Ego

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Das Ego (lat. ego, griech. ἐγώ; lautlich verwandt mit ἠχώ Echo), die Egoität, ist das im Egoismus verschlossene niedere Ich, das niedere Selbst des Menschen, das sich als Nachklang des eigentlichen, höheren Ich in dem durch den luziferisch Einfluss von überwiegenden egoistischen Antipathiekräften erfüllten Astralleib als verzerrtes Echo abbildet. Ich und Ego müssen somit ganz klar voneinander unterschieden werden. Das Ego entspricht dem Kama-Manas nach indisch-theosophischer Bezeichnung. Es ist das Erden-Ich oder Alltags-Ich, das tagtäglich das Bewusstsein mit all seinen Erinnerungen, Wünschen, Freuden und Leiden, Sympathien und Antipathien usw. erfüllt. Das höhere Ich, unser wirkliches Ich, zeigt sich hingegen selten und meist nur in schweren Lebenskrisen - oder im Zug einer energischen geistigen Schulung bzw. nach dem Tod. Letzteres ist das Urbild unseres wahren Wesens, nach dem sich unser kleines Ich für eine heilsame Entwicklung nach und nach gestalten sollte.

Dem Eingeweihten erscheint seine niedere Wesenheit wie ein eigenständiges Wesen als Doppelgänger bzw. als der kleine Hüter der Schwelle vor dem geistigen Blick:

„In allen Geheimlehren gibt es Eingeweihte. Heute erleben diese genau dasselbe wie damals, indem sie über ihr niederes Ich hinauswachsen, den geistigen Wesenskern in sich entwickeln und in diesem Leben schon Bürger einer höheren Welt werden. Zu gleicher Zeit aber wird uns klargemacht, daß in einer gewissen Stunde die ganze niedere Natur vor sie hintritt. In jedem Menschen ist eine Summe von Leidenschaften, Begierden und Wünschen, die seiner niederen Natur anhängen. Aus alledem muß der Mensch erst heraus. Dann tritt es wie eine Wesenheit vor ihm auf. Steigt der Mensch hinauf in seine höhere Natur, dann ist seine niedere Natur wie etwas, was außer ihm ist, wahrend er sonst drinnensteckt in den Trieben, Begierden und Leidenschaften. Ebensowenig wie jemand sein Gehirn auf einen Teller legen und es ansehen kann, ebensowenig kann man sein inneres Leben, seine innere niedere Natur sehen. Man nennt diese abgelöste Wesenheit den Hüter der Schwelle. Als eine Wesenheit steht neben dem Menschen seine niedere Natur, und er muß sich einmal sagen: Das bist du! Das mußt du ablegen! — Das nennt man bei allen Einweihungen die Höllenfahrt. Man hat da Genosse zu werden der höllischen Mächte, hinunterzusteigen in die Tiefen der Welt, weil der Mensch einfach drinnensteckt und seine höhere Natur nur halb in ihm lebt. Den Hüter der Schwelle nennt man diese Wesenheit, weil die Menschen, die sich nicht Mut und Geistesgegenwart aneignen, nicht darüber hinauskommen. Diejenigen, welche diese Schwelle überschritten haben, nennt man Eingeweihte.“ (Lit.:GA 54, S. 379)

In der in Stuttgart am 13. Juli 1923 gehaltenen esoterischen Stunde gab Rudolf Steiner folgende mantrische Übung:

„Das Ich des Menschen ist von drei Hüllen umgeben. Dieses Ich selber ist nicht egoistisch. Egoistisch sind nur die Hüllen. Ist das Ich einmal von seinen Hüllen befreit, so will es sich alsbald in den ganzen Kosmos ausdehnen. Aber es ist eingeschlossen in seine drei Hüllen. Für dieses Eingeschlossensein hat der Orientale das Bild der Lotosblume. Auch in dieser ist der innerste Kern von drei Kreisen von Blütenblättern umgeben.[1]

Dies drückte der Inder mit den Worten aus:

Aoum mani padme aoum [hum][2]
Mein Ich ist beschlossen in der Lotusblüte

Wenn man zum wahren Ich hinkommen will, muß man alle drei Hüllen durchschreiten. Das ergibt drei Stufen, die zum Ich hinführen.[3]

Man betritt die erste Stufe und erlebt:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit der Erdenschwere
Ex Deo nascimur
Die erste Hülle fällt.

Man betritt die zweite Stufe und erlebt:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit der Lichtesleichtigkeit
In Christo morimur
Die zweite Hülle fällt.

Man betritt die dritte Stufe und erlebt:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit der Atemstärke[4]
Per Spiritum Sanctum reviviscimus
Die dritte Hülle fällt.[5][6]
“ (Lit.:GA 266c, S. 477f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Indem Rudolf Steiner dies sprach, formte er, die Ellbogen auf den Tisch stützend, mit seinen beiden Händen vor sich die Gestalt einer Blutenknospe. Geste und Stimme waren jetzt von besonderer Zartheit und Hingegebenheit [Vorlage G: Zartheit und Innigkeit].
  2. In den Aufzeichnungen steht hier: Aoum mani padme aoum. Hier dürfte ein Verständnis- oder auch Gedächtnisfehler vorliegen. Die indische Formel lautet <Aum mani padme hum> und wurde von Rudolf Steiner in anderem Zusammenhang in gleichem Sinne übersetzt mit: «Ich bin das Juwel in der Lotusblume. Aum mani padme hum. Aum, das Innerste, die eigentliche Lebenskraft im Menschen, die er nur mit dem Tone anschlägt. Mani, das Stein gewordene, das Juwel, manas; padme, das Astrale; hum, noch einmal: ich bin.» Laut Notizen von Marie Steiner-von Sivers, Berlin 17. August 1904.
  3. Das Folgende wurde mit kultischer Intonation gesprochen. Jedesmal ließ er seine Arme nach rechts und links schwer auf den Tisch fallen, und bewegte sie dann wieder zurück zur nochmaligen Bildung der Blütenform.
  4. In anderen Vorlagen finden sich folgende Abweichungen:
    Mein Eigenwesen ist verwoben in die Erden-Schwere
    Mein Eigenwesen ist verwoben mit des Lichtes Leichtigkeit
    Mein Eigenwesen ist verwoben in die Atemstärke
    Eine Aufzeichnung dieser Sätze von Rudolf Steiners Hand gibt es nicht.
  5. Vorlage C: Jedesmal wenn Rudolf Steiner das Fallen der Hüllen erwähnte, ließ er seine Unterarme und Hände schwer auf den Tisch niederfallen. In der Art wie er das Wort <fällt> sprach, malte er wieder lautlich das Abfallen der betreffenden Hülle. - Er schloß die Stunde, indem er noch einmal das indische Mantram sprach, von dem er sagte, daß man es üben könne entweder in seiner ursprünglichen Form oder in deutscher Übersetzung.
  6. Es war inzwischen dunkel geworden. In dem letzten Licht war schließlich nur noch das zarte Weiß von Rudolf Steiners Antlitz und seiner Hände sichtbar. - Nachdem er ein Zeichen gegeben hatte, daß dies der Schluß der Stunde sei, wurde das Licht eingeschaltet, und er stand auf und verabschiedete sich von uns, indem er jedem von uns und auch Frau Marie Steiner die Hand gab.