Polyphem

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Odysseus und seine Gefährten blenden Polyphem. Detail einer proto-attischen Amphora des Polyphem-Malers, um 650 v. Chr., Museum von Eleusis, Inv. 2630.
Kopf des Zyklopen Polyphem, Marmor, Griechenland, 2. Jhdt. v. Chr. oder römische Kopie
Die Blendung des Polyphem,
Grotte des Tiberius,
Museo Archeologico di Sperlonga
Odysseus und seine Gefährten blenden Polyphem, Gruppenrekonstruktion, Grotte des Tiberius, Museo Archeologico di Sperlonga

Polyphem (altgriech. Πολύφημος, altgriechische Aussprache Polýphēmos, „der Vielgerühmte“) ist in der griechischen Mythologie ein Kyklop (oder Zyklop), ein einäugiger Riese. Er war ein Sohn des Poseidon und der Meeresnymphe Thoosa, Tochter des Phorkys.[1]

Polyphem in der Odyssee

Die älteste Darstellung Polyphems findet sich in der Odyssee Homers. Laut diesem Epos lebte der Riese mit anderen Zyklopen (altgriech. Κύκλωπες Kyklopes „Kreisäugige“) an einer Küste, vor der in einiger Entfernung eine waldbedeckte Insel lag,[2] auf der u. a. viele Ziegen lebten. Er wohnte abseits von den übrigen Zyklopen in einer Höhle und hütete Schafe und Ziegen. Erst in späteren Quellen wird Polyphems Aufenthaltsort mit den Zyklopeninseln vor der Küste des Ätna auf Sizilien identifiziert. Odysseus landet während seiner Irrfahrt im Anschluss an den Trojanischen Krieg auf der Insel, fährt mit einem seiner Schiffe hinüber zur Küste und betritt mit zwölf Gefährten Polyphems Höhle. Als der Zyklop seine Schafe in seine Behausung treibt und die Eindringlinge bemerkt, stellt sich Odysseus als schiffbrüchiger Grieche vor und bittet um Bewirtung. Polyphem gewährt kein Gastrecht, sondern rollt einen Riesenfels vor den Ausgang und frisst zwei Gefährten des Odysseus. Als sich der Riese daraufhin schlafen legt, wagt der Anführer der Griechen nicht, ihn zu töten, da er auch mit Hilfe seiner Freunde den Stein nicht wegwälzen kann.

Am nächsten Tag verspeist der Kyklop abermals Menschenfleisch, doch Odysseus serviert ihm anschließend starken Wein. Der betrunkene Riese will den Namen von Odysseus erfahren, der sich jedoch in listiger Voraussicht als „Outis“ (Οὖτις), zu Deutsch Niemand bezeichnet (ein im Deutschen nicht wiederzugebendes Wortspiel, da „Outis“ zugleich „Odysseuschen“ bedeutet). Als Polyphem in tiefen Schlaf gefallen ist, blenden ihn die gefangenen Griechen, indem sie ihm einen glühenden Pfahl in sein Auge stoßen. Homer beschreibt Polyphem nicht explizit als einäugig,[3] nach anderen antiken Autoren hatten Kyklopen aber nur ein einziges, mitten auf der Stirn befindliches, kreisrundes Auge (das „Zyklopenauge“), das Homer womöglich als bekannt voraussetzt.[4] In seinem Schmerz schreit Polyphem die anderen Zyklopen herbei. Als sie sich erkundigen, was geschehen sei, antwortet er ihnen: Niemand habe ihn geblendet. Niemand habe versucht, ihn zu ermorden. Daraufhin kümmern sich die anderen Kyklopen nicht weiter um ihn.

Als der Geblendete seine Schafe am nächsten Morgen zur Weide hinauslassen muss, tastet er alle ab. Odysseus und seine Gefährten können aus der Höhle entkommen, indem sie sich im Bauchfell der Schafe festklammern. Odysseus verhöhnt von seinem Schiff aus den blinden Riesen, der ihn fast noch mit einem Felswurf trifft. Als Polyphem aus dem Munde Odysseus’ dessen wahren Namen erfährt, erinnert er sich, dass der Seher Telemos ihn einst vor dem Verlust seines Auges durch den griechischen Helden gewarnt hatte. Der Riese betet daraufhin zu seinem Odysseus ohnehin feindlich gesinnten Vater Poseidon um Rache und bittet darum, Odysseus nie wieder in seine Heimat zurückkehren zu lassen. So kommt es zur zehnjährigen Irrfahrt des Odysseus, und nur durch das Eingreifen von Pallas Athene und Zeus kommt der Irrende schließlich wieder heim.[5]

Spätere Überlieferungen

Griechische Dichter und bildende Künstler folgten in den darauffolgenden Jahrhunderten im Wesentlichen dieser Erzählung der Odyssee. Hervorzuheben sind etwa Vertreter der älteren Komödie wie Epicharmos und Kratinos oder das Satyrdrama Kyklops von Euripides.

Ein neues, burleskes Motiv brachte der von der griechischen Insel Kythera stammende Dichter Philoxenos in einem Dithyrambus hervor, in dem Polyphem als unglücklicher Freier der Nereide Galateia porträtiert wird. Polyphem warb geduldig, aber ungeschlacht um die Nymphe, die ihn verschmähte und schalkhaft abwies. Der liebeskranke Riese suchte Trost in Gesang und Tanz. Die Liebe des Kyklopen machte sich auch Odysseus für seine List zunutze. Die Episode von Polyphem und Galatea wurde in der mittleren griechischen Komödie und von bekannten alexandrinischen Dichtern wie Kallimachos und Theokrit aufgegriffen. Ovid[6] schuf zu dieser Geschichte durch die Einführung der Gestalt des Acis auch ein tragisches Moment. Acis war ein Sohn des Faunus und der Nymphe Symaethis. Galatea verlor ihr Herz an den hübschen Acis, bis dieser von Polyphem aus Eifersucht mit einem Felsblock zerschmettert wurde.

In der modernen literarischen und künstlerischen Rezeption steht nicht die homerische Erzählung, sondern die von der Nymphe nicht erwiderte Liebe Polyphems im Vordergrund.

Sonstiges

Eine der beiden Türen im Reichstagsgebäude, die zum „Hammelsprung“ genutzt wurden, trug eine Intarsienarbeit, die die Bezeichnung dieses Abstimmungsverfahrens aufgriff und Polyphem als Schäfer mit Hirtenstab beim Zählen seiner Schafe zeigte.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: Polyphem - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Einzelnachweise

  1. Homer, Odyssee 1, 70.
  2. Homer, Odyssee 9, 116ff.
  3. Karl-Heinz Stanzel: Liebende Hirten. Theokrits Bukolik und die alexandrinische Poesie. B. G. Teubner, Stuttgart 1995, S. 152; Luca Giuliani: Bild und Mythos. Geschichte der Bilderzählung in der griechischen Kunst. C. H. Beck, München 2003, S. 107 - ISBN 3-406-50999-1.
  4. So bereits Wilhelm Heinrich Roscher: Kyklopen 2. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 2,1, Leipzig 1894, Sp. 1683 (Digitalisat); s, dazu auch: Luca Giuliani: Bild und Mythos. Geschichte der Bilderzählung in der griechischen Kunst. C. H. Beck, München 2003, S. 107
  5. Homer, Odyssee 9, 105-564.
  6. Ovid, Metamorphosen 13, 750-897.
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