Ohr und Friedrich Schiller: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Ohr.png|thumb|300px|Anatomie des menschlichen Ohrs.]]
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Das '''Ohr''' ([[Latein|lat.]] ''auris'') ist ein Teil des ''Hörorgans'', das als [[Sinnesorgan]] der [[Gehörsinn|auditiven Wahrnehmung]] dient. Das '''Hörorgan''' umfasst insgesamt die beiden Ohren, die [[Wikipedia:Nervus vestibulocochlearis#Nervus cochlearis|Hörnerven]] (''Nervi cochleares'') und [[Wikipedia:Auditiver Cortex|die auditiven Hirnrinde]]. Das Ohr ist auch der Sitz des [[Gleichgewichtssinn]]s, dessen wesentlichsten Teil die drei [[Wikipedia:Bogengänge|Bogengänge]] bilden. Diese ermöglichen es uns zugleich nach [[Rudolf Steiner]], gehörte [[Ton|Töne]] oder [[Sprache]] im [[Gedächtnis]] zu bewahren ([[#Gedächtnis für Sprache und Töne|siehe unten]]). Eine besondere Bedeutung kommt auch dem [[Ohrläppchen]] zu.
(von [[Ludovike Simanowiz]], 1794)]]


== Das Ohr als metamorphosierter kleiner Mensch ==
'''Johann Christoph Friedrich von Schiller''' (* 10. November 1759 in Marbach am Neckar, Herzogtum Württemberg; † 9. Mai 1805 in Weimar, Herzogtum Sachsen-Weimar), 1802 geadelt, war ein deutscher Dichter, [[Philosoph]] und Historiker. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker und Lyriker. Viele seiner Theaterstücke gehören zum Standardrepertoire der deutschsprachigen Theater. Seine Balladen zählen zu den bekanntesten deutschen Gedichten.


In seinem Bau ist das Ohr in gewissem Sinn eine [[Metamorphose]] des ganzen [[Mensch]]en.
Schiller gehört mit [[Christoph Martin Wieland|Wieland]], [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]] und [[Johann Gottfried Herder|Herder]] zum Viergestirn der [[Weimarer Klassik]].  


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Er war durch Geburt Württemberger, wurde später Staatsbürger von Sachsen-Weimar und erhielt 1792 zusätzlich die französische Bürgerschaft verliehen.
"Wenn Sie das menschliche Ohr in seiner innerlichen Formung ins Auge
fassen, so treffen Sie zuerst, wenn Sie durch den äußeren Gehörgang
durchsehen, auf das sogenannte Trommelfell. Hinter diesem Trommelfell
sitzen kleine, winzig kleine Knöchelchen; die äußere Wissenschaft
spricht von Hammer, Amboß, Steigbügel. Man kommt dann weiter
hinter diesen Knöchelchen in das innere Ohr hinein. Ich will nicht
ausführlich über diese Konfiguration des inneren Ohres sprechen. Aber
schon die Bezeichnungen, die diese winzigen Knöchelchen haben, die
man gleich hinter dem Trommelfell trifft, die Bezeichnungen, die diesen
Knöchelchen die äußere Wissenschaft gibt, zeigen, daß eben diese
äußere Wissenschaft gar keine Ahnung von dem hat, was da eigentlich
vorliegt. Wenn man mit anthroposophischer Geisteswissenschaft
diese Sache zu durchleuchten versteht, dann nimmt sich - ich will
jetzt in der Betrachtung von innen nach außen gehen - dasjenige, was
zuerst mehr auf dem inneren Teil des inneren Ohres aufsitzt, und was
die Wissenschaft Steigbügel nennt, das nimmt sich aus wie ein umgewandelter,
metamorphosierter menschlicher Oberschenkel mit seinem
Ansatz an der Hüfte. Und dasjenige, was die Wissenschaft Amboß
nennt, dieses kleine Knöchelchen, das nimmt sich aus wie eine umgewandelte
Kniescheibe, und dasjenige, was von diesem Amboß dann
zum Trommelfell hingeht, das nimmt sich aus wie ein umgewandelter
Unterschenkel mit dem Fuß daran. Und der Fuß stützt sich in diesem
Falle beim Ohr eben nicht auf den Erdboden, sondern auf das Trommelfell.
Sie haben tatsächlich ein menschliches Glied im Inneren des
Ohres, das umgewandelte Gliedmaße ist. Sie können auch sagen: Oberarm
- , nur ist beim Arme die Kniescheibe nicht ausgebildet, es fehlt der
Amboß; Sie können sagen: Unterarm - anderes kleines Gehörknöchelchen,
das dann auf dem Trommelfell aufsitzt. Und ebenso wie Sie mit
Ihren beiden Beinen den Erdboden befühlen, so befühlen Sie mit dem
Fuß des kleinen Gehörknöchelchens das Trommelfell. Nur ist Ihr Erdenfuß,
mit dem Sie herumgehen, grob gebildet. Da fühlen Sie grob
den Fußboden mit der Fußsohle, während Sie das feine Erzittern des
Trommelfells fortwährend abtasten mit dieser Hand oder mit diesem
Fuße, den Sie da drinnen im Ohre haben. Wenn Sie weiter nach hinten
gehen, so finden Sie darinnen die sogenannte Ohrschnecke. Diese
Ohrschnecke, die ist mit einer Flüssigkeit gefüllt. Das alles ist zum
Hören notwendig. Es muß sich das, was der Fuß abtastet am Trommelfell,
fortsetzen nach dieser im Inneren der Ohrhöhlung liegenden
Schnecke. Oberhalb unserer Oberschenkel liegt das Eingeweide. Diese
Schnecke im Ohr ist nämlich ein sehr schön ausgebildetes Eingeweide,
ein umgewandeltes Eingeweide, so daß Sie eigentlich sich vorstellen
können, da drinnen im Ohre liegt in Wirklichkeit ein Mensch. Der
Kopf ist in das eigene Gehirn hineingesenkt. Wir tragen überhaupt in
uns eine ganze Anzahl von mehr oder weniger metamorphosierten Menschen.
Das ist einer, der da drinnen sitzt.


