Urphänomen der Sozialwissenschaft und Theorie: Unterschied zwischen den Seiten

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Das '''Urphänomen der Sozialwissenschaft''' ist von fundamentaler Bedeutung für das [[sozial]]e Zusammensein und die [[Kommunikation]] der [[Mensch]]en. [[Rudolf Steiner]] hat dieses '''soziale Urphänomen''' ganz knapp so beschrieben:
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Der Begriff '''Theorie''' (von {{ELSalt|θεωρείν}} ''theôreîn'' „anschauen“, „betrachten“) bezog sich ursprünglich auf die unmittelbare [[Gottesschau]], die [[theoría]] ({{ELSalt|θεωρία}} „Gottesschau, Anschauung, Einsicht“), oder allgemeiner auf die [[Hellsehen|hellsichtige]] [[Wahrnehmung]] der [[Geistige Welt|geistigen Welt]]. Ein Nachklang davon war [[Platon]]s [[Ideenschau]]. So empfand es auch der österreichische Physiker [[Wolfgang Pauli]] (1900-1958), der die [[Archetyp]]enlehre [[C.G. Jung]]s maßgeblich mitgeprägt hat. Theorien werden seiner Meinung nach nicht primär durch einen [[diskursiv]]en [[Denkprozess]] gebildet, sondern beruhen auf dem vorbewussten [[Erleben]] bildhaft-symbolischer Archetypen. Diese seien ''„die psychische Manifestation der Archetypen, die aber auch alles naturgesetzliche im Verhalten der Körperwelt hervorbringen, erzeugen, bedingen müßten. Die Naturgesetze der Körperwelt wären dann die physikalische Manifestation der Archetypen... Es sollte dann jedes Naturgesetz eine Entsprechung innen haben und
umgekehrt, wenn man auch heute das nicht immer unmittelbar sehen kann.“<ref>Karl von Meyenn (Hrsg.): ''Wolfgang Pauli. Wissenschaftlicher Briefwechsel, Band III: 1940–1949. Springer. Berlin (1993) Brief #929, S. 496</ref>


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"... daß wenn Mensch dem Menschen gegenübersteht, der eine Mensch immer einzuschläfern bemüht ist, und der andere Mensch sich immerfort aufrecht erhalten will. Das ist aber, um im Goetheschen Sinne zu sprechen, das Urphänomen der Sozialwissenschaft." {{Lit|{{G|186|175}}}}
"Die zusammenhängende Formulierung von Gedankensystemen, bestehend
aus mathematischen Gleichungen und aus Regeln, wie diese mit Erfahrungsdaten
zu verknüpfen sind, nennen wir eine physikalische Theorie,
die man dann innerhalb der Begrenzung ihres Anwendungsbereiches als
„Modell der Wirklichkeit" bezeichnen kann. Wie ich an anderer Stelle
ausgeführt habe<ref>Wolfgang Pauli: ''Theorie und Experiment'' in Dialectica 6, 141, 1952</ref>, halte ich es für müßig, darüber zu spekulieren, was
zuerst da war, die Idee oder das Experiment. Ich hoffe, daß niemand
mehr der Meinung ist, daß Theorien durch zwingende logische Schlüsse
aus Protokollbüchern abgeleitet werden, eine Ansicht, die in meinen Studententagen
noch sehr in Mode war. Theorien kommen zustande durch ein
vom empirischen Material inspiriertes V e r s t e h e n , welches am besten
im Anschluß an Plato als zur Deckung kommen von inneren Bildern mit
äußeren Objekten und ihrem Verhalten zu deuten ist. Die Möglichkeit
des Verstehens zeigt aufs Neue das Vorhandensein regulierender typischer
Anordnungen, denen sowohl das Innen wie das Außen des Menschen
unterworfen sind." {{Lit|Pauli, S 95}}
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Eine ausführlichere Darstellung gab Rudolf Steiner im Zusatz zur Neuausgabe seiner «[[Philosophie der Freiheit]]» 1918:
Diese Ansicht Paulis wird allerdings nicht allgemein geteilt. Im heutigen wissenschaftlichen Sprachgebrauch ist eine Theorie ein auf [[spekulativ]]en [[Hypothese]]n gegründetes [[Idee]]ngebilde, das einen bestimmten äußeren [[Phänomen]]bereich erklären soll. Es wird dazu ein [[Modell|Gedankenmodell]] entworfen, das eine auf bestimmte Zwecke ausgerichtete, verallgemeinerte und meist stark vereinfachende [[Gedanke|gedankliche]] Beschreibung der [[Wirklichkeit]] gibt. Die moderne [[Naturwissenschaft]] bedient sich im weiten Umfang derartiger theoretischer Modelle, zu deren Beschreibung eine vollständige [[Formalisierung]] angestrebt wird. {{Anker|Formalisierte Theorie}}Eine '''formalisierte Theorie''' zeichnet sich dadurch aus, dass ihre [[Aussage]]n durch [[Logik|logische]] [[Schlussfolgerung]]en mittels einer entsprechenden „Rechenvorschrift“ (einem [[Kalkül]]) aus ihren [[Axiom]]en abgeleitet werden können.


