Konrad Zuse

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Konrad Zuse (1992)

Konrad Ernst Otto Zuse (* 22. Juni 1910 in Deutsch-Wilmersdorf, heute zu Berlin; † 18. Dezember 1995 in Hünfeld) war ein deutscher Bauingenieur, Erfinder und Unternehmer (Zuse KG). Mit seiner Entwicklung der Z3 im Jahre 1941 baute Zuse den ersten funktionstüchtigen, vollautomatischen, programmgesteuerten und frei programmierbaren, in binärer Gleitkommarechnung arbeitenden Rechner und somit den ersten funktionsfähigen Computer der Welt.

Leben

Abbildung Konrad Zuses in der Bundesallee Berlin mit Erwähnung seines Geburtsortes in der Tübinger Straße 2.
Nachbau der Z1 im Deutschen Technikmuseum Berlin. Das Original war im Wohnzimmer seiner Eltern aufgebaut und wurde samt den Plänen im Bombenkrieg zerstört. In den Jahren 1987 bis 1989 hat der damals fast 80-jährige Zuse seine Z1 aus der Erinnerung nachgebaut.
Berliner Gedenktafel am Haus, Methfesselstraße 10, in Berlin-Kreuzberg

Konrad Zuse wurde als Sohn von Maria und Emil Zuse geboren. Er hatte eine ältere Schwester, über die er meinte: „Sie hatte das Pech, in der damaligen Zeit als intelligenter Mensch und Frau geboren zu sein.“[1] Als er zwei Jahre alt war, zog die Familie in das ostpreußische Braunsberg, wo der Vater als Postbeamter im mittleren Dienst arbeitete. Dort besuchte er das humanistische Gymnasium Hosianum. Als er 1923 in der 9. Klasse war, zog die Familie Zuse nach Hoyerswerda, wo er das Reform-Realgymnasium, das heutige Lessing-Gymnasium, besuchte. Bereits im Alter von 14 Jahren tüftelte er an Erfindungen; „Zuses Mandarinenautomat“ gab auf Münzeinwurf Obst und Wechselgeld heraus.[2] Mit dem Metallbaukasten der Firma Stabil hat er mit 18 Jahren einen Kohlenverladekran zusammengebaut, wofür er die Ehrenurkunde der Firma erhielt.[2] 1928 legte er sein Abitur ab.

Zuse hat sich selbst als „Bummelstudent“ bezeichnet.[3] Als 17-Jähriger studierte er an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg (heute Technische Universität Berlin) zunächst Maschinenbau, wechselte dann zur Architektur und schließlich zum Bauingenieurswesen. Zwischendurch arbeitete er fast ein Jahr lang als Reklamezeichner.[4] Während seines Studiums wurde er Mitglied in der Berliner Studentenverbindung AV Motiv.[5][6] Schon früh entdeckte er seine Vorliebe für Technik und Kunst.

1935 schloss Zuse sein Ingenieurstudium mit einem Diplom ab. Danach arbeitete er zunächst als Statiker bei der Henschel Flugzeug-Werke AG in Schönefeld bei Berlin, gab diese Stelle jedoch bald auf und richtete eine Erfinderwerkstatt in der Wohnung seiner Eltern ein. Hier entstand die Z1, eine programmierbare Rechenmaschine, die allerdings noch nicht voll funktionsfähig war, weil sie mechanisch funktionierte. Das Prinzip der Z1 übernahm Zuse dann für die Z3, die er mit Relais aufbaute. Dies war der erste voll funktionsfähige Computer der Welt (siehe Abschnitt „Leistungen“). Zuse verfügte über die Gabe, Menschen mit seiner Begeisterung so anzustecken, dass sie ihm immer wieder Geld gaben – sein Vater ließ sich sogar aus dem Ruhestand reaktivieren, um die Entwicklung mitzufinanzieren[5] – oder Arbeitszeit spendeten.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde Konrad Zuse zweimal einberufen, nahm aber nie an Kriegshandlungen teil. Mit Hilfe von Herbert Wagner – Leiter der Sonderabteilung F bei der Henschel Flugzeug-Werke AG, in der ferngesteuerte Gleitbomben entwickelt wurden – konnte er erreichen, dass er „unabkömmlich“ gestellt und bei den Henschel-Werken beschäftigt wurde. Dort arbeitete er an der Gleitbombe Hs 293 mit und entwickelte Spezialrechner zur Flügelvermessung. Für wie wichtig Zuses Arbeit gehalten wurde, zeigt auch die Tatsache, dass er mitten im Krieg 1941 die „Zuse Ingenieurbüro und Apparatebau, Berlin“ gründen konnte, die zuletzt 20 Mitarbeiter beschäftigte.[7] Es war das einzige Unternehmen, das in Deutschland Rechner entwickeln durfte.[8]

