Otto Pfleiderer

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Otto Pfleiderer
Grab von Otto Pfleiderer auf dem Friedhof Lankwitz.

Otto Pfleiderer (* 1. September 1839 in Stetten im Remstal; † 18. Juli 1908 in Groß-Lichterfelde bei Berlin) war ein deutscher protestantischer Theologe.

Leben

Pfleiderer studierte von 1857 bis 1861 Theologie an der Universität Tübingen u.a. bei Ferdinand Christian Baur und Johann Tobias Beck. Zwischenzeitlich studierte er in England und Schottland. In Tübingen habilitierte er erfolgreich im Jahr 1865.[1]

1864 wurde er Repetent am Tübinger Stift und Privatdozent. Nach einem kurzen Intermezzo in Heilbronn wurde er 1869 als Oberpfarrer und Superintendent nach Jena berufen. Schon im nächsten Jahr folgte er dem Ruf als ordentlicher Professor für Praktische Theologie an die Universität Jena.[1]

1874 wurde er gegen den Willen des preußischen Kultusministers Adalbert Falk Professor für Exegese und praktische Theologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität (heute Humboldt-Universität). Bereits 1875 konnte er auf den Lehrstuhl für Systematische Theologie wechseln.[1] Dort lehrte er bis unmittelbar vor seinem Tod.

Er ist auf dem Friedhof Lankwitz in Berlin-Lichterfelde an der Grabstelle Abteilung C1 / 1. Wahlreihe Nummer 72 beigesetzt.

Werk

Pfleiderer veröffentlichte vor allem über Religionsphilosophie und über die Geschichte des Urchristentums. Aus Tübinger Vorlesungen ging sein erstes grundlegendes Werk Die Religion, ihr Wesen und ihre Geschichte (1868) hervor. Die Religionsphilosophie auf geschichtlicher Grundlage führte die Gedanken weiter und versuchte, die Tradition des deutschen Idealismus mit der zeitgenössischen vergleichenden Religionswissenschaft zu verbinden.

Die Entstehung des Christentums

Mit seiner These, dass erst Paulus das Christentum begründet habe und dies als Ziel- und Höhepunkt des Hellenismus anzusehen sei, griff er Ansätze seines Lehrers Baur auf. Damit stellte er sich gegen die Ideen von Albrecht Ritschl und Adolf von Harnack..[1] Er hatte enge Verbindungen nach Großbritannien und in die USA, wo sein Einfluss größer war als in Deutschland.

"Gegenwärtig macht ein Werk «Die Entstehung des Christentums» von dem Berliner Universitätsprofessor D. Otto Pfleiderer in den verschiedensten Kreisen sehr viel Aufsehen (München, J.F.Lehmanns Verlag, 1905). - Pfleiderer will die Entstehung des Christentums des Wunders entkleiden, daß «die zweite Person der Gottheit vom Himmel auf die Erde herabgestiegen, im Leibe einer jüdischen Jungfrau Mensch geworden, nach dem Tod am Kreuze wieder leibhaftig auferstanden und zum Himmel gefahren» sei. Er glaubt dadurch das Christentum einer geschichtlichen Erklärung zugänglich zu machen. «Denn eine Erscheinung geschichtlich verstehen heißt: sie aus ihrem ursächlichen Zusammenhang mit den Zuständen an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit des menschlichen Lebens begreifen. Der Hereintritt eines übermenschlichen Wesens in die Erdenwelt wäre ein absoluter Neuanfang, der in gar keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Vorangehenden stände, also auch nach keiner Analogie der sonstigen menschlichen Erfahrung sich begreifen ließe, kurz aller geschichtlichen Erklärung sich entzöge.» — Dazu muß gesagt werden, daß wir niemals den Maßstab dessen, was wir zu einem bestimmten Zeitpunkte begreifen, an alles in der Welt legen und das als «übermenschlich» und «ursachlos» bezeichnen dürfen, was für diesen Maßstab nicht meßbar ist. Wir müssen vielmehr gewissen Erscheinungen gegenüber unseren Maßstab selbst erweitern. Es ist ja zu begreifen, daß jemand sagt: Dies verstehe ich, deshalb halte ich es für wirklich, ein anderes verstehe ich nicht, deshalb ist es für mich unwirklich. Das ist aber doch kein anderes Vorgehen, als wenn jemand, der nichts von Elektrizitätskraft versteht, das Telephon für unmöglich hält. Das, was Pfleiderer, nach Abzug dessen, was ihm «übernatürlich» dünkt, noch vom Christentum zurückbehält, ist ein bloß rationalistisches Gebilde; innerhalb eines solchen kann man dann nicht mehr von einer «Göttlichkeit Christi» reden. Die Aufgabe ist aber gerade, zu verstehen, was Göttlichkeit ist, welche Geheimnisse sich verbergen hinter der «jungfräulichen Geburt», «Auferstehung» und so weiter.