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"Was habe ich
"Die größten Fehler, die im Wissenschaftsleben gemacht werden,
denn zunächst vor mir, wenn ich einer andern Persönlichkeit
die bestehen darin, daß man versucht, Zusammenfassungen zu machen,
gegenüberstehe? Ich sehe auf das nächste. Es ist die mir als
bevor man die Bedingungen dieses Zusammenfassens wirklich
Wahrnehmung gegebene sinnliche Leibeserscheinung der andern
hergestellt hat. Man hat den Hang, Theorien zu machen, das heißt
Person; dann noch etwa die Gehörwahrnehmung dessen,
abschließende Ansichten zu gewinnen. Man kann gewissermaßen
was sie sagt, und so weiter. Alles dies starre ich nicht
nicht abwarten, bis die Bedingungen da sind zum Theorienmachen.
bloß an, sondern es setzt meine denkende Tätigkeit in Bewegung.
Und das muß in unser Wissenschaftsleben hineingeworfen werden,
Indem ich denkend vor der andern Persönlichkeit
daß man dazu kommt, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man
stehe, kennzeichnet sich mir die Wahrnehmung gewissermaßen
einfach nicht versuchen darf, gewisse Fragen zu beantworten, bevor
als seelisch durchsichtig. Ich bin genötigt, im denkenden
die Bedingungen zur Antwort wirklich hergestellt sind." {{Lit|{{G|323|286}}}}
Ergreifen der Wahrnehmung mir zu sagen, daß sie dasjenige
gar nicht ist, als was sie den äußeren Sinnen erscheint.
Die Sinneserscheinung offenbart in dem, was sie unmittelbar
ist, ein anderes, was sie mittelbar ist. Ihr Sich-vor-mich-
Hinstellen ist zugleich ihr Auslöschen als bloße Sinneserscheinung.
Aber was sie in diesem Auslöschen zur Erscheinung
bringt, das zwingt mich als denkendes Wesen, mein
Denken für die Zeit ihres Wirkens auszulöschen und an dessen
Stelle ihr Denken zu setzen. Dieses ihr Denken aber ergreife
ich in meinem Denken als Erlebnis wie mein eigenes. Ich
habe dasDenken des andern wirklich wahrgenommen. Denn
die als Sinneserscheinung sich auslöschende unmittelbare
Wahrnehmung wird von meinem Denken ergriffen, und es
ist ein vollkommen in meinem Bewußtsein liegender Vorgang,
der darin besteht, daß sich an die Stelle meines Denkens das andere Denken setzt. Durch das Sich-Auslöschen
der Sinneserscheinung wird die Trennung zwischen den beiden
Bewußtseinssphären tatsächlich aufgehoben. Das repräsentiert
sich in meinem Bewußtsein dadurch, daß ich im
Erleben des andern Bewußtseinsinhaltes mein eigenes Bewußtsein
ebensowenig erlebe, wie ich es im traumlosen
Schlafe erlebe. Wie in diesem mein Tagesbewußtsein ausgeschaltet
ist, so im Wahrnehmen des fremden Bewußtseinsinhaltes
der eigene. Die Täuschung, als ob dies nicht so sei,
rührt nur davon her, daß im Wahrnehmen der andern Person
erstens an die Stelle der Auslöschung des eigenen Bewußtseinsinhaltes
nicht Bewußtlosigkeit tritt wie im Schlafe,
sondern der andere Bewußtseinsinhalt, und zweitens, daß
die Wechselzustände zwischen Auslöschen und Wieder-Aufleuchten
des Bewußtseins von mir selbst zu schnell aufeinander
folgen, um für gewöhnlich bemerkt zu werden. - Das
ganze hier vorliegende Problem löst man nicht durch künstliche
Begriffskonstruktionen, die von Bewußtem auf solches
schließen, das nie bewußt werden kann, sondern durch wahres
Erleben dessen, was sich in der Verbindung von Denken
und Wahrnehmung ergibt." {{Lit|{{G|004|260f}}}}
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Der zwischenmenschliche Verkehr der Menschen miteinander ist notwendig aus ''sozialen'' und ''antisozialen'' Impulsen gleichermaßen gemischt. Ich kann mir ein tieferes soziales Verständnis für den anderen Menschen nur erwerben, wenn ich mich gleichsam von ihm einschläfern lasse und völlig ''selbstvergessen'', d.h. ''ohne mein eigenes Wesen geltend zu machen'', [[Intuition|intuitiv]] in ''sein'' Wesen eintauche. Nur indem ich so mit meinem Bewusstsein, schlafend für mich selbst, ganz im anderen Menschen aufgehe, bin ich sozial. Das ist auch die Grundlage für echtes [[Mitgefühl]]. Ich muss aber umgekehrt auch wieder für mich selbst erwachen und mein eigenes Wesen geltend machen. Dann bin ich aber antisozial. Ich muss es, ohne dass daran irgend etwas zu tadeln wäre, notwendig sein, wenn meine eigene [[Individualität]] im sozialen Kontakt nicht völlig ausgelöscht werden soll. Nur in diesem rhythmischen Wechselschlag sozialer und antisozialer Impulse kann sich das soziale Leben fruchtbar entfalten.
[[Goethe]] stand der Theorienbildung sehr kritisch gegenüber und gründete seine Naturforschungen auf eine reine [[Phänomenologie]]. Seiner Ansicht nach tragen die [[Phänomen]]e selbst bereits ihre Erklärung in sich, sofern man sie in ihrem Werden und in ihrem systematischen gesetzmäßigen Zusammenhang betrachtet. Der moderne [[Goetheanismus]], der durch [[Rudolf Steiner]] angeregt wurde, folgt dieser Art der Naturbetrachtung.