Auch wenn Zuse nie Mitglied der NSDAP wurde, hat er während des Kriegs keine erkennbaren Vorbehalte gegen die Arbeit in der Rüstungsindustrie gezeigt. Dokumente aus dem Nachlass Zuses belegen, wie „Rüstungsbetriebe und NS-Institutionen Zuses Computer mit über 250.000 Reichsmark“ finanzierten.[9] Seine Erfahrungen mit dem Militär hat Zuse im Rückblick folgendermaßen resümiert: „Nur zu oft ist der Erfinder der faustische Idealist, der die Welt verbessern möchte, aber an den harten Realitäten scheitert. Will er seine Ideen durchsetzen, muß er sich mit Mächten einlassen, deren Realitätssinn schärfer und ausgeprägter ist. In der heutigen Zeit sind solche Mächte, ohne daß ich damit ein Werturteil aussprechen möchte, vornehmlich Militärs und Manager. […] Nach meiner Erfahrung sind die Chancen des Einzelnen, sich gegen solches Paktieren zu wehren, gering.“[10]

Im Januar 1945 heiratete er seine Frau Gisela, geb. Brandes (1919–2013), in Berlin, mit der er später fünf Kinder hatte. Der älteste Sohn Horst ist heute Hochschullehrer für Informatik. Der Familie gelang die Flucht aus Berlin über Göttingen in das Allgäu, wobei Konrad Zuse den zuletzt entstandenen Rechner Z4 retten konnte. Er bildete die Grundlage, um nach dem Krieg das erste deutsche Computerunternehmen, die „Zuse KG“, aufzubauen. Wenn irgendwo im Land eine seiner Rechenmaschinen kaputt war, wurde für das Wochenende die Familie in den VW-Käfer geladen, zum „Reparatur-Ausflug“.[2] Nach stürmischem Wachstum musste Konrad Zuse 1964 seine Kapitalanteile wegen Überschuldung abgeben. Danach war er als Berater tätig und schrieb sein Buch zum „Rechnenden Raum“.

1983 durfte Zuse nach einer privaten Einladung eine öffentliche Vorlesung an der Technischen Hochschule Ilmenau in Thüringen halten. Das Rechenzentrum der TH durfte er nicht besuchen.[11]

Im Ruhestand widmete Zuse sich seinem Hobby, dem Malen im expressionistischen Stil.

Leistungen

In seinem Leben hat Zuse 251 Rechenmaschinen gebaut.[2]

Z1 – ein „mechanisches Gehirn“

Da die statischen Berechnungen im Bauingenieurwesen sehr monoton und mühselig waren, kam Zuse die Idee, diese zu automatisieren. Er kündigte 1935 seine Statiker-Tätigkeit und widmete sich ausschließlich der Umsetzung seiner Pläne,[12] die er in einem Tagebucheintrag vom Juni 1937 beschreibt: „Seit etwa einem Jahr beschäftige ich mich mit dem Gedanken des mechanischen Gehirns.“ Das Resultat war der 1938 fertiggestellte, elektrisch angetriebene mechanische Rechner Z1. Er arbeitete als erster Rechner mit binären Zahlen und besaß bereits ein Ein- / Ausgabewerk, ein Rechenwerk, ein Speicherwerk und ein Programmwerk, das die Programme von gelochten Kinofilmstreifen ablas. Die Z1 arbeitete aufgrund von Problemen mit der mechanischen Präzision nie zuverlässig; die mechanischen Schaltwerke klemmten regelmäßig. Von Charles Babbage – den auch Zuse als „den eigentlichen Vater des Computers“[13] anerkennt – hat er erst lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erfahren.

Für die Z1 entwickelte Zuse die Methode der computergerechten Gleitkommazahlen auf der Grundlage von Mantisse und Exponent. Mit diesem Verfahren berechnet heute jeder gängige Computer, vom Taschenrechner bis zum Cluster, Gleitkommazahlen. Auch die weithin verwendete IEEE-754-Normierung, d. h. die Festlegung auf ein bestimmtes Gleitkommazahlenformat, ist eine Folge von Zuses Grundlagenarbeit.

