Meditation

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Der ganz Irdische, Natürliche, Finstere Mensch in Sternen und Elementen, Johann Georg Gichtel: Theosophia Practica, Berlin/Leipzig 1736
Der wiedergeborene Mensch In seiner Geburt in Christo, im Herzen, Welcher die Schlange ganz zermalmet, Johann Georg Gichtel: Theosophia Practica, Berlin/Leipzig 1736

Die Meditation (von lat. meditatio „Nachsinnen, Nachdenken“; aus griech. μέδομαι medomai „denken, sinnen“, aber auch aus griech. μελέτη melete „Übung, Praxis“ als Übersetzung aus hebr. הָגָה hagah „seufzen, klagen, murmeln“[1] im Alten Testament) ist eine grundlegende geistige Übung, ein „beschauliches Nachdenken“ (Lit.:GA 10, S. 38), bei der durch geeignete Seelenübungen die willentliche Konzentration auf eine Tätigkeit, eine Wahrnehmung, einen Gedanken oder ähnliches die Seelenkräfte gestärkt und durchformt werden. Es werden dadurch allmählich im Astralleib seelische Organe ausgebildet, die zu einer höheren geistigen Wahrnehmung und einem damit verbundenen höheren Bewusstseinszustand führen.

„Zu diesen Übungen gehört die Konzentration, das ist das Richten der Aufmerksamkeit auf ganz bestimmte mit den Weltgeheimnissen zusammenhängende Vorstellungen und Begriffe. Und es gehört ferner dazu das Meditieren, das ist das Leben in solchen Ideen, das vollkommene Versenken in dieselben in vorgeschriebener Art. Durch Konzentrieren und Meditieren arbeitet der Mensch an seiner Seele.“ (Lit.:GA 10, S. 176)

Katharsis

Hauptartikel: Katharsis

In rechter Weise werden die seelischen Wahrnehmungsorgane aber nur ausgebildet, wenn der Astralleib zuvor einer gründlichen Reinigung (Katharsis) unterworfen wurde. Geschieht dies nicht, so werden durch die Meditationsübung auch alle noch im Astralleib waltenden negativen Kräfte, wie etwa Eitelkeit, Unehrlichkeit, Neid usw., verstärkt und der Geistesschüler dadurch auf moralisch bedenkliche Abwege geführt. Es gilt daher als goldene Regel für jedes geistige Erkenntnisstreben:

„Und diese goldene Regel ist: wenn du einen Schritt vorwärts zu machen versuchst in der Erkenntnis geheimer Wahrheiten, so mache zugleich drei vorwärts in der Vervollkommnung deines Charakters zum Guten.“ (Lit.:GA 10, S. 65)

„Zur heiligen Pflicht sollte es sich jeder Meditant machen, gleich nach dem Erwachen seine Meditation vorzunehmen, oder es sollte doch jedenfalls sein erster Gedanke sein, dankbar an die hohen Wesenheiten zu denken. Eine noch heiligere Pflicht, wenn es eine solche geben kann, sollte es für jeden esoterischen Schüler sein, sich klar zu machen, wie er nicht nur sich, nicht nur seinen Mitmenschen, sondern auch den höheren geistigen Wesenheiten ein großes Unrecht zufügt, wenn er mit unreinen Gedanken und Gefühlen an die Meditation herangeht. Er verunreinigt dadurch die geistigen Sphären. Die Kräfte, die angewandt werden müssen, um diese Verunreinigung wieder zu beseitigen, werden dem Fortschritt der Menschheit entzogen.

Man kann mit ziemlicher Konzentration seine Übungen und Exerzitien durchführen und doch dabei in sich unheilig sein. Dieses Durchführen der Meditation ist lediglich Sache des Willens. Der soll selbstverständlich gefestigt und entwickelt werden. Aber dabei muß das ganze innere Leben geheiligt werden, so daß nur Heiliges, Hohes während der Meditation in unserer Seele lebt. Wie man nicht mit unreinen Gefühlen und Gedanken in die Meditation hereingehen soll, so soll man auch nicht mit solchen Gedanken abends in den Schlaf übergehen. Auch dadurch bringen wir Unreinigkeit in die göttlichen Sphären, wenn wir Gedanken des Hochmuts, der Eitelkeit und des Stolzes in die göttlichen Welten mit hinübernehmen. Mit Gedanken der Ehrfurcht und des Dankes für die göttlichen Wesenheiten sollten wir einschlafen, denn nicht eine Minute könnten wir länger leben, während unser Astralleib und Ich im Schlafe heraußen sind, wenn nicht göttlich-geistige Wesenheiten unseren physischen und Ätherleib währenddessen erhielten. Mit Ehrfurcht vor den großen göttlichen Wesenheiten sollten wir einschlafen.“ (Lit.:GA 266b, S. 71f)

Nebenübungen

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Hauptartikel: Nebenübungen

Die Nebenübungen, auch die sechs Eigenschaften genannt, dienen der Stärkung des Seelenlebens und sind eine wesentliche Vorbedingung für jeden, der eine geistige Schulung anstrebt. Diese Nebenübungen müssen stets die meditativen Hauptübungen begleiten. Indem man sich in diesen sechs Eigenschaften übt, wird die 12-blättrige Lotosblume, das Herzchakra, regelmäßig ausgebildet, wird aktiv und beginnt sich zu drehen.

„Die Nebenübungen bilden die an uns für den physischen Plan notwendigen Eigenschaften aus, als da sind Gelassenheit, Gedankenkontrolle usw.

Allmählich werden wir dann ein Fach in unserem Herzen, in unserer Seele haben, in dem wir unser Heiligstes bewahren, in dem wir Esoteriker sind, während wir draußen im Leben stehen auf dem physischen Plan. Daß es dabei ohne Kampf nicht abgeht, das ist selbstverständlich. Als Esoteriker müssen wir ein Kämpfer werden.

Gedanken, die auf uns einstürmen, sind die uns umflatternden Wesenheiten der geistigen Welt, die, je mehr wir versuchen, sie abzuhalten, immer stärker auf uns einstürmen. Wir sollten darüber nicht klagen, nein, «sei froh, daß dem so ist», darf man dem Schüler sagen, denn das ist ein Erfolg der Meditation, der zeigt, daß Gedanken eine geistige Macht sind. Mut und Furchtlosigkeit und Vertrauen, das braucht der Esoteriker.“ (Lit.:GA 266b, S. 345)

Die praktische Meditationsarbeit soll keine Zeit rauben

In einem Brief an Horst von Henning vom 12. August 1904 heißt es:

„Praktische Meditationsarbeit während einer Erholungszeit zu beginnen, ist nicht gut. Weder für die Gesundheit, noch für die Meditation. Raten kann ich Ihnen nur, wenn Sie Meditation üben wollen, sie während der ganz gewöhnlichen Berufstätigkeit zu beginnen. Denn Meditation soll keine Zeit rauben. Das ist sogar Grundbedingung, wenn sie fruchtbar sein soll.“ (Lit.:GA 264, S. 69)

Meditation und Freiheit

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„Nicht wahr, solche Meditationen werden einfach gemacht dann, wenn man die Muße für sie findet. Je öfter, desto besser. Sie werden immer die entsprechende Wirkung haben. Es sollte gerade bei solchen Meditationen sich wirklich darum handeln, persönliche Entwickelung anzustreben. Man sollte aus dem, was sich da dem Geiste ergibt, dann den Zusammenschluß suchen und findet ihn auch, so daß eigentlich am bedrückendsten sein müßte, wenn in ganz bestimmter Weise Maßregeln gegeben würden, um diese Meditationen, sei es von einzelnen oder von einer ganzen Gruppe, wie Sie sagen, gleichzeitig machen zu lassen. Das alles führt ja auch dazu, daß die Meditation etwas verliert, was sie eigentlich haben soll. Sehen Sie, jede Meditation wird beeinträchtigt dadurch, daß man von der Verpflichtung ausgeht, sie zu machen. Das müssen Sie sehr genau ins Auge fassen. Jede Meditation wird dadurch beeinträchtigt, daß man von der Verpflichtung ausgeht, sie machen zu müssen. Deshalb ist es bei den persönlichen Meditationen durchaus notwendig, daß diese persönliche Meditation allmählich übergeht in etwas im Menschen, was er seelisch empfindet wie einen Durst nach der Meditation. Und diejenigen Menschen machen eigentlich ihre Morgen- und Abendmeditation, die sie zu machen haben, am richtigsten, denen dürstet nach der Meditation, so wie der Mensch ißt, wenn ihn hungert. Wenn die Meditation etwas wird, ohne das man nicht sein kann, daß man der Seele gegenüber fühlt, als ob es zum ganzen Leben der Seele gehörte, dann ist die Meditation richtig empfunden.“ (Lit.:GA 316, S. 158)

„Über die Meditation soll man nicht «mystisch» denken, aber man soll auch nicht leicht über sie denken. Die Meditation muß etwas völlig Klares sein in unserem heutigen Sinne. Aber sie ist zugleich etwas, zu dem Geduld und innere Seelenenergie gehört. Und vor allen Dingen gehört etwas dazu, was niemand einem anderen Menschen geben kann: es gehört dazu, daß man sich selber etwas versprechen und es dann halten kann. Wenn der Mensch einmal beginnt, Meditationen zu machen, so vollzieht er damit die einzige wirklich völlig freie Handlung in diesem menschlichen Leben. Wir haben in uns immer die Tendenz zur Freiheit, auch ein gut Teil der Freiheit verwirklicht. Aber wenn wir nachdenken, werden wir finden: wir sind mit dem einen abhängig von unserer Vererbung, mit dem anderen von unserer Erziehung, mit dem dritten von unserem Leben. Und fragen Sie sich, inwiefern wir imstande sind, das was wir durch Vererbung, durch Erziehung und durch das Leben uns angeeignet haben, plötzlich zu verlassen. Wir wären ziemlich dem Nichts gegenübergestellt, wenn wir das plötzlich verlassen wollten. Wenn wir uns aber vornehmen, abends und morgens eine Meditation zu machen, damit wir allmählich lernen, in die übersinnliche Welt hineinzuschauen, dann können wir das jeden Tag unterlassen. Nichts steht dem entgegen. Und die Erfahrung lehrt auch, daß die meisten, die mit großen Vorsätzen an das meditative Leben herangehen, es sehr bald wieder unterlassen. Wir sind darin vollständig frei. Es ist dieses Meditieren eine urfreie Handlung. Können wir uns trotzdem treu bleiben, versprechen wir uns, nicht einem anderen, sondern nur uns selber einmal, daß wir diesem Meditieren treu bleiben, dann ist das an sich eine ungeheure Kraft im Seelischen, dieses sich einfach treu bleiben können.“ (Lit.:GA 305, S. 79f)

Opfer des Intellekts

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Zu beachten ist auch, dass während der Meditation das eigene Denken zu schweigen hat. Nur wenn wir uns unseres Denkens enthalten, kann sich die geistige Welt in uns in ihrer eigenen Gestalt kundgeben. Durch die Meditation wird zwar unsere Denkkraft gestärkt, aber sie dient nun nicht mehr unserem eigenen Nachdenken, sondern sie wird zum seelischen Wahrnehmungsorgan umgebildet. Ohne das Opfer des Intellekts ist eine höhere geistige Erkenntnis nicht möglich.

„Nun, nicht wahr, die Meditation besteht aus folgendem: Als moderner Mensch haben Sie jedem Satz gegenüber das Gefühl, Sie müssen ihn verstehen. Das ist eine ausgesprochene Tätigkeit des Ich in der gegenwärtigen Inkarnation. Alles dasjenige, was Sie intellektuell tun, ist eine ausgesprochene Betätigung des Ich. Der Intellekt ist in der gegenwärtigen Inkarnation [vorherrschend] und alles übrige ist vom Ich zugedeckt, wirkt höchstens traumhaft hinauf und ist unbewußt. Dagegen heißt nun meditieren: ausschalten dieses intellektuelle Streben und den Meditationsinhalt zunächst so nehmen, wie er gegeben ist, rein, ich möchte sagen zunächst dem Wortlaute nach, so daß Sie, wenn Sie intellektuell an den Meditationsinhalt herangehen, bevor Sie den Meditationsinhalt in sich aufnehmen, Ihr Ich in Bewegung bringen, denn Sie denken nach über den Meditationsinhalt, Sie haben ihn außer sich. Wenn Sie den Meditationsinhalt, einfach wie er gegeben ist, in Ihrem Bewußtsein anwesend sein lassen, gar nicht nachdenken, sondern im Bewußtsein anwesend sein lassen, dann arbeitet in Ihnen nicht Ihr Ich aus der gegenwärtigen Inkarnation, sondern das aus der vergangenen. Sie halten stille den Intellekt; Sie versetzen sich einfach in den Wortinhalt, den Sie innerlich, nicht äußerlich hören, als Wortinhalt hören. In das versetzen Sie sich, und indem Sie sich in das versetzen, arbeitet im Meditationsinhalt Ihr innerer Mensch, der nicht derjenige ist der gegenwärtigen Inkarnation. Dadurch aber wird der Meditationsinhalt nicht zu etwas, was Sie verstehen sollen, sondern das real in Ihnen wirkt und so real in Ihnen arbeitet, daß Sie zuletzt gewahr werden, jetzt habe ich etwas erlebt, was ich früher nicht erleben konnte. Nehmen Sie einen einfachen Meditationsinhalt, den ich oftmals gegeben habe: «Weisheit lebt im Licht.» Nun, nicht wahr, wenn man darüber nachdenkt, kann man darüber furchtbar viel Gescheites, aber ebensoviel furchtbar Törichtes herausbekommen. Er ist da, um innerlich gehört zu werden: «Weisheit lebt im Licht.» Da paßt in Ihnen auf, wenn Sie ihn so innerlich hören, dasjenige, was da ist, nicht aus der gegenwärtigen Inkarnation, sondern dasjenige, was Sie sich mitgebracht haben aus früheren Erdenleben. Und das denkt und das empfindet, und es leuchtet auf nach einiger Zeit in Ihnen etwas, was Sie früher nicht gewußt haben, was Sie auch nicht aus Ihrem eigenen Intellekt heraus denken können. Sie sind innerlich viel weiter als Ihr Intellekt ist. Der enthält nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was da ist.“ (Lit.:GA 316, S. 145f)

Meditation als mittlerer Zustand zwischen Denken und Wahrnehmung

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„In dem einsamen Denken liegt wiederum die luziferische Verlockung; in dem bloßen Hinhorchen, in dem bloßen Wahrnehmen liegt das ahrimanische Element. Man kann aber einen mittleren Zustand einhalten, sozusagen zwischendurchgehen. Man braucht weder bloß zu verweilen in dem abstrakten, grüblerischen Denken, wobei man sich einsiedlerisch in der Seele abschließt, noch sich hinzugeben dem bloßen Hinhören und Hinsehen auf das, was die Ohren und Augen wahrnehmen können. Man kann noch ein anderes tun, indem man das, was man denkt, innerlich so lebendig macht, so kraftvoll macht, daß man den eigenen Gedanken wie etwas Lebendiges vor sich hat und in ihn lebendig sich vertieft wie in etwas, was man draußen hört und sieht, so daß der eigene Gedanke so konkret wird wie das, was man hört oder sieht. Das ist ein mittlerer Zustand. In dem bloßen Gedanken, der dem Grübeln zugrunde liegt, da liegt das Herantreten des Luzifer an den Menschen; in dem bloßen Hinhören, sei es durch das Wahrnehmen oder sei es durch die Autorität der Menschen, liegt das ahrimanische Element. Wenn man innerlich erkraftet und erweckt die Seele, daß man seinen Gedanken gleichsam hört oder sieht, dann hat man das Meditieren. Das Meditieren ist ein mittlerer Zustand. Es ist weder Denken noch Wahrnehmen. Es ist ein Denken, das so lebendig in der Seele lebt, wie das Wahrnehmen lebendig lebt, und es ist ein Wahrnehmen, das nicht Äußeres, sondern Gedanken in der Wahrnehmung hat. Zwischen dem luziferischen Element des Gedankens und dem ahrimanischen Element der Wahrnehmung fließt hin das Seelenleben im Meditieren als in dem göttlich-geistigen Element, das nur den Fortschritt der Welterscheinungen in sich trägt. Der meditierende Mensch, der in seinen Gedanken so lebt, daß sie lebendig in ihm werden, wie Wahrnehmungen in ihm sind, lebt in dem göttlichen Dahinströmen. Rechts hat er den bloßen Gedanken; links das ahrimanische Element, das bloße Hinhorchen; und er schließt nicht das eine und das andere aus, sondern weiß, daß er in einer Dreiheit lebt, daß die Zahl das Leben regelt. Und er weiß, daß eine Polarität, ein Gegensatz da ist, ein Gegensatz zweier Dinge, zwischen denen sich das Meditieren hinströmend bewegt. Und er weiß auch, daß maßvoll das luziferische und das ahrimanische Element hier in dem Meditieren sich das Gleichgewicht halten müssen.“ (Lit.:GA 147, S. 98f)

Hindernisse bei der Meditation

„Wenn man sich zum Meditieren hinsetzt, soll man dafür sorgen, daß es um einen herum im Zimmer nicht zu warm und auch nicht zu kalt ist, damit man so wenig wie möglich Hindernisse von dem physischen Leibe her empfindet. Das erste, was auftreten wird, ist eine Art von innerer Unruhe, als ob es in unserem Blute stechen und krabbeln würde, so daß man sich dadurch abgelenkt fühlt; ja, es kann sogar bis zu einem Rauschen des Blutes werden. Es werden nun vielleicht diejenigen, die solches nicht erlebt haben, meinen können, daß sie deshalb besser meditieren. Das ist aber nicht der Fall, denn dieses Stechen im Blute muß schließlich ein jeder mehr oder weniger erfahren, und es ist gerade ein Beweis dafür, daß man auf dem richtigen Wege ist, denn dadurch wird uns etwas zum Bewußtsein gebracht, das man im gewöhnlichen Leben immer gerne übersieht. Durch das Stechen und Prickeln des Blutes kommt uns nämlich der Egoismus zum Bewußtsein, mit dem wir noch behaftet sind und der uns daran hindert, in die geistige Welt hineinzugelangen. Das wird uns zunächst verhindern, die nötige Ruhe zu erwerben, aber bei einem kräftigen Fortsetzen der Meditation wird man es so weit bringen, daß dieses Prickeln, während es vorhanden ist, uns nicht mehr stören kann.

Ein zweites Hindernis, das sich bei der Meditation auftut, ist eine Art von Atemnot. Während man vorher den Atem regelmäßig verlaufend fühlte, kommt ein Moment, in dem man so fühlt, als ob der Atem stocken würde, als ob man im Halse eine Verdickung oder Beklemmung haben würde, die uns den Atem nimmt. Auch das ist etwas, was wohl ein jeder erleben wird, der zu meditieren versucht, und das uns hinweisen soll auf einen Mangel an Wahrheitssinn, auf die Lügenhaftigkeit, die noch in uns steckt.

Ein Drittes ist, daß man sich während der Meditation plötzlich sehr schwach fühlen kann und der Schweiß einem ausbricht. Das ist das Hindernis, das der physische Leib dem Ätherleib in den Weg legt, so daß der Ätherleib sich nicht weiten kann, wie es bei der Meditation sein soll. Das kommt insbesondere bei solchen Menschen vor, die sich esoterisch entwickeln wollen und die zu viel Nahrung zu sich nehmen. Und wenn es dann wirklich gelingt, daß der Ätherleib sich vom physischen Leib lockert, dann hat er gleichsam wie eine dichte Mauer vor sich, durch die der Mensch nicht hindurchschauen kann, und die weiteren Versuche, etwas von geistigem Licht oder geistige Wesen zu schauen, sind fruchtlos.