Genauer betrachtet stellt sich die Sache so dar:
== Metatheorie ==


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Als '''Metatheorie''' (von {{ELSalt|μετά}} ''meta'' „danach, hinter, zwischen, jenseits“) wird eine übergeordnete Theorie bezeichnet, die eine oder mehrere andere Theorien zum Forschungsgegenstand hat.
"Wir müssen uns fragen: Wie steht es eigentlich mit dem Verkehr des Menschen zum Menschen mit Bezug auf die sozialen und antisozialen Triebe? - Sehen Sie, ein Gegenüberstehen von Mensch und Mensch ist seiner Wirklichkeit nach im Grunde etwas recht Kompliziertes ! Wir müssen natürlich den Fall, ich möchte sagen, radikal ins Auge fassen. Wohl ist das Gegenüberstehen ein verschiedenes, differenziert sich nach den verschiedenen Verhältnissen, aber wir müssen das gemeinsame Merkmal im Gegenüberstehen eines Menschen zum andern Menschen ins Auge fassen, müssen uns fragen: Was geschieht da eigentlich in der Gesamtwirklichkeit - nicht bloß in dem, was den äußeren Sinnesanschauungen sich darbietet -, was geschieht in der Gesamtwirklichkeit, wenn ein Mensch dem andern gegenübersteht? -Da geschieht nichts Geringeres, als daß eine gewisse Kraft wirkt von Mensch zu Mensch hinüber. Das Gegenüberstehen von Mensch zu Mensch bedeutet einfach, daß eine gewisse Kraft wirkt von Mensch zu Mensch. Wir können bei dem, was wir tun von Mensch zu Mensch, nicht gleichgültig einander im Leben gegenüberstehen, nicht einmal in bloßen Gedanken und Empfindungen, sogar wenn wir dem Räume nach entfernt voneinander sind. Wenn wir irgendwie zu sorgen haben für den anderen Menschen, wenn wir irgendeine Verkehrsmöglichkeit zu schaffen haben, so wirkt eine Kraft von dem einen Menschen zu dem anderen hinüber. Das ist ja dasjenige, was dem sozialen Leben zugrunde liegt. Das ist dasjenige, was, wenn es sich verzweigt, verstrickt, eigentlich die soziale Struktur der Menschen begründet. Man bekommt natürlich das Phänomen am reinsten, wenn man an den unmittelbaren Verkehr von Mensch zu Mensch denkt: da besteht das Bestreben, durch den Eindruck, den der eine Mensch auf den andern macht, daß der Mensch eingeschläfert wird. Also das ist etwas Durchgehendes im sozialen Leben, daß der eine Mensch durch den anderen, mit dem er im Verkehr steht, eingeschläfert wird. Fortwährend ist - der Physiker würde sagen - die latente Tendenz da, daß im sozialen Verkehr ein Mensch den andern einschläfert.
 
