Hellsehen und Erdgeist: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Steiner-reitman-1915.jpg|mini|[[Rudolf Steiner]]]]
[[Datei:Faust und Erdgeist Illustration von Goethe.jpg|thumb|300px|Die Erscheinung des Erdgeists in [[Goethe]]s [[Faust]].]]
Der '''Erdgeist''' ist der [[Planetengeist]] der [[Erde (Planet)|Erde]] und hat seinen Sitz in der neunten Schicht des [[Erdinneres|Erdinneren]], die identisch mit der [[Eishölle]] aus [[Dante]]s [[Göttliche Komödie|Göttlicher Komödie]] und zugleich der Quellort aller [[Schwarze Magie|schwarzmagischer Kräfte]] ist. Hier ist auch das [[Erdgehirn]] lokalisiert, das in engem Zusammenhang mit dem [[mensch]]lichen [[Gehirn]] steht. In [[Rudolf Steiner]]s [[Mysteriendramen]] erweist sich das [[Urbild]] des [[German]] als der Geist des Erdgehirns. Der '''Geist der Erde''' umfasst dabei die Gesamtheit aller [[geist]]igen [[Wesen]], die sich mit der Erde verbunden haben.


'''Hellsehen''' ([[Französische Sprache|frz.]] ''Clairvoyance'') bezeichnet ganz allgemein die Fähigkeit zur nicht-sinnlichen [[Wahrnehmung]], d.h. zur '''Geistesschau''' im weitesten Sinn. Menschen, die diese Fähigkeit besitzen, werden '''Hellseher''' - oder kurz '''Seher''' - genannt. Das Hellsehen in dem von [[Rudolf Steiner]] gemeinten Sinn richtet sich auf die Wahrnehmung der höheren [[Geistige Welt|übersinnlichen Welten]]. Die hellseherische Fähigkeit ist um so höher und reiner entwickelt, je höhere Weltbereiche dadurch übersinnlich wahrgenommen werden können. Die [[außersinnliche Wahrnehmung]] hingegen, wie sie auch in der [[Parapsychologie]] untersucht wird, kann sich, wie das etwa bei [[Swedenborg]] der Fall war, auf gleichzeitig, aber weit entfernt stattfindende, aber auch auf vergangene oder künftige [[physisch]]e Ereignisse beziehen, wobei man in letzterem Fall von [[Präkognition]] spricht.
== Der Erdgeist als Gemeinschaft geistiger Wesenheiten ==


== Erkenntnistheoretische Grundlage ==
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[[File:Johann gottlieb fichte.jpg|mini|[[Johann Gottlieb Fichte]]]]
"Wenn man unsere Erde hellseherisch von außen betrachten könnte,
[[Datei:Nb pinacoteca stieler friedrich wilhelm joseph von schelling.jpg|miniatur|[[Friedrich Wilhelm Schelling]], Gemälde von [[Wikipedia:Joseph Karl Stieler|Joseph Karl Stieler]], 1835]]
so würde man nicht nur Felsen und so weiter aus materiellem Stoff
[[Datei:Goethe (Stieler 1828).jpg|miniatur|''Johann Wolfgang von Goethe,''<br />Idealisierendes Ölgemälde von [[Wikipedia:Joseph Karl Stieler|Joseph Karl Stieler]], 1828
wahrnehmen und dazwischen tierische und menschliche Gestalten
[[Datei:Signature of Johann Wolfgang von Goethe.svg|rechts|rahmenlos|Signatur]]]]
einherwandern sehen, sondern man würde vor allen Dingen Gruppenseelen
[[Bild:Urpflanze.jpg|thumb|[[Rudolf Steiner]], [[Urpflanze]], Aquarell 1924]]
der Pflanzen, der Tiere und so weiter sehen. Das ist
[[Datei:Pauli.jpg|miniatur|Wolfgang Pauli 1945]]
schon eine geistige Bevölkerung unserer Erde. Der Hellseher würde
ferner die einzelnen Individualseelen der Menschen, die Volksseele
und so weiter sehen. Sie müssen sich überhaupt den Geist eines
Himmelskörpers nicht etwa nur so einfach vorstellen, daß Sie sich
im Raume eine Kugel denken, die einen Geist und eine Seele hat,
sondern daß eine ganze geistige Bevölkerung, die ein Ganzes ausmacht,
diesen Himmelskörper bewohnt. Und alle diese einzelnen
Geister, Gruppenseelen und so weiter, stehen wiederum unter
einem Anführer, wie wir es nennen können, und alles dies zusammen
entspricht dem gesamten Geist unserer Erde, demjenigen, was
wir den Erdgeist nennen." {{Lit|{{G|098|190}}}}
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Ausgangspunkt des modernen [[Selbstbewusstsein|selbstbewussten]] Hellsehens ist für Steiner die [[Beobachtung des Denkens]], d.h. die [[intellektuelle Anschauung]] der eigenen [[Denktätigkeit]], durch die sich das [[Ich]] seiner selbst, ''unabhängig'' von der physischen Organisation, als ''rein'' [[geist]]ige [[Wesenheit]] bewusst wird. Steiner knüpft damit unmittelbar an die [[Philosophie]] des [[Deutscher Idealismus|deutschen Idealismus]] an, namentlich an [[Fichte]] und [[Schelling]]. Am 13. Januar 1881, 12 Uhr mitternachts, schrieb er diesbezüglich an seinen Jugendfreund ''Josef Köck'':
=== Erdgeist und internationale Bestrebungen ===


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"Es war die Nacht vom 10. auf den 11. Januar, in der ich
"Solche Wesen, die von höheren Plänen aus die physische Entwicklung
keinen Augenblick schlief. Ich hatte mich bis ½ 1 Uhr mitternachts
leiten, sind vorhanden. Deren niederste Entwicklung ist
mit einzelnen philosophischen Problemen beschäftigt,
in der Astralmaterie. Jedes Volk, jede Rasse, jeder Stamm hat eine
und da warf ich mich endlich auf mein Lager; mein
gemeinsame Astralmaterie, die Inkarnationsmaterie für den Volksgeist.
Bestreben war voriges Jahr, zu erforschen, ob es denn wahr
Der Volksgeist erreicht immer seine Entwicklung etwas früher
wäre, was Schelling sagt: «Uns allen wohnt ein geheimes,
als die einzelnen im Volk. Der Volksgeist kann von der Mitte
wunderbares Vermögen bei, uns aus dem Wechsel der Zeit
eines Zyklus an Karma ansammeln. Wir bilden mit an dem Karma
in unser innerstes, von allem, was von außen hinzukam,
des Volkes, der Rasse und so weiter. Kollektiv-Karma wird dies
entkleidetes Selbst zurückzuziehen und da unter der Form
genannt. Es ist eine Realität. Es wird dadurch bewirkt, daß diejenigen
der Unwandelbarkeit das Ewige in uns anzuschauen.» Ich
Wesen, die eine Stufe weiter sind, auch Karma haben.
glaubte und glaube nun noch, jenes innerste Vermögen ganz
Die internationalen Bestrebungen gehören einem noch umfassenderen
klar an mir entdeckt zu haben - geahnt habe ich es ja schon
Geiste an, der die gesamte Astralmaterie der Erde umfaßt,
längst —; die ganze idealistische Philosophie steht nun in
dem wirklichen Erdgeist. Die physische Erde ist auch der physische
einer wesentlich modifizierten Gestalt vor mir; was ist eine
Körper für diesen Erdgeist, den planetarischen Logos, der,
schlaflose Nacht gegen solch einen Fund!" {{Lit|{{G|38|13}}}}
wenn man sich zu ihm erhebt, das Karma der ganzen irdischen
Entwicklung bedeutet. Internationale Bestrebungen sind der erste
Ansatz zu jener großen Einheit, die entstehen wird auf dem Arupaplan.
Der Theosoph lebt in der Idee dieser großen Einbeziehung,
des Konzentrierens auf einen Punkt." {{Lit|{{G|089|154f|155}}}}
</div>
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Eine weitere wichtige, anders geartete Grundlage für Steiner bildete [[Goethe]]s auf die ''[[sinnlich]]-[[übersinnlich]]e'' [[Anschauung]] der [[Natur]] gerichtete «[[Anschauende Urteilskraft]]», die diesen bis zum [[Erleben]] der [[Urpflanze]] geführt hatte. Sie ist das [[idee]]lle [[Urbild]], die [[begriff]]liche und zugleich anschauliche Urgestalt, aus der man sich alle [[Pflanzen]]arten durch Abwandlung hervorgegangen denken kann.
== Erdgeist und Natur ==