Ein Viertes, was geschehen kann, ist, daß man sich sehr angenehm und leicht fühlt und wie in einer Art Traumzustand sich befindet. Wenn das geschieht, so ist es, um uns darauf hinzuweisen, daß es uns an der Neigung mangelt, uns sozial zu den Menschen zu stellen, und daß wir mehr dazu neigen, auf dem physischen Plan ein Traumleben zu führen.“ (Lit.:GA 266c, S. 181f)

Einflüsse der Widersacher

„Indem Luzifer und Ahriman uns bei dem Sündenfall aus dem Paradiese vertrieben haben, sind sie es auch wiederum, denen man begegnet, wenn man durch die Meditation in die geistige Welt hineinkommen will, und die uns unsere Begrenzungen fühlen lassen.

Ahriman steckt in all dem darinnen, was geistige Laute, Worte und so weiter sind, die man hören kann. Diesen gegenüber soll man immer mißtrauisch sein, denn in der menschlichen Sprache, die differenziert ist in die verschiedenen Völkersprachen, liegt Unwahrheit. Zwar nicht ganz und gar, sonst müßte ein jeder lügen, der seinen Mund zum Reden öffnet. Soviel Wahres in der Sprache ist, soviel Wahres kann in den «Stimmen» liegen. Würden die Stimmen immer die Wahrheit sprechen, dann hätte Luzifer bei der Versuchung nicht sagen sollen: «Ihr werdet sein wie die Götter», sondern er hätte sagen müssen: «Ich lüge».

Luzifer gibt die Visionen. Diese muß man durchbrechen, sonst zerbricht man nicht die Schale, die um jeden Menschen herum ist und die wahre geistige Welt verdeckt. Die Visionen und die Stimmen sind um uns herum wie die Schale um das Küken im Ei. Man kann in einer Vision vielleicht einen Engel schauen, und wenn man durch die Vision hindurchdringt, wird sich der Engel in eine Schlange verwandeln, das Zeichen Luzifers, denn dieser erschien ja bei der Versuchung auch in der Gestalt einer Schlange. Oder man wird vielleicht in seiner Meditation die Farbe Blau sehen - bricht man da hindurch, so kann das Blau verschwinden und zum Rot werden, und dann zeigt sich, daß wir unsere eigenen Leidenschaften geschaut haben.“ (Lit.:GA 266c, S. 184f)

Hilfsmittel bei der Meditation

„Dies sind die drei typischen Erscheinungen während der Meditation neben vielen anderen, die je nach der Individualität des Meditanten verschieden sind:

  1. die versucherischen Erscheinungen (parasitische Tiere),
  2. das Aufgeteiltwerden an die verschiedenen Hierarchien, wobei wir das Ich-Bewußtsein nicht verlieren dürfen (Rosenkreuz), und
  3. der tiefste Seelenfrieden, der uns zuteil wird.[2]

Der Merkurstab hilft uns hierbei, in die geistigen Welten einzudringen; das Rosenkreuz befestigt uns darin.“ (Lit.:GA 266a, S. 452)

Der Merkurstab als Hilfe gegen störende Gedanken, Leidenschaften und Begierden

Hauptartikel: Merkurstab
Merkurstab

„Nun ist es so, daß der Anfänger zunächst nur die Gegenwart dunkler Mächte in den zerstreuenden Gedanken fühlt, während der Vorgeschrittene diese astralen Gewalten als parasitische Tiere, als Ratten und Mäuse schaut. Nur soll sich niemand, der die Ratten und Mäuse schaut, darüber freuen, daß er schon so weit ist, er würde sonst diesen Mächten ganz und gar unterliegen. Stark machen muß man sich, um den Einflüssen dieser dunklen Mächte zu widerstehen.“ (Lit.:GA 266a, S. 451)

„Nun ist zweierlei zu berücksichtigen, das wir jetzt besprechen wollen. Das eine betrifft die, welche noch nicht bis zum Schauen vorgedrungen sind, das andere die, welche den Zustand der Imagination erreicht haben. Die ersteren werden, wie Sie es alle erfahren haben, im Moment, wo sie ihre Meditation beginnen, von Gedanken, die ihr tägliches Leben, die Außenwelt, ihre Umgebung betreffen, förmlich bestürmt. Alle Geräusche werden störender empfunden, alle nicht hierhergehörenden Bilder und Gedanken aufdringlicher. Kämpfen dagegen würde gar nichts nützen, denn hinter diesen Gedanken stehen Mächte. Es wäre so, wie wenn ein Mensch inmitten eines Bienenschwarmes um sich schlagen wollte, um sich zu wehren: die Bienen würden mit doppelter Gewalt auf ihn eindringen.

Wir haben nun ein okkultes Mittel, um gegen diese unerwünschten Gedanken anzugehen, sie zum Schweigen zu bringen, und zwar ist dieses Mittel, sowohl für das eben Besprochene, wie für die Störungen, welche die erleiden, die schon das Schauen erreicht haben, das gleiche. Man stelle sich möglichst deutlich den Merkurstab vor: einen leuchtenden Stab, um den sich eine schwarze Schlange windet, und dann stelle man sich eine helle vor, die sich der anderen entgegenringelt. Die schwarze Schlange symbolisiert die materiellen Gedanken, die uns stören: das niedere Selbst; die helle: die göttlichen Gedanken, das höhere Selbst. Und wenn wir uns dieses Symbol, wie sich die helle der schwarzen Schlange entgegenringelt, in seiner ganzen Bedeutung vor die Seele stellen, so werden alle Störungen schwinden, und wir können uns in unsere Meditation versenken.

Diejenigen, welche das Schauen erlangt haben, werden durch dieselben Kräfte, welche in den anderen die Alltagsgedanken entfesseln, in ihren Visionen dadurch gestört, daß sie alle möglichen Leidenschaften, Begierden und so weiter, die sich im Astralen ausleben, in Gestalt wilder, oft sehr häßlicher, manchmal auch verführerisch schöner Tiere sehen. Auch hiergegen ist die Vorstellung des Stabes Merkurs, des Boten der Götter, das einzige Mittel.“ (Lit.:GA 266a, S. 442f)

„Was ist nun das Wesentliche zunächst, was in der Meditation durch uns angestrebt werden soll? Wir sollen uns selber vergessen, indem wir alles auslöschen, was mit dem gewöhnlichen Leben zusammenhängt, um uns nur in den Inhalt der vorgeschriebenen Worte zu versenken, so daß wir nichts mehr wissen oder fühlen von unserem Körper, noch von den Gedanken und Gefühlen des täglichen Lebens. Daran aber wollen uns die entgegenwirkenden Mächte gerade hindern! Sie suchen uns in das alltägliche Leben zurückzuziehen, indem sie uns an der Konzentration unserer Gedanken hindern. Sobald man dies nun bemerkt - zum Beispiel bei der Meditation: «In den reinen Strahlen des Lichtes ...», wobei wir nichts anderes denken und fühlen sollen, als daß das Licht das Gewand der Gottheit ist, so daß wir ganz nur in diesem Bilde leben -, so können wir uns als wirksames Symbolum den Merkurstab vorstellen, und zwar einen gelbleuchtenden, hellen Stab, von zwei Schlangen umwunden, einer dunklen und einer weißleuchtenden Schlange; man beginnt bei der dunklen Schlange.

Alles Lebendige steckt in einer Haut zum Zeichen, daß es in der physischen Welt eingeschlossen ist. Auch der ätherische Leib hat eine Haut, ebenso der Astralleib. Wenn der Mensch nun die Tageseindrücke durch seine Sinne empfängt, so wirkt dies auf die Haut seines astralischen Leibes, sie wird abgestoßen und abgenützt, sie erhält Risse und Sprünge. Das zeigt sich in der Ermüdung. Beim Einschlafen zerreißt diese Haut und wird während des Schlafes wieder erneuert. Wir sollen nun versuchen, uns dieses Vorganges vor dem Einschlafen bewußt zu werden. Dabei können wir uns vorstellen, wie wir jetzt hineingehen in die geistigen Welten, wo in den Reichen der Harmonien und Sphärenklänge der Astralleib von den geistigen Wesenheiten wieder erneuert wird. Wir sollen einschlafen mit dem Gefühle des Dankes gegenüber diesen göttlichen Wesenheiten und Mächten: die Liebe zur Weisheit sollen wir dabei empfinden. Dann werden schlechte Einflüsse nicht an uns herantreten können. Wie nun der Mensch die Haut seines seelischen Leibes im Verlaufe von vierundzwanzig Stunden abnützt und wiederum erneuert, so wirft auch die Schlange in gewissen Zeiträumen ihre Haut ab, läßt sie zurück und erneuert sie wieder. Daher ist das geistige Anschauen des Merkurstabes ein wirksames Mittel, um in der Meditation in die geistigen Welten so einzudringen, daß hemmende Einflüsse überwunden werden.“ (Lit.:GA 266a, S. 449f)

Hilfe gegen den Egoismus

„Als Mittel gegen den Egoismus - der so stark auftreten kann, daß man eine große Beunruhigung dadurch erlebt - ist zu empfehlen das Lesen und In-uns-wirken-Lassen des Vaterunsers oder der Bergpredigt oder des Anfangs des Johannes-Evangeliums. Das wird uns zeitweise Ruhe verschaffen. Auch dasjenige, was in diesen Tagen als das «Fünfte Evangelium» gegeben wurde, ist dazu angetan, eine weitere Zunahme des Egoismus zu verhüten.“ (Lit.:GA 266c, S. 182)

„Das Vaterunser, diese wunderbare Wiedergabe der siebengliedrigen Weltgesetzlichkeit, ist eine Meditation von großer Bedeutung, die manche Schüler täglich vornehmen. Mir ist einer derjenigen, die wir nennen die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen, bekannt, der sagte: Ich nehme das Vaterunser nur einmal im Monat als Meditation; die übrige Zeit versuche ich, mich reif und würdig zu machen, auch nur in einen Satz dieser wunderbaren Meditation mich vertiefen zu dürfen. - So muß man sich geistig einer Meditation gegenüberstellen, daß man sich würdig machen will, sie verwenden zu dürfen.“ (Lit.:GA 266b, S. 26)

Das Rosenkreuz als Hilfe gegen das Gefühl innerer Zersplitterung

Hauptartikel: Rosenkreuz-Meditation
Rosenkreuz mit 7 roten Rosen

„Wenn wir uns nun ganz an unseren Meditationsstoff hingeben, so erleben wir, je nach unserem Karma, die einen früher, die anderen später, ein bestimmtes Gefühl. Wir werden die Empfindung haben, als ob unser Ich sich verlöre, als ob wir uns zersplitterten, innerlich zerrissen würden. Dieses Gefühl muß sein, ist ganz richtig bis zu einem gewissen Grade. Wir Menschen empfinden uns in unserem abgeschlossenen physischen Körper als eine Einheit. Wir müssen aber bedenken, daß wir etwas sehr Kompliziertes, Zusammengesetztes sind, daß die Geisterwelt, der wir zum großen Teile angehören, durchaus nichts Einfaches ist. An unserem physischen Leibe arbeiteten auf dem Saturn die Throne, auf der Sonne von anderer Seite her an unserem Ätherleib die Geister der Weisheit, auf dem Monde wieder von anderer Seite die Geister der Bewegung am Astralleib und wieder in einer gewissen Weise auf der Erde am Ich die Geister der Form. Auf Sonne und Mond arbeiteten an unserem physischen Körper noch alle möglichen hohen geistigen Wesenheiten. Andere haben zum Beispiel unseren Kehlkopf gebaut, andere wieder das Herz oder die Leber; die Fortpflanzungsorgane wurden von anderen geschaffen als die Verdauungsapparate und so weiter.

Nun bekommt der Meditant in einem gewissen Stadium das Gefühl, als ob er sich an alle diese Mächte aufteilen, ihnen preisgegeben würde, sich an sie verlöre. Derjenige, der noch nicht das Schauen erlangt hat, wird dann ein Gefühl des Nichts haben, wie wenn die Meditation ihm gar keine Früchte trage. Dieses Gefühl ist sehr deprimierend, aber es birgt noch keine große Gefahr, weder für den Meditanten noch für die Meditation an sich. Der Schauende wird in diesem Zustand wie eine Stimme hören, die Stimme einer Gestalt, die er auch bald sehen wird, und diese wird ihm einflüstern, daß die Welt, die er sieht, nichts ist, nur die Schöpfung seiner eigenen Illusion. Das ist die Versuchung, die an ihn herantritt von der Seite, die den Menschen mit aller Gewalt zurückhalten will in der Sinnenwelt, in der Materie, die ihn nicht aufsteigen lassen will in die geistigen Welten. Und diese Versuchung ist eine große Gefahr. Da ist uns wiederum ein okkultes Mittel gegeben. Stellen wir uns am Schlusse jeder Meditation das Rosenkreuz vor. Das Rosenkreuz ist das Symbol für das Mysterium von Golgatha. Das Kreuz, das Zeichen des Todes, aus dem mit dem Blute, das aus den fünf Wunden floß, als Zeichen des Lebens die Rosen sprießen. Wenn wir uns dieses Symbol in seiner ganzen Bedeutung vor die Seele führen, werden wir gegen die Macht, die uns in Versuchung führt, eine unbesiegliche Waffe haben. Und warum? Weil Christus durch seinen Tod, in dem Augenblick, da sein Blut floß, mit dem Astralleib der Erde sich vereinigte und ihm neues Leben und Licht brachte. In diesem Astralleib wohnt Er als das Astrallicht, das in der Finsternis leuchtet. In diesem Astrallicht sehen wir, wenn wir das Schauen erreicht haben. Das Rosenkreuz ist also das Symbol für das Licht, das die Mächte der Finsternis besiegt.“ (Lit.:GA 266a, S. 443f)

„Ein weiteres typisches Erlebnis während der Meditation ist, als ob das Bewußtsein schwächer, ja herabgedämmert würde. Dies ist auch in gewisser Beziehung der Fall, dennoch müssen wir versuchen, es stets wach zu halten. Ein Mittel hierfür ist das schwarze Kreuz mit den sieben roten Rosen. Es ist das große Symbol des Christus Jesus selbst, das rosige Kreuz, - absterbendes, im Tode vergehendes Leben, das in sich die Kraft hat, aus sich selbst neues Leben hervorzubringen. Überhaupt wirkt das geistige Anschauen dieses Symbols stets kräftigend auf die spirituelle Entwicklung, es stärkt unser Alltagsleben in allen Lebenslagen.“ (Lit.:GA 266a, S. 451f)

Meditation zum Schutz gegen außen

„Ein anderes Mittel liegt in der Vorstellung, daß wir uns von einer blauen Aura [umhüllt] wie abgeschlossen fühlen von allen schlechten Gedanken und Empfindungen, die von außen an uns herandringen wollen. Wir fühlen innerlich, wie wir durch diese Aura gegenüber allen schlechten Einflüssen abgeschlossen sind: nur die guten Mächte können Einlaß in unsere Seele finden. Dies kann mit der folgenden Meditation wirksam verbunden werden. Meditation zum Schutz gegen außen:

Die äußere Hülle meiner Aura verdichte sich.
Sie umgebe mich mit einem undurchdringlichen Gefäß[3]
gegenüber allen unreinen, unlauteren Gedanken und Empfindungen.
Sie öffne sich nur der göttlichen Weisheit.“

(Lit.: GA 266a, S. 450)

Seelenfrieden

„Endlich tritt während der Meditation deutlich ein Gefühl des tiefsten Seelenfriedens auf, kein äußeres Ruhegefühl, sondern ein tief inneres Gefühl des Friedens, der durch nichts gestört werden kann, mag es um uns herum noch so sehr brausen und toben.“ (Lit.:GA 266a, S. 452)

Stärkung des Willens im Denken

Reines sinnlichkeitsfreies Denken

Hauptartikel: Reines Denken
Joseph Mallord William Turner, Light and Colour (Goethe's Theory) – the Morning after the Deluge, Moses Writing the Book of Genesis (1843)

Mit dem reinen Denken, das zugleich ein aktives, bildhaftes und lebendiges Denken ist, beginnt die unmittelbare geistige Erfahrung. Es unterscheidet sich dadurch von der gewöhnlichen Verstandestätigkeit, durch die wir die sinnlichen Erfahrungen denkend zu durchdringen versuchen. Wir bedienen uns dabei des physischen Gehirns als Werkzeug. Zwar ist es nicht das Gehirn, das denkt, aber das Gehirn spiegelt uns unsere eigene geistige Tätigkeit in Form der Verstandesgedanken zurück und bringt sie uns erst dadurch zu Bewusstsein. Durch den vorurteilslosen Verstand können wir zwar, wie Rudolf Steiner immer wieder sehr nachdrücklich betont hat, grundsätzlich geistige Inhalte begreifen, aber doch nicht unmittelbar erleben. Das wird erst durch das reine, sinnlichkeitsfreie Denken möglich.

„Kein Mensch könnte eigentlich zu wirklichem Hellsehen kommen, wenn er nicht zunächst ein Winziges an Hellsehen in der Seele hätte. Wenn es wahr wäre, was ein allgemeiner Glaube ist, daß die Menschen, wie sie sind, nicht hellsichtig seien, dann könnten sie überhaupt nicht hellsichtig werden. Denn wie der Alchimist meint, daß man etwas Gold haben muß, um viele Mengen Goldes hervorzuzaubern, so muß man unbedingt etwas hellsehend schon sein, damit man dieses Hellsehen immer weiter und weiter ins Unbegrenzte hinein ausbilden kann […].

Es wurde als ein großes Wort eines großen Aufklärers gehalten, das dieser gesagt hat im achtzehnten Jahrhundert: Mensch, erkühne dich, deiner Vernunft dich zu bedienen. - Heute muß ein größeres Wort in die Seelen klingen, das heißt: Mensch, erkühne dich, deine Begriffe und Ideen als die Anfänge deines Hellsehertums anzusprechen. - Das, was ich jetzt ausgesprochen habe, habe ich schon vor vielen Jahren ausgesprochen, ausgesprochen in aller Öffentlichkeit, nämlich in meinen Büchern «Wahrheit und Wissenschaft» und «Philosophie der Freiheit», wo ich gezeigt habe, daß die menschlichen Ideen aus übersinnlichem, geistigem Erkennen kommen.“ (Lit.:GA 146, S. 34ff)

„Das reine Denken ist die Meditation. Die Meditation führt in das Leben der übersinnlichen Welt hinein. Nun ist schon eine Meditation, überhaupt ein reines Denken, ein wirklich reines Denken, nicht möglich, ohne den Willen weiterzubilden. Dieses reine Denken als Tatbestand am Menschen ist ja nicht anders möglich als durch eine besonders intensive Anstrengung, eine besonders intensive Betätigung des Willens. Alles dasjenige aber, was man betätigt, übt man, bildet man aus. Und es ist eine ganz besondere Ausbildung des Willens, wenn man zum reinen Denken übergeht oder aus dem reinen Denken heraus in die Meditation übergeht. Man kann durchaus sagen: Schon diese ganze Entwicklung des zunächst ja in unklaren Vorstellungen lebenden Menschen zum reinen Denken hin und dann zur Meditation hin, diese ganze Anstrengung ist im wesentlichen Willenserziehung. Daher ist auch schon das, was man nötig hat zum wirklichen Begreifen geisteswissenschaftlicher Erkenntnisse, wesentlich eine Willensanstrengung. Und derjenige, der sich bemüht, auf geisteswissenschaftliche Erkenntnisse einzugehen, der übt Willensanstrengung, und er übt damit überhaupt seinen Willen. Daher kann man sagen, daß es für die heutige Menschheit ganz gut wäre, wenn sie zunächst wenigstens auf geisteswissenschaftliche Erkenntnisse eingehen würde, denn sie würde dadurch den Willen wirklich ausbilden, sie würde den Willen stärken.“ (Lit.:GA 73a, S. 74f)

„Wie wird man eigentlich innerlich immer geistiger und geistiger? Man wird nicht dadurch geistiger, daß man möglichst viele Gedanken aus der Umwelt aufnimmt, denn diese Gedanken geben ja doch nur, ich möchte sagen, die Außenwelt, die eine sinnlich-physische ist, in Bildern wieder. Dadurch, daß man möglichst den Sensationen des Lebens nachläuft, dadurch wird man nicht geistiger. Geistiger wird man durch die innere willensgemäße Arbeit innerhalb der Gedanken. Daher besteht auch Meditieren darinnen, daß man sich nicht einem beliebigen Gedankenspiel hingibt, sondern daß man wenige, leicht überschaubare, leicht prüfbare Gedanken in den Mittelpunkt seines Bewußtseins rückt, aber mit einem starken Willen diese Gedanken in den Mittelpunkt seines Bewußtseins rückt. Und je stärker, je intensiver dieses innere Willensstrahlen wird in dem Elemente, wo eben die Gedanken sind, desto geistiger werden wir. Wenn wir Gedanken von der äußeren physisch-sinnlichen Welt aufnehmen - und wir können ja nur solche aufnehmen zwischen Geburt und Tod - , dann werden wir dadurch, wie Sie leicht einsehen können, unfrei, denn wir werden hingegeben an die Zusammenhänge der äußeren Welt; wir müssen dann so denken, wie es uns die äußere Welt vorschreibt, insofern wir nur den Gedankeninhalt ins Auge fassen; erst in der inneren Verarbeitung werden wir frei.

