aus (~ 30 mmHg Knöcheldruck). Bei Patienten mit massiver Adipositas und Ödemen können Kompressionsstrümpfe ineffektiv sein. Hier nutzt man z. B. pneumatische Kompressionspumpen. Kontraindikationen sind: AVK mit Knöcheldruck <80 mmHg, dekompensierte Herzinsuffizienz und instabile Angina pectoris.
  • Antiseptika zur Wundheilung
  • Medikamentöse Therapie: Zur Therapie werden Cumarin (α-Benzopyrone), Flavonoide (γ-Benzopyrone), Rosskastanienextrakte (Saponoside) sowie Acetylsalicylsäure und Pentoxifyllin eingesetzt.

Invasiv

Unter Umständen müssen zugrunde liegende Erkrankungen wie eine Varikosis entsprechend interventionell oder operativ behandelt werden.

Siehe auch

Literatur

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Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Chronisch-venöse Insuffizienz aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
  1. Kerstin Protz: Moderne Wundversorgung. 7. Aufl. Elsevier Urban & Fischer, München 2014, ISBN 978-3-437-27884-6, S. 91.
  2. Stefanie Reich-Schupke: Wirkungsweise der Kompressionstherapie. In: S. Reich-Schupke, M. Stücker: Moderne Kompressionstherapie ein praktischer Leitfaden. ViavitalVerlag, Köln 2013, ISBN 978-3-934371-50-7, S. 36–39.