Noch während er an der Z1 arbeitete, übertrug er die mechanische Schaltung in die elektromechanische Relaistechnik. Zuse erprobte sie zunächst an einem Prototyp Z2, den er 1939 fertigstellte. 1940 führte er das Gerät dem technischen Direktor der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt Günther Bock vor, der sich daraufhin bereit erklärte, die Entwicklung der Z3 mitzufinanzieren.[14]

Z3 – der erste funktionsfähige Computer der Welt

Gedenktafel im TU-Hauptgebäude, in Berlin-Charlottenburg


1941 baute Zuse in den Räumen des Ingenieurbüros, das er inzwischen gegründet hatte, die Z3. Am 12. Mai 1941 stellte Zuse diese von ihm in Zusammenarbeit mit Helmut Schreyer gebaute Rechenmaschine Z3 vor. Es war ein vollautomatischer, in binärer Gleitkommarechnung arbeitender Rechner mit Speicher und einer Zentralrecheneinheit aus Telefonrelais. Berechnungen konnten programmiert werden, jedoch waren keine bedingten Sprünge und Programmschleifen möglich.[15] Die Z3 gilt heute als erster funktionstüchtiger Computer der Welt.[16]

Eine Notiz Zuses aus dem Jahr 1942 zu möglichen Anwendungsfeldern des Rechners nennt unter dem Stichwort „Verwandtschaftslehre“, die Möglichkeit „Verwandtschaftsbeziehungen von zwei beliebigen Menschen A, B zu berechnen“. Praktische Bedeutung sah er in der „systematische[n] Rassenforschung, Ahnenforschung [und als] Unterlage für [die] Vererbungslehre“. Hierfür sei die „Registrierung von bestimmten charakteristischen, eindeutig bestimmbaren Eigenschaften, z. B. Erbkrankheiten (Bluter)“, für „Verwandtschaftsverhältnisse ist eine eindeutige Kurzschrift [?] erforderlich.“[17]

Das Gerät wurde praktisch zur Berechnung einer komplexen Matrix eingesetzt, die zur Untersuchung des Flügelflatterns, das zum Absturz zahlreicher Flugzeuge geführt hatte, benötigt wurde. Allerdings wurde die Z3 nie als „dringlich“ eingestuft und auch nie in den Routinebetrieb übernommen. Nachdem das Original am 21. Dezember 1943 bei einem Bombenangriff zerstört wurde, befindet sich ein funktionsfähiger Nachbau im Deutschen Museum in München. Dieser Nachbau wurde 1962 von der Zuse KG zu Ausstellungszwecken angefertigt.[18]

Der Rechner war nicht dafür konstruiert, Turing-vollständig zu sein und wurde auch nie in diesem Sinne benutzt, was auch nicht sinnvoll möglich gewesen wäre. Allerdings wies Raúl Rojas im Jahr 1998 nach, dass er durch das Ausnutzen gewisser Tricks, wie das Aneinanderkleben des Lochstreifens zu einer Schleife, diese Eigenschaft besitzt. Es ist damit der erste tatsächlich gebaute Rechner, der diese Eigenschaft besaß. Charles BabbagesAnalytical Engine“ wäre ebenfalls Turing-vollständig gewesen, wurde aber nicht fertiggestellt.[19]

Idee zur Prozesssteuerung

Für die Henschel-Flugzeug-Werke entwickelte Konrad Zuse die fest programmierten Spezialrechner S1 (1942) und S2 (1943) zur Flügelvermessung der Henschel-Gleitbombe Hs 293. Dabei kam ihm die Idee, das Ablesen der Messuhren zu mechanisieren. Die dafür gebauten Messgeräte waren die ersten Analog-Digital-Wandler. 1944 verwirklichte Zuse in einem ausgelagerten Werk der Henschel-Flugzeug-Werke in Warnsdorf im Sudetenland die erste Prozesssteuerung per Computer.[20]

Z4 – Grundlage einer deutschen Computerindustrie

Auch die Weiterentwicklung der Z3 wurde von der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt gefördert. Es handelte sich wieder um einen aus Relais aufgebauten elektromechanischen Rechner. Bis dahin waren alle Rechner mit dem Anfangsbuchstaben Z wie „Zuse“ benannt worden. Ein Mitarbeiter kam auf die Idee, das Gerät als V4 zu bezeichnen, um damit zu suggerieren, es handele sich wie die V1 und V2 um Vergeltungswaffen. Unter dieser Tarnung war es möglich, gegen Kriegsende einen Transport nach Göttingen zu organisieren, wo die Z4 im März 1945 in der Aerodynamischen Versuchsanstalt des KWI für Strömungsforschung fertiggestellt wurde. Bei dieser Gelegenheit bekam Zuse auch das Konzentrationslager Mittelbau-Dora und die Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter zu sehen.[21] Es gelang ihm, sich der Gruppe Wernher von Brauns anzuschließen, die nach Bayern flüchtete.