Nun gibt es eine Möglichkeit, ganz frei zu werden, frei zu werden in seinem inneren Leben, wenn man den Gedankeninhalt, insofern er von außen kommt, möglichst ausschließt, immer mehr und mehr ausschließt, und das Willenselement, das im Urteilen, im Schlüsseziehen unsere Gedanken durchstrahlt, in besondere Regsamkeit versetzt. Dadurch aber wird unser Denken in denjenigen Zustand versetzt, den ich in meiner «Philosophie der Freiheit» genannt habe das reine Denken. Wir denken, aber im Denken lebt nur Wille. Ich habe das besonders scharf betont in der Neuauflage der «Philosophie der Freiheit» 1918. Dasjenige, was da in uns lebt, lebt in der Sphäre des Denkens. Aber wenn es reines Denken geworden ist, ist es eigentlich ebensogut als reiner Wille anzusprechen. So daß wir aufsteigen dazu, uns vom Denken zum Willen zu erheben, wenn wir innerlich frei werden, daß wir gewissermaßen unser Denken so reif machen, daß es ganz und gar durchstrahlt wird vom Willen, nicht mehr von außen aufnimmt, sondern eben im Willen lebt. Gerade dadurch aber, daß wir immer mehr und mehr den Willen im Denken stärken, bereiten wir uns vor für das, was ich in der «Philosophie der Freiheit» die moralische Phantasie genannt habe, was aber aufsteigt zu den moralischen Intuitionen, die dann unseren gedankegewordenen Willen oder willegewordenen Gedanken durchstrahlen, durchsetzen. Auf diese Weise heben wir uns heraus aus der physisch-sinnlichen Notwendigkeit, durchstrahlen uns mit dem, was uns eigen ist und bereiten uns vor für die moralische Intuition. Und auf solchen moralischen Intuitionen beruht doch alles das, was den Menschen von der geistigen Welt aus zunächst erfüllen kann. Es lebt also auf dasjenige, was Freiheit ist, dann, wenn wir gerade in unserem Denken immer mächtiger und mächtiger werden lassen den Willen.“ (Lit.:GA 202, S. 201f)

„Die Meditation besteht eben darinnen, das Denken in anderer Weise zu erleben, als man es gewöhnlich erlebt. Heute erlebt man das Denken so, daß man sich von außen anregen läßt; man gibt sich hin an die äußere Wirklichkeit. Und indem man sieht und hört und greift und so weiter, merkt man, wie sich gewissermaßen im Erleben das Aufnehmen von äußeren Eindrücken fortsetzt in Gedanken. Man verhält sich passiv in seinen Gedanken. Man gibt sich hin an die Welt, und die Gedanken kommen einem. Auf diese Weise kommt man nie weiter. Es handelt sich darum, daß man beginnt, das Denken zu erleben. Das tut man, indem man einen einfach überschaubaren Gedanken nimmt, diesen leicht überschaubaren Gedanken im Bewußtsein gegenwärtig sein läßt, das ganze Bewußtsein auf diesen überschaubaren Gedanken konzentriert.

Es ist nun ganz gleichgültig, was dieser Gedanke für die äußere Welt bedeutet. Worauf es ankommt, ist lediglich, daß man das Bewußtsein mit Außerachtlassung von allem anderen Erleben auf diesen einen Gedanken konzentriert. Ich sage, es muß ein überschaubarer Gedanke sein. Sehen Sie, ich wurde einmal gefragt von einem sehr gelehrten Manne, wie man meditiert. Ich gab ihm einen furchtbar einfachen Gedanken. Ich sagte ihm, es käme nicht darauf an, ob der Gedanke irgendeine äußere Realität bedeute. Er solle denken: Weisheit ist im Licht. - Er solle immer wieder und wieder seine ganze Seelenkraft dazu verwenden, zu denken: Weisheit ist im Licht. - Ob das nun wahr oder falsch ist, darauf kommt es nicht an. Es kommt ebensowenig darauf an, ob irgend etwas ein weltbewegendes Ding ist oder ein Spiel, wenn wir unseren Arm anstrengen, um es in Bewegung zu setzen und immer wieder in Bewegung zu setzen. Wir verstärken dadurch unsere Armmuskeln. Wir verstärken unser Denken, indem wir uns anstrengen, immer wieder und wiederum diese Tätigkeit auszuüben, gleichgültig was der Gedanke bedeutet. Wenn wir uns immer wieder und wieder seelisch anstrengen, ihn im Bewußtsein gegenwärtig zu machen und das ganze Seelenleben darauf zu konzentrieren, so verstärken wir unser Seelenleben, wie wir die Muskelkraft unseres Armes verstärken, wenn wir sie immer wieder und wieder auf dieselbe Tätigkeit hin konzentrieren. Aber wir müssen einen leicht überschaubaren Gedanken haben. Denn haben wir den nicht, so sind wir allen möglichen Rankünen der eigenen Organisation ausgesetzt. Man glaubt ja gar nicht, wie stark die suggestive Kraft ist, die von Reminiszenzen des Lebens und dergleichen herkommt. In dem Augenblick, wo man nur einen komplizierteren Gedanken faßt, kommen gleich von allen möglichen Seiten dämonische Gewalten, die einem dies oder jenes ins Bewußtsein hineinsuggerieren. Man kann nur sicher sein, daß man mit voller Besonnenheit in der Meditation lebt, mit derselben Besonnenheit, mit der man sonst im Leben steht, wenn man vollbewußter Mensch ist, wenn man tatsächlich einen ganz überschaubaren Gedanken hat, in dem nichts anderes drinnenstecken kann als das, was man gedanklich erlebt.“ (Lit.:GA 234, S. 66f)

Wille und Gefühl

„Sie sehen, daß dasjenige, was hier in der physischen Welt gewissermaßen am schwächsten ist im Menschen, der Wille und die Gefühlsimpulse - sie sind ja der schwächste Teil der menschlichen Seele in der physischen Welt und der unklarste -, daß dasjenige, über das wir am wenigsten Herr sind, eine besondere Bedeutung gewinnt, um wahrzunehmen in der geistigen Welt. Dagegen ist das, was hier in der physischen Welt am allerstärksten ist, das Vorstellen - wir leben ja sogar am liebsten in unseren Illusionen und Vorstellungen, weil wir da am allermeisten Herr sein können -, es ist am schwächsten in der geistigen Welt.

Mit Illusionen kann man in der geistigen Welt nicht viel anfangen, die verdecken einem noch die flutende Gedankenwesen-Einheit. Worauf es ankommt, ist nicht eine Ausbildung unseres Vorstellungslebens, sondern eine Ausbildung unseres Willens- und Gefühlslebens; und das ist ja das Wesentliche der Meditation. Bei der Meditation kommt es nicht darauf an, was wir vorstellen, sondern darauf - ich habe das immer wieder und wieder betont -, daß man vorstellt mit innerer Kraft. Auf die innere Energie, auf die Kraft, auf den Willen kommt es an, und auf das Fühlen und Empfinden während wir meditieren, also auf ein Willenselement, das wir im Meditieren entwickeln, und das wir stärker entwickeln, wenn wir uns so anstrengen müssen, wie wir uns bei einer Meditation anstrengen sollen, aber geistig anstrengen sollen.

Am meisten feindlich entgegen steht dem wirklichen Fortschritt hinein in die geistige Welt die Sucht zu träumen, sich über die äußere Wirklichkeit Illusionen zu bilden, aus dem Grunde, weil wir dadurch unseren Willen immer schwächer und schwächer machen. Man macht den Willen am schwächsten, wenn man geradezu die Parasiten des Vorstellungslebens kultiviert, wenn man sich über alle möglichen äußeren Dinge Illusionen macht, wie überhaupt der Weg in die geistige Welt nicht dadurch beschritten wird, daß man sich vom Leben entfernt, sondern dadurch, daß man sich klar wird über die Dinge des Lebens. Nicht eine Verarmung des äußeren Lebens, sondern eine Bereicherung des Lebens muß uns in die geistige Welt hineinführen. Die Menschen möchten so gerne nicht durch Stärke, sondern durch Schwäche in die geistige Welt hineinwachsen. Schwäche ist es, wenn einen die äußere Welt, die Welt des äußeren Lebens nicht interessiert, wenn man die Goethesche Maxime nicht erfüllen kann: «Erkenne dich, leb' mit der Welt in Frieden.»“ (Lit.:GA 161, S. 133f)

Meditation und Mystik

Hauptartikel: Mystik

„Wenn der Mensch durch geisteswissenschaftliche Methodik, wie ich es hier nur im Prinzip kurz schildern kann, Vorstellungen, die nicht Reminiszenzen sein dürfen, zu Dauervorstellungen macht, wenn er sich meditativ leicht überschaubaren Vorstellungen hingibt, wenn er seine Seele darauf ruhen läßt, darauf konzentriert, aber so, daß alles ausgeschlossen ist, was nicht aus der menschlichen Willensanwendung erfolgt, und wenn er alle nebulose Mystik ausschließt, dann gelangt der Mensch in der Tat dazu, hinter das Gedächtnis zu schauen; er gelangt dazu, zur wirklichen Selbsterkenntnis zu kommen. Diese Selbsterkenntnis, wie sie die anthroposophische Geisteswissenschaft anstreben muß mit ihren empirischen Methoden, sie unterscheidet sich selbst gar sehr von einer solchen poetischen, in einem gewissen Sinne bewunderungswürdigen Mystik eines Johannes vom Kreuz oder der heiligen Therese. Wer sich den Schriften dieser Geister hingibt, empfindet das Hochpoetische, empfindet, was in diesen wunderbaren Bildern waltet. Wer im anthroposophischen Sinne ein Geistesforscher geworden ist, der weiß ein anderes, der weiß, daß gerade bei solchen Geistern aus den Untergründen der menschlichen Natur, in die das gewöhnliche Bewußtsein nicht hinunterschaut, besondere Tatsachen in das Bewußtsein herauf flammen, könnte man sagen. Bei einer heiligen Therese oder bei Johannes vom Kreuz geschehen in den menschlichen Organen, gerade in den sogenannten physischen menschlichen Organen, in Leber, Lunge und in den Verdauungswerkzeugen - man möge das als noch so prosaisch oder profan ansehen, es ist das nicht profan für den, der die Sache durchschaut -, in diesen physischen Organen geschehen abnorme Dinge, die «dampfen herauf» in das Bewußtsein und werden da zu solchen Bildern, wie sie sich dann ausleben in solchen Persönlichkeiten, die dazu geeignet sind. Der wirkliche Geistesforscher aber durchbricht den Gedächtnisspiegel. Er gelangt nicht zu solch nebuloser Selbsterkenntnis, die man Mystik nennt und anhimmelt, sondern er gelangt zu konkreter Selbsterkenntnis. Er gelangt zur lebendigen Anschauung dessen, was die menschlichen Organe sind. Da eröffnet sich der Weg zu einer wirklichen Erkenntnis der menschlichen Organisation, der Weg, auf dem die Geisteswissenschaft auch in das medizinische Gebiet hinüberführt. Aber das ist nur der Anfang. Denn sieht man auf diese Weise durch geistig-übersinnliche Kräfte in das eigentlich Materielle der menschlichen Organisation hinein, dann überwindet man auch das bloße materielle Anschauen dieser menschlichen Organisation. Denn zuletzt sieht man, wie das, was sich einem da als Materielles im Menschen darstellt, nicht bloß aus der Vererbungsströmung herausgeboren ist, mit der es sich nur verbunden hat, sondern wie es herausgeboren ist aus einer Welt, die der Mensch durchlebt hat vor seiner Geburt oder Empfängnis. Man schaut auf dem Umweg durch materielle Innenerkenntnis in das präexistente Menschenleben hinein. Eine Realität vor der übersinnlichen Erkenntnis wird das präexistente Leben. Die gewöhnliche Mystik, wie sie von kritiklosen Geistern angehimmelt wird, ist eher ein Hindernis für wirkliche Geist-Erkenntnis.“ (Lit.:GA 77a, S. 35f)

Meditation und Langeweile

Hauptartikel: Langeweile

Meditation beruht, indem alle äußere Sensation ausgeschlossen wird, in gewissem Sinn auf einem künstlich herbeigeführten Zustand der Langeweile.

„Wenn Sie hier ein Dreieck haben (siehe Zeichnung) und Sie teilen dieses Dreieck in vier gleiche Teile, so daß Sie also vier solche Dreiecke bekommen, so können Sie sagen: Das ganze Dreieck ist größer als

Tafel 13; GA 350, S 164
Tafel 13; GA 350, S 164

jedes der vier kleinen Dreiecke. - Ich kann jetzt das verallgemeinern und kann sagen, es gibt einen Lehrsatz, der heißt: Das Ganze ist größer als seine Teile. (Der Satz wird an die Tafel geschrieben.) - Donnerwetter, wenn da so ein satter Börsenmensch kommt und man sagt ihm: Du, denke einmal darüber nach, das Ganze ist größer als seine Teile - dann sagt der: Nein, das ist mir viel zu langweilig! […]

Die Geschichte ist nämlich diese. Wenn man solche Urteile in sich aufnimmt, solche Urteile fällt, solche Sätze: Das Ganze ist größer als seine Teile, die Gerade ist der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten - dann wird es nämlich im Hinterkopf kalt. Das ist das Eigentümliche: es wird im Hinterkopf kalt. Und weil es im Hinterkopf kalt wird, weil der Mensch anfängt zu frieren, will er gleich weg von solchen Sätzen. Sie sind ihm langweilig. Das ist nämlich das Merkwürdige: Bei der Langeweile wird es im Hinterkopf kalt. Nicht der ganze Mensch wird kalt, aber der Hinterkopf wird kalt. […]

Die Mathematik ist für manchen langweilig, aber weil sie schwer ist und man sich anstrengen muß, und weil die Mathematik gerade den Hinterkopf so kalt macht, deshalb kommen diejenigen, die Mathematik lernen mußten, weil die so kalt war und man sich recht anstrengen mußte bei der Mathematik, am leichtesten in die geistige Welt hinein. Und diejenigen, die sich überwinden und solche Sätze immer wieder und wieder erleben, die also künstlich sich die Langeweile anzüchten, die kommen am leichtesten in die geistige Welt hinein.

Ich habe Ihnen gesagt: Wenn man Fieber kriegt, dann wird der Puls schnell. Da wird man warm, und da ist es so, daß man Hitze in den Kopf, in das Gehirn hinein kriegt. Da kommt man eben in die Hitze hinein. Da redet man irre. - Wenn man sich aber jetzt mit solchen Sätzen plagt, wobei man ganz aufhören will zu denken, da wird das Blut nicht regsamer, sondern im Hinterkopf stockt es, das Blut. Und dadurch, daß das Blut stockt, sammeln sich dahinten Salze an. Salze sammeln sich an. Das ist ein Zweifaches, wie diese Salze sich äußern. Die meisten Menschen bekommen Bauchweh davon. Und weil sie das Bauchweh sehr rasch bemerken - es wird ihnen unbehaglich im Bauch, wenn sie solche Sätze denken sollen -, so hören sie bald auf. Aber wenn einer doch immerfort solche Sätze denkt, wie es der Nietzsche gemacht hat, der als ein sehr großer Mann gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelebt hat, der immerfort mit solchen Sätzen sich gequält hat in seiner Jugend, dann lagern sich viele Salze ab m seinem Kopf, und Nietzsche litt fortwährend an Migräne. Und nun, sehen Sie, muß man es dahin bringen, daß man solche Sätze denken kann, ohne daß man Migräne kriegt, sich Salze ablagern, also auch ohne daß man Bauchweh kriegt. Man muß ein vollständig gesunder Mensch bleiben und künstliche Langeweile in sich erzeugen können. Also einer, der Ihnen ehrlich sagt, wie man in die geistige Welt hineinkommt, der muß Ihnen sagen: Sie müssen zuerst künstliche Langeweile in sich erzeugen können, sonst können Sie überhaupt nicht in die geistige Welt hineinkommen. Sehen Sie nur einmal die gegenwärtige Zeit an. Was will denn die gegenwärtige Zeit? Die gegenwärtige Zeit will fortwährend die Langeweile vertreiben. Wohin rennen die Menschen nicht überall, um ja keine Langeweile zu haben! Immerfort wollen sie sich amüsieren. Was heißt denn das, sich immerfort amüsieren wollen? Das heißt, vor dem Geist davonlaufen. Nichts anderes heißt das. Und unsere Zeit will sich immerfort amüsieren. Ja, wo irgend etwas Geistiges sein könnte, da rennt unsere Zeit immer gleich davon. Sie weiß es nicht, es geschieht unbewußt. Aber dieses Sich-amüsieren-Wollen ist eben ein Vor-dem- Geiste-Davonlaufen. Das ist schon so. Und diejenigen allein können in den Geist hineinkommen, die sich nicht davor scheuen, das Amüsante einmal ganz zu lassen und künstlich in solchen Sätzen zu leben. Dann, wenn man es so weit gebracht hat, daß man künstlich in solchen Sätzen leben kann, daß man nicht mehr Migräne oder Bauchweh dabei bekommt, sondern es wirklich aushalten kann, viele Stunden lang in solchen Sätzen zu leben, dann hat man die Möglichkeit, allmählich zum geistigen Schauen zu kommen.