Ja, was liegt denn da eigentlich vor? Sehen Sie, derjenige, der nun
Seine Freundschaft mit [[Goethe]] ist legendär und ermöglichte erst die Geburt der "[[Weimarer Klassik]]". Man kann, wenn man die drei Philosophen [[Fichte]], [[Schelling]] und [[Hegel]] dazurechnet, die im benachbarten Jena wirkten, auch von einem Siebengestirn sprechen, das in einem besonderen Ausmaße vom [[Deutscher Volksgeist|Deutschen Volksgeist]] inspiriert war<ref> Quelle? Vermutl. [[Karl Heyer]]: ''Studienmaterialien zur Geschichte des Abendlandes, Bd.8, Sozialimpulse des deutschen Geistes im Goethe-Zeitalter'', Freies Geistesleben, 2. Aufl. 1987.</ref>
nicht mit der bloßen groben sinnlichen Wissenschaft das Werden des
Menschen studiert, sondern der weiß, daß dieser Menschenkeim, der
sich im Leibe der Mutter ausbildet, eben das Abbild ist desjenigen, was
im vorirdischen Leben vorangegangen ist, der weiß auch, daß in den
ersten Stadien der Kindeskeimesentwickelung eigentlich im wesentlichen
der Kopf veranlagt ist. Das andere sind kleine Ansatzorgane. Die
Ansatzorgane, die als Stümpelchen da sind und die dann die menschlichen
Beine und Füße werden, die könnten nämlich, wenn es nur auf
die inneren Möglichkeiten ankäme, aus dem Keim heraus, der im Mutterleibe
ist, ebensogut eine Art Ohr werden. Die haben durchaus die
Anlage, ein Ohr zu werden. Das heißt, der Mensch könnte auch so
wachsen, daß er nicht ein Ohr nur hier hätte und hier, sondern daß
er ein Ohr nach unten hätte. Das ist zwar paradox gesprochen, aber
diese Paradoxie ist völlige Wahrheit. Der Mensch könnte auch nach
unten ein Ohr werden. Warum wird er denn kein Ohr nach unten?
Er wird aus dem Grunde kein Ohr, weil er in einem gewissen Stadium
schon seiner Keimesentwickelung in den Bereich der irdischen Schwerkraft
kommt. Die Schwerkraft, die einen Stein zur Erde fallen läßt,
die das Gewicht bedeutet, diese Schwerkraft lastet an dem, was ein
Ohr werden will, gestaltet es um, und es wird der ganze untere Mensch
überhaupt daraus. Unter der Wirkung der irdischen Schwerkraft wird
das Ohr, das nach unten wachsen will, der untere Mensch. Warum
wird denn das Ohr nicht auch so, daß es seine Gehörknöchelchen so zu
hübschen Beinchen links und rechts macht? Einfach aus dem Grund,
weil durch die ganze Lage des menschlichen Keimes im Mutterleib
das Ohr davor geschützt ist, in den Bereich der Schwerkraft so zu
kommen, wie die Beinstummeln; es kommt nicht m den Bereich der
Schwerkraft. Daher bewahrt das Ohr noch dasjenige weiter fort, was
es als Anlage im vorirdischen Dasein in der geistigen Welt erhalten
hat; es ist ein reines Abbild dieser geistigen Welten. Was ist denn aber
in diesen geistigen Welten? Nun, davon habe ich oftmals gesprochen,
die Sphärenmusik ist eine Realität, und sobald wir in die geistige
Welt kommen, die hinter der Seelenwelt liegt, sind wir in einer Welt,
die überhaupt in Laut und Ton, in Melodie und Harmonie und Lautzusammenklängen
lebt. Und aus diesen Laut- und Tonzusammenhängen
formt sich das menschliche Ohr heraus. Daher können wir sagen,
in unserem Ohre haben wir eine Erinnerung an unser geistiges, vorirdisches
Dasein; in unserer unteren menschlichen Organisation haben
wir vergessen das vorirdische Dasein und den Organismus angepaßt an
die Erdenschwerkraft, an alles dasjenige, was vom Gewicht kommt.
So daß, wenn man richtig versteht die Formung des Menschen, die
Gestaltung des Menschen, man immer sagen kann, irgendein Organsystem
zeigt, daß es angepaßt ist an die Erde, aber ein anderes Organsystem
zeigt, daß es noch angepaßt bleibt an das vorirdische Dasein.
Denken Sie doch, daß wir ja eigentlich, auch wenn wir schon geboren
sind, noch fortsetzen dasjenige, was schon im Keimeszustand veranlagt
wird. Aufrecht gehen, uns vollständig einfügen in die Schwerkraft,
uns orientieren in den drei Dimensionen des Raumes, das lernen
wir erst, wenn wir schon geboren sind. Aber das Ohr reißt sich heraus
aus diesen drei Dimensionen des Raumes und behält die Eingliederung,
die Anpassung in und an die geistige Welt. Wir sind als Menschen immer
so gebildet, daß wir zum Teile eben ein lebendiges Denkmal sind
für dasjenige, was wir im Verein mit höheren Wesen zwischen dem
Tode und einer neuen Geburt gemacht haben, und auf der anderen
Seite ein Zeugnis dafür, daß wir uns eingliedern in das Erdendasein,
das von der Schwerkraft, von dem Gewichte beherrscht wird.