Nach mehreren Zwischenstationen kam Zuses Gruppe nach Hinterstein im Allgäu. Die Z4 wurde im Mehllager einer Bäckerei in Hopferau bei Füssen wiederaufgebaut. Der Erfinder hielt seine Familie mit Malen von Gämsen in Öl für US-amerikanische Touristen über Wasser und unterstützte ortsansässige Bauern bei der Abrechnung ihrer Milcherträge. Das Gerücht von der Z4 sprach sich allerdings herum. Die IBM interessierte sich für die Schutzrechte, um die weitere Entwicklung zu unterdrücken.[22] Mit der Zürcher Remington Rand kam eine Kooperation für programmgesteuerte Rechenlocher zustande. 1949 spürte Prof. Eduard Stiefel von der ETH Zürich Zuse im Allgäu auf und ließ sich die Eignung der Z4 für seine Forschung demonstrieren. Mit ihm kam ein großzügiger Mietvertrag zustande, der Konrad Zuse die notwendigen Mittel verschaffte, um die Zuse KG zu gründen. 1950 war die Z4 der einzige funktionierende Computer in Mitteleuropa und der erste kommerzielle Computer weltweit. Sie wurde einige Monate früher als die UNIVAC installiert. In Schweden gab es 1950 eine ähnliche, stecktafelgesteuerte Maschine namens Bark. Die Z4 war von 1950 bis 1955 an der ETH Zürich in Betrieb. Aus Anlass des 100. Geburtstages von Konrad Zuse veröffentlichte die ETH Zürich eine Festschrift, die die Nutzung des Relaisrechners Z4 in Zürich ausführlich beschreibt, u. a. mit einem eingehenden Zeitzeugenbericht von Prof. Urs Hochstrasser, einer Liste des damaligen Institutpersonals und der noch lebenden Zeitzeugen sowie einer Übersicht über die 55 Aufträge und mathematischen Untersuchungen, die in den fünf Jahren mit der Z4 an der ETH Zürich durchgeführt wurden. Vgl. dazu: Herbert Bruderer, Konrad Zuse und die Schweiz. Zur Sprache kommt auch der Rechenlocher M9 (=Z9), den die Zuse KG als Folgeauftrag für die Schweizer Remington Rand entwickelt und in Serie gebaut hat. Die M9 wurde in Verwaltung, Industrie und Forschung verwendet. Die Erfahrungen mit der Z4 erleichterten den Eigenbau des Röhrenrechners ERMETH (elektronische Rechenmaschine der ETH).

„Plankalkül“ – eine höhere Programmiersprache

1937 entdeckte Zuse während der Arbeiten an seinem ersten Computer den Aussagenkalkül neu. Während der Arbeit an der Z4 erkannte er, dass die Programmierung in Maschinensprache zu aufwändig war und deswegen eine höhere Programmiersprache nötig sein würde. Zunächst dachte er, dass Esperanto dies leisten könnte. In den Jahren 1945/46, als Zuse durch die Kriegsereignisse nicht praktisch arbeiten konnte, entwarf er den „Plankalkül“, konnte ihn aber nicht veröffentlichen. Die Idee zu Programmiersprachen wurde erst zehn Jahre später wieder aufgegriffen, als Sprachen wie Fortran, Algol und Cobol entworfen wurden.[23] Der „Plankalkül“ wäre universeller als diese Sprachen gewesen, ist aber erst im Jahr 1975 im Rahmen einer Dissertation von Joachim Hohmann implementiert worden.[24]