Aber da muß noch eine Veränderung vor sich gehen. Nämlich von einem bestimmten Punkt an merkt man: Wenn man nun gelebt hat in solchen Sätzen, da fangen sie an, sich umzudrehen. - Da denke ich lange nach: Das große Dreieck ist größer als seine Teile. Wenn ich darüber lange nachdenke, dann dreht sich mir der Satz um. Jetzt fängt er an, interessant zu werden, denn da bekomme ich einmal folgende Anschauung: Wenn ich hier ein Dreieck habe und ich nehme von diesem Dreieck das Viertel und ich will das heraustun, dann fängt es an zu wachsen (es wird gezeichnet), und es ist nicht mehr wahr, daß das Ganze größer ist als seine Teile. Das Viertel ist plötzlich größer. - Ich sehe, daß das Viertel größer ist, und ich muß jetzt sagen: Das Ganze ist kleiner als seine Teile. (Der Satz wird an die Tafel geschrieben.) […]

Die Gerade ist der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten — das ist ja so richtig, daß man es als einen allerersten Lehrsatz in der Geometrie aufgetischt kriegt. Für die physische Welt ist das so richtig, als es nur richtig sein kann. Aber denkt man lange nach: Wenn einer, der kein physisches, sondern ein geistiges Wesen ist, von Dorf A nach Dorf B kommen will, so kommt ihm der Weg furchtbar kurz vor, wenn er im Halbkreis läuft (es wird gezeichnet) - und Sie kommen zu dem Urteil: Die Gerade ist der längste Weg zwischen zwei Punkten. (Der Satz wird an die Tafel geschrieben.) […]

Sehen Sie, ich habe daran selber - das kann ich Ihnen verraten - furchtbar viel gelernt. Ich habe in meinem Leben, als ich jung war, furchtbar langweilige Vorlesungen gehört. Ja, ich muß sagen, bevor die Vorlesung angefangen hat, da habe ich mich sogar gefreut auf die langweilige Vorlesung, weil das einen ebenso herausgebracht hat wie sonst im Leben das Schlafen. Also ich habe rechte Freude gehabt: Jetzt kannst du wieder einmal ein paar Stunden langweilige Vorlesungen hören! - Aber wenn die Vorlesung angefangen hatte und der Professor sprach, dann hatte ich fortwährend den Eindruck: Der redet ja fortwährend, der stört einem ja die Langeweile auch noch! - Aber hinterher, da habe ich immer tief über alles Einzelne nachgedacht, was er gesagt hat. Es hat mich nicht im geringsten interessiert, aber ich habe jede Stunde von Anfang wiederum durchgemacht, ganz richtig durchgemacht, und manchmal eine Stunde so durchgemacht, daß es zwei Stunden gedauert hat, also diese natürliche Langeweile künstlich erzeugt. Meine Herren, da machen Sie eine sonderbare Entdeckung. Gerade am Ende des 19. Jahrhunderts konnten Sie eine ganz sonderbare Entdeckung machen. Denken Sie sich einmal, Sie kommen gerade aus der Vorlesung eines riesigen Rhinozerosses - die gibt es ja - und Sie haben sich fürchterlich gelangweilt. Jetzt konnten Sie - das ist gerade am Ende des 19. Jahrhunderts der Fall gewesen - , jetzt konnten Sie, wie man sagt, meditieren über diese langweilige Vorlesung. Also alles, was Sie furchtbar gelangweilt hat, rufen Sie sich wiederum in die Seele herein. Dann plötzlich erscheint einem da hinter dem Menschen, der einem wie ein Rhinozeros die größten Langweiligkeiten vorgetragen hat, nach und nach etwas wie ein höherer Mensch, wie ein ganz geistiger Mensch. Und die Lehrsäle verwandeln sich Ihnen - das ist so, daß man es in voller Vernünftigkeit begreifen kann. Und ich kenne viele Professoren vom Ende des 19. Jahrhunderts, bei denen das der Fall war - aber ich will nicht, daß das nun wiederum herumgeredet wird, sonst denken die Leute: das ist etwas ganz Schreckliches - : Hinter denen erschienen immer die geistreichsten geistigen Menschen. Ja, was war denn das? Es ist nämlich nicht wahr,, daß die Menschen innerlich unbewußt so dumm sind, wie sie sich geben. Sie sind nämlich viel gescheiter, und gerade die Dümmsten sind manchmal gescheit. Das dreht sich auch um. Aber sie können ihre eigene Gescheitheit nicht begreifen. Das ist nämlich ein furchtbares Geheimnis, denn gerade hinter den Leuten steht oft dasjenige, was ihr eigentlich Seelisches ist; das können sie selber nicht begreifen.

Ja, so kommt man schon hinein in die geistigen Welten. Sie wissen ja, am Ende des 19. Jahrhunderts hat es eine materialistische Naturwissenschaft gegeben. Die Leute beten heute noch immer dieser materialistischen Naturwissenschaft nach. Ich muß selber sagen: Es ist ungeheuer nützlich gewesen, diese materialistische Naturwissenschaft kennenzulernen. - Diese materialistische Naturwissenschaft hat von Anfang bis zum Ende immer wiederum die langweiligsten Sätze vorgebracht. […]

Aber Sie erfahren aus alledem, was ich Ihnen sage, daß man sich auf zweierlei Art auch in die Naturwissenschaft hineinfinden kann. Und ich kann Ihnen schon sagen: Wenn man nicht so Naturwissenschaft gelernt hat, wie sie sehr viele im 19. Jahrhundert und auch bis heute noch gelernt haben, sondern wenn Sie, statt alles nachzuplappern, meditativ denken, immer wieder und wiederum denken, stunden-, stundenlang denken, dann dreht sich es wiederum um und es kommt das Geistig-Richtige heraus. Und wenn Sie lange nachgedacht haben über Pflanzen und Mineralien und lange dasjenige, was die Leute Ihnen heute in einer so furchtbar materialistischen Weise sagen, einfach durchdenken, dann kommen Sie zuletzt dazu, die Bedeutung des Tierkreises, die Bedeutung der Sterne, die ganzen Geheimnisse der Sterne vor sich zu haben. Aber der sicherste Weg ist eben, von solchen Sätzen auszugehen: Der Teil ist größer als das Ganze. Kein Körper ist ausgedehnt. Urteile haben Farbe. Die Gerade ist der längste Weg zwischen zwei Punkten. - Dadurch hat man sich losgerissen von dem physischen Körper. Wenn Sie dies alles durchmachen, dann kommen Sie dazu, statt ihres physischen Körpers Ihren Ätherkörper benützen zu können. Sie können dann anfangen mit dem Ätherkörper zu denken, und der Ätherkörper muß alles umgekehrt denken von der physischen Welt. Denn durch den Ätherkörper kommt man allmählich in die geistige Welt hinein.“ (Lit.:GA 350, S. 164ff)

Grundlagen des richtigen Meditierens

„Als «Seelenübung» kann bezeichnet werden, was vorzunehmen ist. Der Anfang wird damit gemacht, daß Seeleninhalte, die für gewöhnlich nur in ihrem Wert als Abbilder eines äußeren Wirklichen nach bewertet werden, von einem anderen Gesichtspunkte aus genommen werden. In den Begriffen und Ideen, die sich der Mensch macht, will er zunächst etwas haben, was Abbild oder wenigstens Zeichen eines außerhalb der Begriffe oder Ideen Liegenden sein kann. Der Geistesforscher in dem hier gemeinten Sinne sucht nach Seeleninhalten, die ähnlich sind den Begriffen und Ideen des gewöhnlichen Lebens oder der wissenschaftlichen Forschung; allein er betrachtet diese zunächst nicht in bezug auf ihren Erkenntnis wert für ein Objektives, sondern er läßt sie in der eigenen Seele als wirksame Kräfte leben. Er senkt sie gewissermaßen als geistige Keime in den Mutterboden des seelischen Lebens und wartet in einer vollkommenen Seelenruhe ihre Wirkung auf das Seelenleben ab. Er kann dann beobachten, wie bei wiederholter Anwendung einer solchen Übung in der Tat die Verfassung der Seele sich ändert. Es muß aber ausdrücklich betont werden, daß die Wiederholung dasjenige ist, worauf es ankommt. Denn es handelt sich nicht darum, daß durch den Inhalt von Begriffen im gewöhnlichen Sinne nach Art eines Erkenntnisprozesses sich etwas in der Seele abspielt, sondern es handelt sich um einen realen Prozeß im Seelenleben. In diesem Prozeß wirken Begriffe nicht als Erkenntniselemente, sondern als reale Kräfte; und ihre Wirkung beruht auf dem oft wiederholten Ergriffen-werden des Seelenlebens von denselben Kräften. Und vorzüglich beruht alles darauf, daß die Wirkung in der Seele, welche erzielt worden ist durch das Erlebnis mit einem Begriff, als solche immer wieder ergriffen wird von der gleichen Kraft. Daher wird am meisten erzielt durch über längere Zeiträume sich erstreckende Meditationen über denselben Inhalt, die in bestimmten Zeiträumen wiederholt werden. Die Länge einer solchen Meditation kommt dabei wenig in Betracht. Sie kann sehr kurz sein, wenn sie nur bei absoluter Seelenruhe und bei vollkommener Abgeschlossenheit der Seele von allen äußeren Wahrnehmungseindrücken und von aller gewöhnlichen Verstandestätigkeit verläuft. Auf Isolation des Seelenlebens mit dem angedeuteten Inhalte kommt es an. Das muß gesagt werden, weil klar sein soll, daß niemand durch Vornahme solcher Übungen in seinem gewöhnlichen Leben gestört zu sein braucht. Die Zeit, welche zu ihnen notwendig ist, hat jeder Mensch in der Regel zur Verfügung. Und die Änderung, welche durch sie im Seelenleben eintritt, bewirkt, wenn sie richtig vollzogen werden, nicht den geringsten Einfluß auf die Bewußtseinskonstitution, welche zum normalen Menschenleben erforderlich ist. (Daß bei der Art, wie der Mensch nun einmal ist, Übertreibungen und Sonderbarkeiten vorkommen, die nachteilig sind, kann an der Ansicht über das Wesen der Sache nichts ändern.)“ (Lit.:GA 267, S. 469f)

„Es handelt sich darum, daß wir irgendeine Vorstellung oder einen Vorstellungskomplex in den Mittelpunkt unseres Bewußtseins rücken. Es kommt gar nicht darauf an, welches der Gehalt dieses Vorstellungskomplexes ist; aber er soll unmittelbar sein, er soll so sein, daß er keine Reminiszenzen aus der Erinnerung oder dergleichen vorstellt. Daher ist es gut, wenn wir ihn nicht aus unserem Erinnerungsschatze heraufholen, sondern uns von einem anderen, der erfahren ist in solchen Dingen, die Meditation geben lassen, nicht, weil der auf uns irgendeine Suggestion ausüben will, sondern weil wir sicher sein können, daß dasjenige, was wir dann meditieren, etwas Neues für uns ist. Wir könnten ebensogut irgendein altes Werk, das wir ganz sicher noch nicht gelesen haben, nehmen, und uns einen Meditationssatz daraus suchen. Es handelt sich darum, daß wir uns nicht aus dem Unterbewußten und Unbewußten einen Satz heraufholen, der uns überwältigt. Das ist nicht überschaubar, weil sich alle möglichen Empfindungsreste und Gefühlsreste hineinmischen. Es handelt sich darum, daß es so überschaubar sein soll, wie ein Mathematiksatz überschaubar ist.

Nehmen wir etwas ganz Einfaches, den Satz: Im Lichte lebt die Weisheit. - Das ist zunächst gar nicht darauf zu prüfen, ob es wahr ist. Es ist ein Bild. Aber es kommt nicht darauf an, daß wir irgendwie mit dem Inhalte als solchem uns anders beschäftigen, sondern daß wir ihn innerlich seelisch überschauen, daß wir darauf ruhen mit dem Bewußtsein. Wir werden es anfangs nur zu einem sehr kurzen Ruhen mit dem Bewußtsein auf einem solchen Inhalte bringen. Immer länger und länger wird die Zeit werden.

Worauf kommt es denn an? Es kommt darauf an, daß wir den ganzen seelischen Menschen zusammennehmen, um all das, was in uns Denkkraft, Empfindungskraft ist, auf den einen Inhalt zu konzentrieren. Geradeso wie die Muskeln der Arme stark werden, wenn wir mit ihnen arbeiten, so verstärken sich die seelischen Kräfte dadurch, daß sie immer wieder und wieder auf einen Inhalt gerichtet werden. Möglichst sollte dieser eine Inhalt durch Monate, vielleicht durch Jahre derselbe bleiben. Denn die seelischen Kräfte müssen zur wirklichen übersinnlichen Forschung erst gestärkt, erkraftet werden.

Wenn man in dieser Weise fortübt, dann kommt der Tag, ich möchte sagen, der große Tag, an dem man eine ganz bestimmte Beobachtung macht, die Beobachtung, daß man allmählich in einer seelischen Tätigkeit ist, die ganz unabhängig vom Leibe ist. Und man merkt auch: Vorher war man mit allem Denken und Empfinden vom Leibe abhängig, mit dem Vorstellen vom Sinnes-Nervensystem, mit dem Fühlen vom Zirkulationssystem und so weiter; jetzt fühlt man sich in einer geistig-seelischen Tätigkeit, welche völlig unabhängig von jeder Leibestätigkeit ist. Und das merkt man daran, daß man nunmehr in die Lage kommt, etwas im Kopfe selber in Vibration zu versetzen, das vorher ganz unbewußt geblieben ist. Man macht nämlich jetzt eine merkwürdige Entdeckung. Man macht die Entdeckung, worin der Unterschied des Schlafens vom Wachen besteht. Dieser Unterschied besteht nämlich darin, daß wenn man wacht, etwas in dem ganzen menschlichen Organismus vibriert, nur nicht im Haupte: da ist dasselbe, was sonst im übrigen menschlichen Organismus in Bewegung ist, in Ruhe.“ (Lit.:GA 305, S. 80f)

Geduld

„Ein anderes Zauberwort für den esoterisch Strebenden ist Geduld. Man betrachte sich die Sonne; man stelle sich den Geist der Sonne vor, wie er Tag für Tag die Sonne auf- und untergehen macht, wie er das nun schon seit Jahrmillionen tut und für noch undenklich lange Zeiten tun wird, um die Erde ihrer Bestimmung entgegenzuführen. Da hinein, in diese Geduld versetze man sich und denke dann nicht, wenn eine Übung nach drei, vier, fünf Jahren noch keine Wirkung hat, die Übung sei wirkungslos.“ (Lit.:GA 266b, S. 26)

Gelassenheit gegenüber dem Karma

„Sie haben alle schon erfahren oder werden es noch tun, daß man sich in der Meditation ganz losgelöst fühlt, der Ätherkörper weitet sich, man fühlt sich hinausgetragen in ferne Weltengrenzen - plötzlich aber fühlt man sich wieder wie festgebannt an diese Welt, man kann nicht von ihr loskommen, man sitzt wie in einem Schraubstock. Das ist gut so. Es ist unser Karma aus den früheren Inkarnationen, das uns so festhält. Würden wir infolge der Übungen gleich hinaufsteigen in die geistige Welt, ohne unser Karma abgetragen zu haben, so würde die Folge ein tiefer Sturz sein. Der Anführer dieser Scharen, die uns fest an die Erde bannen, ist Mehazael. Ihn lernen wir kennen, wenn wir in unser Inneres steigen, ebenso wie Samael, Azazel und Azael. Wir werden dann wirklich erkennen, daß unser Inneres das Wirkungsfeld von Dämonen ist: «Und ihre Zahl ist Legion!» wie es in der Bibel heißt. Auf unserm esoterischen Wege sollen wir diese Wesen kennenlernen, damit wir verständig werden und ihnen nach und nach entwachsen. Azael wirkt so, daß er das, was durch die Stumpfheit gegenüber der geistigen Welt entsteht, ausgleicht. Wenn wir uns aneignen die Gelassenheit, dann übernehmen wir die Arbeit Azaels. Das aber ist Gelassenheit: nicht in Freude jubeln, noch in Schmerz klagen, sondern in allem die Realität karmischen Wirkens anerkennen. Wir sollen nicht nur theoretisch an die Karmaidee glauben, sondern in allem, was uns trifft, empfinden, daß Karma wirksam ist. Unter den Stufen der christlichen Einweihung ist dies die Geißelung, d.h. gelassen und ruhig gegenüberstehen allem Leid, allen Schmerzen des Lebens, die uns wie Geißelhiebe treffen, und wissen, daß sie karmisch bedingt sind. Das ist echte Gelassenheit.“ (Lit.:GA 266b, S. 251f)

Loslösung des Erlebens vom Leib

„Vor allen Dingen möchte ich ein wichtiges Moment hervorheben, das die Initiationserkenntnis auszeichnet. Das ist dies, daß der Mensch immer mehr und mehr fühlt, je weiter er vordringt in dem Erleben des Übersinnlichen, wie ihm seine eigene Leiblichkeit entschwindet, das heißt mit Bezug auf das, woran diese Leiblichkeit im gewöhnlichen Leben beteiligt ist. Fragen wir uns einmal, wie unsere Urteile im Leben zustande kommen. Wir wachsen auf, entwickeln uns als Kind. Es setzt sich in unserem Leben Sympathie und Antipathie fest. Sympathie und Antipathie mit Naturerscheinungen, Sympathie und Antipathie vor allen Dingen mit anderen Menschen. An alledem ist unser Körper beteiligt. Wir legen selbstverständlich da hinein diese Sympathie und Antipathie, die zum großen Teil sogar in physischen Vorgängen unseres Leibes ihren Grund haben. In dem Augenblicke, in dem der zu Initiierende in die übersinnliche Welt aufsteigt, lebt er sich in eine Welt ein, worin ihm diese Sympathie und Antipathie, die mit der Körperlichkeit zusammenhängen, für das Verweilen im Übersinnlichen immer fremder und fremder werden. Er ist demjenigen entrückt, womit er durch seine Leiblichkeit zusammenhängt. Er muß, wenn er wiederum das gewöhnliche Leben aufnehmen will, sich gewissermaßen erst wieder hineinstecken in seine gewöhnlichen Sympathien und Antipathien, was sonst ja selbstverständlich geschieht. Wenn man des Morgens aufwacht, steckt man in seinem Leibe darinnen, entwickelt dieselbe Liebe zu den Dingen und Menschen, dieselbe Sympathie oder Antipathie, die man vorher gehabt hat. Das geschieht von selbst. Wenn man nun im Übersinnlichen verweilt und wiederum zu seinen Sympathien und Antipathien zurück will, dann muß man das mit Anstrengung tun, muß man gewissermaßen untertauchen in seine eigene Leiblichkeit. Dieses Entrücktwerden der eigenen Leiblichkeit, das ist eine der Erscheinungen, die zeigt, daß man wirklich etwas vorwärtsgekommen ist. Überhaupt ist das Auftreten von weitherzigen Sympathien und Antipathien das, was dem Initiierten allmählich sich einverleibt.“ (Lit.:GA 214, S. 130f)

Erleben im Ätherleib

„Dem Meditieren muß zu Hilfe kommen die Übung in der Charakterstärke, inneren Wahrhaftigkeit, Ruhe des Seelenlebens, völliger Besonnenheit. Denn nur wenn die Seele von diesen Eigenschaften durchzogen ist, wird sie das, was im Meditieren als ein Vorgang sich bildet, der ganzen menschlichen Organisation allmählich einprägen. Ist durch solches Üben der richtige Erfolg eingetreten, dann erlebt man sich im ätherischen Organismus. Das Gedankenerlebnis erhält eine neue Form. Man erlebt die Gedanken nicht nur in der abstrakten Form wie früher, sondern so, daß man in ihnen Kräfte fühlt. Die vorher erfahrenen Gedanken können nur gedacht werden; sie haben keine Macht zu einer Aktivität. Die Gedanken, die man jetzt erlebt, haben eine Macht wie die Wachstumskräfte, die den Menschen vom kleinen Kinde zum Erwachsenen umbilden. Eben deshalb aber ist es notwendig, daß die Meditation in richtiger Art ausgeführt wird. Denn greifen in sie unterbewußte Kräfte ein, ist sie nicht ein in voller Besonnenheit rein seelisch-geistig verlaufender Akt, so werden Impulse entwickelt, die so wie die natürlichen Wachstumskräfte in den eigenen menschlichen Organismus eingreifen. Das darf in keiner Art geschehen. Der eigene physische und ätherische Organismus muß durch die Meditation völlig unberührt bleiben. Man kommt bei richtiger Meditation dazu, mit dem neu entwickelten Gedanken-Kräfte-Inhalt außerhalb des eigenen physischen und ätherischen Organismus zu leben. Man hat das Äther-Erleben; und der eigene Organismus gelangt zu dem persönlichen Erleben in ein Verhältnis einer relativen Objektivität. Man schaut ihn an, und er strahlt in Gedankenform zurück, was man im Äther erlebt.