Hier setzt der theosophische Gesichtspunkt ein; und alle diejenigen, welche ihn nicht mitmachen wollen, verfallen in die Rationalisierung des Christentums, was einer Entchristlichung desselben vollkommen gleichkommt. Für denjenigen, der in die tiefen Geheimnisse der christlichen Wahrheiten eindringt, ist das «Christentum Pfleiderers» kein Christentum mehr, sondern ein durch das moderne Denken geschaffenes, ganz willkürliches Gebilde. Und gerade unter diesem Gesichtspunkte wird die Erklärung der Entstehung dieser Religion aus den Mythen und Mysterien der vorhergehenden Zeit heraus ganz wertlos. Denn nur dann, wenn man in das wahre Leben der Adonisauferstehungsfeier, der Mythrasweihe und so weiter eindringt, und sie nicht in rationalistischer Art in bloße phantastische Kulthandlungen verfluchtigt, dann dringt man in die prophetische Vorbedeutung dieser alten Vorläufer des Christentums ein und erkennt, wie sie in dem großen Mysterium von dem gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn ihre Erfüllung gefunden haben. - Pfleiderer sagt: «Daher werden wir gut daran tun, uns mit dem Gedanken immer mehr vertraut zu machen, daß der eigentliche Gegenstand unseres frommen Glaubens nicht das Vergangene, sondern das Ewige ist! < Was sich nie und nirgends hat begeben, das allein veraltet nie.>» - Aber dieses «Ewige» faßt eben jeder nach seinem Verständnisse auf. Dagegen ist nichts zu sagen; und wenn jemand als Religionsinhalt begründen will, was «sich nie und nirgends hat begeben», so steht das jedem frei. Aber das Christentum kann sich nie und nimmer auf das gründen, was niemals gewesen ist, sondern auf den «lebendigen Christus», der vor 1900 Jahren in Palästina gewirkt hat und durch die Evangelien verkündet wird. Wer es auf etwas anderes begründen will, der kann ebensogut Weiß Schwarz nennen.

Das alles sind natürlich nicht Ausfälle gegen die Persönlichkeit Pfleiderers, der nach dem Rezept seiner Wissenschaft in vollkommen gelehrter Art getan hat, was er für das Richtige halten muß. Aber es soll darauf hingewiesen werden, wohin diese Wissenschaft führen muß. Und wie eine Erneuerung der Geisteswissenschaft im theosophischen Sinne notwendig ist. Ich weiß, daß es als eine Ungeheuerlichkeit erscheinen muß, wenn gesagt wird, der offizielle Vertreter theologisch- christlicher Wissenschaft an einer Universität lehre etwas Unchristliches. Aber die Verwirrung ist heute groß, und derlei Dinge nicht beim rechten Wort nennen hieße gegenwärtig Pflichtverletzung. Allerdings hält man in den Kreisen Pfleiderers einen theosophischen Versuch, die christlichen Wahrheiten zu ergründen, für vollkommensten Dilettantismus. Das kann gar nicht anders sein. Denn um einen solchen Versuch zu begreifen, fehlen da alle Vorbedingungen. Der Theosoph versteht Pfleiderer; aber Pfleiderer wird den Theosophen nicht verstehen wollen." (Lit.: GA 034, S. 479ff)

Schriften (Auswahl)

  • Der Paulinismus. Ein Beitrag zur Geschichte der urchristlichen Theologie (1873)
  • Die deutsche Religionsphilosophie und ihre Bedeutung für die Theologie der Gegenwart (1875)
  • Das Urchristentum, seine Schriften und Lehren, in geschichtlichen Zusammenhang beschrieben (1878; 2. Aufl. 1902)
  • Geschichte der Religionsphilosophie von Spinoza bis auf die Gegenwart. (1. u. 2. Aufl. 1883, 3. Aufl. 1893)
  • Grundriß der christlichen Glaubens- und Sittenlehre als Compendium für Studierende und als Leitfaden für den Unterricht an höheren Schulen (1886; 6. Aufl. 1898)
  • The Development of Theology in Germany since Kant and its Progress in Great Britain since 1825 (1890; deutsch 1891) Online-Ressource
  • The Philosophy and Development of Religion (1894; Gifford Lectures) Online-Ressource
  • Die Idee des ewigen Friedens (1895)
  • Die Entstehung des Christentums (1905)
  • Religion und Religionen (1906)
  • Die Entwicklung des Christentums (1907)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Otto Pfleiderer. hu-berlin.de, abgerufen am 22. Juni 2013.


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