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"Die Urpflanze wird das wunderlichste Geschöpf von der Welt, um welches mich die Natur selbst beneiden soll. Mit diesem Modell und dem Schlüssel dazu kann man alsdann noch Pflanzen ins Unendliche erfinden, die konsequent sein müssen, das heißt, die, wenn sie auch nicht existieren, doch existieren könnten und nicht etwa malerische oder dichterische Schatten und Scheine sind, sondern eine innerliche Wahrheit und Notwendigkeit haben. Dasselbe Gesetz wird sich auf alles übrige Lebendige anwenden lassen." {{Lit|Goethe Werke (WA), S. 203 und 204}}  
"Im ersten Kindheitsalter ist ein inniger Zusammenhang zwischen
Natur und Geist, sie durchdringen einander, stehen einander noch
freundschaftlich gegenüber. Später sondern sie sich, und der Geist und
die Naturprozesse gehen mehr abgesondert vor sich. Dafür werden
die Naturprozesse auch mehr geistlos, indem der Geist aus ihnen herausdifferenziert
ist und zu der besonderen Seele geworden ist, auf die
der Mensch so stolz ist. Diese erkauft sich der Mensch damit, daß sein
Leib mehr geistlos wird. Der Mensch hat erst Geist aus seinem Leibe
gesogen, damit er ihn mehr abgesondert für sich gebrauchen kann. In
der ganzen Erdenentwickelung gibt es ein Ähnliches. In sehr frühen
Zeiten der Erde war überall der Geist mit der Natur der Erde innig
verbunden, daher war dazumal ein inniges Zusammenwirken zwischen
Erdgeist und Erdennatur. Heute ist in gewisser Weise die Erdennatur
so abgesondert von ihrem Geist wie beim Menschen die Natur
von dem Seelischen. Und wie beim Menschen der Geist es ist, der Denken,
Fühlen und Wollen dirigiert, so läuft in der Erdenentwickeiung
auch der Erdgeist als Geschichtsverlauf neben dem Naturprozeß einher.
Diese waren in der lemurischen Zeit noch mehr miteinander verwoben,
wie die geistigen und die Naturprozesse beim Kinde auch enger
verwandt sind als beim späteren Menschen. Worauf kommt es denn
hier an? Kommt es darauf an, zu sagen: Der Geist entwickelt sich im
späteren Lebenszeitalter oder Erdzeitalter? - Nein, er war schon da,
aber er hat dazumal seine Tätigkeit verwendet auf das, was dann abgesondert
ist. Und das verhärtet, es verholzt, es stirbt." {{Lit|{{G|150|74f}}}}
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Goethe geht von der sinnlichen Anschauung aus und endet bei der intellektuellen Anschauung, die sich ''mit'', ''aus'' und ''durch'' die sinnliche [[Wahrnehmung]] offenbart. Den unmittelbaren Sinneseindrücken widmete er seine volle Aufmerksamkeit; sein Denken entfernte sich niemals weit von der unmittelbaren Anschauung, ebenso wie sein Anschauen niemals gedankenlos war. Er schreibt dazu in seinem Aufsatz ''Bedeutende Förderung durch ein einziges geistreiches Wort'':
== Erdgeist und Erdinneres ==


:"Herr Dr. Heinroth in seiner Anthropologie ... spricht von meinem Wesen und Wirken günstig, ja er bezeichnet meine Verfahrungsart als eine eigentümliche: daß nämlich mein Denkvermögen gegenständlich tätig sei, womit er aussprechen will, daß mein Denken sich von den Gegenständen nicht sondere, daß die Elemente der Gegenstände, die Anschauungen in dasselbe eingehen und von ihm auf das innigste durchdrungen werden, daß mein Anschauen selbst ein Denken, mein Denken ein Anschauen sei, welchem Verfahren genannter Freund seinen Beifall nicht versagen will." {{Lit|Goethes Werke, S 77}}
<div style="margin-left:20px">
"Die neunte und letzte Schicht [des [[Erdinneres|Erdinneren]]] ist sozusagen der Wohnsitz des
Planetengeistes. Sie zeigt zwei eigentümliche Erscheinungen. Man
könnte sie mit einem Menschen vergleichen, denn sie besitzt ein
Organ, das einem Gehirn ähnelt. Ein anderes Organ gleicht einem
Herzen. Auch der Planetengeist ist Veränderungen unterworfen, die
mit der Entwickelung der Menschen in engem Zusammenhange
stehen." {{Lit|{{G|097|282}}}}
</div>


Goethe kannte nur eine Quelle der [[Erkenntnis]], die [[Erfahrung]]swelt, in der die [[objektiv]]e [[Ideenwelt]] mit eingeschlossen ist.
== Der [[Planetengeist]] der Erde ==
Die Urpflanze erschließt sich nicht dem [[diskursiv]]en, logisch ableitenden [[Denken]], sondern nur der unmittelbaren [[Intuition|intutiven]] [[Intellekt|intellektuellen]] [[Anschauung]]. Ein derartiges Vermögen hatte [[Immanuel Kant]] dem [[Mensch]]en abgesprochen. Dem widersprach Goethe energisch:


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"Als ich die Kantische Lehre, wo nicht zu durchdringen, doch möglichst zu nutzen suchte, wollte mir manchmal dünken, der köstliche Mann verfahre schalkhaft ironisch, in dem er bald das Erkenntnisvermögen aufs engste einzuschränken bemüht schien, bald über die Grenzen, die er selbst gezogen hatte, mit einem Seitenwink hinausdeutete. Er mochte freilich bemerkt haben, wie anmaßend und naseweis der Mensch verfährt, wenn er behaglich, mit wenigen Erfahrungen ausgerüstet, sogleich unbesonnen abspricht und voreilig etwas festzusetzen, eine Grille, die ihm durchs Gehirn läuft, den Gegenständen aufzuheben trachtet. Deswegen beschränkt unser Meister seinen Denkenden auf eine reflektierende diskursive Urteilskraft, untersagt ihm eine bestimmende ganz und gar. Sodann aber, nachdem er uns genugsam in die Enge getrieben, ja zur Verzweiflung gebracht, entschließt er sich zu den liberalsten Äußerungen und überläßt uns, welchen Gebrauch wir von der Freiheit machen wollen, die er einigermaßen zugesteht. In diesem Sinne war mir folgende Stelle höchst bedeutend:
"So wie wir beim Menschen
also sagen: hinter seinem astralischen Leib ist sein Ich, so
sprechen wir davon, daß hinter all dem, was wir die Gesamtheit
der [[Geister der Umlaufszeiten]] nennen, verborgen ist der Geist des
Planeten selbst, der Planetengeist. Während die Geister der Umlaufszeiten
die Naturgeister der Elemente dirigieren, um auf dem
Erdenplaneten rhythmischen Wechsel, Wiederholungen in der Zeit,
Abwechselung im Raum hervorzurufen, hat der Geist der Erde eine
andere Aufgabe. Dieser Geist der Erde hat die Aufgabe, die Erde
selber in Wechselbeziehung zu bringen zu den übrigen Himmelskörpern
der Umgebung, sie so zu dirigieren und zu lenken, daß sie
im Laufe der Zeiten in die richtigen Stellungen kommt zu den
anderen Himmelskörpern. Dieser Geist der Erde ist gleichsam der
große Sinnesapparat der Erde, durch den die Erde, der Erdenplanet,
in das richtige Verhältnis zu der Umwelt kommt.