Aber solche Umgestaltungen, sie sind nicht bloß in der Richtung
== Schiller als Philosoph ==
verlaufend, wie ich eben gesagt habe, sondern auch in umgekehrter
''Hauptartikel -> [[Briefe zur ästhetischen Erziehung des Menschen]]''
Richtung. Mit Ihren Beinen gehen Sie auf der Erde herum. Und Sie
gehen - verzeihen Sie — zu guten, besseren und zu schlechteren Taten.
Aber schließlich, für die Beinbewegungen bleibt es zunächst auf der
Erde neutral, ob man zu guten oder zu bösen Taten geht. Aber ebenso
wahr als es ist, daß sich der untere Mensch aus einer Ohranlage umwandelt
zu demjenigen, als was er auf der Erde steht mit seinen Beinen,
ebenso wahr ist es, daß alles Moralische, was durch das Gehen
bewirkt worden ist, ob Sie zu guten oder zu schlechten Taten gegangen
sind, sich umwandelt, nachdem der Mensch durch die Pforte des
Todes gegangen ist - nicht gleich, aber nach einiger Zeit - in Töne
und Laute.


Wir nehmen also an, der Mensch sei zu einer schlechten Tat gegangen.
<!--[[Datei:Schiller-Brief1-Seite1.jpg|thumb|left|200px|Über die ästhetische Erziehung des Menschen]]-->
Hier ist es höchstens so, daß wir nur verzeichnen können, wie sich
Schiller war vornehmlich Dramatiker, aber bedingt durch eine Schaffenskrise hat er sich auch gründlich mit der Philosophie [[Kant]]s beschäftigt, und hat selbst philosophische Arbeiten angefertigt, unter denen die [[Über die ästhetische Erziehung des Menschen|Briefe zur ästhetischen Erziehung des Menschen]] hervorzuheben sind. Diese Briefe sollen neben [[Goethes Märchen]] für Rudolf Steiner eine Inspirationsquelle für die Entwicklung seiner [[Soziale_Dreigliederung|Dreigliederungsidee]] gewesen sein ({{G|200|65}}).
die Beine bewegen. Aber den Beinbewegungen haftet die schlechte Tat
Rudolf Steiner hält diese vielgelobten, aber selten wirklich gelesenen Briefe Schillers für eines der bedeutendsten Werke der deutschen Geistesgeschichte überhaupt, dessen inhaltlicher Reichtum geradezu unerschöpflich sei. Die Briefe werden von ihm auch empfohlen als Meditationsbüchlein und inspirierender Text für die [[Selbsterziehung]]. Steiner bedauert, daß der Text unnötig schwierig geraten sei, was auf die Beschäftigung Schillers mit Kant zurückgeht, und daß die Briefe deshalb bis zu seiner Zeit (und auch bis heute) nicht die verdiente Würdigung und praktische Relevanz finden konnten.
an, wenn Sie durch die Pforte des Todes schreiten. Da verwandelt sich,
nachdem der Mensch den physischen Leib abgelegt hat und nachdem
er auch seinen Ätherleib abgelegt hat, alles, was in den Bewegungen
der Beine lag, es verwandelt sich in einen Mißton, in eine Dissonanz
in der geistigen Welt. Und der ganze untere Mensch verwandelt sich
zurück in eine Kopforganisation. Die Art, wie Sie sich hier auf der
Erde bewegen, wird, indem wir die moralische Nuancierung nehmen,
zur Kopf organisation nach Ihrem Tode. Und Sie hören mit diesen Ohren,
wie Sie sich moralisch benommen haben hier in der Erdenwelt.
Ihre Moralität wird schöne, Ihre Unmoralität wird häßliche Musik.
Und aus den konsonierenden oder dissonierenden Tönen heraus werden
die Worte, wie von den höheren Hierarchien als Richtern gesprochen
über Ihre Taten, von Ihnen gehört werden." {{Lit|{{G|218|310ff}}}}
</div>


== Gedächtnis für Sprache und Töne ==
{{GZ|Eine neue Stufe in seiner Selbstentwickelung sind seine ästhetischen Briefe, die «Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen». Sie sind ein Juwel in unserem deutschen Geistesleben. Nur der kann fühlen und empfinden, was geheimnisvoll zwischen und aus den Worten - auch den späteren Dramen Schillers - herausströmt, der diese seine ästhetischen Briefe kennt; sie sind wie Lebensbalsam. Wer sich ein wenig befasst hat mit dem hohen geistigen, pädagogischen Ideale, das in seinen ästhetischen Briefen lebt, wird sagen müssen: Ein Volksbuch müssen wir diese ästhetischen Briefe nennen. Erst dann, wenn in unseren Schulen nicht nur Plato, nicht nur Cicero, sondern mit gleicher Geltung die ästhetischen Briefe Schillers für die Jugend durchgenommen werden, wird man erkennen, wie ein Eigenes, ein Geniales darin lebt. Was in den ästhetischen Briefen lebt, wird erst fruchtbar werden, wenn die Lehrer unserer höheren Schulen durchdrungen sein werden von diesem geistigen Lebensblut, wenn sie in ihre Zöglinge etwas hineinströmen lassen werden von dem, was Schiller hat heranerziehen wollen dadurch, dass er dieses herrliche Werk uns geschenkt hat. In den heutigen philosophischen Werken finden Sie keinen Hinweis auf diese ästhetischen Briefe. Sie sind aber bedeutender als vieles, was von Fachphilosophen geleistet worden ist, denn sie appellieren an das Innerste des Menschen und wollen dieses Innerste eine Stufe höher hinaufheben.
(...)
Nur in einzelnen Strichen konnte ich die Gedanken von Schillers ästhetischen Briefen ausdrücken. Aber nur dann wirken sie, wenn sie nicht bloß gelesen und im Lesen studiert werden, sondern wenn sie wie ein Meditationsbuch den Menschen begleiten durchs ganze Leben, so dass er werden will, wie Schiller werden wollte.|53|403f}}