Warum ist denn das so? Ja, sehen Sie, das beruht auf einer sehr wichtigen Einrichtung in der Gesamtwesenheit der Menschen. Es beruht darauf, daß im Grunde genommen dasjenige, was wir soziale Triebe nennen, eigentlich überhaupt nur beim gewöhnlichen gegenwärtigen Bewußtsein sich so recht aus der Seele des Menschen heraus entwickelt, wenn der Mensch schläft. Sie sind, insofern Sie nicht zur Hellsichtigkeit aufsteigen, eigentlich nur von sozialen Trieben durchsetzt, wenn Sie schlafen. Und nur das, was fortwirkt aus dem Schlaf in das Wachen herein, wirkt herein im Wachen als sozialer Trieb. Wenn Sie aber dieses wissen, so brauchen Sie sich nicht zu verwundern darüber, daß das soziale Wesen Sie einschläfern will durch das Verhältnis von Mensch zu Mensch. Im Verhältnis von Mensch zu Mensch soll sich entwickeln der soziale Trieb. Er kann sich nur entwickeln im Schlafe. Daher entwickelt sich im Verkehr von Mensch zu Mensch die Tendenz, daß der eine Mensch den andern behufs Herstellung eines sozialen Verhältnisses einschläfert. Das ist eine Tatsache, die frappierend ist, die sich aber dem Betrachter der Wirklichkeit des Lebens eben sogleich darbietet. Unser Verkehr von Mensch zu Mensch besteht darinnen, daß vor allen Dingen unser Vorstellungsvermögen in diesem Verkehre eingeschläfert wird, behufs der Herstellung der sozialen Triebe von Mensch zu Mensch.
 
Aber Sie können natürlich nicht fortwährend schlafend im Leben herumgehen. Die Tendenz, soziale Triebe herzustellen, besteht schon darinnen und drückt sich darinnen aus, daß Sie eigentlich fortwährend Neigung haben sollten zum Schlafen. Die Dinge, die ich bespreche, gehen natürlich alle unterbewußt vor sich, aber sie gehen nicht weniger wirklich und nicht weniger unser Leben durchsetzend fortwährend vor sich. Also es besteht gerade zur Herstellung der sozialen Menschheitsstruktur eine fortwährende Neigung, einzuschlafen.
 
Dagegen wirkt noch etwas anderes. Es wirkt das fortwährende Sichsträuben, das fortwährende Aufbäumen der Menschen gegen diese Tendenz, wenn sie eben nicht schlafen. So daß Sie, wenn Sie einem Menschen gegenüberstehen, immer in folgenden Konflikten drinnenstehen: Dadurch, daß Sie ihm gegenüberstehen, entwickelt sich in Ihnen immer die Tendenz, zu schlafen, das Verhältnis im Schlafe zu ihm zu erleben; dadurch, daß Sie nicht aufgehen dürfen im Schlafen, daß Sie nicht versinken dürfen im Schlafen, regt sich in Ihnen die Gegenkraft, sich wachzuhalten. Das spielt sich immer ab im Verkehr von Mensch zu Mensch: Tendenz zum Einschlafen, Tendenz, sich wachzuhalten. Tendenz, sich wachzuhalten, ist aber antisozial in diesem Fall, Behauptung der eigenen Individualität, der eigenen Persönlichkeit gegenüber der sozialen Struktur in der Gesellschaft. Einfach indem wir Mensch unter Menschen sind, pendelt unser inneres Seelenleben zwischen Sozialem und Antisozialem hin und her." {{Lit|{{G|186|161ff}}}}
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Um das [[Ich]] eines anderen Menschen wahrzunehmen, bedienen wir uns des [[Ichsinn]]s, der ganz gemäß des hier beschriebenen sozialen Urphänomens tätig ist:
== Theosophische Theorienbildung ==