<div style="margin-left:30px; margin-right:20px">
Wenn ich also die Aufeinanderfolge jener geistigen Wesenheiten,
«Wir können uns einen Verstand denken, der, weil er nicht wie der unsrige diskursiv, sondern intuitiv ist, vom synthetisch Allgemeinen, der Anschauung eines Ganzen als eines solchen, zum Besondern geht, das ist, von dem Ganzen zu den Teilen: Hierbei ist gar nicht nötig zu beweisen, daß ein solcher intellectus archetypus möglich sei, sondern nur, daß wir in der Dagegenhaltung unseres diskursiven, der Bilder bedürftigen Verstandes (intellectus ectypus) und der Zufälligkeit einer solchen Beschaffenheit auf jene Idee eines intellectus archetypus geführt werden, diese auch keinen Widerspruch enthalte.»
mit denen wir es zunächst auf unserer Erde zu tun haben und zu
denen wir den Weg finden können durch eine allmähliche okkulte
Entwicklung, zusammenfassen soll, so muß ich sagen: Wir haben
als den äußersten Schleier die Sinnenwelt mit aller ihrer Mannigfaltigkeit,
mit demjenigen, was wir ausgebreitet sehen für unsere
Sinne, was wir mit dem Verstand des Menschen begreifen können.
Wir haben dann hinter der Sinneswelt liegen die Welt der Naturgeister.
Hinter der Welt der Naturgeister haben wir liegen die Welt
der Geister der Umlaufszeiten und dahinter den Planetengeist." {{Lit|{{G|136|44}}}}
</div>
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Zwar scheint der Verfasser hier auf einen göttlichen Verstand zu deuten, allein wenn wir ja im sittlichen, durch Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit uns in eine obere Region erheben und an das erste Wesen annähern sollen: so dürft' es wohl im Intellektuellen derselbe Fall sein, daß wir uns, durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur zur geistigen Teilnahme an ihren Produktionen würdig machten. Hatte ich doch erst unbewußt und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, war es mir sogar geglückt, eine naturgemäße Darstellung aufzubauen, so konnte mich nunmehr nichts weiter verhindern, das Abenteuer der Vernunft, wie es der Alte vom Königsberge selbst nennt, mutig zu bestehen." {{Lit|Goethes Werke, S 91}}
== Christus und der Erdgeist ==
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Der österreichische Physiker und [[Wikipedia:Nobelpreis|Nobelpreis]]träger [[Wolfgang Pauli]] (1900-1958) hat dieses archetypische Denken in einem Brief vom 7. Januar 1948 an den Physiker [[Wikipedia:Markus Fierz|Markus Fierz]] sehr treffend so beschrieben:
Der Anführer aller dieser geistigen Wesenheiten und damit der eigentliche [[Planetengeist]] der [[Erde (Planet)|Erde]] ist seit dem [[Mysterium von Golgatha]] der [[Christus]].


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"Mein Ausgangspunkt ist, welches die Brücke sei zwischen den Sinneswahrnehmungen
"Unsere Erde ist nicht bloß
und den Begriffen. Zugestandenermaßen kann die Logik eine solche
der materielle Körper, als den sie unsere Augen sehen, sondern unsere
Brücke nicht geben oder konstruieren. Wenn man die vorbewußte Stufe der
Erde hat eine geistige Hülle. Wie wir selbst einen Ätherleib und einen
Begriffe analysiert, findet man immer Vorstellungen, die aus "symbolischen"
Astralleib haben, so hat auch unsere Erde solche höheren Leiber. Und
Bildern mit im allgemeinen starkem emotionalen Gehalt bestehen. Die Vorstufe
wie sich eine kleine Menge Substanz ausdehnt in einer Flüssigkeit, so
des Denkens ist ein ''malendes Schauen'' dieser inneren Bilder, deren Ursprung nicht
dehnte sich das, was geistig ausstrahlte von der Tat auf Golgatha, in
allein und nicht in erster Linie auf die Sinneswahrnehmungen (des betreffenden
die geistige Atmosphäre der Erde aus, durchdrang sie und ist seit
Individuums) zurückgeführt werden kann, sondern die durch einen "Instinkt des
jener Zeit darinnen. Es ist also seit jener Zeit unserer Erde etwas
Vorstellens" produziert und bei verschiedenen Individuen unabhängig, d. h.
mitgeteilt, was sie früher nicht hatte. Und da die Seelen nicht bloß
kollektiv reproduziert werden...  Der frühere archaisch-magische Standpunkt ist nur ein
überall umschlossen von dem Materiellen leben, sondern da Seelen
klein wenig unter der Oberfläche; ein geringes abaissement du niveau mental
wie Tropfen sind, die im Meere des irdisch Geistigen leben, so sind
genügt, um ihn völlig "nach oben" kommen zu lassen. Die archaische Einstellung
eben die Menschen seit jener Zeit eingebettet in die geistige Atmosphäre
ist aber auch die notwendige Voraussetzung ''und die Quelle'' der wissenschaftlichen
unserer Erde, die durchdrungen ist von dem Christus-Impuls.
Einstellung. Zu einer vollständigen Erkenntnis gehört auch diejenige der Bilder,
Das war vor dem Mysterium von Golgatha nicht der Fall; und das
aus denen die rationalen Begriffe gewachsen sind.
ist der große Unterschied zwischen dem vorchristlichen und dem nachchristlichen
Leben. Wenn man sich nicht vorstellen kann, daß so etwas
im geistigen Leben stattfindet, dann ist man noch nicht so weit, das
Christentum wirklich als eine mystische Tatsache aufzufassen, deren
volle Bedeutung nur in der geistigen Welt erkannt und anerkannt
werden kann." {{Lit|{{G|131|102f}}}}
</div>


Nun kommt eine Auffassung, wo ich vielleicht mehr ein Platonist bin als die
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Psychologen der Jungschen Richtung. Was ist nun die Antwort auf die Frage nach
"Bis zu dem Zeitpunkte,
der Brücke zwischen den Sinneswahrnehmungen und den Begriffen, die sich uns
in dem der Christus Jesus auf der Erde erschien, ist alles, was
nun reduziert auf die Frage nach der Brücke zwischen den äußeren Wahrnehmungen
vom Christus-Geist vorhanden war, eine Einheit. Es war eine einheitliche
und jenen inneren bildhaften Vorstellungen. Es scheint mir - wie immer man es
Hülle, welche die ganze Erde umgab, die in der festen Erde
auch dreht, ob man vom "Teilhaben der Dinge an den Ideen" oder von "an sich
gleichsam ihr Knochensystem hatte. Wenn Sie die feste Erde nehmen
realen Dingen" spricht - es muß hier eine unserer Willkür entzogene kosmische
mit alledem, was sie in sich hat, und dann dazunehmen, was die Erde
Ordnung der Natur postuliert werden, der ''sowohl'' die äußeren materiellen Objekte
an Wärme umgibt, dann haben Sie ungefähr das, was man den Körper
''als auch'' die inneren Bilder unterworfen sind. (Was von beiden historisch das
des Christus-Geistes nennt. Daher das schöne Wort im Johannes-
frühere ist, dürfte sich als eine müßige Scherzfrage erweisen - so etwa wie "Was war
Evangelium, wo sich der Christus Jesus selbst bezeichnet als den Geist
früher: das Huhn oder das Ei?") ''Das Ordnende und Regulierende muß jenseits der Unterscheidung von physisch und psychisch gestellt werden'' - so wie Platos "Ideen"
der Erde: «Der mein Brot isset, der tritt mich mit Füßen.» Was isset
etwas von "Begriffen" und auch etwas von "Naturkräften" haben (sie erzeugen von
der Mensch, wenn er ißt? Das Brot. Er ißt das Brot, das der Leib des
sich aus Wirkungen). Ich bin sehr dafür, dieses "Ordnende und Regulierende"
Christus ist. Und indem er auf der Erde geht, tut der Mensch das
"Archetypen" zu nennen; es wäre aber dann unzulässig, diese als ''psychische''
andere: er tritt ihn mit Füßen. Ganz wörtlich ist das zu nehmen.
Inhalte zu ''definieren''. Vielmehr sind die erwähnten inneren Bilder ("Dominanten
Ebenso wie sich in der lemurischen Zeit in die einzelnen Individualitäten
des kollektiven Unbewußten" nach Jung) die ''psychische'' Manifestation der
ausgegossen hat von dem Element des Geistes der Jahvegeist,
Archetypen, die aber ''auch alles'' naturgesetzliche im Verhalten der Körperwelt
ebenso goß sich nach und nach in den Zeitaltern, die dem Christus
hervorbringen, erzeugen, bedingen müßten. Die Naturgesetze der Körperwelt
Jesus vorangegangen waren, und in denjenigen, die ihm jetzt nachfolgen,
wären dann die ''physikalische Manifestation der Archetypen''.
langsam der Christus-Geist ein, der seinen Körper in der
 
Wärme des Blutes hat. Und wenn der ganze Christus-Geist ausgegossen
Zu dieser Auffassung paßt sowohl Ihr Vorschlag, die Physik und Psychologie
sein wird in die menschlichen Individualitäten hinein, dann wird
als komplementäre Betrachtungsweisen (bzw. Untersuchungsrichtungen) aufzufassen,
das Christentum, die große Menschenbrüderschaft, die Erde erobert
als auch die eigentümliche Psychologie der Alchemie (die als archaische
haben. Dann wird es überhaupt kein Bewußtsein von Cliquen
Stufe vor der eigentlichen Wissenschaft sehr aufschlußreich ist) so wie noch einiges
und kleinen Zusammenhängen mehr geben, sondern nur das Bewußtsein,
Andere. Es sollte dann jedes Naturgesetz eine Entsprechung innen haben und
daß die Menschheit ein Bruderbund ist. Bei der größten Individualisierung
umgekehrt, wenn man auch heute das nicht immer unmittelbar sehen kann." {{Lit|Meyenn, S. 496}}
wird dennoch jeder zum andern hingezogen sein. Die
kleinen Stammes- und Volksgemeinschaften werden gewichen sein
der Gemeinschaft des Lebensgeistes, der Budhi, der Gemeinschaft
des Christus." {{Lit|{{G|096|284f}}}}
</div>
</div>
Genau diese ''«Brücke zwischen den Sinneswahrnehmungen und den Begriffen»'', von der Pauli spricht, hat Steiner in seinen philosophischen Grundlagenwerken geschlagen. Voraussetzung dafür ist ein [[reines Denken]], das nicht mehr an den [[Leib]] gebunden ist.