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{{GZ|Dann ist wiederum ein bedeutender Höhepunkt in der Erfassung des ästhetischen Menschen bei Schiller in seinen «Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen». Es war damals eine mehr abstrakte Zeit. Das Geistig-Konkrete, das Spirituelle haben wir erst jetzt zu dem Idealistischen hinzuzufügen. Aber wenn wir auf dieses mehr Abstrakte der Goethe-Schiller-Zeit sehen, so sehen wir doch in den Abstraktionen, die sich in Schillers ästhetischen Briefen finden, etwas von dem, was hier gesagt worden ist, nur daß hier der Prozeß scheinbar mehr ins Materielle hinuntergetragen wird; aber nur, weil dieses Materielle noch mehr durch die Kraft des intensiv erfaßten Geistigen durchdrungen werden soll. Was sagt Schiller? Er sagt: Der Mensch, wie er hier lebt auf der Erde, hat zwei Grundtriebe, den Vernunfttrieb und den Naturtrieb. Der Vernunfttrieb wirkt durch Naturnotwendigkeit logisch. Man ist gezwungen, in einer gewissen Weise zu denken, man hat keine Freiheit zu denken; denn was hilft es einem, auf diesem Gebiete der Vernunftnotwendigkeit von Freiheit zu sprechen, wenn man doch gezwungen ist, nicht zu denken, daß drei mal drei zehn, sondern neun ist. Die Logik bedeutet eine strenge Vernunftnotwendigkeit. So daß Schiller sagt: Wenn der Mensch sich der reinen Vernunftnotwendigkeit fügt, dann steht er unter einem geistigen Zwang.
"Damit Sie nun auch im Gedächtnis dasjenige,
was Sie hören, behalten können, ist noch eine andere Einrichtung
da. Da sind nämlich hier drei solche Bögen; die sind da oben (siehe
Zeichnung). Sie müssen sich vorstellen also solche Bögen, die hohl sind.
Da ist der zweite, der steht senkrecht drauf auf dem ersten; und da ist noch ein dritter, der steht wiederum senkrecht auf dem ändern. Sie stehen in den drei Richtungen senkrecht aufeinander. Das ist also noch
ein weiteres wunderbares Gebilde, das in diesem Ohr drinnen ist.
Diese Kanäle da oben sind aber hohl - natürlich, weil es Kanäle sind.
Und da drinnen ist wiederum ein feines, lebendiges Wasser. Das sitzt
da drinnen.


Aber das Merkwürdige an diesem lebendigen Wasser ist das, daß sich
Der Vernunftnotwendigkeit stellt Schiller die sinnliche Notdurft entgegen, die in alledem, was in den Trieben, in den Emotionen ist, lebt. Da folgt der Mensch auch nicht seiner Freiheit, sondern der Naturnotwendigkeit. Nun sucht Schiller den mittleren Zustand zwischen der Vernunftnotwendigkeit und der Naturnotwendigkeit. Und diesen mittleren Zustand findet er darin, daß die Vernunftnotwendigkeit sich gewissermaßen herabneigt zu dem, was man liebt und nicht liebt, daß man nicht mehr einer starren logischen Notwendigkeit folgt, wenn man denkt, sondern dem inneren Triebe, die Vorstellungen zu fügen oder nicht zu fügen, wie es beim ästhetischen Gestalten der Fall ist. Aber dann geht auch die Naturnotwendigkeit herauf. Dann ist es nicht mehr die sinnliche Notdurft, der man wie unter einem Zwang folgt, sondern es wird die Notdurft verseeligt, vergeistigt. Der Mensch will nicht mehr bloß dasjenige, was sein Leib will, sondern es wird der sinnliche Genuß vergeistigt. Und so nähern sich Vernunftnotwendigkeit und Naturnotwendigkeit.
fortwährend kleine Kristalle aus diesem Wasser heraus bilden, winzige
kleine Kristalle. Wenn Sie zum Beispiel hören: Haus, oder ein C hören,
so bilden sich da drinnen solche kleine Kristalle; wenn Sie hören:
Mensch, bilden sich etwas andere Kristalle. In diesen drei winzigen
Kanälen bilden sich winzige Kristalle, und diese winzigen Kristalle,
die machen, daß wir nicht nur verstehen können, sondern auch das
Verstandene im Gedächtnis behalten können. Denn was tut der Mensch
unbewußt?