Gesund ist dieses Erleben, wenn man in den Zustand kommt, durch den man in völlig freier Willkür abwechseln kann zwischen einem Dasein im Äther und einem solchen in seinem physischen Leibe. Liegt etwas vor, was einen in das Ätherdasein hineinzwingt, dann ist der Zustand kein richtiger. Man muß in sich und außer sich nach völlig freier Orientierung sein können.“ (Lit.:GA 25, S. 24f)

Loslösung der Denkkraft vom Leib

„Die Methode der Initiation lehrt intime Übungen der Seele. Wie wir im alltäglichen Leben auf die leibliche Umgebung wirken, so müssen wir unsere Seele in die Lage bringen, geistig-seelisch auf den Makrokosmos zu wirken und Eindrücke aus ihm zu bekommen. Wir müssen unsere an das leibliche Leben gebundenen geistig-seelischen Kräfte freizumachen suchen. Drei Seelenkräfte sind im gewöhnlichen Leben mit dem Leibe verbunden, die durch die Initiation frei werden. Die erste Kraft der Seele ist die Denkkraft. Wir verwenden sie im gewöhnlichen Leben zur Bildung der Gedanken, zu Vorstellungen der uns umgebenden Dinge. Versuchen wir, uns in die Natur dieser Denkkraft zu versetzen. Was geschieht, wenn wir denken und uns Vorstellungen machen? Auch die physische Wissenschaft wird zugeben, jedesmal, wenn wir einen Gedanken fassen, der sich auf etwas Sinnliches bezieht, findet in unserem Gehirn ein Zerstörungsprozeß statt. Feine Strukturen des Gehirns müssen wir zerstören, die Ermüdung zeigt das zur Genüge, Was das alltägliche Denken zerstört, das wird wieder hergestellt im Schlaf.

Durch die Methode der Initiation erlangen wir einen Zustand, durch den wir die Denkkraft frei bekommen von dem physischen Gehirn: es wird dann nichts zerstört. Das erreichen wir in der Meditation, Konzentration, Kontemplation. Diese sind gewisse Vorgänge in unserer Seele, die sich vom gewöhnlichen Seelenleben unterscheiden. Diejenigen Vorstellungen und Seelenvorgänge, die im gewöhnlichen Leben uns erfüllen, sind wenig geeignet, in unserer Seele die Meditation zu erzeugen; man muß andere dazu wählen. Um konkret zu sprechen, soll ein Beispiel gegeben werden. Stellen Sie sich zwei Gläser vor, das eine leer, das andere halb gefüllt. Dann stellen Sie sich vor, wir füllen Wasser aus dem halb gefüllten Glase in das leere, und nun stellen wir uns vor, das halb gefüllte würde immer voller und voller dabei werden. Der Materialist findet so etwas närrisch. Aber bei einer Vorstellung, die zur Meditation geeignet ist, handelt es sich nicht um etwas im physischen Sinne Wirkliches, sondern um etwas, das Seelenvorstellungen bildet. Gerade weil sich eine solche Vorstellung auf nichts Wirkliches bezieht, lenkt sie unseren Sinn ab vom Wirklichen. Ein Symbol aber kann sie sein, nämlich für den Seelenvorgang, der mit dem Geheimnis der Liebe verknüpft ist. Bei dem Vorgange der Liebe verhält es sich wie mit dem halb gefüllten Glas, aus dem man in ein leeres gießt und das dabei doch voller wird. Die Seele wird nicht leerer, sie wird voller in dem Maße, wie sie gibt. Eine solche Bedeutung kann dieses Symbol haben.

Wenn wir eine solche Vorstellung so behandeln, daß wir alle Seelenkräfte auf sie hinwenden, dann ist dies eine Meditation. Wir müssen bei einer solchen Vorstellung alles andere vergessen, auch uns selbst. Unser gesamtes Seelenleben muß lange auf sie gerichtet sein, etwa eine Viertelstunde lang. Es genügt nicht, einmal oder wenige Male eine solche Übung zu machen; sie muß immer wiederholt werden. Je nach der Veranlagung des Individuums wird sich zeigen, daß das Seelenleben sich dabei verändert. Wir bemerken, daß wir dabei eine solche Denkkraft entwickeln, die das Gehirn nicht zerstört. Wer eine solche Entwickelung durchmacht, wird erkennen, daß die Meditation keine Ermüdung hervorruft und das Gehirn nicht zerstört. Dem scheint zu widersprechen, daß Anfänger bei der Meditation einschlafen. Aber dieses rührt davon her, daß wir im Beginn noch an der äußeren Welt hängen und noch nicht die Gedanken vom Gehirn befreit haben. Haben wir durch wiederholte Anstrengungen die Denkkräfte vom Gehirn befreit, haben wir das Meditieren ohne Ermüdung erreicht, dann tritt eine Umwandlung in unserem ganzen menschlichen Leben ein. Wie wir bisher im Schlafe ohne Bewußtsein außerhalb des Körpers waren, so sind wir es jetzt bewußt. Und wie wir unser Ich im alltäglichen Leben in unserer Haut denken, so erleben wir uns nach der Meditation außerhalb unseres Leibes. Der Leib wird ein Objekt, auf das wir hinschauen. Jetzt aber lernen wir das noch anders kennen als im Schlafe. Wir lernen es wie magnetische Kräfte kennen, die uns an unseren Leib ketten. Er ist etwas, in das wir untertauchen wollen. Und wir erkennen, es sind dieselben Kräfte, die jeden Morgen uns zu unserem physischen Körper ziehen, die wir vor der Geburt uns aus der geistigen Welt herausgeholt haben, und die uns veranlaßt haben, die Vererbungsströmungen aufzusuchen, um einen neuen Körper zu finden. Wir erfahren dadurch, warum wir uns zu unseren Eltern und Ahnen hingezogen fühlen.“ (Lit.:GA 150, S. 60ff)

Loslösung der Sprachkraft bzw. des Gefühls vom Leib

„Wie wir die Denkkraft loslösen, so können wir auch die Kraft loslösen, die wir zum sprachlichen Ausdruck verwenden. Die materialistische Wissenschaft sagt, die motorischen Sprachorgane hätten ihr Zentrum im sogenannten Brocaschen Sprachorgan. Aber nicht das Brocasche Organ hat die Sprache gebildet, sondern diese hat jenes gebildet.

Die Denkkraft wirkt zerstörend, die Sprache, die aus der sozialen Umgebung kommt, wirkt aufbauend. Nun können wir diese Kraft, die das Brocasche Organ aufbaut, loslösen. Das erreichen wir dadurch, daß wir unsere Meditation durchtränken mit Gefühlswerten. Wenn ich meditiere: Im Lichte strahlet Weisheit - , so spiegelt auch das keine äußere Wahrheit, aber einen tiefen Sinn hat es, eine tiefe Bedeutung. Wenn wir unser Gefühl damit durchdringen: Wir wollen leben mit dem ganzen Lichte, das Weisheit strahlt - , dann fühlen wir, wie wir die Kraft ergreifen, die sonst im Worte zum Ausdruck kommt, und die nun in unserer Seele lebt. Wenn man vom goldenen Schweigen spricht, so bezieht sich das darauf: Wir haben in unserer Seele eine Kraft, die das Wort schafft. - Wir können sie ergreifen wie die Denkkraft. Dann überwinden wir die Zeit, wie wir durch das Ergreifen der Denkkraft den Raum überwinden. Was für das alltägliche Leben ein Erinnern ist bis zur Kindheit, das dehnt sich dann aus über das vorgeburtliche Leben. Das ist der Weg, um Erfahrungen zu bekommen über das Leben vom letzten Tode bis zu unserer jetzigen Geburt, und zugleich der Weg, die Entwickelung der Menschheit zu durchschauen. Wir durchschauen die Kräfte, die die Evolution der Menschengeschichte leiten.“ (Lit.:GA 150, S. 62f)

„Sprache wird hervorgebracht, wenn wir unsere Gedanken mit innerlichem Gefühl, mit innerlicher Empfindung gründlich durchdringen. Dies ist der Ursprung der Sprache, und Brocas Organ im Gehirn wird auf diese Weise hervorgebracht: die Gedanken des inneren Lebens, die von innerlicher Empfindung durchdrungen sind, werden tätig im Gehirn und bilden auf diese Weise das Organ, welches das physische Instrument der Sprache ist. Wenn wir so meditieren, wenn unsere Meditation wirklich von solchen Gefühlen durchdrungen ist, dann halten wir in unseren Seelen jene Kraft zurück, die wir im täglichen Leben im Sprechen benützen. Wir können sagen, daß die Sprache die Verkörperung der inneren Seelenkraft ist, welche diese von Gefühl durchdrungenen Gedanken ausdrückt. Wenn wir nun, statt daß wir der Seelenkraft erlauben, in der Sprache hervorzutreten, Meditation aus diesen von Gefühl durchdrungenen Gedanken entwickeln, wenn wir immer weiter und weiter mit dieser Meditation fortfahren, dann gewinnen wir allmählich die Fähigkeit - sogar jetzt ohne das physische Organ -, durch Initiation zurückzuschauen in frühere Erdenleben und auch die Zeit zwischen den Erdenleben zu erforschen, die Zeit, welche immer zwischen Tod und neuer Geburt liegt.

Durch solche Ausbildung des Zurückhaltens der Sprache innerhalb der Seele, oder wie der Okkultist sagt, durch das Zurückhalten des «Wortes» innerhalb der Seele, können wir zurückschauen zum Urbeginn unserer Erde, zurück zu dem, was die Bibel den Schöpfungsakt der Elohim nennt. Wir können zurückschauen bis in die Zeit, wo die wiederholten Erdenleben für die Menschheit anfingen. Denn die okkulte Entwickelung, die wir dadurch erreichen, daß wir das Wort zurückhalten oder die Sprache zurückhalten, befähigt uns, in die sich folgenden Zeitperioden hineinzuschauen, insofern sie mit unserer Erde, mit dem spirituellen Leben unseres Erdenplaneten verbunden sind. Wir werden fähig, die Wesenheiten der höheren Hierarchien zu schauen, insofern sie mit dem spirituellen Leben der Erde verbunden sind.“ (Lit.:GA 152, S. 28)

Loslösung der Willenskraft vom Leib

„Dann wird noch eine dritte Kraft durch die Meditation selbständig. Nicht nur das Gehirn und den Kehlkopf, sondern auch die Blutzirkulation und das Herz ergreift sie. In schwacher Form wirkend, fühlen wir sie beim Erröten und Erblassen. Da greift ein Seelisches in die Pulsation des Blutes ein und geht bis zum Herzen. Diese Seelenkraft kann herausgezogen werden aus der Pulsation des Blutes und eine selbständige Seelenkraft werden. Dieses geschieht durch Meditation, da wo der Wille sich mit der Meditation verbindet. Wir meditieren: Im Lichte erstrahlet Weisheit. - Aber wir fassen den Entschluß, unser Wollen so damit zu verbinden, daß wir mitgehen wollen mit dieser strahlenden Weisheit in der Evolution der Menschheit. Wenn wir zu solcher Willensmeditation kommen, dann erreichen wir, daß die Willenskräfte in die Seele einströmen. Diese Kräfte kann man erfassen und herausziehen aus dem Blute - man kann sie zwar nicht ganz herausziehen -, dann bilden sie eine hellseherische Kraft, durch die wir hinauskommen über unsere Erde. Wir lernen unsere Erde erkennen als einen wiederverkörperten Planeten, der sich neu verkörpern wird und wir Menschen mit ihm. So wachsen wir durch die geistig-seelische Welt hinein in den Makrokosmos. In gewisser Weise erfahren wir, wie das Leben zwischen Tod und Geburt entgegengesetzt sein muß dem Leben in einer Inkarnation. Denn was der Mensch da nach dem Tode erlebt, befreit vom Körper, das erfährt ja der Initiierte. Nehmen wir das Hauptcharakteristikum dessen, was sich uns dargeboten hat im leibfreien Zustande. Es ist dasselbe Erlebnis wie im Leben nach dem Tode. Im Mikrokosmos lebend, nehmen wir wahr durch das physische Organ der Sinne. Nach dem Tode sehen wir auf den Körper wie der Initiierte. Nicht wahrnehmen kann man da, was die Sinnesorgane wahrnehmen. Der Initiierte kann das Leben zwischen Tod und neuer Geburt erkennen, weil er schon hier den Übergang vom Mikrokosmos zum Makrokosmos gefunden hat.“ (Lit.:GA 150, S. 63f)

„Sowie man beginnt zu meditieren, zieht sich der Ätherleib zusammen. Dadurch entsteht eine innerliche Wärme, denn der Wärmeäther, der niederste Äther - über ihm kommt der Lichtäther, Tonäther, Lebensäther - ist es, der sich zusammenzieht. Wenn man darauf achtet, was man dann außer sich hat, so wird man wahrnehmen, daß das etwas ist wie hinfließend, [wie] eine Art religiöser Hingabe, wie moralische Wärme im Weltenäther. Und man wird gewahr, daß das, was man in sich hat, etwas anderes ist: wie ein Sich-Schämen-Müssen dieser moralischen Weltenwärme gegenüber. Das will der Mensch nicht gern, er mag sich nicht schämen, er weicht dem aus. Und daher sagt er, er mache keine Fortschritte. Er verbirgt sich vor sich selber. Nur durch Entfaltung seines Willenswesens kann er da weiter kommen. Und wenn er da sagt: ich kann nicht - so heißt das nur: ich will nicht! Ich will meinen Willen nicht entfalten.“ (Lit.:GA 266c, S. 252)

„Wenn wir auf eine solche Weise meditieren, daß unsere Meditation mit Impulsen des Willens erfüllt wird, so halten wir eine Kraft zurück, die sonst in die Pulsation des Blutes übergehen würde. Sie können leicht beobachten, daß das Leben unseres inneren Ich in das Pulsieren des Blutes übergehen kann, wenn Sie sich daran erinnern, daß wir blaß werden, wenn wir uns fürchten, und erröten, wenn wir uns schämen. Das ist der Übergang der Seelenkraft in das Pulsieren des Blutes. Wenn diese selbe Kraft, die das Blut beeinflußt, so in Tätigkeit tritt, daß sie nicht in das Physische hinuntersteigt, sondern nur in der Seele bleibt, dann fängt diese dritte Meditation an, die wir durch Willensimpulse beeinflussen können.“ (Lit.:GA 152, S. 29)

Ausbildung der Lotosblumen

„Derjenige, der diese drei Formen der okkulten Entwickelung durchmacht, fühlt, wenn er nur Denkkraft freimacht, als ob er ein Organ an der Nasenwurzel hätte. Dieses Organ wird als Lotusblume beschrieben, durch welches er dieses Ich oder Selbst bemerken kann, das weit in den Raum ausgedehnt ist.

Derjenige, welcher durch Meditation Gedanken, durchdrungen von Gefühlen, entwickelt hat, wird sich allmählich durch diese entwickelte Kraft, die sonst Sprache geworden wäre, der sogenannten sechzehnblättrigen Lotusblume in der Gegend des Kehlkopfes bewußt. Mit Hilfe dieser sogenannten Lotusblume kann er das begreifen, was mit zeitlichen Dingen vom Anfang der Erde bis ans Ende derselben verbunden ist. Durch dieses Organ lernt man auch in Wirklichkeit die okkulte Bedeutung des Mysteriums von Golgatha erkennen, von welcher wir in unserem nächsten Vortrag sprechen werden.

Durch die zurückgehaltene Seelenkraft, die im normalen alltäglichen Leben sich bis in das Blut und seine Pulsation ausdehnen würde, wird ein Organ in der Gegend des Herzens entwickelt, das in meinem Buch «Die Geheimwissenschaft im Umriß» beschrieben wird und durch welches man die Evolution verstehen kann, die man im Okkultismus als Saturn, Sonne und Mond bezeichnet, die früheren Inkarnationen unserer Erde.“ (Lit.:GA 152, S. 29f)

Gebet und Meditation

„Man muß unterscheiden zwischen Gebet und Meditation. Das gewöhnliche Gebet dient heute zumeist einer Befriedigung des eigenen Selbstes. Die wahre Meditation aber ist ein Vollziehen des geistigen Willens, der den Zeitgeist in sich trägt. Wo solche Meditation geübt wird, da vermag eine geistige Kraft in das irdische Geschehen hineinzuwirken. Geistige Welten wollen heute in das irdische Geschehen hineinwirken, aber sie können dieses nur, wenn durch menschliche Meditation Raum dafür geschaffen wird. Es geschieht dadurch etwas wie eine Aussparung im physischen Felde, in die sich geistige Wesen mit ihren Wirkungen hineinbegeben können.“[4](Lit.: GA 266c, S. 436)

Die Stufen der höheren Erkenntnis

Drei Stufen der höheren Erkenntnis können wir unterscheiden: die Imagination, die Inspiration und die Intuition.

Bildhaftes Denken zur Vorbereitung der Imagination

Zur Vorbereitung der Imagination muss der Meditierende ein klares bildhaftes Denken entwickeln.

„Nun, dieses ganze Üben beruht ja darauf, daß man von einem Eingehen auf die Sinneseindrücke absieht. Den Sinneseindrücken gibt man sich nicht hin im Meditieren, man gibt sich allein dem Gedankenleben hin. Dieses Gedanken leben aber muß, durch ein festes Ruhen auf gewissen leicht überschaubaren Gedanken, zu einer solchen Lebendigkeit, zu einer solchen Intensität gebracht werden, wie es sonst nur das äußere Sinnesleben hat. Sie wissen ja, es ist etwas ganz anderes, wenn wir den äußeren Sinneseindrücken hingegeben sind, als wenn wir mit dem gewöhnlichen Bewußtsein nur unserer blassen, unlebendigen Gedankenwelt hingegeben sind. Die Sinneseindrücke wirken lebendig, intensiv auf uns. Wir sind an sie hingegeben. Die Gedanken verblassen, sie werden abstrakt, sie werden kalt. Aber darin besteht gerade das Wesen des Meditierens, daß wir es durch Übung dahin bringen, in dem bloßen Gedankenweben mit einer solchen Intensität und Lebhaftigkeit darinnen zu leben wie sonst im äußeren Sinnesleben. Wenn man einen Meditationsgedanken in einer solchen inneren Lebendigkeit erfassen kann, wie sie sonst vorhanden ist, wenn man sich einer Farbe hingibt, dann hat man den Meditationsgedanken in der richtigen Weise ins Leben hereingestellt. Alles das aber muß mit einer solchen inneren Freiheit geschehen, wie eben das normale Gedankenweben und das sinnliche Wahrnehmen geschieht. Wie wir uns da nicht nebulosen Stimmungen, mystischen Verträumtheiten hingeben, wenn wir die äußere Welt beobachten, wie wir da nicht zum Schwärmer werden, so dürfen wir es auch nicht, wenn wir in dieser Weise richtig meditieren. Genau dieselbe Stimmung muß in diesem Meditieren enthalten sein, wie sonst im äußerlichen, sinnlichen Wahrnehmen.

Das ist das Eigentümliche der anthroposophischen Methode, daß sie die Sinneswahrnehmung geradezu zum Muster nimmt. Sonstige nebulose Mystiker findet man ja, die sagen: Sinneswahrnehmungen - etwas sehr Minderwertiges! Die muß man verlassen. Man muß ins Traumhafte, ins Mystische, ins Sinnesabgewandte sich versetzen! - Dadurch kommt natürlich nur ein halber Schlaf zustande, nicht ein wirkliches Meditieren. Die Anthroposophie verfolgt den entgegengesetzten Weg: Sie nimmt sich das Sinneswahrnehmen geradezu zum Muster in bezug auf seine Qualität, Intensität, in bezug auf seine Lebhaftigkeit. So daß sich der Mensch in diesem Meditieren so frei bewegt, wie er sich in der Sinneswahrnehmung sonst bewegt. Er fürchtet sich dabei gar nicht, daß er zum trockenen Nüchterling wird. Die Dinge, die er auf diese Weise in aller Objektivität erlebt, die halten ihn schon von der trockenen Philistrosität ab und er hat nicht nötig, wegen der Objekte, die er erlebt, um der Überwindung der Alltäglichkeit willen sich in traumhafte Nebulositäten zu erheben.