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<div style="margin-left:20px">
"Indem man so das Denken emanzipiert von
"Wer zur Zeit Christi von einem andern
seinem Leiblichen, erlebt, fühlt man sich selbst so, wie wenn einem das
Planeten heruntergeblickt hätte auf die Erde, der würde das Hinzutreten
eigene Denken entrissen würde, wie wenn es im Räume und in der Zeit
dieser neuen Substanz zum Astralleibe der Erde ersehen haben
sich ausweitete und ausbreitete. Das Denken, von dem wir sonst sagen:
an der Änderung der Farbenstrahlung dieses Astralleibes. Durch die
Es verläuft in uns - , identifiziert sich mit der umgebenden geistigen
Verbindung seines Astralleibes mit demjenigen der Erde ist der Sonnengeist
Welt, strömt in dieselbe hinein und erlangt gegenüber uns selbst
Christus zugleich Erdgeist geworden. Der Christus-Geist ist Sonnengeist
eine Selbständigkeit, die wir vergleichen können mit der annähernden
und zugleich Erdgeist. Von dem Moment an, da Christus auf
Selbständigkeit, die im physischen Leibe zum Beispiel das Auge hat,
Erden gewandelt ist, bleibt er in ständiger Verbindung mit der Erde.
das als eine Art selbständiges Organ in seiner Höhle drinnensitzt. So
Er ist der Planetengeist der Erde geworden; die Erde ist sein Leib, er
ist das nun selbständige Denken zwar mit dem erhöhten Selbst verbunden,
leitet die Erdenentwickelung. Diese Verbindung hat sich auf Golgatha
aber so selbständig, daß es wie das geistige Wahrnehmungsorgan
vollzogen und das Mysterium von Golgatha ist das Symbolum dessen,
für das Denken und Fühlen der anderen geistigen Wesenheiten
was für die Erdenentwickelung damals geschehen ist." {{Lit|{{G|100|253}}}}
wirkt, so wie das Auge für das Wahrnehmen der sinnlichen Farbe und
des sinnlichen Lichtes wirkt. Man kommt allmählich dazu, zu sehen,
daß sich das Denken, das sonst in der Intelligenz beschlossen ist, wie
ein geistiges Wahrnehmungsorgan verselbständigt gegenüber unserer
eigenen Wesenheit.
 
Ich kann das, was ich eben dargestellt habe, auch in anderen Worten
sagen. Dasjenige, was man wirklich subjektiv erlebt, das, was die
Intelligenz umschließt, das äußere Denken, sind schattenhafte Wesenheiten,
eben Gedankenwesenheiten, bloß Gedanken, die abbilden äußere
Wesenheiten. Indem das Denken hellsichtig wird, sich absondert von
Gehirn und Nervensystem, beginnt es, innere Regsamkeit, Eigenleben
zu entwickeln und strömt als eigenes Erleben in die übrige geistige Welt
hinaus. Die Fühlhörner des Denkens - ich muß es etwas grob ausdrücken
- , des hellsichtig gewordenen Denkens, strecken wir hinaus
in die geistige Welt, und sie nehmen im Untertauchen wahr das fühlende
Wollen, das wollende Fühlen der anderen Wesen, die um uns sind
auf dem geistigen Felde." {{Lit|{{G|154|119}}}}
</div>
</div>


<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
"Aus
"Wir erinnern uns daran, daß wir den großen Moment von
meinen getanen Äußerungen geht hervor, daß das selbständig gewordene
Golgatha hingestellt haben vor unsere Seele. Wenn jemand damals
Denken gleichsam das geistige Auge wird für die Wahrnehmung
die Erde von ferne betrachtet hätte mit hellseherischem Blick, so
der geistigen Außenwelt. Allerdings zeigt sich vor der hellsichtigen
hätte er wahrgenommen in dem Augenblick, wo das Blut aus den
Forschung, die dieses geistige Auge zu dem, was hellsichtiges Denken
Wunden des Erlösers floß, daß die ganze astralische Aura der Erde
ist, gebraucht, daß dieses geistige Auge ein aktives, ein tätiges ist, daß
sich veränderte. Da ist die Erde durchdrungen worden von der
die geistigen Fühlhörner sich überall hin ausstrecken, während das physische
Christus-Kraft. Durch dieses Ereignis kann sich die Erde dereinst
Auge ein passives ist, das die Eindrücke passiv an sich herankommen
wieder mit der Sonne vereinigen. Diese Kraft wird wachsen. Das
läßt. Hat daher der Geistesforscher in seine Gedanken die
ist die Kraft, die unseren Ätherleib vor dem zweiten Tode bewahrt.
Offenbarungen der geistigen Welt aufgenommen, dann leben sie in den
Christus wird immer mehr und mehr der Erdgeist, und derjenige,
Gedanken darinnen. Und versucht er dann dasjenige, was er sich bemüht
der ein rechter Christ ist, versteht die Worte: «Wer mein Brot isset,
hat, in seine lebenden Gedanken hineinzubringen, seinen Mitmenschen
der tritt mich mit Füßen», der betrachtet den Leib der Erde als
mitzuteilen, so ist es den Mitmenschen möglich, ihn zu verstehen,
den Leib des Christus. Die Erde als planetarischer Körper ist der
ihn zu begreifen, wenn sie sich diese Wege, ihn zu verstehen,
Leib des Christus, freilich erst im Anfange. Es wird erst der
nur nicht durch materialistische Vorurteile verlegen lassen." {{Lit|{{G|154|121}}}}
Christus Erdgeist, er wird sich völlig mit der Erde vereinigen. Und
wenn sich die Erde später mit der Sonne vereinigen wird, wird der
große Erdgeist Christus Sonnengeist sein." {{Lit|{{G|104|252}}}}
</div>
</div>


== Denken und Imagination ==
<div style="margin-left:20px">
"Wenn also — ich habe ja
auch das schon erwähnt — ein alter Weiser, der wirklich hellsichtig
war, in der Zeit vor dem Mysterium von Golgatha sich in die geistigen
Hohen hinaufhob, so traf er in diesen geistigen Höhen natürlich
den Christus. Daher wurden diejenigen, die dazumal von dem
Christus sprechen konnten, Propheten, die das Ankommen des
Christus vorhersagen konnten; denn sie fanden Christus in den geistigen
Weiten und sahen ihn gewissermaßen auf seinem Wege zur
Erde hin, wie er als Sonnengeist herunterstieg, um allmählich Erdgeist
zu werden. Sie schauten also hin auf einen zukünftigen Augenblick
der Erdenentwickelung, in dem sich das, was sie nur in geistigen
Höhen sahen, mit der Erdenentwickelung verbinden werde.
Wenn man die Erde dazumal, vor dem Mysterium von Golgatha,
in allen ihren Weiten durchforschte nach dem, was man aus ihr
wissen konnte, fand man den Christus nicht. Daher hat die Erdenwissenschaft
der alten vor dem Mysterium von Golgatha lebenden
Völker selbstverständlich den Christus nicht. Aber wenn die Eingeweihten
dieser Mysterien einen gewissen Grad erreicht hatten, wurde
ihnen verkündet das Kommen des Christus auf die Erde.