Sie brauchen sich nur vorzustellen, Sie hören, sagen wir: fünf Franken;
Sie müssen das natürlich in Schillers ästhetischen Briefen, die zu den bedeutendsten philosophischen Erzeugnissen in der Weltentwickelung gehören, selber nachlesen. In dem, was da Schiller auseinandersetzt, lebt schon das, was wir hier eben gehört haben, nur in metaphysischer Abstraktion. Was Schiller das Befreien der Vernunftnotwendigkeit von der Starrheit nennt, das lebt in dem Lebendigwerden der Sinnesbezirke, die wiederum bis zum Lebensvorgang zurückgeführt werden. Und das, was Schiller die Vergeistigung - besser sollte er sagen «Verseeligung» - der Naturnotdurft nennt, das lebt hier, indem die Lebensprozesse wie Seelenprozesse wirken. Die Lebensprozesse werden seelischer, die Sinnesprozesse werden lebendiger. Das ist der wahre Vorgang, der - nur mehr in abstrakte Begriffe, in Begriffsgespinste gebracht - sich in Schillers ästhetischen Briefen findet, wie es eben in der damaligen Zeit noch sein mußte, wo man noch nicht spirituell stark genug war mit den Gedanken, um bis in das Gebiet hinunterzukommen, wo der Geist so lebt, wie es der Seher will: daß nicht gegenübergestellt wird Geist und Stoff, sondern erkannt wird, wie der Geist überall den Stoff durchzieht, daß man gar nirgends auf geistlose Stoffe stoßen kann. Die bloße Gedankenbetrachtung ist nur deshalb bloße Gedankenbetrachtung, weil der Mensch nicht imstande ist, seine Gedanken so stark, das heißt so dicht spirituell, so geistig zu machen, daß der Gedanke den Stoff bewältigt, also hineindringt in den wirklichen Stoff. Schiller ist noch nicht imstande, einzusehen, daß die Lebensprozesse wirklich als Seelenprozesse wirken können. Er ist noch nicht imstande, so weit zu gehen, daß er sieht, wie das, was im Materiellen als Ernährung, Wärmung, Atmung wirkt, sich gestalten, wie das seelisch sprühen und leben kann, und aufhört, das Materielle zu sein; so daß die materiellen Teilchen zerstieben unter der Macht des Begriffes, mit dem man die materiellen Prozesse erfaßt. Und ebensowenig ist Schiller schon imstande, so zum Logischen hinaufzuschauen, daß er es wirklich nicht bloß in begrifflicher Dialektik in sich wirken läßt, sondern daß er in jener Entwickelung, welche erreicht werden kann durch Initiation, das Geistige als den eigenen Prozeß erlebt, so daß es wirklich lebend hineinkommt in das, was sonst bloß Erkenntnis ist. Was in Schillers ästhetischen Briefen lebt, ist deshalb ein «Ich trau mich nicht recht heran an das Konkrete». Aber es pulsiert schon darinnen, was man genauer erfaßt, wenn man das Lebendige durch das Geistige und das Stoffliche durch das Lebendige zu erfassen versucht.|170|154ff}}
Sie wollen das Gesprochene erinnern, schreiben sich das in Ihr
Notizbuch. Das, was Sie da mit Blei in Ihr Notizbuch eingeschrieben
haben, das hat nichts mit den fünf Franken zu tun, aber Sie erinnern
sich daran durch die Notiz. Geradeso wird in diese feinen Kanäle durch
die winzigen Kristalle, die eigentlich wie Buchstaben sind, eingeschrieben,
was man hört. Und durch einen unbewußten Verstand wird das
wiederum, wenn wir es brauchen, gelesen. So daß wir sagen können:
Da drinnen (in den drei halbkreisförmigen Kanälen), da ist das Gedächtnis
für die Töne und für die Laute. Da hier, bei diesem Arm oder
Bein (Zeichnung, Gehörknöchelchen), da ist das Verständnis. Da
drinnen in dieser Schnecke, da ist ein Stückchen Gemüt vom Menschen,
ein Stückchen Gefühl. Da fühlen wir die Töne in diesem (Teil des)
Labyrinth, in diesem Schneckenhauswasser drinnen. Da fühlen wir die
Töne. Und wenn wir reden und selbst den Ton hervorbringen, so geht
durch unsere Eustachische Trompete der Wille zum Sprechen. Da ist
das ganze Seelische des Menschen drinnen im Ohr: In dieser Trompete
hier, da lebt der Wille; da drinnen (in der Schnecke) lebt das Gefühl;
da drinnen (bei diesem Arm oder Bein, den Gehörknöchelchen) lebt der
Verstand; und da in diesem (in den drei kleinen halbkreisförmigen Kanälen) lebt das Gedächtnis. Und damit der Mensch sich das, wenn es
fertig ist, zum Bewußtsein bringen kann, geht von hier aus durch diese
Höhle hier (siehe Zeichnung), durch dieses Loch hier ein Nerv. Der
Nerv breitet sich überall aus, kleidet alles aus, geht überall hin. Und
durch diesen Nerv kommt uns das Ganze dann zum Bewußtsein hier im
Gehirn.


Sehen Sie, meine Herren, etwas höchst Eigentümliches! Wir haben
== Siehe auch ==
da in unserem Schädel, in unseren Schädelknochen, eine Höhle drinnen;
* {{WikipediaDE|Friedrich Schiller}}
es geht einfach eine solche Höhle hinein. In die Höhle kommt man hinein,
*[[TheaterWiki:Friedrich Schiller|Friedrich Schiller]] (TheaterWiki)
wenn man vom äußeren Ohr durch den Gehörgang mit Durchstoßung
vom Trommelfell hineingeht. In dieser Höhle ist all das
drinnen, was ich Ihnen gezeigt habe. Zunächst streckt man die Hand
aus, welche die Töne, die hereinkommen, berührt, so daß wir die Töne
verstehen können. Dann übertragen wir das auf diese Schnecke, auf das
lebendige Wasser; dadurch fühlen wir den Ton. Wir stoßen mit dem
Willen hinein durch unsere Eustachische Trompete. Und durch die
kleinen Kristallzeichen, die in diesen drei, wie man sie nennt, halbkreisförmigen
Kanälen sind, erinnern wir uns an dasjenige, was gesprochen
oder gesungen wird, oder was uns sonst als Klang kommt.


