Lymphatisches System

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Lymphkapillaren (grün)

Das lymphatische System (lat.-anat. Systema lymphaticum[1], Systema lymphoideum[2], Systema lymphaceum[3], Systema lymphare[4] oder Lymphsystem; Lymphe = „Körperwasser“, zu lat. lympha, ‚klares Wasser‘[5]) ist ein Teil des Abwehrsystems (Immunsystems) der Wirbeltiere gegen Krankheitserreger, Fremdpartikel und krankhaft veränderte Körperbestandteile (z. B. Tumorzellen). Es gliedert sich in die lymphatischen Organe und das Lymphgefäßsystem. Das Lymphgefäßsystem hat neben der Funktion im Abwehrsystem auch eine Bedeutung beim Flüssigkeitstransport und steht in enger Beziehung zum Blutkreislauf. Es wurde erstmals im 17. Jahrhundert von Olaus Rudbeck und Thomas Bartholin unabhängig voneinander beschrieben.[6]

Übersicht

Anders als das Herz-Kreislauf-System ist das Lymphsystem kein geschlossenes System. Das menschliche Kreislaufsystem verarbeitet durchschnittlich 20 Liter Blut pro Tag durch Kapillarfiltration, bei der das Plasma aus dem Blut entfernt wird. Etwa 17 Liter des gefilterten Plasmas werden direkt in die Blutgefäße rückresorbiert, während die restlichen drei Liter in der Zwischenzellflüssigkeit verbleiben. Eine der Hauptfunktionen des Lymphsystems besteht darin, für die überschüssigen drei Liter einen zusätzlichen Rückweg zum Blut zu schaffen.[7]

Die andere Hauptfunktion ist die der Immunabwehr. Die Lymphe ist dem Blutplasma sehr ähnlich, da sie neben Bakterien und Proteinen auch Abfallprodukte und Zellreste enthält. Bei den Zellen der Lymphe handelt es sich hauptsächlich um Lymphozyten. Die assoziierten lymphatischen Organe bestehen aus lymphatischem Gewebe und sind entweder die Orte der Lymphozytenproduktion oder der Lymphozytenaktivierung. Dazu gehören die Lymphknoten (wo die höchste Lymphozytenkonzentration zu finden ist), die Milz, der Thymus und die Mandeln. Die Lymphozyten werden zunächst im Knochenmark gebildet. Die lymphatischen Organe enthalten auch andere Zelltypen wie Stromazellen zur Unterstützung.[8] Lymphatisches Gewebe ist auch mit Schleimhäuten verbunden, wie z. B. dem schleimhautassoziierten lymphatischen Gewebe (MALT).[9]

Flüssigkeit aus dem zirkulierenden Blut sickert durch Kapillarwirkung in die Gewebe des Körpers und transportiert Nährstoffe zu den Zellen. Die Flüssigkeit umspült das Gewebe als interstitielle Flüssigkeit, in der sich Abfallprodukte, Bakterien und geschädigte Zellen sammeln, und fließt dann als Lymphe in die Lymphkapillaren und Lymphgefäße ab. Diese Gefäße transportieren die Lymphe durch den ganzen Körper und passieren dabei zahlreiche Lymphknoten, die unerwünschte Stoffe wie Bakterien und beschädigte Zellen herausfiltern. Die Lymphe gelangt dann in viel größere Lymphgefäße, die als Lymphbahnen bezeichnet werden. Der rechte Lymphkanal entwässert die rechte Seite der Region, der viel größere linke Lymphkanal, der so genannte Thoraxkanal, entwässert die linke Seite des Körpers. Die Gänge münden in die Subclavia-Venen, um in den Blutkreislauf zurückzukehren. Die Lymphe wird durch Muskelkontraktionen durch das System bewegt.[10] Bei einigen Wirbeltieren ist ein Lymphherz vorhanden, das die Lymphe zu den Venen leitet.[10][11]

Lymphatische Organe

Die lymphatischen Organe sind spezialisierte Organe zur Differenzierung und Vermehrung der Lymphozyten. Sie werden in primäre und sekundäre lymphatische Organe unterteilt.

In den primären lymphatischen Organen erfolgt die Differenzierung von Vorläuferzellen in immunkompetenten T- bzw. B-Lymphozyten:

In den sekundären lymphatischen Organen wird durch Zusammentreffen von Antigenen und immunkompetenten Lymphozyten eine spezifische Immunantwort ausgelöst:

Milz und Knochenmark übernehmen darüber hinaus noch Funktionen bei Bildung, Speicherung und Abbau des Blutes.

Nach der Gewebszusammensetzung unterscheidet man lymphoepitheliale und lymphoretikuläre Organe.

Lymphgefäßsystem

Hauptartikel: Lymphgefäß
Das Lymphgefäßsystem des Menschen ohne die Hirnhaut

Das Lymphgefäßsystem beginnt als Lymphkapillaren in der Peripherie, diese enden also „blind“. Die Lymphkapillaren vereinigen sich zu größeren Lymphgefäßen. In diese Lymphgefäße sind die Lymphknoten als Filterstationen integriert. Dadurch dienen Lymphgefäße auch der Verbreitung der Lymphozyten. Die Lymphgefäße vereinigen sich zu Lymphsammelstämmen, die in die Venenwinkel und damit in die obere Hohlvene und somit in das Venensystem münden. Im Gegensatz zum Blutkreislauf gibt es also keinen „Lymphkreislauf“. Im Lymphsystem werden pro Tag etwa 2 Liter Lymphflüssigkeit transportiert. Der Transport der lymphpflichtigen Flüssigkeit erfolgt entweder passiv durch die Bewegung der Gliedmaßen und das Zusammenpressen der Lymphgefäße oder aktiv durch die nicht geordneten Kontraktionen der einzelnen Lymphangione (Lymphherzen). Lymphangione sind Lymphgefäßabschnitte mit verdickter Wand, begrenzt durch Ventilklappen, deren glatte Muskulatur sich etwa zehn Mal pro Minute zusammenzieht. Die Lymphflüssigkeit folgt dann dem geringsten Widerstand in Richtung der sich nach proximal erweiternden Lymphgefäße. Durch eine manuelle Drainage und Intermittierende pneumatische Kompression können die Lymphangione angeregt werden und somit etwa sechzig Mal pro Minute kontrahieren.

