Chemische Reaktion

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Explosive Reaktion von Natrium und Wasser
Die Beziehung zwischen Aktivierungsenergie (Ea) und Bildungsenthalpie (ΔH) bei einer exothermen Reaktion. Dabei muss der durch den energiereichen Übergangszustand bedingte Energieberg überwunden werden. Durch einen Katalysator bildet sich ein Übergangszustand mit geringerer Energie, wodurch die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht wird.
Thermitreaktion von Eisen(III)-oxid und Aluminium
Bändermodell des Enzyms Triosephosphatisomerase (TIM, TPI) nach PDB 2jk2
Energiediagramm der Enzym-Katalyse: Die Aktivierungsenergie (freie Aktivierungsenthalpie) wird im Vergleich zu unkatalysierten Reaktionen durch Stabilisierung des Übergangszustandes gesenkt. Die freie Reaktionsenthalpie bleibt dabei unverändert.

Eine chemische Reaktion ist ein chemischer Prozess, bei dem ein oder mehrere chemische Elemente oder chemische Verbindungen als Reaktanten (seltener Reaktanden oder veraltet Edukte, von lat. eductum „Herausgeführtes“) in andere chemische Stoffe, die Produkte, umgewandelt werden. Sind diese ebenfalls reaktionsfreudig, so kann es zu weiteren Folgereaktionen kommen. Viele Reaktionen führen erst über ein oder mehrere Zwischenprodukte (Intermediate) zum Endprodukt, das isoliert und gereinigt wird.

Exotherme und endotherme Reaktionen

Bei chemischen Reaktionen wird „chemische“ Energie z.B. in Form von Wärme und/oder Licht abgegeben oder verbraucht, die sog. Reaktionsenthalpie (von griech. ἐν en „in“ und θάλπειν thálpein „erwärmen“) oder Reaktionswärme: . Eine exotherme Reaktion, beispielsweise eine Verbrennung, setzt Energie frei ( ), eine endothermen Reaktion hingegen verbraucht Energie ( ).

Früher dachte man fälschlich, dass die Reaktionswärme ein geeignetes Maß für die Triebkraft einer chemischen Reaktion sei (Thomsen-Berthelotsches Prinzip). Entscheidend ist vielmehr die nachstehend beschriebene freie Enthalpie.[1]

Exergone und endergone Reaktionen

Für den Ablauf einer chemischen Reaktion ist die Änderung der freien Enthalpie (auch Gibbs-Energie genannt) maßgeblich. Sie berücksichtigt auch die Änderung der Entropie . Mit der absoluten Temperatur ergibt sich für die freie Reaktionsenthalpie folgender Zusammenhang:

Für exergone Reaktionen ist ; sie laufen bevorzugt in Richtung der Produkte ab. Bei endergonen Reaktionen mit ist die Rückreaktion begünstigt und bei stehen Hin- und Rückreaktion im Gleichgewicht. Mithilfe der freien Enthalpie und der universellen Gaskonstante lässt sich entsprechend die Gleichgewichtskonstante der Reaktion berechnen:

Aktivierungsenergie

Damit eine Reaktion, egal ob exotherm oder endotherm, überhaupt in Gang kommt, ist die Zufuhr einer entsprechenden Aktivierungsenergie notwendig, die üblicherweise in Joule pro mol (J·mol−1) angegeben wird. So kann man etwa ein Streichholz nur entzünden, wenn man ihm durch Reibung mechanische Energie bzw. Wärmeenergie zuführt. Bei scheinbar spontan ablaufenden Reaktionen wird die nötige Energie unmittelbar der Umgebungswärme entnommen. Je höher die zugeführte Wärme bzw. je geringer die benötigte Aktivierungsenergie ist, desto schneller läuft die Reaktion ab. Nach der 1884 von dem niederländischen Chemiker Jacobus Henricus van ’t Hoff aufgestellten RGT-Regel (Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel, auch van-’t-Hoff’sche Regel) gilt, dass eine Temperaturerhöhung um 10 K die Reaktionsgeschwindigkeit ungefähr verdoppelt. Durch Beigabe kleiner Mengen eines spezifischen Katalysators, der die nötige Aktivierungsenergie verringert, kann die Reaktion gegebenenfalls wesentlich beschleunigt werden.

Die Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstanten einer chemischen Reaktion kann durch die von Svante Arrhenius empirisch aufgestellte und später nach ihm benannte Arrhenius-Gleichung ermittelt werden:

  Arrhenius-Gleichung

dabei ist

ein präexponentieller Faktor, der in vielen Fällen als nicht temperaturabhängig angenommen werden kann,
die Aktivierungsenergie in J/mol,
die universelle Gaskonstante,
die absolute Temperatur in K.

Der hier auf ein Mol bezogene Boltzmann-Faktor gibt dabei an, wie viele Teilchen pro Mol im statistischen Durchschnitt die nötige Aktivierungsenergie bei der gegebenen thermischen Energie aufbringen können.

