Marburger Schule

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Hermann Cohen (1842–1918) gilt als der Begründer der sog. Marburger Schule, die stark mathematisch, wissenschaftsorientiert ausgerichtet war. Er kritisierte den Psychologismus vom kantischen Standpunkt. Dass es ein von der Psyche unabhängiges Wissen gibt, erklärt sich schon daran, dass Mathematik in Lehrbüchern unabhängig vom Subjekt existiert. Entsprechend kann die Erkenntnis nicht allein an ein Subjekt gebunden werden. In Bezug auf Kant entwickelte Cohen nach einer zunächst philologischen Darstellung im Laufe der Zeit eine eigenständige Position, die eher den idealistischen Standpunkt einnahm und insbesondere nicht Begriffe, sondern Urteile als Basis des menschlichen Denkens zugrunde legte. Nicolai Hartmann studierte in Marburg und wurde zumindest von einigen Gedanken der Marburger Schule beeinflusst. Auch Paul Natorp (1854–1924) befasste sich vor allem mit den logischen Grundlagen der exakten Wissenschaften. Allerdings lehnte er die Existenz eines Dings an sich und von vom Verstand unabhängigen Anschauungen ab. Zur Marburger Schule zählten u. a. auch Karl Vorländer, mit dem Schwerpunkt der Geschichtsphilosophie in Verbindung mit dem Marxismus, und Rudolf Stammler, der sich vor allem mit sozial- und rechtsphilosophischen Fragen befasste sowie der Völkerrechtler Walther Schücking (1875–1935), der bei Kants Friedensgedanken ansetzte und entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Friedensvölker- und Verfassungsrechts im 20. Jahrhundert ausübte.

Ernst Cassirer (1874–1945) steht einerseits der Tradition der Marburger Schule nahe, ist vom Alter her und mit der Aufnahme sprachphilosophischer Themen wie der Frage der Bedeutung sowie der Philosophie der symbolischen Formen andererseits schon voll dem 20. Jahrhundert zuzurechnen. Für ihn gewährten nicht nur die Kategorien einen Bezug zur Welt, sondern verschiedene eigenständige symbolische Formen, wie Sprache, Religion, Kunst, Technik, Geschichte und Recht.

Als Vertreterin der Marburger Schule verstand sich auch die rumänische Philosophin Alice Voinescu (geborene Steriade; 1885–1961), die als erste Rumänin einen philosophischen Doktorgrad erwarb und später vor allem zur Ästhetik und zur Theatergeschichte publizierte. Sie studierte 1911/1912 bei Cohen und Natorp; ihre an der Sorbonne eingereichte Dissertation hatte die Marburger Schule explizit zum Thema.[1]

Einzelnachweise

  1. Alice Stériad: L‘interprétation de la doctrine de Kant par l‘école de Marburg: Étude sur l‘idéalisme critique, Giard & Brière, Paris 1913. Rumänische Ausgabe: Alice Voinescu: Kant și școala de la Marburg, Editura Eminescu, Bukarest 1999.


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