Indem der Mensch also richtig meditiert, gelangt er dazu, sich in Gedanken frei zu bewegen. Dadurch aber werden die Gedanken selber befreit von ihrem vorherigen abstrakten Charakter, sie werden bildhaft. Und das tritt jetzt beim vollen Wachbewußtsein ein, mitten unter dem anderen gesunden Denken. Das darf man nämlich nicht verlieren. Der Halluzinant, der Schwärmer, der ist in dem Momente, wo er halluziniert, schwärmt, ganz Halluzinant, ganz Schwärmer, da setzt er den gesunden Menschenverstand ganz weg; das darf derjenige, der die hier beschriebenen Methoden befolgt, nicht. Der hat immer den gesunden Menschenverstand neben sich. Den nimmt er durch all dasjenige mit, was er da im bildhaften Gedankenleben erlebt. Und was tritt dadurch ein? Ja, sehen Sie: bei vollem Wachzustande tritt dasjenige ein, was sonst nur das unbewußte Leben formt an der Bildhaftigkeit des Traumes. Aber das ist gerade der Unterschied der Imagination gegenüber dem Traume: beim Traume wird alles in uns gemacht; dann dringt es aus unerkannten Tiefen herein in das Wachleben, und wir können es nur hinterher beobachten. Bei der Imagination, bei der Vorbereitung zur Imagination, beim meditativen Inhalt machen wir das selbst, was sonst in uns gemacht wird. Wir werfen uns auf zu Schöpfern von Bildern, die nicht bloße Phantasiebilder sind, sondern an Intensität, an Lebendigkeit sich von den Phantasiebildern ebenso unterscheiden wie die Traumbilder von den bloßen Phantasiebildern. Aber wir machen das alles selbst, und darauf kommt es an. Und indem wir es selbst machen, sind wir auch von einer gründlichen Illusion befreit, die nämlich darinnen besteht, daß man dasjenige, was man so selber macht, als eine Kundgebung aus der objektiven Außenwelt ansehen könnte. Das wird man nie, denn man ist sich bewußt, daß man dieses ganze Bildgewebe selber macht. Der Halluzinant, der hält seine Halluzinationen für Wirklichkeit. Er hält Bilder für Wirklichkeit, weil er sie ja nicht selber macht, weil er weiß, daß sie gemacht werden. Dadurch entsteht für ihn die Täuschung, daß sie Wirklichkeit seien. Derjenige, der sich durch Meditation für die Imagination vorbereitet, kann gar nicht in den Fall kommen, das, was er da selber ausbildet, für wirkliche Bilder zu halten. Eine erste Stufe zur übersinnlichen Erkenntnis wird gerade darinnen bestehen, daß man illusionsfrei wird dadurch, daß man das ganze Gewebe, das man jetzt als die innere Fähigkeit, Bilder von solcher Lebendigkeit, wie sonst die Traumbilder sind, hervorzurufen, daß man das in völlig freier Willkür gestaltet. Und man müßte selbstverständlich ja jetzt verrückt sein, wenn man das für Wirklichkeit hielte!“ (Lit.:GA 303, S. 75ff)

Sinnbildliche Vorstellungen

„Nun sind zu der geschilderten Verrichtung der Seele die meisten Begriffe des Lebens am wenigsten brauchbar. Alle Seeleninhalte, welche im ausgesprochenen Maße auf ein außer ihnen liegendes Objektives sich beziehen, sind für die charakterisierten Übungen von geringer Wirkung. Es kommen vielmehr besonders solche Vorstellungen in Betracht, welche man als Sinnbilder, Symbole bezeichnen kann. Am fruchtbarsten sind diejenigen, welche sich in lebendiger Art zusammenfassend auf einen mannigfaltigen Inhalt beziehen. Man nehme als ein erfahrungsgemäß gutes Beispiel das, was Goethe als seine Idee von der «Urpflanze» bezeichnet hat. Es darf darauf hingewiesen werden, wie er von dieser «Urpflanze» einmal in Anlehnung an ein Gespräch mit Schiller mit wenigen Strichen ein symbolisches Bild gezeichnet hat. Auch hat er gesagt, daß derjenige, welcher dieses Bild in seiner Seele lebendig macht, an ihm etwas habe, aus dem durch gesetzmäßige Modifikationen alle möglichen Formen ersonnen werden können, welche die Möglichkeit des Daseins in sich tragen. Man mag zunächst über den objektiven Erkenntniswert einer solchen «symbolischen Urpflanze» denken, wie immer: wenn man sie in dem angedeuteten Sinne in der Seele leben läßt, wenn man ihre Wirkung auf das Seelenleben in Ruhe abwartet, dann tritt etwas von dem ein, was man veränderte Seelenverfassung nennen kann. Die Vorstellungen, welche von den Geistesforschern als in dieser Beziehung brauchbare Symbole genannt werden, mögen zuweilen recht sonderbar erscheinen. Das Sonderbare kann abgestreift werden, wenn man bedenkt, daß solche Vorstellungen nicht nach ihrem Wahrheitswert im gewöhnlichen Sinne genommen werden dürfen, sondern daraufhin angesehen werden sollen, wie sie als reale Kräfte im Seelenleben wirken. Der Geistesforscher legt eben nicht Wert darauf, was die zur Seelenübung verwendeten Bilder bedeuten, sondern was unter ihrem Einflusse in der Seele erlebt wird. Hier können naturgemäß nur einzelne wenige Beispiele wirksamer symbolischer Vorstellungen gegeben werden. Man denke sich die menschliche Wesenheit im Vorstellungsbilde so, daß die mit der tierischen Organisation verwandte niedrige Natur des Menschen im Verhältnis zu ihm als Geisteswesen durch sinnbildliches Zusammensein einer Tiergestalt mit daraufgesetzter höchstidealisierter Menschenform (etwa wie ein Kentaur) erscheint. Je bildhaft-lebensvoller, inhalts-gesättigter das Symbol erscheint, um so besser ist es. Dieses Symbol wirkt unter den angeführten Bedingungen so auf die Seele, daß diese nach Verlauf einer - allerdings längeren - Zeit die inneren Lebensvorgänge in sich gestärkt, beweglich, sich gegenseitig erhellend empfindet. Ein altes, gut brauchbares Symbol ist der sogenannte «Merkurstab», das heißt, die Vorstellung einer Geraden, um welche spiralig eine Kurve läuft. Man muß dann allerdings ein solches Gebilde als ein Kräftesystem sich verbildlichen, etwa so, daß längs der Geraden ein Kräftesystem läuft, dem gesetzmäßig ein anderes von entsprechend geringerer Geschwindigkeit in der Spirale entspricht. (Im Konkreten darf in Anlehnung daran vorgestellt werden das Wachstum des Pflanzenstengels und dazu gehörige Sich-Ansetzen der Blätter längs desselben; oder auch das Bild des Elektromagneten. Im weiteren ergibt sich auf solche Art auch das Bild der menschlichen Entwickelung, die im Leben sich steigernden Fähigkeiten symbolisiert durch die Gerade; die Mannigfaltigkeit der Eindrücke entsprechend dem Lauf der Spirale und so weiter.) - Besonders bedeutungsvoll können mathematische Gebilde werden, insofern in ihnen Sinnbilder von Weltvorgängen gesehen werden. Ein gutes Beispiel ist die sogenannte «Cassinische Kurve» mit ihren drei Gestalten, der ellipsenähnlichen Form, der Lemniskate und der aus zwei zusammengehörigen Ästen bestehenden Form. Es kommt in einem solchen Falle darauf an, die Vorstellung so zu erleben, daß dem Übergang der einen Kurvenform in die andere entsprechend mathematischer Gesetzmäßigkeit gewisse Empfindungen in der Seele entsprechen.

Zu diesen Übungen kommen dann andere. Sie bestehen auch in Symbolen, jedoch solchen, welche in Worten ausdrückbaren Vorstellungen entsprechen. Man denke sich die Weisheit, welche in der Ordnung der Welterscheinungen lebend und webend vorgestellt wird, durch das Licht symbolisiert. Weisheit, die in opfervoller Liebe sich darlebt, denke man von Wärme versinnlicht, die in Gegenwart des Lichtes entsteht. Aus solchen Vorstellungen denke man sich Sätze geprägt, die also nur sinnbildlichen Charakter haben. Solchen Sätzen kann sich das Seelenleben in Meditation hingeben. Der Erfolg hängt im wesentlichen von dem Grade ab, welchen der Mensch in bezug auf Seelenruhe und Isolierung des Seelenlebens innerhalb der Symbole erreicht. Tritt der Erfolg ein, so besteht er darin, daß sich die Seele wie herausgehoben fühlt aus der körperlichen Organisation. Es tritt für sie etwas ein wie eine Änderung ihrer Seinsempfindung. Läßt man gelten, daß der Mensch sich im normalen Leben so fühlt, daß sein bewußtes Leben sich wie von einer Einheit ausgehend spezifiziert nach den Vorstellungen, die von den Wahrnehmungen der einzelnen Sinne herrühren, so fühlt sich die Seele infolge der Übungen durchsetzt von einem Erleben ihrer selbst, dessen Teile weniger schroffe Übergänge zeigen, wie zum Beispiel Farben- und Tonvorstellungen innerhalb des gewöhnlichen Bewußtseinshorizontes. Die Seele hat das Erlebnis, daß sie sich in ein Gebiet inneren Seins zurückziehen kann, das sie dem Erfolge der Übungen verdankt und das ein Leeres, ein Unwahrnehmbares war vor der Vornahme der Übungen.“ (Lit.:GA 267, S. 470ff)

Loslösung des Denkens von der eigenen Persönlichkeit

„Wenn man nur bei der Denkarbeit bleibt, die sich im gewöhnlichen Leben entwickelt, ist das Denken zu schwach, zu kraftlos, zu wenig energisch, um in die geistige Welt einzutreten. Man muß gewissermaßen erst von dem gewöhnlichen Leben das Denken loslösen, damit man dann mit seiner Individualität in das losgelöste Denken hineinschlüpfen und sich so aus dem Leibe herausziehen kann.

Wie kann man es nun machen, daß man sein Denken gewissermaßen von seinem gewöhnlichen Wesen loslöst? Das kann man dadurch zustandebringen, daß man gewisse Gedanken - es kommt gar nicht darauf an, welche Gedanken das sind, am besten bildhafte Gedanken, die man leicht überschaut, bei denen man sicher ist, daß man sie in dem Moment, wo man sie hegt, wirklich bildet, so daß sie nicht Reminiszenzen sein können von Erlebnissen — in energischer Meditation, in energischer Konzentration durchdenkt. Solch eine Übung muß allerdings oftmals gemacht werden. Dadurch aber, daß man solche Übungen wiederholt, daß man immer wiederum auf denselben Gedankenkomplex zurückkommt, löst man aus dem Bereiche des gewöhnlichen Lebens diesen Denkkomplex heraus, man übergibt ihn der Welt, man läßt ihn mit sich selbst leben. Wenn ich heute einen bestimmten Denkkomplex habe, mich ganz in ihn vertiefe, dann von ihm abkomme, das gewöhnliche Leben verfolge, dann ist er nicht etwa völlig vernichtet, dann lebt er weiter, und er kann nach einiger Zeit heraufgeholt werden und wiederum in mein Bewußtsein gebracht werden. Das Leben, das er so weiterlebt, das lebt er gewissermaßen ohne meine Persönlichkeit, die unmittelbar an das stofflich-leibliche Leben gebunden ist. Das Denken ist der geistigen Welt übergeben. Den Gedanken hat man hineinfließen lassen in das geistige Leben, und er wird wiederum aus demselben herausgezogen. Wenn man die nötige Geduld und Ausdauer hat, bringt man es dahin, nach verhältnismäßig langer Zeites können Tage, Wochen, Monate, Jahre sein — einem Gedanken wieder zu begegnen, den man also losgelöst hat aus dem Bereich des subjektiven Lebens, den man dem unbekannten Weltenwirken übergeben hat, so daß er ohne uns fortfließt. Wenn man dann gewahr wird, was er geworden ist, ohne daß unsere an die Leiblichkeit gebundene Seele eingegriffen hat, dann macht man an dieser Gedankenbegegnung nach und nach jene bedeutsamen Erlebnisse durch, die es einem zur inneren Gewißheit bringen, daß man in dem Gedankenleben als in einem Geistigen lebt. Daß man sich jetzt dem Gedankenleben, das sich also zuerst losgelöst hat von uns, selber übergibt, mit dem losgelösten Gedankenleben selber von den stofflich-leiblichen Vorgängen loskommt - eine Begegnung eines Gedankenkomplexes mit anderen Gedankenkomplexen, die oftmals nach Jahren eintreten kann, mit jenen Tatsachen, die zwischen den Gedanken verlaufen —, das sind die für die nächste Stufe der Geist-Erkenntnis wichtigsten inneren Erlebnisse.“ (Lit.:GA 66, S. 46ff)

Imagination

Das rote Westfenster des ersten Goetheanums, das den Weg zur imaginativen Erkenntnis schildert.

Die Erleuchtung wird erreicht, wenn sich die Tätigkeit der durch die Meditation ausgebildeten astralischen Organe im Ätherleib abdrückt. Der Geistesschüler hat dann das imaginative Bewusstsein ausgebildet, das im die Geistige Welt in seelischen Bilder vor das innere Auge rückt. Die wahre Bedeutung dieser geistigen Bilder kann aber auf dieser Erkenntnisstufe noch nicht mit völliger Sicherheit erkannt werden.

„Durch die Meditationsübungen, die zur imaginativen Erkenntnis führen sollen, wird das gesamte seelische Innenleben des Menschen verwandelt. Ebenso werden verwandelt die Beziehungen der Menschenseele zur umliegenden Welt. Es handelt sich ja darum, daß Meditieren in dem Sinne, wie es in den letzten Vorträgen hier gemeint war, besteht in einem Konzentrieren aller Seelenkräfte auf einen bestimmten, leicht überschaulichen Vorstellungskomplex. Es ist wichtig, daß man dies ins Auge faßt: ein leicht überschaulicher Vorstellungskomplex, ein solcher, auf den das Geistig-Seelische des Menschen in der unmittelbaren Gegenwart alle Aufmerksamkeit verwenden kann, so daß während des Ruhens der Seele auf diesem Vorstellungskomplex nichts in sie einfließt von irgendwie unterbewußten oder unbewußten oder irgendwie aus der Erinnerung heraufspielenden Seeleneindrücken.

Man muß, wenn die imaginative Erkenntnis in der richtigen Weise herbeigeführt werden soll, beim Meditieren den ganzen Vorstellungskomplex, dem man sich mit allen Seelenkräften hingibt, so vor sich haben wie etwa ein mathematisches Problem, so daß in das Meditieren nichts hineinspielt von gefühlsbetonten Vorstellungen oder von willensdurchzogenen Vorstellungen. Wenn man sich einem mathematischen Problem hingibt, weiß man in jedem Augenblick, daß man mit der Seelentätigkeit in dem verharrt, was man unmittelbar vor dem Seelenauge hat. Man weiß, daß nichts Emotionelles, nichts Gefühlsmäßiges, keine Reminiszenzen aus dem verflossenen Leben in das hineinkommen dürfen, was man sich vorstellt und was zur Urteilsfällung in dem betreffenden Problem führt. In einer solchen Seelenverfassung muß man auch sein bei dem richtigen Meditieren.

Dann ist es am besten, wenn man sich möglichst einem solchen Vorstellungskomplex hingibt, der einem ganz neu ist, von dem man weiß, daß man ihn ganz gewiß noch niemals gedacht hat. Denn wenn man einfach aus der Erinnerung etwas heraufholen würde, so könnte man ja gar nicht wissen, was da alles an unbewußten, gefühlsmäßigen Impulsen hineinspielt. Es ist daher für den Meditanten außerordentlich gut, wenn er sich von einem erfahrenen Geistesforscher raten läßt, denn dieser wird darauf sehen, daß der Meditierende einen Vorstellungsinhalt habe, über den er ganz gewiß bisher nicht gedacht haben kann, so daß dasjenige, was nunmehr meditiert wird, zum ersten Male in das Bewußtsein eintritt, nichts Erinnerungsmäßiges, nichts von Instinktivem hineinspielen kann und nur das Geistig-Seelische bei diesem Meditieren engagiert ist.

Wenn dann eine solche Meditation, die an einem Tage nur kurz zu sein braucht, immer wiederholt wird, dann kommt endlich ein Seelenzustand zustande, der den Menschen ganz deutlich fühlen läßt: Jetzt lebst du in einer inneren Tätigkeit, die sich losgelöst hat von dem physischen Leibe; jetzt lebst du in einer Tätigkeit, die anders ist, als wenn du deine Denktätigkeit oder deine Gefühls- oder Willenstätigkeit innerhalb des physischen Leibes auslösest. - Was einem da besonders entgegentritt, das ist, daß man deutlich fühlt: Man lebt in einer von der physischen Körperlichkeit getrennten Welt. - Man lebt sich eben allmählich in die ätherische Welt hinein und das fühlt man daran, daß der eigene Organismus, der physische Organismus, den Charakter einer relativen Objektivität annimmt. Man schaut gewissermaßen von außen auf diesen physischen Organismus hin, so wie man sonst vom Innern dieses physischen Organismus auf äußere Gegenstände schaut. Aber was sich im inneren Erleben zeigt, daß das Meditieren von Erfolg begleitet war, das ist, daß die Gedanken gewissermaßen dichter werden, daß sie nicht nur den Charakter tragen, den sie sonst haben, nämlich den des Abstrakten, sondern daß man in den Gedanken etwas erlebt, was ähnlich ist den Wachstumskräften, die einen vom kleinen Kinde zum erwachsenen Menschen gemacht haben, oder den Kräften, die täglich in einem tätig sind, wenn der Stoffwechsel den Leib versorgt.

Das Denken nimmt durchaus einen realen Charakter an. Und gerade weil das Denken einen realen Charakter annimmt, so daß man sich jetzt in dem Denken fühlt, wie man sich früher in seinen Wachstumsprozessen oder in seinen Lebensprozessen gefühlt hat, gerade aus dem Grunde muß dieses imaginative Denken auf die eben beschriebene Art erworben sein. Denn wenn man es so erworben hätte, daß Unbewußtes, vielleicht sogar Körperliches beim Meditieren mitgespielt hätte, so würden jene Kräfte, jene Realitäten, die man jetzt im übersinnlichen Denken erlebt, auch wiederum zurückspielen in den physischen und in den ätherischen menschlichen Organismus. Sie würden sich dort vereinigen mit den Wachstumskräften, mit den Ernährungskräften und man würde, indem man dann in einem solchen realen Denken verharrt, seinen physischen und seinen ätherischen Organismus verändern. Das darf aber auf keine Weise sein!“ (Lit.:GA 215, S. 45ff)

„Wenn Sie sich so vorstellen, daß der Mensch, der zum geringen Teile ein fester Leib ist, zum großen Teile Wasser, Luft und die darinnen vibrierende Wärme, so werden Sie es auch nicht mehr so sehr unglaubhaft finden, daß da etwas noch Feineres in uns ist. Und dieses Feinere will ich jetzt den Ätherleib nennen. Dieser Ätherleib, der ist feiner als die Luft. Er ist so fein, daß er uns durchzieht, ohne daß wir im gewöhnlichen Leben etwas davon wissen. Dieser Ätherleib, der ist es, welcher im Wachen in innerlicher Bewegung ist, in einer regelmäßigen Bewegung im ganzen übrigen menschlichen Leib, nur nicht im Kopfe. Im Kopfe ist der Ätherleib innerlich ruhig.