Scheitern des Patentanspruchs

Zuse hatte schon vor dem Krieg mehrere Patente angemeldet. Am wichtigsten war jedoch eine Patentanmeldung von 1941, in der er die Z3 beschrieb. Die deutschen Prüfer hatten gegen Zuses Ansprüche keine Einwände, und das Patent wurde 1952 bekanntgemacht. Dagegen erhoben Triumph, später auch IBM Einspruch. Der Prozess zog sich durch sämtliche Instanzen, bis das Bundespatentgericht 1967 zur endgültigen Entscheidung kam, dass dem Erfinder des Computers „mangels Erfindungshöhe“ kein Patent erteilt werden könne.[25] Auf die Idee, die Prozesssteuerung zu patentieren, kam Zuse nie. Zuse meldete insgesamt 58 Patente an, aber nur acht wurden anerkannt.[2]

Zuse KG

Konrad Zuses Werkstatt in Neukirchen (2010)
Zuse Z11

Nach dem Krieg gründete Zuse 1949 in Neukirchen im damaligen Kreis Hünfeld die Zuse KG. Weitere Computer wurden gebaut, die Typenbezeichnung war immer ein Z und eine fortlaufende Nummer. Mit der Z5 berechnete Leitz Objektive. Herausragend war die noch in Relaistechnik ausgeführte Z11, die der optischen Industrie, Universitäten und Flurbereinigungsbehörden verkauft wurde. Mit der Einführung der Elektronik begann eine neue Zählung, und die Z22 wurde 1955 zum ersten in Röhrentechnik aufgebauten Computer von Zuse. Die Daten wurden in einem Magnetspeicher gespeichert.

Zuse Graphomat Z64

1957 wurde der Firmensitz von Neukirchen nach Bad Hersfeld verlegt. Bis 1967 baute die Zuse insgesamt 251 Computer. Zuse entwickelte auch den ersten Plotter, den „Graphomat Z64“. Das schnelle Wachstum überforderte jedoch das Unternehmen; Banken waren nur gegen hohe Zinsen bereit, Kredite für das ihnen unbekannte Computergeschäft zu geben, eine staatliche Forschungsförderung gab es noch nicht, und als es zu Verzögerungen bei der Auslieferung der Z25 kam, stand der Hersteller vor dem Ruin.[26] Ab 1964 stieg Zuse als aktiver Teilhaber aus der Gesellschaft aus, sie wurde zunächst von der deutschen BBC in Mannheim, Anfang 1967 dann von Siemens übernommen.

„Rechnender Raum“

Während seines Aufenthalts in Hinterstein 1945/1946 war Zuse zum ersten Mal der Gedanke gekommen, dass der Kosmos selbst als gigantische Rechenmaschine aufgefasst werden könnte.[27] Er baute ihn zur Idee des „Rechnenden Raums“ aus. 1969 schrieb Zuse unter diesem Titel ein Buch, in dem er eine Theorie der zellulären Automaten entwickelte und sie, ähnlich wie später Stephen Wolfram, auch auf die Kosmologie anwandte. Er legte damit einen der Grundsteine der digitalen Physik.

Automatisch gesteuertes Abblendlicht

Bereits 1958 wurde Zuse ein Patent unter der Registriernummer 1190413 mit dem Titel „Fotoelektrisch durch Gegenlicht steuerbare Beleuchtungseinrichtung“ erteilt. Darin beschreibt er, wie sich die maximale Ausleuchtung der Straße mit minimaler Störung des Gegenverkehrs verwirklichen ließe. Zuse wollte mittels Fotodioden z. B. Gegenverkehr erkennen und mit einer Spiegelkonstruktion automatisch abblenden. Allerdings war die Umsetzung mit damaliger Technik zu unzuverlässig. Erst mit der aktuellen LED-Technologie wurde diese Erfindung reif für die Serienproduktion.[28]

Zuse als Künstler

Flaches Computerteil (mit Aussparung für den Daumen) mit Farbklecksen. Außerdem ein Erklärungstext
Konrad Zuses Farbpalette, die aus einem alten Computerteil besteht. (Aus der Ausstellung im ZCOM)

Schon während seiner Jugendzeit hatte Zuse ein Talent, seine Visionen auch in künstlerischer Form auf Papier zu bringen. „Ich habe zwar kein Kunststudium, aber ein Informatikstudium habe ich auch nicht,“ sagte er über sich selbst. Seine Ölgemälde, Kreidezeichnungen und Linolschnitte signierte er zeitweise mit dem Pseudonym Kuno See. In seinem gesamten Leben hat er über 500 Bilder gemalt.[2] Ein Großteil des künstlerischen Nachlasses befindet sich in der Staatlichen Graphischen Sammlung München. Einige Werke sind im Hünfelder Konrad-Zuse-Museum und im Astronomisch-Physikalischen Kabinett in Kassel ausgestellt. Anlässlich des einhundertsten Geburtstages Zuses zeigte das Weiterbildungsinstitut (WbI) in Oberhausen eine Ausstellung von mehr als 130 Werken von Zuse.[29] 2012 wurden im Rahmen der documenta 13 in Kassel Bilder von Konrad Zuse ausgestellt.[30]

Eines seiner letzten Bilder malte er von Bill Gates und übergab ihm das Porträt auf der Cebit 1995.[31][32] Gates hängte es in seinem Büro auf.