Neben der Bedeutung bei der Lymphozytenzirkulation spielt das Lymphgefäßsystem eine wichtige Rolle für den Flüssigkeitsabtransport aus den verschiedenen Körperteilen. Teile des Blutes treten im Kapillarbett der Gewebe als interzelluläre Flüssigkeit (Gewebswasser) aus. Diese Gewebsflüssigkeit wird zum einen über die Venen, zum anderen Teil aber als Lymphe über die Lymphgefäße abgeleitet. Die über das Lymphgefäßsystem transportierte Flüssigkeit mündet schließlich in die obere Hohlvene, womit beide Körperflüssigkeiten (Lymphe und Blut) wieder vereint sind. Über das Lymphgefäßsystem werden auch die im Darm resorbierten Fette in den Blutkreislauf transportiert.

Aussparung von Gehirn und Rückenmark

Zum besonderen Schutz von Gehirn und Rückenmark (ZNS) bestehen nicht nur die Filtersysteme der Blut-Hirn-Schranke und der Blut-Liquor-Schranke sondern auch die Aussperrung des lymphatischen Systems. Es reicht von außen nur bis in die Hirnhaut. Dort allerdings besteht eine Zufuhr vom gehirneigenen Entsorgungssystem, dem glymphatischen System, wodurch auch das ZNS indirekt an das lymphatisches System angeschlossen ist.[12][13]

Siehe auch

Literatur

  • Uwe Gille: Herz-Kreislauf- und Abwehrsystem, Angiologia. In: F.-V. Salomon u. a. (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. Enke-Verlag Stuttgart, 2. Aufl. 2008, S. 404–463. ISBN 978-3-8304-1075-1

Weblinks

Commons: Lymphatisches System - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Lymphsystem – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. W. His: Die anatomische Nomenclatur. Nomina Anatomica. Der von der Anatomischen Gesellschaft auf ihrer IX. Versammlung in Basel angenommenen Namen. Verlag Veit & Comp., Leipzig 1895.
  2. Federative Committee on Anatomical Terminology (FCAT): Terminologia Anatomica. Thieme, Stuttgart 1998.
  3. A.J.P. van den Broek, J. Boeke, J.A.J. Barge: Leerboek der beschrijvende ontleedkunde van de mens. Deel I. Geschiedenis der ontleedkunde, bewegingsorganen, vaatstelsel. 8. Auflage. N.V. A. Oosthoek’s Uitgeverij Mij., Utrecht 1954 (niederländisch).
  4. H. Triepel: Nomina Anatomica. Mit Unterstützung von Fachphilologen. Verlag J.F. Bergmann, Wiesbaden 1910.
  5. C.T. Lewis, C. Short: A Latin dictionary founded on Andrews' edition of Freund's Latin dictionary. Clarendon Press, Oxford 1879 (englisch).
  6. Eriksson G: [Olaus Rudbeck as scientist and professor of medicine]. In: Svensk Medicinhistorisk Tidskrift. 8, Nr. 1, 2004, S. 39–44. PMID 16025602.
  7. Lauralee Sherwood: Human Physiology: From Cells to Systems. Cengage Learning, January 1, 2012, ISBN 9781111577438.
  8. Tak W. Mak, Mary E. Saunders, Mary E. Saunders: Primer to the immune response. Academic Press, 2008, ISBN 978-0-12-374163-9, S. 28–.
  9. Roger Warwick, Peter L. Williams: Angiology (Chapter 6). In: Gray's anatomy, Thirty-fifth. Auflage, Longman, London, S. 588–785.
  10. 10,0 10,1 Peyrot SM, Martin BL, Harland RM: Lymph heart musculature is under distinct developmental control from lymphatic endothelium. In: Developmental Biology. 339, Nr. 2, March 2010, S. 429–38. doi:10.1016/j.ydbio.2010.01.002. PMID 20067786. PMC 2845526 (freier Volltext).
  11. Jeltsch M, Tammela T, Alitalo K, Wilting J: Genesis and pathogenesis of lymphatic vessels. In: Cell and Tissue Research. 314, Nr. 1, October 2003, S. 69–84. doi:10.1007/s00441-003-0777-2. PMID 12942362.
  12. N. A. Jessen, A. S. Munk, I. Lundgaard, M. Nedergaard: The Glymphatic System: A Beginner's Guide. In: Neurochemical research. Band 40, Nummer 12, Dezember 2015, S. 2583–2599, doi:10.1007/s11064-015-1581-6, PMID 25947369, PMC 4636982 (freier Volltext) (Review).
  13. D. Raper, A. Louveau, J. Kipnis: How Do Meningeal Lymphatic Vessels Drain the CNS? In: Trends in neurosciences. Band 39, Nummer 9, September 2016, S. 581–586, doi:10.1016/j.tins.2016.07.001, PMID 27460561, PMC 5002390 (freier Volltext) (Review).
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