Hellsehen beruht auf der Fähigkeit zur [[Imagination]], dem ''„malenden Schauen innerer Bilder“'', durch die sich die [[Wirklichkeit]] in archetypischen Sinnbildern offenbart. Das [[Sehen]] bezeichnet dabei nur einen besonders hervorstechenden Aspekt des Hellsehens, die Clairvoyance kann sich auch in andere [[astral]]e Sinnesqualitäten kleiden, so dass man auch vom '''Hellhören''', '''Hellfühlen''' usw., ja insbesondere sogar vom '''Hellschmecken''' sprechen kann. Das Hellsehen ist dabei streng zu unterscheiden von der [[Halluzination]], bei der eine sinnliche Wahrnehmung erregt bzw. vorgetäuscht wird, ohne dass dazu ein entsprechender äußerer Reiz vorhanden ist. Dabei ist allerdings streng zu beachten, dass das imaginativ „Gesehene“ durchaus unsichtbar, das „Gehörte“ völlig unhörbar ist, da es sich eben nicht um eine [[sinnlich]]e, sondern um eine durch die eigene geistige Tätigkeit aktiv und bewusst hervorgebrachte, aber inhaltlich vollkommen durch sich selbst bestimmte rein übersinnliche Wahrnehmung handelt. Da aber beim irdisch verkörperten Menschen die Leibestätigkeit und insbesondere die Sinnessphäre immer leise mitschwingt, ist es ganz natürlich und sachgemäß, das imaginativ Erlebte in sinnlichen Ausdrücke zu beschreiben:
Bedenken Sie nun, wie das alles anders ist seit dem Mysterium
 
von Golgatha. Es ist ja gerade das Gegenteil davon seit dem Mysterium
{{GZ|Man wird nun finden, daß diejenigen Menschen, welche
von Golgatha da. Seit dem Mysterium von Golgatha findet
übersinnliche Beobachtungen machen können, dasjenige,
man, wenn man hier die Erdenentwickelung durchforscht, den
was sie schauen, so beschreiben, daß sie sich der
Christus hineinverwoben in die ganze Geschichte derjenigen Völker,
Ausdrücke bedienen, welche den sinnlichen Empfindungen
die eben schon vom Christentum durchdrungen sind. Und eine geschichtliche
entlehnt sind. So kann man den elementarischen Leib
Darstellung zu geben, ohne vom Christus zu sprechen,
eines Wesens der Sinnenwelt, oder ein rein elementarisches
ist eigentlich ein Unding. Das hat sogar der Historiker Ranke empfunden
Wesen so beschrieben finden, daß gesagt wird, es offenbare
und sich noch in seinem hohen Alter die Frage gestellt, ob
sich als in sich geschlossener, mannigfaltig gefärbter
denn Geschichte überhaupt etwas heißt, wenn man nicht überall
Lichtleib. Es blitze in Farben auf, glimmere oder leuchte
zeigt, wie der Christus-Impuls in den einzelnen Erscheinungen drinnen
und lasse bemerken, daß diese Farben- oder Lichterscheinung
lebt. Dafür aber ist in denjenigen Welten, in die man aufsteigen
seine Lebensäußerung sei. Wovon der Beobachter da
kann, aus denen der Christus herausgekommen ist, um eben mit
eigentlich spricht, ist durchaus unsichtbar, und er ist sich
der Erdenentwickelung sich zu verbinden, der Christus nicht so unmittelbar
dessen bewußt, daß mit dem, was er wahrnimmt, das
darin. Man muß dann schon von jenen Höhen herunterschauen
Licht- oder Farbenbild nichts anderes zu tun hat, als etwa
auf die Erde und sehen, wie er sich mit der Erde verbunden
die Schrift, in welcher eine Tatsache mitgeteilt wird, mit
hat." {{Lit|{{G|167|198f}}}}
dieser Tatsache selbst. Dennoch hat man nicht etwa bloß
</div>
ein Übersinnliches in willkürlicher Art durch sinnliche
Empfindungsvorstellungen ausgedrückt; sondern man hat
während der Beobachtung das Erlebnis wirklich gemacht,
das einem Sinneseindruck ähnlich ist. Es kommt dies davon
her, daß im übersinnlichen Erleben die Befreiung von
dem sinnlichen Leibe keine vollkommene ist. Dieser lebt
mit dem elementarischen Leibe doch noch mit und bringt
das übersinnliche Erlebnis in eine sinnliche Form. Die
Beschreibung, die man so gibt von einer elementarischen
Wesenheit, ist dann tatsächlich so gehalten, daß sie sich
wie eine visionäre, oder phantastische Zusammenstellung
von Sinneseindrücken zeigt. Wenn die Beschreibung so
gegeben wird, dann ist sie trotzdem die wahre Wiedergabe
des Erlebten. Denn man hat geschaut, was man schildert.
Der Fehler, der gemacht werden kann, liegt nicht darin,
daß man das Bild als solches schildert. Es liegt ein Fehler
erst dann vor, wenn man das Bild für die Wirklichkeit
hält, und nicht dasjenige, auf was das Bild, als auf die ihm
entsprechende Wirklichkeit, hindeutet.
 
Ein Mensch, welcher niemals Farben wahrgenommen
hat - ein Blindgeborener - wird, wenn er sich die entsprechende
Fähigkeit erwirbt, elementarische Wesenheiten
nicht so beschreiben, daß er sagt, sie blitzen als Farbenerscheinungen
auf. Er wird sich derjenigen Empfindungsvorstellungen
zum Ausdrucke bedienen, welche ihm gewohnt
sind. Für die Menschen aber, welche sinnlich sehen
können, ist eine Schilderung durchaus geeignet, welche sich
etwa des Ausdruckes bedient, es blitzte eine Farbengestalt
auf. Sie können dadurch sich die Empfindung von dem bilden,
was der Beobachter der elementarischen Welt geschaut
hat. Und das gilt nicht etwa nur für Mitteilungen, welche
ein Hellsichtiger - es sei ein Mensch so genannt, der durch
seinen elementarischen Leib beobachten kann - einem
Nicht-Hellsichtigen macht, sondern auch für die Verständigung
der Hellsichtigen untereinander. In der Sinnenwelt
lebt der Mensch eben in seinem sinnlichen Leib, und dieser
kleidet ihm die übersinnlichen Beobachtungen in Sinnesformen
ein; daher ist innerhalb des menschlichen Erdenlebens
der Ausdruck der übersinnlichen Beobachtungen
durch die von ihnen erzeugten Sinnesbilder denn doch zunächst
eine brauchbare Art der Mitteilung.
 
Es kommt darauf an, daß derjenige, welcher eine solche
Mitteilung empfängt, in seiner Seele ein Erlebnis hat, welches
zu der in Betracht kommenden Tatsache in dem richtigen
Verhältnisse steht. Die sinnlichen Bilder werden nur
mitgeteilt, damit durch sie etwas erlebt wird. So wie sie sich
darbieten, können sie nicht in der Sinnenwelt vorkommen.
Das ist eben ihre Eigentümlichkeit. Und deswegen rufen
sie auch Erlebnisse hervor, die sich auf nichts Sinnliches
beziehen.|16|32ff}}
 
{{GZ|In meiner «[[GA 9|Theosophie]]» finden
Sie, daß man das Seelische in Form einer Art [[Aura]] sieht. Sie
wird in Farben beschrieben. Grobklotzige Menschen, die nicht
weiter eingehen auf die Sachen, sondern selbst Bücher schreiben,
die glauben, daß der Seher die Aura schildert, sie beschreibt,
indem er die Meinung hat, daß da wirklich so ein Nebeldunst
vor ihm ist. Was der Seher vor sich hat, ist ein geistiges Erlebnis.
Wenn er sagt, die Aura ist blau, so sagt er, er hat ein seelisch-geistiges
Erlebnis, das so ist, als wenn er blau sehen würde. Er schildert
überhaupt alles das, was er in der geistigen Welt erlebt und
was analog ist dem, was in der sinnlichen Welt an den Farben
erlebt werden kann.|271|185}}


Hellsichtigkeit allein genügt nicht, um das übersinnlich wahrgenommene auch im richtigen Sinn zu deuten. Sehr häufig kommt es vor, dass hellsichtige Menschen, die Ergebnisse ihrer Schauungen in irrtümlicher Weise interpretieren. Die wahre Bedeutung geistiger Wahrnehmungen eröffnet sich erst dem [[Eingeweihter|Eingeweihten]] - egal ob es sich dabei unmittelbar um eigene Wahrnehmungen handelt, oder um solche, die von hellsichtigen Menschen überliefert wurden. In den alten [[Mysterien]] gab es tatsächlich eine strenge Trennung zwischen Eingeweihten und Hellsehern, die damit auch ganz aufeinander angewiesen waren. Heute ist diese Trennung kaum mehr durchzuhalten.
== Der Erdgeist im Jahreslauf ==