Wir können also sagen: Da drinnen tragen wir eigentlich wiederum
== Literatur ==
einen kleinen Menschen, richtig einen kleinen Menschen. Denn der
* [[Rudolf Steiner]]: ''Ursprung und Ziel des Menschen'', [[GA 53]] (1981), ISBN 3-7274-0532-5 {{Vorträge|053}}
Mensch hat Wille, Gefühl, Verständnis, Verstand und Gedächtnis. In
* [[Rudolf Steiner]]: ''Das Rätsel des Menschen. Die geistigen Hintergründe der menschlichen Geschichte.'', [[GA 170]] (1978), Neunter Vortrag, Dornach, 15. August 1916
dieser kleinen Höhle tragen wir wieder einen kleinen Menschen drinnen.
Wir bestehen halt nur aus lauter kleinen Menschen. Unser großer
Mensch ist nur die Zusammenfassung von lauter kleinen Menschen." {{Lit|{{G|348|63ff}}}}
</div>


== Ohr und Kehlkopf ==
{{GA}}
 
Erst während der [[Erdentwicklung]] haben sich Ohr und [[Kehlkopf]] zu getrennten [[Organ]]en entwickelt, auf dem [[Alter Mond|alten Mond]] bildeten sie noch ein einziges zusammenhängendes Organ. In [[Rudolf Steiner]]s Statue des [[Menschheitsrepräsentant]]en ist diese Verbindung im [[Antlitz]] des [[Luzifer]] angedeutet, der bis zu einem gewissen Grad auf dem alten Mondendasein zurückgeblieben ist.


[[Datei:Menschheitsrepraesentant Luzifer.gif|thumb|250px|[[Luzifer]] als Teil der von [[Rudolf Steiner]] geschaffenen Holzskulptur "[[Der Menschheitsrepräsentant zwischen Luzifer und Ahriman]]", gezeichnet nach dem großen 1:1-Modell (Quelle: Urs Schwendener (Hrsg.): ''Anthroposophie - eine Enzyklopädie in 14 Bänden'', Band 5, S 297)]]
== Weblinks ==
<div style="margin-left:20px">
* {{Zeno-Autor|Literatur/M/Schiller,+Friedrich}}
"Und dann
* [http://www.kuehnle-online.de/literatur/schiller/werke/phil/aestherzieh/01.htm Die ästhetischen Briefe Schillers Online]
ist vor allem zu bemerken, daß an dieser Gestalt dasjenige da ist,
* http://odysseetheater.org/schiller/schiller.htm
was in dem Luziferwesen von dem Mondendasein zurückgeblieben
* [https://www.dla-marbach.de/bibliothek/bibliografien/schiller-bibliografie/ Deutsches Literatur Archiv Marbach: Schiller-Bibliografie]
ist. Das stülpt sich über das eigentliche Antlitz, das sehr tief hinein
zurücktritt.


Sie können sich aus dieser Beschreibung schon denken, daß wir
== Einzelnachweise ==
es mit ganz anderem zu tun haben als mit dem gewöhnlichen
<references />
menschlichen Antlitz. Es ist, wie wenn der Schädelkopf für sich
wäre und unten hineingesteckt dasjenige, was beim Menschen das
Antlitz ist. Und dann kommt noch etwas hinzu: daß eine gewisse
Verbindung gerade bei Luzifer hinzutritt zwischen dem Ohr und
dem Kehlkopf. Ohr und Kehlkopf sind ja beim Menschen erst seit
seinem Erdendasein auseinandergeschnitten; sie waren im Mondendasein
ein einziges Organ. Was die kleinen Flügel am Kehlkopf
sind, das waren mächtige Verbreiterungen, die dann die untere
Ohrmuschel bildeten. Mächtige Ohrmuscheln bildeten sich etwa
da, während das obere Ohr, was jetzt nach außen geht, von der
Stirn aus gebildet ist. Und was heute getrennt ist, so daß, wenn wir
sprechen und singen, dieses nach außen geht und wir nur mit dem
Ohr zuhören, das ging während der Mondenzeit nach innen und
von da in die Sphärenmusik. Der ganze Mensch war Ohr. Das
kommt daher, daß das Ohr die Flügel waren; so daß Sie haben
Ohr, Kehlkopf und Flügelbildungen, die nach den Schwingungen
des Weltenäthers sich harmonisch-melodisch bewegen, die dann
hervorbringen die eigentümliche Erscheinung des Luzifer; die heranbringen,
was makrokosmisch ist, denn Luzifer hat nur lokalisiert,
was eigentlich nur kosmisch ist.


Sie werden da sehen, daß man Konzessionen machen muß, damit
{{Navigationsleiste Schillers Werke}}
die Menschen nicht erschrecken, wenn sie ein Gesicht sehen, das
uns nicht Menschengestalt zeigt. Dann werden Sie sehen, daß sein
Gesicht langgestreckt sein muß. Luzifer muß aussehen wie ein in
die Länge gezogenes Antlitz, denn er ist ja ganz Ohr, die Flügel
sind ja ganz Ohr, eine in die Länge gezogene Ohrmuschel." {{Lit|{{G|157|253}}}}
</div>


== Literatur ==
{{DEFAULTSORT:Schiller, Friedrich}}
 
[[Kategorie:Person um Johann Wolfgang von Goethe]]
#Rudolf Steiner: ''Menschenschicksale und Völkerschicksale'', [[GA 157]] (1981), ISBN 3-7274-1571-1 {{Vorträge|157}}
[[Kategorie:Deutsche Literatur der Goethezeit]]
#Rudolf Steiner: ''Geistige Zusammenhänge in der Gestaltung des menschlichen Organismus'', [[GA 218]] (1992), ISBN 3-7274-2180-0 {{Vorträge|218}}
[[Kategorie:Literarisches Werk von Schiller|!]]
#Rudolf Steiner: ''Über Gesundheit und Krankheit. Grundlagen einer geisteswissenschaftlichen Sinneslehre'', [[GA 348]] (1997), ISBN 3-7274-3480-5 {{Vorträge|348}}
[[Kategorie:Schriftsteller (Aufklärung)]]
 