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"Stehen Sie einem Menschen gegenüber, dann verläuft das folgendermaßen: Sie nehmen den Menschen wahr eine kurze Zeit; da macht er auf Sie einen Eindruck. Dieser Eindruck stört Sie im Inneren: Sie fühlen, daß der Mensch, der eigentlich ein gleiches Wesen ist wie Sie, auf Sie einen Eindruck macht wie eine Attacke. Die Folge davon ist, daß Sie sich innerlich wehren, daß Sie sich dieser Attacke widersetzen, daß Sie gegen ihn innerlich aggressiv werden. Sie erlahmen im Aggressiven, das Aggressive hört wieder auf; daher kann er nun auf Sie wieder einen Eindruck machen. Dadurch haben Sie Zeit, Ihre Aggressivkraft wieder zu erhöhen, und Sie führen nun wieder eine Aggression aus. Sie erlahmen darin wieder, der andere macht wiederum einen Eindruck auf Sie und so weiter. Das ist das Verhältnis, das besteht, wenn ein Mensch dem anderen, das Ich wahrnehmend, gegenübersteht: Hingabe an den Menschen - innerliches Wehren; Hingabe an den anderen - innerliches Wehren; Sympathie - Antipathie; Sympathie - Antipathie. Ich rede jetzt nicht von dem gefühlsmäßigen Leben, sondern nur von dem wahrnehmenden Gegenüberstehen. Da vibriert die Seele; es vibrieren: Sympathie - Antipathie, Sympathie - Antipathie, Sympathie - Antipathie. Das können Sie in der neuen Auflage der «Philosophie der Freiheit» nachlesen.
"... der Verstand des Menschen nämlich, der hat die Tendenz, auszuarten,
 
Folgerungen zu ziehen, wenn irgendeine Beobachtung vorliegt.
Aber es ist noch etwas anderes der Fall. Indem die Sympathie sich entwickelt, schlafen Sie in den anderen Menschen hinein; indem die Antipathie sich entwickelt, wachen Sie auf und so weiter. Das ist ein sehr kurz dauerndes Abwechseln zwischen Wachen und Schlafen in Vibrationen, wenn wir dem anderen Menschen gegenüberstehen. Daß es ausgeführt werden kann, verdanken wir dem Organ des Ich-Sinnes." {{Lit|{{G|293|126}}}}
Man kann das sowohl im äußeren, exoterischen Leben wie
auch auf dem Gebiete der theosophischen Bewegung hinlänglich
bemerken. Im äußeren, exoterischen Leben braucht man sich nur
ein wenig umzusehen, so wird man bemerken, daß die Erfahrungen,
die wirklichen Beobachtungen, die der Mensch im Laufe der Zeiten
gemacht hat, immer eine Unsumme von Theorien, Hypothesen hervorgerufen
haben. Wie viele Hypothesen sind im Laufe der Menschheitsentwicklung
als wertlos sozusagen in den Abgrund versunken!
Auf anthroposophisch-okkultem Gebiete kann man die Bemerkung
machen, daß irgend jemand, der okkulte Schulung hat, der also in
einem gewissen Sinne hellseherische Kräfte hat, dieses oder jenes
aus der wirklich hellseherischen Beobachtung heraus mitteilt und
daß dann die Theoretiker kommen und dann alle möglichen Schemas
und Theorien erfinden: die Dinge werden ausgebaut. Oftmals
ist die Beobachtung klein, aber die Schemas und Theorien, die darauf
aufgebaut sind, sind ganze Welten umfassend. Das ist eben
immer das Schlimme, daß solche Tendenz des Verstandes vorliegt.
Wir haben ja diese Tendenz in einem gewissermaßen noch dezenten
Sinn bei dem berühmten Buch «Esoterischer Buddhismus» von
Sinnett. Diesem Buch liegt eine Anzahl von wirklichen okkulten
Tatsachen zugrunde; die stehen in den mittleren Partien des Buches,
beziehen sich auf die mittlere Entwicklung der Erde. Dann aber ist
darauf ein Schematismus gebaut von Runden und Rassen, und das
rollt und kollert nur so um sich herum in immer mehr oder weniger
gleicher Weise. Das sind Folgerungen, Theorien, die gemacht
worden sind aus den wenigen wirklichen, den Tatsachen entsprechenden
Angaben, die sich in diesem Buche auch finden." {{Lit|{{G|145|151f}}}}
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== Literatur ==
== Literatur ==
# Rudolf Steiner: ''Die Philosophie der Freiheit'', [[GA 4]] (1995), ISBN 3-7274-0040-4 {{Schriften|004}}
 