Im Schlafe ist das anders. Das Schlafen beginnt damit und dauert dann in der Art und Weise an, daß der Ätherleib auch im Kopfe anfängt in Bewegung zu sein. So daß wir im Schlafe als ganzer Mensch, nach Kopf und übrigem Menschen, einen innerlich bewegten Ätherleib haben. Und wenn wir träumen, sagen wir, beim Aufwachen, dann ist es so, daß wir die letzten Bewegungen des Ätherleibes gerade im Aufwachen noch wahrnehmen. Die stellen sich uns als die Träume dar. Die letzten Kopf-Ätherbewegungen nehmen wir beim Aufwachen noch wahr; beim schnellen Aufwachen kann das nicht der Fall sein. Wer lange in der Weise, wie ich es angedeutet habe, meditiert, der kommt aber in die Lage, in den ruhigen Ätherleib des Kopfes allmählich Bilder hineinzuformen. Das nenne ich in dem Buche, das ich angeführt habe, Imaginationen. Und diese Imaginationen, die unabhängig vom physischen Leibe im Ätherleib erlebt werden, sind der erste übersinnliche Eindruck, den wir haben können. Der bringt uns dann in die Lage, ganz abzusehen von unserem physischen Leibe, und unser Leben bis zu der Geburt hin in seinem Handeln, in seiner Bewegung wie in einem Bilde anzuschauen. Was oftmals von den Leuten beschrieben wird, die im Wasser untergesunken, am Ertrinken waren: daß sie ihr Leben rückwärtsschauend in bewegten Bildern gesehen haben - das kann hier systematisch ausgebildet werden, so daß man alle Ergebnisse unseres gegenwärtigen Erdenlebens darinnen sehen kann. Das erste, was die Initiationserkenntnis gibt, ist die Anschauung des eigenen seelischen Lebens. Das ist allerdings anders, als man es gewöhnlich vermutet. Gewöhnlich vermutet man in der Abstraktion dieses seelische Leben als etwas, das aus Vorstellungen gewoben ist. Wenn man es in seiner wahren Gestalt entdeckt, da ist es etwas Schöpferisches, da ist es zugleich dasjenige, was in unserer Kindheit gewirkt hat, was unser Gehirn plastisch gebildet hat, was den übrigen Leib durchdringt und in ihm eine plastische, bildsame Tätigkeit bewirkt, indem es unser Wachen, sogar unsere Verdauungstätigkeit jeden Tag bewirkt.

Wir sehen dieses innerlich Tätige im Organismus als den Ätherleib des Menschen. Das ist kein räumlicher Leib, das ist ein zeitlicher Leib. Daher können Sie auch als Raumesform den Ätherleib nur beschreiben, wenn Sie sich bewußt sind, Sie tun dabei dasselbe, wie wenn Sie einen Blitz abmalen. Wenn Sie den Blitz abmalen, malen Sie natürlich einen Augenblick; Sie halten den Augenblick fest. Den menschlichen Ätherleib kann man auch nur so räumlich festhalten, daß das ein Augenblick ist. In Wirklichkeit haben wir einen physischen Raumesleib und einen Zeitleib, einen Ätherleib, der immer in Bewegung ist. Und es bekommt nur einen Sinn, von dem Ätherleib zu sprechen, wenn wir von diesem als Zeitleib sprechen, den wir als Einheit überschauen bis zu unserer Geburt hin, von dem Augenblick ab, wo wir in die Lage kommen, diese Entdeckung zu machen. Das ist das erste, was wir an übersinnlichen Anlagen in uns selbst zunächst entdecken können.“ (Lit.:GA 214, S. 128ff)

„Voll in dieser Tätigkeit, in die sich da der Mensch durch das imaginative Erkennen einfügt, lebt eigentlich nur das ganz kleine Kind, bevor es sprechen gelernt hat. Denn indem es sprechen lernt, indem sich die Sprache im Seelenleben herausbildet, sondern sich aus den allgemeinen Wachstums- und sonstigen Lebenskräften jene Kräfte ab, die dann als abstraktes Denken erlebt werden. Das Kind hat dieses abstrakte Denken noch nicht. Die Metamorphose eines Teiles der Wachstums- und Lebenskräfte zu Denkkräften hat sich noch nicht vollzogen. Daher ist das Kind gegenüber dem Kosmos in einer Tätigkeit, in die man sich wieder zurückversetzt fühlt durch das imaginative Erkennen, nur, daß das Kind es unbewußt erlebt. Der imaginative Denker erlebt es vollbewußt in klarer Besonnenheit.

Für den Menschen, der nicht das imaginative Denken erringt, ist es unmöglich, dasjenige zu überschauen, was da spielt zwischen dem menschlichen ätherischen Organismus und dem Ätherischen im Kosmos. Das Kind kann es nicht schauen, obwohl es das unmittelbar erlebt, weil es noch kein abstraktes Denken hat; der Mensch mit dem gewöhnlichen Bewußtsein kann es nicht schauen, weil er sein abstraktes Denken noch nicht durch Meditation vertieft hat. Vertieft er es durch Meditation, dann schaut er vollbewußt im Grunde genommen jenes Wechselspiel des ätherischen menschlichen Organismus mit dem Ätherischen im Kosmos, in dem noch ungeteilt das ganz kleine Kind lebt. Und so möchte man den paradoxen Satz aussprechen: Der allein ist ein wirklicher Philosoph, der als reifer Mensch wiederum in seiner Seelenverfassung zum ganz kleinen Kinde werden kann, der aber die Gabe sich erworben hat, diese Seelenverfassung des kleinen Kindes in einem wacheren Zustande zu erleben, als das Wachsein des gewöhnlichen Bewußtseins ist, und wiederum heraufzuholen in sein ganzes Seelenleben das, was man war als ganz kleines Kind, bevor man durch die Sprache zum abstrakten Denken übergegangen ist. - Und das, was man so erlebt, vollbewußt zu überschauen, das gibt den Philosophen der modernen Zeit. Der Philosoph der modernen Zeit lebt in der - vollbewußten - Verfassung des ganz kleinen Kindes, bevor es sprechen gelernt hat.“ (Lit.:GA 215, S. 50)

Verwandtschaft mit dem künstlerischen Erleben

„Was man da im Erkennen dieses ätherischen Wesens ausführt, das ist ähnlich und doch wiederum sehr unähnlich nicht der gewöhnlich naturalistisch- abstrakten Erkenntnisweise, sondern der künstlerischen Betätigung. Man muß vielmehr ein gestaltendes Denken entwickeln, ein Denken, das in einer gewissen Beziehung schon an die besondere Vorstellungsweise des Künstlers erinnert. Allerdings, es ist auch wiederum der künstlerischen Vorstellungsweise sehr unähnlich. Denn dasjenige, was der Künstler bildet, bleibt innerhalb des Wesens der Phantasie stehen. Die phantasievoll bildende Tätigkeit ist im eminentesten Sinne an die Leiblichkeit, an die Körperlichkeit gebunden, ist nicht eine Tätigkeit frei von der Leiblichkeit. Die Tätigkeit, die man in der imaginativen Erkenntnis ausübt, ist frei von der Leiblichkeit, und deswegen ergreift sie auch ein Reales. Die Schöpfungen des Künstlers sind nicht so, daß sie sich als Reales in die Welt hineinstellen können. Sie werden noch niemals die Vorstellung gehabt haben von der Venus von Milo, daß sie anfängt weiterzuschreiten und auf Sie zuzukommen. Dasjenige, was der Künstler bildet, ist doch nicht Realität. Ebensowenig werden Sie, wenn Sie auf einem Gemälde einen Teufel gesehen haben, die Befürchtung haben hegen können, daß der Teufel, der da gemalt ist, Sie holen könnte. Es ist die Art und Weise, wie der Künstler sich in die Realität hineinstellt, an die menschliche physische Realität gebunden, taucht aber nicht in die geistig-seelische Realität hinein. Dasjenige, was in imaginativer Erkenntnis erobert wird, das taucht in eine wirkliche Realität, in ein Geschehen ein.“ (Lit.:GA 303, S. 88f)

„Ja, meine sehr verehrten Anwesenden, in die Regionen dringt der imaginativ Erkennende ein, in denen die Impulse liegen, die der Künstler zunächst nicht im Bewußtsein hat, die aber kraften und leben in seinem Inneren, die seine Bildgestaltung führen, die seine Hände führen, die ihn zum Bildner, zum Künstler machen, so daß er dasjenige, was er aus diesen Regionen als Anregungen empfängt, dem äußeren Material, dem äußeren Stoff einverleibt. Dasjenige, was der Künstler zunächst nicht zu wissen braucht, was er aber einverleibt aus seiner unbewußten Intuition heraus dem ihm von außen gegebenen Stoff, das tritt dem imaginativ Erkennenden vor das bewußte Seelenleben. Also gerade in diejenigen Regionen rückt der imaginativ Erkennende ein, aus denen das Leben des künstlerisch Schaffenden in Wirklichkeit quillt. Und wenn man dann wirklich berührt wird von dem, was in diesen Regionen zu finden ist, dann wird nicht Künstlertum, dann wird nicht produktive Kraft abgelähmt wie durch die Wissenschaft vom Toten, sondern dann wird dasjenige, was sonst im Dunkeln bleibt, durch ein helles Licht erst angeregt.“ (Lit.:GA 77b, S. 36)

Inspiration

Das grüne Südfenster des ersten Goetheanums nach dem Entwurf Rudolf Steiners, das den Weg zur inspirierten Erkenntnis zeigt.

Eine noch höhere Stufe der geistigen Erkenntnis wird erreicht, wenn durch fortgesetzte Meditation die imaginativen Bilder willentlich unterdrückt und bei vollem Wachen ein Zustand völliger Leere im Bewusstsein hergestellt wird. Dann beginnt sich das Bewusstsein alsbald mit Inspirationen zu erfüllen, durch sich die Wesen der geistigen Welt in ihrer wahren geistigen Bedeutung und in ihrem Verhältnis zueinander auszusprechen beginnen. Erst auf dieser Erkenntnisstufe kann eine sichere geistige Erkenntnis errungen werden.

„Nun, die nächste Etappe in diesem Meditieren besteht darinnen, daß man sich wiederum die Fähigkeit erwirbt, diese Bilder, die etwas Faszinierendes haben, und die, wenn der Mensch sie nicht in vollständiger Freiheit wie beim Meditieren entwickelt, tatsächlich sich wie die Parasiten festsetzen, daß man diese Bilder aus dem Bewußtsein wiederum ganz verschwinden lassen kann, daß man auch die innere Willkür erhält, diese Bilder, wenn man will, wiederum völlig verschwinden zu lassen. Diese zweite Etappe ist so notwendig wie die erste. So wie im Leben gegenüber dem Erinnern das Vergessen notwendig ist - sonst würden wir immer mit der ganzen Summe unserer Erinnerungen herumgehen - , so ist auf dieser ersten Stufe des Erkennens das Abwerfen der imaginativen Bilder so notwendig als das Weben, das Gestalten dieser imaginativen Bilder.

Aber, indem man das alles durchgemacht hat, durchgeübt hat, hat man etwas mit dem Seelischen vollzogen, was man vergleichen könnte damit, wenn man einen Muskel immerfort gebraucht, wenn man ihn immerfort übt, so wird er stark. Man hat jetzt eine Übung in der Seele dadurch vollzogen, daß man Bilder weben, Bilder gestalten lernt, und sie wiederum unterdrückt, und daß das alles vollständig in dem Bereich unseres freien Willens steht. Sehen Sie, man ist dadurch, daß man die Imagination ausgebildet hat, zu der bewußten Fähigkeit gekommen, Bilder zu gestalten, wie sie sonst das unbewußte Leben des Traums gestaltet, da drüben in der Welt, die man sonst mit seinem gewöhnlichen Bewußtsein nicht überblickt, die in die Zustände zwischen dem Einschlafen und Aufwachen hineinverlegt sind. Jetzt entfaltet man diese selbe Tätigkeit bewußt herüber. Man entfaltet also in jener Meditation, die abzielt auf das imaginative Erkennen, den Willen, die Fähigkeit zu erringen, bewußt Bilder zu schaffen, und wiederum die Fähigkeit, bewußt Bilder aus dem Bewußtsein wegzuschaffen. Dadurch kommt eine andere Fähigkeit.

Diese Fähigkeit ist eine solche, die sonst unwillkürlich vorhanden ist nicht während des Schlafens, sondern im Momente des Aufwachens und Einschlafens. Der Moment des Aufwachens und Einschlafens kann sich so gestalten, daß man das, was man vom Einschlafen bis zum Aufwachen erlebt hat, in den Traumresten herübernimmt, dann von dorther dasjenige, was drüben ist, beurteilt. Es kann uns aber auch dasjenige, dem wir uns öffnen beim Aufwachen, gleich so überraschen, daß alle Erinnerung an den Traum hinuntersinkt. Im allgemeinen kann man sagen: In den Träumen ragt etwas Chaotisches, etwas wie erratische Gebilde von einem außer dem gewöhnlichen Wachleben Liegenden in das Wachleben herein. Es ragt dadurch herein, daß der Mensch während des Schlafens die bildhafte, die Imaginationen schaffende Tätigkeit entwickelt. Entwickelt er im Wachleben die Imaginationen schaffende Tätigkeit und die Imaginationen wegschaffende Tätigkeit, kann er also aus seiner Vorbereitung zur Imagination zu einem bewußtseinsleeren Zustand kommen: dann ist es so wie ein Aufwachen, und dann dringen von jenseits des Sinnesteppichs - was ich jetzt hier in der Zeichnung mit einem roten Kreis bezeichnet habe —, da dringen dann auf den durch die Meditation entwickelten Gedankenbahnen diejenigen Wesenhaftigkeiten durch den Sinnesteppich durch in uns ein, die jenseits dieses Sinnesteppichs sind. Wir durchstoßen den Sinnesteppich, wenn wir nach den gemachten Bildern mit leerem Bewußtsein verharren; dann kommen die Bilder herein durch Inspiration aus dem Jenseits der Sinneswelt. Wir treten in diejenige Welt ein, die jenseits der Sinneswelt liegt. Wir bereiten uns durch das imaginative Leben zur Inspiration vor. Und die Inspiration besteht darinnen, daß wir bewußt so etwas erleben können wie sonst unbewußt den Moment des Aufwachens. Wie im Moment des Aufwachens in unser waches Seelenleben etwas von jenseits des wachen Seelenlebens hereinkommt, so kommt dann, wenn wir durch die Imagination unser Seelenleben so ausgebildet haben, wie ich es geschildert habe, etwas von jenseits des Bewußtseins des Sinnesteppichs herein.

Wir erleben auf diese Weise die geistige Welt, die hinter der Sinneswelt ist. Es ist durchaus das, was als solche Fähigkeiten zur übersinnlichen Erkenntnis angeeignet wird, eine Fortsetzung desjenigen, was der Mensch schon im gewöhnlichen Leben als Fähigkeit hat. Und darauf beruht Anthroposophie, daß solche Fähigkeiten weiter ausgebildet werden. Sie muß sich aber dabei ganz und gar auf dasjenige stützen, was sich der Mensch durch ein zeitliches Erfassen der Lebens- und Daseinsläufe aneignet.“ (Lit.:GA 303, S. 78ff)

Erleben des Ätherleibs – das Lebenstableau

„Wenn Sie nun die Übungsrichtung so weit fortsetzen, daß Sie es bis zur Unterdrückung der selbstgemachten Imagination gebracht haben, bis zur Leerheit des Bewußtseins und dennoch realen geistig-seelischen Inhalt erleben, dann wird das erste sein, was Sie erleben, ein Tableau Ihres bisherigen Erdenlebens so ungefähr bis zur Geburt hin. Den physischen Leib sehen Sie dabei nicht. Der physische Leib entschwindet einem, wenn man also zum leibfreien Wahrnehmen kommt. Aber alles das bleibt vor der Seele stehen, was man erlebt hat, was sonst unbewußte Erinnerungsströmung ist, aus der die einzelnen Erinnerungen auftauchen. Das tritt jetzt vor die Seele hin, aber nicht so wie in der gewöhnlichen Erinnerung, sondern so, daß es auf einmal da ist, daß es gewissermaßen ein Zeitorganismus ist, ein in sich beweglicher Zeitorganismus.“ (Lit.:GA 303, S. 84f)

„Wenn man sich in dieses Lebenstableau hineinlebt, dann findet man: in diesem Lebenstableau ist etwas viel realer als in der bloßen Erinnerung. Die Erinnerungsvorstellungen sind neutrale, die keine innere Kraft haben, die gewissermaßen daliegen, die wir aufnehmen können, die aber keine innere Kraft haben. Dasjenige, was im Lebenstableau enthalten ist, hat innere Kraft und enthält zugleich diejenigen Kräfte, die den Menschen bilden, die innerlich bildend wirken, die zum Beispiel beim Kinde, wo das Gehirn zunächst noch nicht seine vollständige plastische Ausgestaltung hat, sondern erst im Laufe der ersten Lebensjahre ausgestaltet wird, als übersinnliche Bildekräfte wirken. Diese übersinnlichen Bildekräfte lernt man jetzt kennen, indem sie in diesem Lebenstableau drinnen enthalten sind. Man ergreift also nicht etwas bloß abstrakt Vorstellungsmäßiges, sondern man ergreift eine Realität, einen Zeitlauf, der krafterfüllt ist: und das ist der feinere Leib, von dem wir sprechen, Ätherleib, auch Bildekräfteleib genannt, der ein abgeschlossenes Bild im Räume nur gibt als ein augenblicklich Festgehaltenes in einem fortwährenden Strömen. Dieser Ätherleib ist in fortwährender Bewegung. Und wenn man versucht, ihn zu malen, so malt man eigentlich etwas Unwirkliches auf, etwas, was nur einen Augenblick dauern könnte, denn der nächste Zustand ist schon gleich wieder ein anderer und der frühere war ein anderer. Es ist eben durchaus ein Zeitenleib, der aber als Kräfteleib, als Bildekräfteleib dem Wachstum und auch dem Stoffwechsel des menschlichen Organismus zugrunde liegt, von dem wir als von einem feineren, ätherischeren Leibe sprechen. Das Wort ätherisch darf uns dabei nicht an das erinnern, wie es in der Physik gebraucht wird, sondern nur an dasjenige, was eben vorhin charakterisiert und so genannt worden ist.“ (Lit.:GA 303, S. 87f)

Geistesgegenwart

„Nun hat diese Erkenntnis aber noch ein Charakteristikon. Sie werden auch darüber in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» Aufschlüsse finden. Man muß sich nämlich noch etwas aneignen, wenn man zu dieser inspirierten Erkenntnis kommen will. Das ist Geistesgegenwart. Geistesgegenwart hat man, wenn man, in irgendeine Lebenssituation gebracht, schnell handeln kann, nicht erst nachklappt mit seinem Urteil, bis die Gelegenheit zum Handeln schon vorüber ist. Man muß gerade durch solche Dinge sich üben, die einem notwendig machen, schnell zu handeln, schnell zuzugreifen, weil nämlich dasjenige, was durch Inspiration auftritt, schnell vorüberhuscht; im Status nascendi, im Momente des Entstehens entschwindet es auch schon. Man muß die Aufmerksamkeit schnell darauf werfen können.“ (Lit.:GA 303, S. 86f)

Verwandtschaft mit dem moralischen Erleben

„Und wenn wir uns zur inspirierten [Erkenntnis] herauferheben, dann werden die Inspirationen, die wir in unserem Bewußtsein tragen, so sein, daß wir sie wieder Erlebnissen vergleichen können, die ihnen ähnlich und doch wiederum unähnlich sind; und das sind die moralischen Erlebnisse und ist das Auffassen moralischer Ideen. Ähnlich sind die Inspirationen aus der geistigen Welt den moralischen Ideen dadurch, daß man qualitativ dasselbe tut, wenn man die inspirierten Vorstellungen erlebt, wie man tut, wenn man moralische Ideen und Ideale in seinem Bewußtsein anwesend sein läßt. Diesem Qualitativen des innerlichen Erlebens nach sind auch die Inspirationen dem moralischen Ideale- Erleben ähnlich; aber sie sind wiederum total verschieden dadurch, daß ja das moralische Ideal, das wir fassen, nicht die innerliche Aktivität hat, sich durch eigene Kraft zu verwirklichen. Unser moralisches Ideal ist zunächst machtlos, ohnmächtig in der Welt. Wir müssen es durch unsere physische Persönlichkeit verwirklichen. Wir müssen es auf dem Umwege durch unsere physische Persönlichkeit in die Welt hineinstellen. An sich bleibt das moralische Ideal ein bloßer Gedanke. Das ist die Inspiration nicht. Wir vollziehen sie so, daß sie qualitativ ähnlich ist dem moralischen Vorstellen, dem moralischen Impuls; aber sie erweist sich durch ihr Drinnenstehen in der Welt als ein Reales, als ein Mächtiges, als dasjenige, was so wirkt, wie Naturkräfte wirken. Man taucht also in eine Welt ein, die man so zu denken hat, wie man die moralische denkt, die aber eine von vornherein durch ihre eigene Kraft reale ist.“ (Lit.:GA 303, S. 90f)

Intuition

Das grüne Nordfenster des ersten Goetheanums nach dem Entwurf Rudolf Steiners, das den Weg zur intuitiven Erkenntnis zeigt.