[[Kategorie:Schriftsteller (Deutscher)]]
{{GA}}
[[Kategorie:Aufklärung in Deutschland]]
[[Kategorie:Philosoph (Aufklärung)]]
[[Kategorie:Freiheitsphilosoph]]
[[Kategorie:Werk von Schiller|!]]
[[Kategorie:Weimarer Klassik]]
[[Kategorie:Ästhetiker]]
[[Kategorie:Dichterphilosoph]]
[[Kategorie:Dramatiker]]
[[Kategorie:Aufklärer]]
[[Kategorie:Dichter]]
[[Kategorie:Schiller|!]]
[[Kategorie:Deutscher]]
[[Kategorie:Geboren 1759]]
[[Kategorie:Gestorben 1805]]
[[Kategorie:Mann]]


[[Kategorie:Organ]] [[Kategorie:Sinne]]
{{wikipedia}}

Version vom 25. Mai 2020, 18:15 Uhr

Friedrich Schiller
(von Ludovike Simanowiz, 1794)

Johann Christoph Friedrich von Schiller (* 10. November 1759 in Marbach am Neckar, Herzogtum Württemberg; † 9. Mai 1805 in Weimar, Herzogtum Sachsen-Weimar), 1802 geadelt, war ein deutscher Dichter, Philosoph und Historiker. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker und Lyriker. Viele seiner Theaterstücke gehören zum Standardrepertoire der deutschsprachigen Theater. Seine Balladen zählen zu den bekanntesten deutschen Gedichten.

Schiller gehört mit Wieland, Goethe und Herder zum Viergestirn der Weimarer Klassik.

Er war durch Geburt Württemberger, wurde später Staatsbürger von Sachsen-Weimar und erhielt 1792 zusätzlich die französische Bürgerschaft verliehen.

Seine Freundschaft mit Goethe ist legendär und ermöglichte erst die Geburt der "Weimarer Klassik". Man kann, wenn man die drei Philosophen Fichte, Schelling und Hegel dazurechnet, die im benachbarten Jena wirkten, auch von einem Siebengestirn sprechen, das in einem besonderen Ausmaße vom Deutschen Volksgeist inspiriert war[1]

Schiller als Philosoph

Hauptartikel -> Briefe zur ästhetischen Erziehung des Menschen

Schiller war vornehmlich Dramatiker, aber bedingt durch eine Schaffenskrise hat er sich auch gründlich mit der Philosophie Kants beschäftigt, und hat selbst philosophische Arbeiten angefertigt, unter denen die Briefe zur ästhetischen Erziehung des Menschen hervorzuheben sind. Diese Briefe sollen neben Goethes Märchen für Rudolf Steiner eine Inspirationsquelle für die Entwicklung seiner Dreigliederungsidee gewesen sein (GA 200, S. 65). Rudolf Steiner hält diese vielgelobten, aber selten wirklich gelesenen Briefe Schillers für eines der bedeutendsten Werke der deutschen Geistesgeschichte überhaupt, dessen inhaltlicher Reichtum geradezu unerschöpflich sei. Die Briefe werden von ihm auch empfohlen als Meditationsbüchlein und inspirierender Text für die Selbsterziehung. Steiner bedauert, daß der Text unnötig schwierig geraten sei, was auf die Beschäftigung Schillers mit Kant zurückgeht, und daß die Briefe deshalb bis zu seiner Zeit (und auch bis heute) nicht die verdiente Würdigung und praktische Relevanz finden konnten.

„Eine neue Stufe in seiner Selbstentwickelung sind seine ästhetischen Briefe, die «Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen». Sie sind ein Juwel in unserem deutschen Geistesleben. Nur der kann fühlen und empfinden, was geheimnisvoll zwischen und aus den Worten - auch den späteren Dramen Schillers - herausströmt, der diese seine ästhetischen Briefe kennt; sie sind wie Lebensbalsam. Wer sich ein wenig befasst hat mit dem hohen geistigen, pädagogischen Ideale, das in seinen ästhetischen Briefen lebt, wird sagen müssen: Ein Volksbuch müssen wir diese ästhetischen Briefe nennen. Erst dann, wenn in unseren Schulen nicht nur Plato, nicht nur Cicero, sondern mit gleicher Geltung die ästhetischen Briefe Schillers für die Jugend durchgenommen werden, wird man erkennen, wie ein Eigenes, ein Geniales darin lebt. Was in den ästhetischen Briefen lebt, wird erst fruchtbar werden, wenn die Lehrer unserer höheren Schulen durchdrungen sein werden von diesem geistigen Lebensblut, wenn sie in ihre Zöglinge etwas hineinströmen lassen werden von dem, was Schiller hat heranerziehen wollen dadurch, dass er dieses herrliche Werk uns geschenkt hat. In den heutigen philosophischen Werken finden Sie keinen Hinweis auf diese ästhetischen Briefe. Sie sind aber bedeutender als vieles, was von Fachphilosophen geleistet worden ist, denn sie appellieren an das Innerste des Menschen und wollen dieses Innerste eine Stufe höher hinaufheben. (...) Nur in einzelnen Strichen konnte ich die Gedanken von Schillers ästhetischen Briefen ausdrücken. Aber nur dann wirken sie, wenn sie nicht bloß gelesen und im Lesen studiert werden, sondern wenn sie wie ein Meditationsbuch den Menschen begleiten durchs ganze Leben, so dass er werden will, wie Schiller werden wollte.“ (Lit.:GA 53, S. 403f)