#Rudolf Steiner: ''Die soziale Grundforderung unserer Zeit. In geänderter Zeitlage.'', [[GA 186]] (1990), Siebenter Vortrag, Bern, 12. Dezember 1918
* Wolfgang Pauli: ''Phänomen und physikalische Realität'' (1954) [http://www.quantenphilosophie.de/docu/Pauli_Phaenomen_Realitaet1954.pdf]
#Rudolf Steiner: ''Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik'', [[GA 293]] (1992), Achter Vortrag, Stuttgart, 29. August 1919
* Rudolf Steiner: ''Welche Bedeutung hat die okkulte Entwicklung des Menschen für seine Hüllen (physischer Leib, Ätherleib, Astralleib) und sein Selbst?'', [[GA 145]] (2005), ISBN 3-7274-1450-2 {{Vorträge|145}}
* Rudolf Steiner: ''Das Verhältnis der verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebiete zur Astronomie'', [[GA 323]] (1997), ISBN 3-7274-3230-6 {{Vorträge|323}}


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Soziales Leben]]
== Einzelnachweise ==
<references/>
 
[[Kategorie:Grundbegriffe]] [[Kategorie:Philosophie]] [[Kategorie:Naturwissenschaften]]

Version vom 11. Dezember 2018, 15:28 Uhr

Der Begriff Theorie (von griech. θεωρείν theôreîn „anschauen“, „betrachten“) bezog sich ursprünglich auf die unmittelbare Gottesschau, die theoría (griech. θεωρία „Gottesschau, Anschauung, Einsicht“), oder allgemeiner auf die hellsichtige Wahrnehmung der geistigen Welt. Ein Nachklang davon war Platons Ideenschau. So empfand es auch der österreichische Physiker Wolfgang Pauli (1900-1958), der die Archetypenlehre C.G. Jungs maßgeblich mitgeprägt hat. Theorien werden seiner Meinung nach nicht primär durch einen diskursiven Denkprozess gebildet, sondern beruhen auf dem vorbewussten Erleben bildhaft-symbolischer Archetypen. Diese seien „die psychische Manifestation der Archetypen, die aber auch alles naturgesetzliche im Verhalten der Körperwelt hervorbringen, erzeugen, bedingen müßten. Die Naturgesetze der Körperwelt wären dann die physikalische Manifestation der Archetypen... Es sollte dann jedes Naturgesetz eine Entsprechung innen haben und umgekehrt, wenn man auch heute das nicht immer unmittelbar sehen kann.“[1]

"Die zusammenhängende Formulierung von Gedankensystemen, bestehend aus mathematischen Gleichungen und aus Regeln, wie diese mit Erfahrungsdaten zu verknüpfen sind, nennen wir eine physikalische Theorie, die man dann innerhalb der Begrenzung ihres Anwendungsbereiches als „Modell der Wirklichkeit" bezeichnen kann. Wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe[2], halte ich es für müßig, darüber zu spekulieren, was zuerst da war, die Idee oder das Experiment. Ich hoffe, daß niemand mehr der Meinung ist, daß Theorien durch zwingende logische Schlüsse aus Protokollbüchern abgeleitet werden, eine Ansicht, die in meinen Studententagen noch sehr in Mode war. Theorien kommen zustande durch ein vom empirischen Material inspiriertes V e r s t e h e n , welches am besten im Anschluß an Plato als zur Deckung kommen von inneren Bildern mit äußeren Objekten und ihrem Verhalten zu deuten ist. Die Möglichkeit des Verstehens zeigt aufs Neue das Vorhandensein regulierender typischer Anordnungen, denen sowohl das Innen wie das Außen des Menschen unterworfen sind." (Lit.: Pauli, S 95)

Diese Ansicht Paulis wird allerdings nicht allgemein geteilt. Im heutigen wissenschaftlichen Sprachgebrauch ist eine Theorie ein auf spekulativen Hypothesen gegründetes Ideengebilde, das einen bestimmten äußeren Phänomenbereich erklären soll. Es wird dazu ein Gedankenmodell entworfen, das eine auf bestimmte Zwecke ausgerichtete, verallgemeinerte und meist stark vereinfachende gedankliche Beschreibung der Wirklichkeit gibt. Die moderne Naturwissenschaft bedient sich im weiten Umfang derartiger theoretischer Modelle, zu deren Beschreibung eine vollständige Formalisierung angestrebt wird. Eine formalisierte Theorie zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Aussagen durch logische Schlussfolgerungen mittels einer entsprechenden „Rechenvorschrift“ (einem Kalkül) aus ihren Axiomen abgeleitet werden können.