Reaktionsgleichung

Eine Reaktionsgleichung beschreibt eine chemische Reaktion symbolisch im stöchiometrisch richtigen Verhältnis. Auf der linken Seite der Gleichung stehen die Reaktanten, versehen mit einer entsprechenden stöchiometrischen Zahl [2] (auch stöchiometrischer Koeffizient, Stöchiometriezahl oder Stöchiometriefaktor genannt). Dann folgt ein Reaktionspfeil () bzw. bei einer Gleichgewichtsreaktion ein Doppelpfeil (), und auf der rechten Seite stehen die Produkte. Gegebenenfall wird gesondert auch die Reaktionsenthalpie angegeben. Für die Knallgasreaktion, bei der gasförmiger Wasserstoff mit gasförmigem Sauerstoff explosionsartig zu liquidem (=flüssigen) Wasser reagiert, ergibt sich beispielsweise unter Berücksichtigung der Aggregatzustände folgende Schreibweise:

Reaktionsschema

Der prinzipielle Ablauf einer chemischen Reaktion kann auch durch ein Reaktionsschema veranschaulicht werden, bei dem die stöchiometrischen Verhältnisse unberücksichtigt bleiben. Das kann z.B. in Form einer allgemein verständlichen Wortgleichung geschehen, z.B. für die Knallgasreaktion:

In der organischen Chemie werden im Reaktionsschema zumeist nur die Strukturformeln der beteiligten organischen Verbindungen angeschrieben. So ergibt sich etwa für die säurekatalysierte Abspaltung von Wasser aus 2-Pentanol folgendes Schema:

Dehydratisierung von 2-Penanol zu einem Gemisch von drei isomeren Pentenen.
Dehydratisierung von 2-Penanol zu einem Gemisch von drei isomeren Pentenen.

Als Nebenprodukt entsteht 1-Penten (links direkt nach dem Reaktionspfeil) und als Hauptprodukte die beiden Isomere (E)-2-Penten (Mitte) und (Z)-2-Penten (rechts); die Säurekatalyse und das abgepaltene Wasser werden als bekannt vorausgesetzt und nicht angeschrieben.

Beispiele

Eine einfache chemische Reaktion ist die Verbrennung, bei der ein brennbarer Stoff mit dem Sauerstoff (lat. Oxygenium; abgeleitet von griech. ὀξύς oxys „scharf, spitz, sauer“ und γεν- gen- „erzeugen“) der Luft unter Energieabgabe reagiert. So entsteht etwa bei der Verbrennung von Kohlenstoff mit einer ausreichenden Menge Sauerstoff das gasförmige Kohlendioxid (bzw. bei Sauerstoffmangel das sehr giftige Kohlenmonoxid):

[3]

Eine anderes Beispiel ist die rechts im Bild gezeigte stark exotherme Thermitreaktion von Eisen(III)-oxid und Aluminium, bei der Temperaturen bis über 2000 °C erreicht werden:

Das Bild rechts ganz oben zeigt die Reaktion von metallischem Natrium mit Wasser. Das bei der Reaktion gebildete Wasserstoffgas entzündet sich, verbrennt explosionsartig und reißt geschmolzene Natriumtröpfchen mit, die zu Natriumoxid bzw. Natriumperoxid verbrennen:

Friedrich Wöhlers Harnstoffsynthese (1828)

Als es dem deutschen Chemiker Friedrich Wöhler (1800-1882) erstmals 1828 gelang, Harnstoff aus der salzartigen anorganischen Verbindung Ammoniumcyanat herzustellen, galt dies als Beweis, dass die Synthese organischer Verbindungen keiner besonderen „Lebenskraft“ bedürfe:

Wöhler erkannte dabei ganz richtig, dass die intermediär gebildete Verbindung Ammoniumcyanat (NH4NCO) die eigentliche Harnstoffquelle darstellte:

Harnstoffsynthese nach Wöhler
Harnstoffsynthese nach Wöhler

Biochemische Reaktionen

Biochemische Prozesse, die für den Stoffwechsel aller Lebewesen von zentraler Bedeutung sind, laufen stets nur in Anwesenheit eines meist sehr komplex gebauten Katalysators in nennenswerter Geschwindigkeit ab. So katalysiert etwa das Enzym Triosephosphatisomerase (TIM, TPI) in einem Teilschritt der Glycolyse, dem lebenswichtigen Zuckerabbau in allen Organismen, die Umwandlung von Dihydroxyacetonphosphat (DHAP) zu Glycerinaldehyd-3-phosphat (GAP):

Photochemische Reaktion

Photochemische Reaktionen werden nicht primär durch Wärme, sondern durch Lichtenergie bewirkt bzw. ausgelöst. Ein komplexes Beispiel dafür ist die Photosynthese.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. A. F. Holleman, E. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 71.–80. Auflage. de Gruyter, Berlin 1971, S. 57–58.
  2. Eintrag zu stoichiometric number. In: IUPAC Compendium of Chemical Terminology (the “Gold Book”). doi:10.1351/goldbook.S06025 Version: 2.3.1.
  3. Schülerduden Chemie, Bibliografisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim 2007, ISBN 978-3-411-05386-5, S. 195.