Die höchste Erkenntnisstufe, die Intuition, führt schließlich zu einer vollkommen Einswerdung mit den Wesen der geistigen Welt, in dem das eigene Bewusstsein unmittelbar in dem ihren erwacht.

Verwandtschaft mit dem religiösen Empfinden

Die Intuition verlangt die vollkommene Hingabe an das Objekt und ist darin dem religiösen Empfinden ähnlich, das allerdings nur ein subjektiv inneres Erleben ist, während die Intuition unmittelbar in die Realität eintaucht.

„Und wenn man in der Inspiration so weit gekommen ist, daß man nun darinnensteht in einer geistig-seelischen Welt, daß einem die geistig-seelische Welt einen Inhalt gibt, dann ist zum vollen Erleben dieser geistig-seelischen Welt noch etwas notwendig. Dann muß man in diese geistig-seelische Welt etwas hineintragen, was eben durchaus nicht in unserer abstrakten Gedankenwelt ist. Man muß hineintragen die Hingabe an das Objekt. Man lernt doch eine Wesenheit oder eine Kraft in der geistig-seelischen Welt nicht voll kennen, wenn man nicht mit dem eigenen Wesen in Liebe ganz hinübergehen, ganz einströmen kann in das, was sich einem in der Inspiration darbietet. Die Inspiration ist gewissermaßen zunächst nur eine Offenbarung des Geistig-Seelischen. Das innere Wesen enthüllt sich einem, wenn man sich selber in liebevoller Hingabe in dasjenige ausgießt, wovon man inspiriert wird. Und indem man in dieser Weise, lebensvoll erhöht, die geistig-seelische Realität erlebt, ist man in der Intuition darinnen.

Das ist die intuitive Erkenntnis. Schatten von der Intuition sind ja auch schon im gewöhnlichen Leben vorhanden, und die Schatten der Intuition leben sich im religiösen Empfinden, im religiösen Fühlen aus. Dasjenige, was im religiösen Fühlen nur innerlich ist, ohne daß man in einer besonderen Welt darinnensteht, das ist in der geistigen Intuition voll erfüllt mit Realität. So daß die geistige Intuition ähnlich und wiederum ganz verschieden ist von dem bloß religiösen Empfinden. Das bloß religiöse Empfinden bleibt subjektiv. Bei der geistigen Intuition strömt das Innenwesen in die Objektivität hinüber, lebt in der geistig-seelischen Realität darinnen, so daß man sagen kann: Ähnlich und unähnlich dem religiösen Vorstellen ist die intuitive Art der übersinnlichen Erkenntnis.“ (Lit.:GA 303, S. 91f)

Devotionelle Stimmung zum Abschluss der Meditation

„Der letzte Teil der Meditation ist dann das Erzeugen der devotionellen Stimmung in sich gegenüber dem, was Einem das Höchste, das Göttliche ist. Da kommt nicht diese oder jene Vorstellung vom Göttlichen in Betracht, sondern diejenige, welche uns - nach unserer Subjektivität - wirklich intim ist. Dem Christen kann es Christus, dem Hindu der «Meister», dem Mohammedaner «Mohammed» sein, ja es kann sich ein moderner Wissenschaftler in die «göttliche Natur» devotionell versenken. Es kommt auf das devotionelle Gefühl an, nicht auf die Vorstellung, die man sich vom «Göttlichen» macht.“ (Lit.:GA 264, S. 71)

Erlebnisse nach der Meditation

„Nach der Meditation ist es gut, eine Ruhepause eintreten zu lassen, die Seele ganz leer zu machen und nur zu warten, welche Imaginationen uns aus höheren Welten kommen. - Viel hängt auch ab von der Stimmung, Verfassung unserer Seele: nur aus voller Andacht und Freude, nur mit größter Hingabe sollen wir an unsere Übungen herangehen. Die Erlebnisse, die sich einstellen, sind sehr verschieden je nach der Individualität und dem Karma des Meditanten. Aus der Fülle derselben möchte ich heute zwei herausgreifen:

Das eine ist das Hinausgehobensein in den Raum, in die Unendlichkeit. Man fühlt sich wie erweitert, wie emporgehoben; damit ist natürlich verknüpft ein Verlassen des Körpers. Bei diesem Emporgehobenwerden sieht man eine Rötung; gelblichrötliche Wolken kommen uns entgegen, aus denen sich nach und nach Gestalten herauskristallisieren. Dieses Erlebnis löst aus ein Gefühl der Wonne, der Glückseligkeit.

Daneben tritt ein zweites Erlebnis auf, das des Hinuntertauchens, des Versinkens in die Tiefe. Dabei hat man ein Gefühl des Verengens, des Zusammenschnürens. Die geistigen Wesenheiten, die man bei diesem Untertauchen empfindet, erscheinen einem in blau-violetten Farbenerglänzungen. Sie lösen in uns aus ein Gefühl ehrfürchtigen Erschauerns und veranlassen den Menschen, eine Art Selbstschau über sich zu halten. Sie zeigen dem Menschen, wie er wirklich ist, alle seine Fehler und Irrtümer, alle seine moralischen Schwächen in ihrer ganzen Größe und Verwerflichkeit.

Zwar sind wir durch die Rückschau, die wir alle Abend anstellen, schon darauf hingelenkt; aber mit dem physischen Bewußtsein ist der Mensch doch nicht fähig, so klar zu erkennen. Diese aus der Tiefe auftauchenden Wesen bringen uns auch dazu, deutlich zu sehen, was Gewohnheitsfehler und falsches Denken in uns hervorbringen. Die Wesenheiten, die uns in bläulich-violettem Licht erscheinen und uns unsere Fehler zur Anschauung bringen, gehören den Angeloi an, während die oberen, die rötlich-gelben Lichtgestalten, die ihm gleich der strafenden Gerechtigkeit sein Urteil sprechen, den Archangeloi angehören. Diese Erlebnisse können auch in anderer Weise an den Menschen herantreten, nämlich durch Klänge, Töne. Das ist dann noch viel schauriger, noch viel schwerer zu ertragen, wenn ihm auf diese Weise sein Urteil mit Donnerstimme von dem Erzengel verkündet wird. Aber wenn der Mensch bis zu dieser Stunde gekommen ist, die eintritt, nachdem er die Erscheinung mit dem Hüter der Schwelle gehabt hat, dann muß er sich eben das Erschauern (Furcht) abgewöhnt haben.“ (Lit.:GA 266c, S. 89f)

Wirkungen der Meditation

„Eine Frucht der Meditation ist, ein Gefühl dafür zu bekommen, daß wir eine Verbindung anstreben und eingehen mit den Wesen der höheren Hierarchien und dies als Gefühl des Aufgenommenseins in die höheren Welten, des Angekommenseins an dem Ort, wo wir urständen, erleben, warm, lebendig. Warm lebendig muß das Gefühl sein des Aufgenommenseins in die geistige Welt.“ (Lit.:GA 266b, S. 343)

„Jeder, der Meditationsübungen ausführt, weiß, wie nach Jahren, nachdem er Meditationsübungen ausgeführt hat, die ganze Art, wie er über die Welt denkt, eine andere wird, als sie früher war. Er weiß, wie er in anderer Weise Leidenschaft mit Wünschen, und diese wieder mit Gedanken und so weiter verbindet. Er weiß, daß ein anderes Wesen, wenn auch in feinerer Weise, aus ihm geworden ist, das wahrgenommen werden muß. Sonst ist immer das Ich der Mittelpunkt des Wollens. Von dem Ich gehen die Strahlen des Wollens gleichsam aus, ergießen sich in die Gefühle, in die Handlungen. Bei diesem Wollen stellt sich der Mensch gewissermaßen außerhalb seines Ich und bringt durch das Wollen das Ich selber vorwärts. Daher ist die wahre Meditation dazu besonders geeignet, daß er der Zuschauer seines Wollens wird, daß er sich gewissermaßen außerhalb seiner zu versetzen weiß und gerade so, wie man Naturvorgänge anschauen lernt, auch dieses sein eigenes Wollen mit Gelassenheit anschauen lernt. Sonst steckt man mit allen Leidenschaften, mit allen Wünschen, mit allen Affekten in seinem Wollen drinnen. Dieses überwindet man für gewisse Augenblicke des Lebens, und man lernt, Zuschauer seines Wollens zu werden.“ (Lit.:GA 65, S. 560)

Lockerung des Ätherleibes

„Unsere Übungen sind zwar anscheinend etwas so Einfaches, und doch sind sie etwas, das stärker auf uns wirkt als irgend etwas, das uns im Leben begegnen kann. Was bewirken sie denn? Wir sollen durch sie unseren Ätherleib von innen heraus lockern und herausziehen. In unseren Übungen wird es uns eines Tagesgeschehen, daß wir nicht mehr sehen, hören und fühlen werden, und das geschieht durch die Lockerung des Ätherleibes. Es gibt jetzt viele Methoden, diesen herauszubringen, doch sind solche äußerlichen, nicht auf Meditation beruhenden Methoden schädlich für die Organe, da der Ätherleib von außen zurückgestoßen wird, zum Beispiel von den Augen, und diese dann darunter leiden. Durch das meditative Herausziehen werden nur so viele Kräfte gelockert, daß immer noch genügend bleiben zur Erhaltung der Lebensfunktionen. Wenn wir in diesen Zustand des Nichthörens etc. kommen, so haben wir unseren physischen Körper verlassen. Nun machen aber viele von uns seit Jahren diese Übungen, und doch ist ihnen dieses noch nicht gelungen. Woran liegt das? Es überkommt einen vor dem Verlassen des Körpers ein unbehagliches Gefühl, und gegen das sträubt sich der Mensch instinktiv. Gegen nichts sträubt er sich so sehr als gegen dieses Austreten des Ätherleibes aus dem physischen Leib. Schon das Denken daran hindert dasselbe. Es ist fast wie eine Reflexbewegung, daß man sich sofort wieder zurückholt, wenn einen dies Gefühl überkommt. Aus einem ganz bestimmten Grund sträubt man sich. Wenn der Schüler durch genügende Intensität erreicht hat, den Körper zu verlassen, so wird ihm plötzlich klar, was für ein erhabener, wundervoller Tempel dieser Körper mit all seinen Organen ist, und wenn er dann sich selbst ansieht, das, was hinausging, so sieht er, daß er ein häßlicher Wurm ist, und dieser Wurm sträubt sich dagegen, den Körper zu verlassen; der ist dasjenige, was sich wehrt, weil er entsetzt über seine eigene Häßlichkeit ist. Und dann wird uns klar, wie unendlich weit der Weg noch ist, den wir bis zur Vollkommenheit vor uns haben.

Durch unsere Übungen erhalten wir eine Kraft, und die soll sich von innen nach außen ergießen. Manchen kann man aber sagen hören: Bei mir ergießt sich nichts. Das ist auch kein Wunder, wenn er seine Übungen lässig und nicht mit der genügenden Intensität macht und viele ganz alltägliche Interessen viel höher stellt als seine esoterische Arbeit.

Das erste Gefühl, das wir haben durch die Lockerung des Ätherleibes, ist das einer Schwere im Gehirn und im ganzen physischen Körper, daß wir ihn als ein Gewicht empfinden, das nicht zu uns gehört. Diesen Wunderbau, der das Höchste an uns ist, den empfinden wir als vergänglich und gebrechlich. Dazu haben wir ihn gemacht. Er ist vom Saturn her immer vollkommener herausgearbeitet worden durch die göttlichen Wesenheiten, und die Saturn- und Sonnenkräfte in ihm sind die aufbauenden, die ihn erhalten würden. Aber mit den Mondkräften, dem Astralischen, und den Erdkräften, dem Ich, haben wir etwas hineinbekommen, das diese Kräfte nach außen kehrt, um durch die Sinnesorgane dem Ich Wahrnehmungen zu übermitteln. Der Mensch empfindet nun im Laufe der Schulung seine Sinne als eine zerstörende Kraft, als einen Giftstoff, der eingelagert ist in seinen Organismus. Wie Astralleib und Ich sich eingliederten, mußten Nervensystem, Gehirn und Sinne dahin umgewandelt werden, daß sie jetzt von außen empfangen konnten, was früher durch sie durch - von innen nach außen - strömte. In diesem Augenblick kommt dem Menschen das Verständnis des Todes, die wahre Ursache desselben, und das nannte man in den alten Mysterien: an der Pforte des Todes stehen.

Das Ich soll nun alles, was es Fehlerhaftes getan hat, wiedergutmachen und alle seine Körper vervollkommnen, so daß wir zum wahren Menschen werden. Der Ausdruck «Mensch» wird zwar oft nicht in dem hohen Sinne gebraucht, der ihm eigentlich zugrunde liegt; der Esoteriker soll es aber immer als sein höchstes Streben ansehen, sich zum Menschen zu machen.“ (Lit.:GA 266b, S. 340ff)

Wirkung der Meditation auf den Wärme- und Lichtäther

„Wenn wir meditieren, müssen wir uns gerade abseits stellen von allem Physischen, auch von allen Vorstellungen. Wir müssen ganz aus dem eigenen freien Willen einen Gedanken in den Mittelpunkt unseres Bewußtseins stellen. Dadurch geschieht nun etwas höchst Eigentümliches, das dem Wahrnehmungsprozeß gegenüber ein feinerer Prozeß ist. Wenn wir es dahin bringen, daß wir gleichsam im Vergessen der ganzen übrigen Welt - als wenn die übrige Welt nicht da wäre, es eigentlich nichts geben würde in Raum und Zeit als den einzigen Gedanken -, wenn wir es dahin gebracht haben, daß uns die ganze Welt gleichgültig ist und wir nur leben im Meditationsgedanken, dann tritt dasjenige ein, was selbstverständlich keine physische Wissenschaft konstatieren kann: durch diesen feinen Prozeß des Meditierens wird gewissermaßen ein feiner Wärmeverbrauch erzielt; Wärme wird verbraucht, wird weggebracht. Es ist ein Prozeß, den man selbstverständlich nicht physisch konstatieren kann, aber der Verbrauch findet statt, und wir werden einmal darüber bei Gelegenheit sprechen. Dann werden wir sehen, wie durch Vorgänge, die jeder beobachten kann, man nachweisen kann der physischen Wissenschaft, daß der Meditationsprozeß mit einem feinen Wärmeprozeß und mit einem feinen Lichtprozeß verknüpft ist.

Von dem Licht, das wir aufgenommen haben, verbrauchen wir innerlich etwas; wir verbrauchen Licht. Wir verbrauchen auch noch etwas anderes, aber wir wollen dabei stehenbleiben, daß wir Wärme und Licht verbrauchen. Das, was wir verbrauchen, das macht eben, daß dasjenige eintritt, was ich vor acht Tagen hier besprochen habe, daß aus dem Prozeß des Meditierens sich etwas bildet wie ein feines Lebendiges. Wenn wir im gewöhnlichen Alltagsprozesse denken, lebt auch in uns etwas, was sich eindrückt in unseren Organismus und einen Prozeß bewirkt, der auch mit Wärme zu tun hat; das drückt sich da ein, und das, was sich da abspielt, das bewirkt, daß wir Erinnerung haben. Aber dazu darf es beim Meditieren nicht kommen. Wenn wir abgeschlossen leben in dem reinen Gedanken- oder Empfindungsinhalte, dann drückt sich nicht in unserem Leib dasjenige ab, was wir da verbrauchen, sondern das drückt sich ab im allgemeinen Äther. Das verursacht außerhalb einen Prozeß. Ja, meine lieben Freunde, wenn Sie wirklich ernstlich, wahrhaftig meditieren, dann drücken Sie dem allgemeinen Äther Ihre Gedankenform ein; die ist da drinnen. Und wenn Sie dann auf einen Meditationsprozeß zurückschauen, ist es nicht ein gewöhnliches Erinnern, sondern ein Zurückschauen zu dem, was sich eingedrückt hat dem Weltenäther. Das ist wichtig, daß wir das beachten. Das ist ein feiner Prozeß, den wir so ausführen, daß er eine Beziehung darstellt zwischen uns und der umgebenden ätherischen und astralischen Welt. Der Mensch, der das gewöhnliche, alltägliche Wahrnehmen und Denken entwickelt, hat nur mit sich selbst etwas zu tun; es ist ein Prozeß, der sich in uns nur abspielt. Derjenige aber, der sich einläßt auf das wahre, echte Meditieren, lebt in einem Prozeß, der zugleich ein Weltenprozeß, ein kosmischer Prozeß ist. Da geschieht etwas, wenn es auch etwas außerordentlich Feines nur ist. Und was geschieht, ist das folgende: Beim Meditieren wird etwas Wärme verbraucht. Wenn sie verbraucht wird, entsteht Kälte; es wird der allgemeine Weltenäther, wenn wir meditieren, abgekühlt. Und da auch Licht verbraucht wird, wird er gedämpft; es entsteht Dunkelheit, abgedämpftes Licht. So daß, wenn ein Mensch an einer Stelle der Welt meditiert und dann weggeht, er an dieser Stelle zurückläßt eine schwache Abkühlung und zu gleicher Zeit eine Dämpfung des Lichtes. Der allgemeine Lichtzustand ist herabgedämpft, ist dunkler geworden. Hellsichtig kann man immer verfolgen, wenn ein Mensch an einer Stelle meditiert hat, wo er wirklich den Meditationsprozeß ausgeführt hat. Wenn er wieder weggeht, ist ein Schattenbild von ihm da, das sogar kühler ist als die Umgebung. Es ist also ein kühles dunkles Gespenst an die Stelle hingebracht; das haben wir dort eingraviert. Und es ist im feinen, im ganz feinen wirklich etwas vollzogen an der Stelle, was Sie vergleichen können im groben mit dem, was auf der photographischen Platte entsteht. Es ist wirklich eine Art Gespenst da gebildet. Es ist das also ein Prozeß, der sich nicht bloß im Menschen, sondern kosmisch wirklich abspielt, wodurch der Mensch sich einfügt in den Kosmos.“ (Lit.:GA 157, S. 198f)

Beispiele

In seiner Schrift «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» (GA 10) hat Rudolf Steiner einige grundlegende Meditationen geben, so etwa die Samenkorn-Meditation. Eine weitere Meditation von großer Bedeutung, die Steiner in seiner «Geheimwissenschaft im Umriß» (GA 13) schildert, ist die Rosenkreuz-Meditation. Weitere grundlegende Beispiele finden sich in «Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen» (GA 16).

Siehe auch

Literatur

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Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. So spricht etwa der HERR zu Josua bezüglich des dem Moses gegebenen Gesetzes: „Dieses Buch des Gesetzes soll nicht von deinem Mund weichen, und du sollst Tag und Nacht darüber nachsinnen (hebr. הָגִ֤יתָ hāḡîṯā), damit du darauf achtest, nach alledem zu handeln, was darin geschrieben ist; denn dann wirst du auf deinen Wegen zum Ziel gelangen, und dann wirst du Erfolg haben.“ Jos 1,8 ELB Gemeint ist also ein immer wiederholtes leises meditatives Sprechen des mosaischen Gesetzestextes, um diesen zu verinnerlichen, immer tiefer zu erfassen und den Willen damit zu durchdringen.
  2. Eine andere Vorlage ergänzt hier noch:
    «1. Die Störung durch feindliche Mächte 2. Das Sich-Abschwächen des Bewußtseins 3. Der Seelenfrieden.»
  3. Die zweite Zeile ist anderweitig so überliefert: «Sie umgebe mich wie eine undurchdringliche
    Haut».
  4. Ausspruch Dr. Steiners nach Aufzeichnungen einzelner Freunde.