Justinus (Gnostiker)

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Justinus ist ein erstmals von Hippolyt von Rom erwähnter Gnostiker, der vermutlich im 1. oder 2. Jahrhundert lebte und wirkte und wohl den Ophiten (von griech. ὄφις, Ophis, „Schlange“) bzw. Naassener (von hebr. נָחָשׁ nachasch, „Schlange“, hier transkripiert als nahas bzw. naas) zuzurechnen ist, die in ihren Kulten die Paradiesesschlange als göttliches Wesen verehrten. Nach Hyppolyt verfasste er das gnostische Baruchbuch, das nicht mit dem gleichnamigen Buch Baruch des christlich-alttestamentarischen Bibelkanons zu verwechseln ist. Hyppolyt sieht darin einen verwerflichen Rückfall in das Heidentum.

„Justinus ist durchweg gegen die Lehre der heiligen Schriften, insbesondere gegen das schriftliche Wort der heiligen Evangelisten; es unterwies ja der Logos seine Jünger mit den Worten: „Geht nicht auf den Weg der Heiden“[1], was doch bedeutet, man solle der nichtigen Lehre der Heiden kein Gehör geben. Justinus freilich trachtet, seinen Hörern die Wundermären und Unterweisungen der Heiden nahe zu bringen; er legt mit seinen eigenen Worten die Fabeln der Griechen aus, sein vollkommenes Geheimnis lehrt und übergibt er aber nicht eher, bevor er nicht den Genasführten mit einem Eide gebunden hat. Er gibt dann der Kurzweil halber Fabeln drein, damit die, welche das endlose Büchergeschwätz durchgemacht haben, die Fabeln als Trost hätten — so wie wenn einer auf einem großen Marsch sich im Wirtshaus ausruhen will —, sich dann wieder zur Vielwisserei der Bücher wendeten und nicht überdrüssig würden, bis sie, durch vielerlei Mätzchen umgarnt, sich auf den von ihm fabrizierten Unsinn ganz benebelt stürzen; er bindet sie nun zuerst mit furchtbaren Eiden, zwingt sie zu versprechen, weder etwas auszusagen noch abzufallen, und dann teilt er (ihnen) die von ihm gottlos ausgedachten Mysterien mit, unter Benützung, wie gesagt, zum Teil von griechischen Mythen, zum Teil von gefälschten Büchern, die einigermaßen die vorerwähnten Häresien andeuten. Sie alle werden von einem Geist miteinander in einen Abgrund gedrängt und getrieben, indem die einen so, die anderen so ein und dieselbe Sache darlegen und darüber fabulieren. Alle diese nennen sich mit Vorzug Gnostiker (Wissende), da sie allein die wunderbare Wissenschaft vom Vollkommenen und Guten eingeschlürft haben.“

Hippolyt von Rom: Widerlegung aller Häresien (Refutatio omnium haeresium) V,23 [2]

„So schwöre denn, sagt Justinus, wenn du erkennen willst, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und was in keines Menschen Herz gedrungen“[2], den über alles Guten, den Oberen, das Geheimnis der Lehre unausgesprochen zu bewahren. Denn auch unser Vater, nachdem er den Guten gesehen und ihm zur Seite eingeweiht wurde, hat das zu Verschweigende unausgesprochen bewahrt und hat geschworen, wie geschrieben steht: „Der Herr hat geschworen und es wird ihn nicht reuen“[3]. Wenn Justinus dies so hat bekräftigen lassen, so ergötzt er die Anfänger mit mancherlei Fabeln in mancherlei Büchern und führt sie so zu dem „Guten“, indem er sie in die unaussprechlichen Mysterien einweiht. Um aber nicht all zu vieles durchgehen zu müssen, wollen wir die Geheimnisse aus einem seiner Bücher, das nach seiner Meinung ein Meisterwerk ist, vorlegen. Das Buch ist Baruch betitelt; eine der zahlreichen darin enthaltenen Fabeln wollen wir als von Herodot stammend nachweisen; er gibt sie umgestaltet als etwas Neues seinen Zuhörern wieder und macht sich aus ihr die ganze Grundlage seines Lehrgebäudes.“

Hippolyt von Rom: Widerlegung aller Häresien (Refutatio omnium haeresium) V,24 [3]

Anmerkungen

  1. Mt 10,5 LUT
  2. 1 Kor 2,9 [1]
  3. Ps 109,4 LUT

Literatur

  1. Eugen Heinrich Schmitt: Die Gnosis. Grundlagen der Weltanschauung einer edleren Kultur., Band 1: Die Gnosis des Altertums, Band 2: Die Gnosis des Mittelalters und der Neuzeit, Diederichs, Leipzig 1903 Band 1 Band 2