<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
"Derjenige nun, der, ohne selbst hellsichtig zu sein, alles
"Wir wissen ja, wie nur eine materialistische Weltanschauung des
einsieht, was die Geheimwissenschaft zu sagen hat, ist ein
Glaubens sein kann, daß allein der Mensch innerhalb der Weltenordnung
Eingeweihter. Wer aber selbst eintreten kann in diese Welten,
mit einem Erkenntnis-, Gefühls- und Willensvermögen begabt sei;
die wir die unsichtbaren nennen, der ist ein Hellseher.
während man anerkennen muß vom Standpunkte einer spirituellen
In alten Zeiten, die noch gar nicht so lange hinter uns liegen,
Weltanschauung, daß ebenso, wie es unterhalb der Menschenstufe Wesenheiten gibt, es auch Wesenheiten gibt oberhalb der menschlichen
bestand in den Geheimschulen eine strenge Trennung zwischen
Stufe des Denkens, Fühlens und Wollens. In diese Wesenheiten kann
Hellsehern und Eingeweihten. Man konnte als Eingeweihter,
sich der Mensch einleben, wenn er eben als Mikrokosmos im Makrokosmos
ohne Hellseher zu sein, hinaufsteigen zu den
untertaucht. Wir müssen aber dann von diesem Makrokosmos
Erkenntnissen der höheren Welten, wenn man nur in richtiger
so sprechen, wie wenn er nicht nur ein Raumesmakrokosmos sei, sondern
Weise den Verstand anwendete. Auf der anderen
wie wenn die Zeit in ihrem Verlaufe Bedeutung habe im Leben
Seite konnte man Hellseher sein, ohne in besonders hohem
des Makrokosmos. Wie der Mensch sich zurückziehen muß von all den
Grade eingeweiht zu sein. Es wird Ihnen schon klar werden,
Eindrücken, die auf seine Sinne ausgeübt werden können aus seiner
wie das gemeint ist. Denken Sie sich zwei Menschen,
Umgebung, wie er gleichsam um sich herum durch das Abschließen
einen sehr gelehrten Herrn, der alles mögliche weiß, was
seiner Sinneswahrnehmung Finsternis erzeugen muß, um im Inneren
die Physik und die Physiologie über das Licht und die Lichterscheinungen
das Licht des Geistes anzuzünden, wenn er in die Tiefen seiner Seele
zu sagen haben, jedoch so kurzsichtig ist, daß
hinuntersteigen will, so muß derjenige Geist, den wir als den Erdgeist
er kaum zehn Zentimeter weit sehen kann: er sieht nicht
bezeichnen können, abgeschlossen sein von den Eindrücken des übrigen
viel, ist aber eingeweiht in die Gesetze des Lichtwirkens.
Kosmos. Es muß das geringste Maß von Wirkungen von dem äußeren
So kann jemand eingeweiht sein in die übersinnliche Welt
Kosmos auf den Erdgeist ausgeübt werden, damit der Erdgeist selber
und schlecht darin sehen. Ein anderer kann ausgezeichnet
sich innerlich konzentrieren, seine Fähigkeiten innerlich zusammenziehen
in der äußeren sinnlichen Welt sehen, aber so gut wie nichts
kann. Denn dann werden die Geheimnisse entdeckt, die der
wissen von dem, was der gelehrte Herr weiß. So kann es
Mensch deshalb durchzumachen hat mit diesem Erdgeist, weil die Erde
auch Hellseher geben, vor deren geistigen Augen die geistigen
als Erde aus dem Kosmos herausgesondert ist.
Welten offen daliegen. Sie können hineinschauen in die
geistige Welt, haben aber keine Wissenschaft, keine Erkenntnis
von derselben. Daher hat man eine lange Zeit
hindurch den Unterschied gemacht zwischen dem Hellseher
und dem Eingeweihten. Um die Fülle des Lebens zu umfangen,
brauchte man oft nicht einen, sondern viele Menschen.
Die einen wurden, um weiterzukommen, nicht hellsichtig
gemacht. Anderen wurden die geistigen Augen und
Ohren geschaffen. Das, was in der Geheimwissenschaft vorhanden
war, ist durch Mitteilung und Gedankenaustausch
zwischen Geheimwissenschaftern und Hellsehern zustande
gekommen.
 
In unserer Zeit kann diese strenge Trennung zwischen
Hellsehern und Eingeweihten gar nicht durchgeführt werden.
Heute ist es notwendig, daß jedem, der einen bestimmten
Grad der Einweihung erreicht hat, wenigstens auch die
Möglichkeit gegeben wird, einen bestimmten Grad des Hellsehens
zu erlangen. Der Grund dafür ist, daß in unserer Zeit
das große restlose Vertrauen von Mensch zu Mensch nicht
herzustellen ist. Heute will ein jeder selbst wissen und selbst
sehen. Jener tiefe, hingebungsvolle Glaube, wie er früher
von Mensch zu Mensch geherrscht hat, machte es möglich,
daß es eine besondere Art von Hellsehern gab, von denen
man vernahm, was sie in den höheren Welten wahrnahmen.
Andere ordneten dann systematisch, was diese wahrgenommen
hatten. Heute ist eine Art Harmonie in der Entwickelung
der Fähigkeiten zum Eingeweihten und zum Hellseher
geschaffen. Daher kann ein Drittes, das [[Adept]]entum, heute
sehr stark zurücktreten." {{Lit|{{G|56|26f}}}}
</div>


Um hellseherische Fähigkeiten bewusst zu entwickeln, muss der [[Astralleib]] zuvor durch [[Katharsis]] von allen [[Begierde]]n und [[Lust]] und [[Leid]] gereinigt werden, die wie eine dunkle Wolke den Blick auf die geistige Wirklichkeit verschleiern oder verfälscht. Niederes Hellsehen kann sehr leicht zur Wahrnehmung der eigenen unverwandelten [[Begierde]]kräfte führen, die fälschlich für eine äußere [[seelisch]]e oder [[geistig]]e Realität angesehen werden.
Solch eine Zeit, wo das größte Maß der Eindrücke vom äußeren
Makrokosmos auf die Erde ausgeübt wird, ist die Sommersonnenwendezeit,
die Johannizeit. Es erinnern uns daher viele Nachrichten aus alten
Zeiten, die an Festesdarstellungen und Festesbegehungen anknüpfen,
wie solche Feste inmitten der Sommerzeit stattfanden, wie die Seele in
der Mitte des Sommers dadurch, daß sie sich des Ich entäußert und aufgeht
im Leben des Makrokosmos, trunken hingegeben ist den Eindrükken
vom Makrokosmos.


<div style="margin-left:20px">
Aber umgekehrt erinnern uns die legendarischen oder sonstigen Darstellungen
"Hellsehen heißt nichts anderes, als es zu einer Entwickelungsstufe der menschlichen Wesenheit gebracht zu haben, durch welche der Mensch lust- und leidfrei die Welt um sich herum wahrzunehmen vermag." {{Lit|{{G|52|202f}}}}
desjenigen, was in der Vorzeit erlebt werden konnte, dann,
wenn das geringste Maß der Eindrücke vom Makrokosmos zur Erde
kommt, daran, daß der Erdgeist, in sich konzentriert, die Geheimnisse
des Erdenseelenlebens im unendlichen All erlebt, und daß der Mensch,
wenn er sich hineinbegibt in dieses Erleben zu der Zeit, in welcher am
wenigsten Licht und Wärme gesendet wird aus dem Makrokosmos zur
Erde, dann die heiligsten Geheimnisse miterlebt. Daher wurden diese
Tage um die Weihnachtszeit herum immer so heilig gehalten, weil der
Mensch, als er in seinem Organismus noch die Fähigkeit hatte, mitzuerleben
das Erdenerleben in der Zeit, wo es am konzentriertesten ist,
mit dem Erdgeist Zusammensein konnte." {{Lit|{{G|158|171ff}}}}
</div>
</div>


Hellsichtigkeit kann nur erwachen, wenn sich die Erlebnisse des [[Astralleib]]s im [[Ätherleib]] abbilden bzw. spiegeln. So wie die sinnliche Wahrnehmung der [[physisch]]en [[Sinne]] als Spiegelungsapparat bedarf, so müssen beim Hellsehen die übersinnlichen Erlebnisse durch den Ätherleib in das [[Bewusstsein]] reflektiert werden. In beiden Fällen sind die in der [[Astralwelt]] webenden [[Sinnesqualitäten]] das seelische Rohmaterial, aus dem sich die wahrgenommenen Bilder malen. Durch die äußere [[Sinneswahrnehmung]] erscheinen die Sinnesqualitäten allerdings nur in stark abgedämpfter Form. Erst dem hellsichtigen Bewusstsein erscheinen sie, abhängig vom geistigen Entwicklungsgrad des Hellsehers, in ihrer vollen ungetrübten Wirklichkeit.
 