„Dann ist wiederum ein bedeutender Höhepunkt in der Erfassung des ästhetischen Menschen bei Schiller in seinen «Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen». Es war damals eine mehr abstrakte Zeit. Das Geistig-Konkrete, das Spirituelle haben wir erst jetzt zu dem Idealistischen hinzuzufügen. Aber wenn wir auf dieses mehr Abstrakte der Goethe-Schiller-Zeit sehen, so sehen wir doch in den Abstraktionen, die sich in Schillers ästhetischen Briefen finden, etwas von dem, was hier gesagt worden ist, nur daß hier der Prozeß scheinbar mehr ins Materielle hinuntergetragen wird; aber nur, weil dieses Materielle noch mehr durch die Kraft des intensiv erfaßten Geistigen durchdrungen werden soll. Was sagt Schiller? Er sagt: Der Mensch, wie er hier lebt auf der Erde, hat zwei Grundtriebe, den Vernunfttrieb und den Naturtrieb. Der Vernunfttrieb wirkt durch Naturnotwendigkeit logisch. Man ist gezwungen, in einer gewissen Weise zu denken, man hat keine Freiheit zu denken; denn was hilft es einem, auf diesem Gebiete der Vernunftnotwendigkeit von Freiheit zu sprechen, wenn man doch gezwungen ist, nicht zu denken, daß drei mal drei zehn, sondern neun ist. Die Logik bedeutet eine strenge Vernunftnotwendigkeit. So daß Schiller sagt: Wenn der Mensch sich der reinen Vernunftnotwendigkeit fügt, dann steht er unter einem geistigen Zwang.

Der Vernunftnotwendigkeit stellt Schiller die sinnliche Notdurft entgegen, die in alledem, was in den Trieben, in den Emotionen ist, lebt. Da folgt der Mensch auch nicht seiner Freiheit, sondern der Naturnotwendigkeit. Nun sucht Schiller den mittleren Zustand zwischen der Vernunftnotwendigkeit und der Naturnotwendigkeit. Und diesen mittleren Zustand findet er darin, daß die Vernunftnotwendigkeit sich gewissermaßen herabneigt zu dem, was man liebt und nicht liebt, daß man nicht mehr einer starren logischen Notwendigkeit folgt, wenn man denkt, sondern dem inneren Triebe, die Vorstellungen zu fügen oder nicht zu fügen, wie es beim ästhetischen Gestalten der Fall ist. Aber dann geht auch die Naturnotwendigkeit herauf. Dann ist es nicht mehr die sinnliche Notdurft, der man wie unter einem Zwang folgt, sondern es wird die Notdurft verseeligt, vergeistigt. Der Mensch will nicht mehr bloß dasjenige, was sein Leib will, sondern es wird der sinnliche Genuß vergeistigt. Und so nähern sich Vernunftnotwendigkeit und Naturnotwendigkeit.

Sie müssen das natürlich in Schillers ästhetischen Briefen, die zu den bedeutendsten philosophischen Erzeugnissen in der Weltentwickelung gehören, selber nachlesen. In dem, was da Schiller auseinandersetzt, lebt schon das, was wir hier eben gehört haben, nur in metaphysischer Abstraktion. Was Schiller das Befreien der Vernunftnotwendigkeit von der Starrheit nennt, das lebt in dem Lebendigwerden der Sinnesbezirke, die wiederum bis zum Lebensvorgang zurückgeführt werden. Und das, was Schiller die Vergeistigung - besser sollte er sagen «Verseeligung» - der Naturnotdurft nennt, das lebt hier, indem die Lebensprozesse wie Seelenprozesse wirken. Die Lebensprozesse werden seelischer, die Sinnesprozesse werden lebendiger. Das ist der wahre Vorgang, der - nur mehr in abstrakte Begriffe, in Begriffsgespinste gebracht - sich in Schillers ästhetischen Briefen findet, wie es eben in der damaligen Zeit noch sein mußte, wo man noch nicht spirituell stark genug war mit den Gedanken, um bis in das Gebiet hinunterzukommen, wo der Geist so lebt, wie es der Seher will: daß nicht gegenübergestellt wird Geist und Stoff, sondern erkannt wird, wie der Geist überall den Stoff durchzieht, daß man gar nirgends auf geistlose Stoffe stoßen kann. Die bloße Gedankenbetrachtung ist nur deshalb bloße Gedankenbetrachtung, weil der Mensch nicht imstande ist, seine Gedanken so stark, das heißt so dicht spirituell, so geistig zu machen, daß der Gedanke den Stoff bewältigt, also hineindringt in den wirklichen Stoff. Schiller ist noch nicht imstande, einzusehen, daß die Lebensprozesse wirklich als Seelenprozesse wirken können. Er ist noch nicht imstande, so weit zu gehen, daß er sieht, wie das, was im Materiellen als Ernährung, Wärmung, Atmung wirkt, sich gestalten, wie das seelisch sprühen und leben kann, und aufhört, das Materielle zu sein; so daß die materiellen Teilchen zerstieben unter der Macht des Begriffes, mit dem man die materiellen Prozesse erfaßt. Und ebensowenig ist Schiller schon imstande, so zum Logischen hinaufzuschauen, daß er es wirklich nicht bloß in begrifflicher Dialektik in sich wirken läßt, sondern daß er in jener Entwickelung, welche erreicht werden kann durch Initiation, das Geistige als den eigenen Prozeß erlebt, so daß es wirklich lebend hineinkommt in das, was sonst bloß Erkenntnis ist. Was in Schillers ästhetischen Briefen lebt, ist deshalb ein «Ich trau mich nicht recht heran an das Konkrete». Aber es pulsiert schon darinnen, was man genauer erfaßt, wenn man das Lebendige durch das Geistige und das Stoffliche durch das Lebendige zu erfassen versucht.“ (Lit.:GA 170, S. 154ff)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Quelle? Vermutl. Karl Heyer: Studienmaterialien zur Geschichte des Abendlandes, Bd.8, Sozialimpulse des deutschen Geistes im Goethe-Zeitalter, Freies Geistesleben, 2. Aufl. 1987.


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