Publikationen (Auswahl)

  •  Konrad Zuse: Rechnender Raum. In: Elektronische Datenverarbeitung. 8, 1967, S. 336–344 ([1]).
  •  Konrad Zuse: Rechnender Raum (= Schriften zur Datenverarbeitung). Vieweg, Braunschweig 1969, ISBN 3-528-09609-8.

Siehe auch

Literatur

Belletristik

  • Friedrich Christian Delius: Die Frau, für die ich den Computer erfand. Biographischer Roman, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2009, ISBN 978-3-87134-642-2.

Weblinks

Commons: Konrad Zuse - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikiquote: Konrad Zuse – Zitate

Einzelnachweise

  1. Zuse 1993, S. 2.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5  Kristina R. Zerges, S. Terp: Konrad Zuse. Der Vater des Computers (= Berühmte Alumni der Technischen Universität Berlin). omnisatz GmbH, Berlin.
  3. Zuse 1993, S. 159.
  4. Zuse 1993, S. 19.
  5. 5,0 5,1 Zuse 1993, S. 32.
  6. Der Schwarze Ring. Mitgliederverzeichnis. Darmstadt 1930, S. 41.
  7. Zuse 1993, S. 57f.
  8. Zuse 1993, S. 67.
  9. Rassenforschung am Rechner. In: Der Spiegel. 24, 14. Juni 2010, S. 118 f.
  10. Zuse 1993, S. X.
  11. Reinhold Schönefeld: Wat isn datte? Ex-Professor Reinhold Schönefeld erinnert sich an Konrad Zuse und dessen Zeit in Ilmenau. Thüringer Allgemeine, 22. Juni 2010. Originalartikel der Thüringer Allgemeinen
  12. Zuse 1993, S. 29.
  13. Zuse 1993, S. 30.
  14. Zuse 1993, S. 55.
  15. Zuse 1993, S. 76f, schreibt, dass er die Möglichkeit zu bedingten Sprüngen zwar gesehen hat, aber eine Scheu davor hatte, sie zu ermöglichen, weil dadurch der Programmablauf unübersehbar wurde.
  16. Interview mit Konrad Zuse (Memento vom 23. Juni 2012 im Internet Archive)
  17. Abdruck der Notiz Zuses im Katalog des Deutschen Museums zur Zuse-Ausstellung, S. 109.
  18. Zuse 1993, S. 57.
  19. Andreas Stiller: Der Rechenplaner / Zum hundertsten Geburtstag von Konrad Zuse
  20. Zuse 1993, S. 62–65.
  21. Zuse 1993, S. 81f.
  22. Zuse 1993, S. 102.
  23. Zuse 1993, S. 91f.
  24. Joachim Hohmann: Der Plankalkül im Vergleich mit algorithmischen Sprachen. Reihe Informatik und Operations Research, S. Toeche-Mittler Verlag, Darmstadt 1979, ISBN 3-87820-028-5.
  25. Zuse 1993, S. 97–100.
  26. Zuse 1993, S. 137f.
  27. Zuse 1993, S. 93.
  28. Daimler Benz AG: Es werde Licht: Die Leuchtkraft der LED-Technologie, abgerufen am 5. November 2016.
  29. WbI feiert den Künstler Konrad Zuse. auf: weiterbildungsinstitut.de
  30. Matthias Lohr: Auch Zuse ist dabei: Carolyn Christov-Bakargiev stellte documenta-Künstler vor. Meldung bei HNA.de vom 4. September 2011; siehe auch: Ausstellungskatalog dOCUMENTA 13, Kassel 2012.
  31. Zu zeichnet Gates, Der Spiegel 1. März 1995
  32. Computerpionier Konrad Zuse: Verbitterung und Flucht in die Malerei, Süddeutsche Zeitung, 21. Juni 2010
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