<div style="margin-left:20px">
<div style="margin-left:20px">
"Hellsichtig sein heißt, sich der Organe seines ätherischen Leibes bedienen können.
"Die Zeit, in welcher das geringste Maß von Eindrücken aus dem
Wenn man sich nur der Organe seines astralischen Leibes bedienen kann, so
Makrokosmos zur Erde kommt, die Zeit von Weihnachten bis über
kann man zwar innerlich fühlen und empfinden, innerlich erleben die tiefsten Geheimnisse;
das Neujahr hinaus, ungefähr bis zum 6. Januar, ist wohl geeignet,
aber man kann sie nicht schauen. Erst wenn das, was im astralischen Leibe
daß man sich nicht nur erinnere an das Gegenständliche der geistigen
erlebt wird, sich sozusagen seinen Abdruck verschafft im Ätherleibe, kann Hellsichtigkeit
Erkenntnis, sondern an die Empfindungen, die wir in uns entwickeln
eintreten." {{Lit|{{G|114|67}}}}
müssen durch das Aufnehmen der Geisteswissenschaft. Wahrhaft
leben wir uns also wieder hinein in den Erdgeist, mit dem wir zusammen
doch eine Ganzheit bilden, und mit dem lebte das alte, hellseherische
Erkennen, wie es uns etwa in dieser Legende von Olaf
Asteson dargestellt ist." {{Lit|{{G|275|89f}}}}
</div>
</div>


== Kopf-, Brust- und Bauchhellsehen ==
== Der Erdgeist in Goethes Faust-Dichtung ==


[[Rudolf Steiner]] hat prinzipiell drei Arten des Hellsehens unterschieden, nämlich das Kopf-, Brust- und Bauchhellsehen, die mit der [[Dreigliederung des menschlichen Organismus]] zusammenhängen, wobei mit dem '''Kopfhellsehen''' zugleich meist auch das Brust- oder '''Herzhellsehen''' aktiviert wird. Es werden dabei die oberen [[Lotosblumen]] bis herunter zum [[Herzchakra]] in Tätigkeit gesetzt. Das Kopfhellsehen hat einen mehr [[Gedanke|gedanklich]]-[[vorstellung]]smäßigen, aber auch [[gefühl]]sartigen Charakter, während das '''Brusthellsehen''' mehr zur [[Wille]]sentwicklung führt. Das Kopfhellsehen liefert zudem vornehmlich Ergebnisse, die vom einzelnen [[Mensch]]en unabhängig und in diesem Sinne „objektiv“ sind, während das '''Bauchhellsehen''' vowiegend mit dem zusammenhängt, was im einzelnen Menschen selbst vorgeht und sehr leicht von [[subjektiv]]en persönlichen [[Egoismus|Egoismen]] durchdrungen wird. Das sogenannte „intuitive“ '''Bauchgefühl''' hängt namentlich mit der dem [[Lebenssinn]] zugehörigen [[Viszerozeption]] zusammen und unterscheidet sich damit deutlich von dem, was Rudolf Steiner als vollbewusste [[Intuition]] bezeichnet.
[[Goethe]] schildert bekanntlich die [[Erscheinung]] des Erdgeists in seiner [[Faust-Dichtung]]:


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"Nun handelt es sich darum, daß der sich mit Geisteswissenschaft Beschäftigende wirklich genau einsieht den Wert der geisteswissenschaftlichen Beschäftigung als solcher und das Verhältnis dieser geisteswissenschaftlichen Beschäftigung zu dem persönlichen Streben, welches durch Meditation und Konzentration der Gedanken, Empfindungen und Willensimpulse oder sonst irgendwie, den Menschen hineinbringt in die geistige Welt. Denn darüber müssen wir uns vor allen Dingen klar sein, und das ist eine tiefe, bedeutungsvolle Wahrheit, daß jene Einheitlichkeit, die uns gewissermaßen umringt in der gewöhnlichen Welt, nicht in derselben Art in der geistigen Welt vorhanden ist. Ich habe schon hingewiesen darauf, daß diese Einheitlichkeit in dem ganzen Gefüge des geistig-seelischen Menschen begründet ist. Wie streben doch die meisten Menschen danach, immer wieder und wieder zu fragen: Was ist die Einheit der Welt? - Wie finden sie sich erst befriedigt, wenn sie alles auf ein Prinzip zurückführen können!
"Goethe hat in seinen Faust nicht etwa nur die Enttäuschungen
eines in die Irre gehenden Erkenntnisdranges hineinlegen
wollen; er wollte vielmehr die im Wesen des Menschen
begründeten Konflikte dieses Dranges selbst darstellen.
Der Mensch ist in jedem Augenblicke seines Daseins
mehr^ als sich zum Vollbringen seines Lebens enthüllen darf.
Der Mensch soll sich entwickeln aus seinem Innern heraus;
er soll entfalten, was in vollem Maße zu erkennen ihm erst
nach der Entfaltung gegönnt sein kann. Seine Erkenntniskräfte sind so geartet, daß sie selbst zur Unzeit an das herangebracht,
was sie zur rechten Zeit bewältigen sollen, durch
ihren eigenen Gegenstand betäubt werden können. - Faust
lebt in alle dem, was in den Worten des Erdgeists sich offenbart.
Aber dieses sein eigenes Wesen betäubt ihn, als es ihm
anschaulich vor die Seele tritt in dem Augenblicke, in dem
seine Lebensreife, dieses Wesen nicht erkennend, zum Bilde
wandeln kann.


In der Tat tritt uns die äußere physische Welt im eminenten Sinne als ein Ganzes, als ein einheitlich Gestaltetes entgegen, und diejenigen Menschen, welche gewissermaßen von dem Einheitsteufel ganz beherrscht sind, kommen zu allen möglichen Gedankenabstraktionen, indem sie suchen das einheitliche Prinzip der Welt...
<center><poem>
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
Nicht mir!
</poem></center>


Vor allen Dingen müssen wir demgegenüber im tiefsten Sinne das nehmen, was in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» ausgedrückt ist, daß, sobald wir die Schwelle der geistigen Welt überschreiten, wir wirklich in ein dreifaches Erleben hineingeführt werden. Das habe ich in diesem Buche ganz besonders betont, daß die Seele wie dreigespalten wird; und indem die Seele die Schwelle der geistigen Welt überschreitet, ist nichts mehr eigentlich vorhanden, was es einem möglich macht, an den Einheitsteufel, an diesen bequemen Einheitsteufel zu glauben.
Bei diesen Worten stürzt Faust zusammen. Im Grunde hat
er sich geschaut; aber er kann sich nicht gleichen, weil er,
was er ist, nicht erkennend umfassen kann. Die Selbstanschauung
hat das dieser Anschauung nicht gewachsene Bewußtsein
betäubt.