"Die größten Fehler, die im Wissenschaftsleben gemacht werden, die bestehen darin, daß man versucht, Zusammenfassungen zu machen, bevor man die Bedingungen dieses Zusammenfassens wirklich hergestellt hat. Man hat den Hang, Theorien zu machen, das heißt abschließende Ansichten zu gewinnen. Man kann gewissermaßen nicht abwarten, bis die Bedingungen da sind zum Theorienmachen. Und das muß in unser Wissenschaftsleben hineingeworfen werden, daß man dazu kommt, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man einfach nicht versuchen darf, gewisse Fragen zu beantworten, bevor die Bedingungen zur Antwort wirklich hergestellt sind." (Lit.: GA 323, S. 286)

Goethe stand der Theorienbildung sehr kritisch gegenüber und gründete seine Naturforschungen auf eine reine Phänomenologie. Seiner Ansicht nach tragen die Phänomene selbst bereits ihre Erklärung in sich, sofern man sie in ihrem Werden und in ihrem systematischen gesetzmäßigen Zusammenhang betrachtet. Der moderne Goetheanismus, der durch Rudolf Steiner angeregt wurde, folgt dieser Art der Naturbetrachtung.

Metatheorie

Als Metatheorie (von griech. μετά meta „danach, hinter, zwischen, jenseits“) wird eine übergeordnete Theorie bezeichnet, die eine oder mehrere andere Theorien zum Forschungsgegenstand hat.

Theosophische Theorienbildung

"... der Verstand des Menschen nämlich, der hat die Tendenz, auszuarten, Folgerungen zu ziehen, wenn irgendeine Beobachtung vorliegt. Man kann das sowohl im äußeren, exoterischen Leben wie auch auf dem Gebiete der theosophischen Bewegung hinlänglich bemerken. Im äußeren, exoterischen Leben braucht man sich nur ein wenig umzusehen, so wird man bemerken, daß die Erfahrungen, die wirklichen Beobachtungen, die der Mensch im Laufe der Zeiten gemacht hat, immer eine Unsumme von Theorien, Hypothesen hervorgerufen haben. Wie viele Hypothesen sind im Laufe der Menschheitsentwicklung als wertlos sozusagen in den Abgrund versunken! Auf anthroposophisch-okkultem Gebiete kann man die Bemerkung machen, daß irgend jemand, der okkulte Schulung hat, der also in einem gewissen Sinne hellseherische Kräfte hat, dieses oder jenes aus der wirklich hellseherischen Beobachtung heraus mitteilt und daß dann die Theoretiker kommen und dann alle möglichen Schemas und Theorien erfinden: die Dinge werden ausgebaut. Oftmals ist die Beobachtung klein, aber die Schemas und Theorien, die darauf aufgebaut sind, sind ganze Welten umfassend. Das ist eben immer das Schlimme, daß solche Tendenz des Verstandes vorliegt. Wir haben ja diese Tendenz in einem gewissermaßen noch dezenten Sinn bei dem berühmten Buch «Esoterischer Buddhismus» von Sinnett. Diesem Buch liegt eine Anzahl von wirklichen okkulten Tatsachen zugrunde; die stehen in den mittleren Partien des Buches, beziehen sich auf die mittlere Entwicklung der Erde. Dann aber ist darauf ein Schematismus gebaut von Runden und Rassen, und das rollt und kollert nur so um sich herum in immer mehr oder weniger gleicher Weise. Das sind Folgerungen, Theorien, die gemacht worden sind aus den wenigen wirklichen, den Tatsachen entsprechenden Angaben, die sich in diesem Buche auch finden." (Lit.: GA 145, S. 151f)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Karl von Meyenn (Hrsg.): Wolfgang Pauli. Wissenschaftlicher Briefwechsel, Band III: 1940–1949. Springer. Berlin (1993) Brief #929, S. 496
  2. Wolfgang Pauli: Theorie und Experiment in Dialectica 6, 141, 1952