Ja, wir fühlen selbst, daß wir, sobald wir die Schwelle der geistigen Welt überschreiten, mit unserem ganzen Wesen eigentlich in drei Welten eintreten, wirklich in drei Welten eintreten. Und wir müssen dies eigentlich nicht aus dem Auge verlieren, daß man nach dem Überschreiten der Schwelle der geistigen Welt das Erlebnis der drei Welten deutlich hat. Schon mit der ganzen Bildung unseres physischen Leibes gehören wir eigentlich drei Welten an. Ich möchte sagen: Zu diesem wunderbaren Gebilde «Mensch», das uns da entgegentritt in der physischen Welt, ist wirklich das Zusammenwirken von drei Welten, die eine verhältnismäßig starke Unabhängigkeit voneinander haben, notwendig. Und wenn wir die Bildung unseres Hauptes betrachten, die Bildung all dessen betrachten, was zum Haupte gehört, dann müssen wir, selbst wenn wir nur vom physischen Haupte sprechen, uns klar sein darüber, daß die Bildekraft unseres Hauptes und auch die Wesenheiten, die in diesen Bildekräften wirkend und schaffend sind, einer ganz anderen Welt angehören als zum Beispiel die Bildekraft unserer Brust, die Bildekraft alles dessen, was zu unserem Herzen gehört, einschließlich der Arme und Hände. Es ist gewissermaßen, wie wenn die Bildekraft zu diesen materiellen Teilen des Menschen einer ganz anderen Welt angehören würde als die Bildekräfte unseres Hauptes. Und wiederum gehören die Unterleibsorgane und die Beine einer ganz anderen Welt an als die beiden anderen Glieder, die genannt worden sind.
Faust stellt die Frage: «Nicht dir! Wem denn?» - Die
Antwort wird dramatisch gegeben. Wagner tritt ein. Dieser
selbst ist die Antwort auf das «Wem denn?». Seelischer
Hochmut war es, der in Faust im Augenblicke das Geheimnis
des eigenen Wesens erfassen wollte. Was in ihm lebt,
ist zunächst nur das Streben nach diesem Geheimnis; das
Ebenbild dessen, was er im Augenblicke von sich erkennend
umfassen kann, ist Wagner. Man wird die Szene mit Wagner
ganz mißverstehen, wenn man nur auf den Gegensatz blickt
zwischen dem hochgeistigen Faust und dem beschränkten
Wagner. In der Begegnung mit diesem nach der Erdgeistszene
sollte Faust begreiflich werden, daß er mit seiner Erkenntniskraft
im Grunde auf der Wagnerstufe steht. Dramatisch
gedacht ist in der hier in Frage kommenden Szene
Wagner das Ebenbild von Faust." {{Lit|{{G|022|47f}}}}
</div>


Nun können Sie fragen: Was hat denn das alles für eine Bedeutung? Es hat eine große Bedeutung, weil im Grunde genommen der gegenwärtige Menschheitszyklus so ist, daß man reine, echte, wirklich wahre Ergebnisse der Geisteswissenschaft nur dadurch bekommt, daß unser Geistig-Seelisches herausgehoben wird aus dem Haupte. So daß gewissermaßen dies der hellseherische Aspekt eines Menschen ist, welcher geisteswissenschaftliche Beobachtungen hervorzubringen hat, die heute der Menschheit in richtigem Sinne dienen können (siehe Zeichnung).
<div style="margin-left:20px">
"... der springende Punkt liegt darin, daß Faust sich
abwendet von dem, was sich ihm offenbart von dem Zeichen des
Makrokosmos, der ganzen Welt. Er will zunächst nichts wissen von
den Beziehungen des Menschen zu dem ganzen umfassenden großen
All. Er wendet sich zum Erdgeist, zu dem, was ihm offenbaren will,
was der Mensch nur aus den Kräften der Erde hat. Was sich ihm aus
dem Makrokosmos offenbart, das ist ihm ein Schauspiel, «aber ach,
ein Schauspiel nur!» Da wendet er sich ab. Aber der Erdgeist weist
ihn von sich. Faust glaubte durch den Erdgeist irgend etwas ergreifen
zu können, was mit seinem tiefsten Wesen zusammenhängt. Der Erdgeist
bringt ihn zum Niederstürzen. Und dann die Worte: «Du
gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!»


[[Bild:Aetherhaupt.gif|right|250px|Ätherhaupt]]
Nun frage man: Wer ist es, den der Faust begreift? Er selbst sagt:
Dieser hellsichtige Aspekt ist so zu betrachten, daß das Geistig-Seelische hier vorzugsweise herausgehoben wird, und daß dieses Geistig-Seelische gleichsam angeschlossen wird, wie durch einen spirituell elektrischen Anschluß, an die Kräfte des Kosmos. Also es muß alles, das Ich und der astralische Leib bis zum Ätherleibe, herausgezogen werden. Dieses Herausziehen ist dann selbstverständlich verknüpft mit der Entwickelung der sogenannten Lotusblumen. Aber die Kräfte, welche die Lotusblumen in Bewegung setzen, liegen in diesem herausgehobenen oder herauszuhebenden Teile des Geistig-Seelischen des Menschen.
«Nicht dir! - Wem denn?» - und herein tritt Wagner. Alles, was du
bisher entwickelt hast, ist bloßes Gefühlsstreben; was du schon in dir
trägst, schaue es an - in Wagner! Das ist die andere Natur des Faust." {{Lit|{{G|181|268f}}}}
</div>


Dies, was so erlangt wird, daß das Hellsehen gewissermaßen ein Kopfhellsehen ist, das kann geisteswissenschaftliches Resultat in unserer Zeit sein; denn das dient der Menschheit, dieses kopfhellseherische Ergebnis. Von ganz anderer Art ist das hellseherische Ergebnis, das dadurch bewirkt wird, daß mehr das Geistig-Seelische der Organe des Herzens, der Arme und der Hände herausgehoben wird. Dieses Herausheben unterscheidet sich auch innerlich bedeutend von dem, was zustande kommt durch das, was ich nennen möchte das Kopfhellsehen. Das Herausheben aus dem materiellen Herzorgan wird mehr bewirkt durch die Meditation, die sich auf das Willensleben bezieht; es wird bewirkt durch die demütige Hingabe an den Weltenprozeß. Während das Kopfhellsehen mehr durch die Gedanken, vorstellungsmäßig, aber auch durch empfindungsmäßige Vorstellungen bewirkt wird.
<div style="margin-left:20px">
"In wunderbar schönen Worten
wird von Faust der Erdgeist charakterisiert. Wir sehen, wie er ahnt,
daß das, was der Planet Erde ist, nicht einfach jene physische Kugel ist,
als die sie von der Naturwissenschaft angesehen wird, sondern gerade
so, wie der Leib eine Seele enthält, so der Erdenleib einen Geist.


Es ist im allgemeinen mit Bezug auf diese beiden Arten des Hellsehens so, daß im Grunde das Herzhellsehen oder das Brusthellsehen, in dem Grade, wie es sich entwickeln soll, mit dem Kopfhellsehen sich schon entwickelt. Es führt das Brusthellsehen mehr zur Willensentwickelung, zum Zusammenhang mit den Aktionen der geistigen Wesenheiten niederer Hierarchien, wie derjenigen, die in den verschiedenen Reichen der Erde verkörpert sind, während das Kopfhellsehen mehr zu dem Anschauen, dem Erkennen, dem Wahrnehmen in den wirklich dem Menschen zunächst wichtigeren höheren Welten führt; wichtigeren, höheren Welten in dem Sinne, daß das Wissen von diesen höheren Mächten zur Befriedigung gewisser Erkenntnisbedürfnisse notwendig ist, die immer mehr und mehr auftreten müssen in der gegenwärtigen Menschheit. Je mehr wir der Zukunft unserer Entwickelung auf der Erde entgegenrücken, desto weniger werden die Menschen, ohne daß ihr Seelenleben ausgedörrt wird, leben können, wenn sie nicht in ihre Erkenntnis aufnehmen können die Ergebnisse dieses Hellsehens.
<blockquote><poem>
In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall' ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff' ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
</poem></blockquote>


Und wieder eine dritte Art von Hellsehen ist diejenige, die dadurch entsteht, daß aus dem übrigen Menschen gelockert wird, also herausgehoben wird dasjenige, was man das Geistig-Seelische nennen kann. Da müßte ich (auf der Zeichnung) da unten, gegen das Ende zu, das Herausrücken andeuten.
Das ist das, was in der Erde lebt als der Geist der Erde, wie in uns
unser Geist lebt. Aber Goethe kennzeichnet den Faust als noch nicht
reif, seinen Geist als noch unvollendeten. Abwenden muß er sich von
dem furchtbaren Zeichen wie ein furchtsam weggekrümmter Wurm.
Der Erdgeist antwortet ihm: «Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
nicht mir.» In Goethes Seele lebte die Erkenntnis, wenn sie zunächst
auch nur eine ahnende war, daß wir auf keiner Stufe uns befriedigt
erklären dürfen, sondern von jeder Stufe aus höhere und immer höhere
Stufen erstreben müssen, daß wir auf keiner Stufe sagen können, wir
haben etwas erreicht, sondern von jeder Stufe aus immer höher streben
müssen. Goethe führten in diese Geheimnisse hinein seine emsigen Studien
von Erscheinung zu Erscheinung. Und nun sehen wir ihn wachsen.
Denselben Geist, den er zuerst gerufen hat, und von dem er nur sagen
konnte: «Schreckliches Gesicht!», läßt Goethe durch Faust anreden,
nachdem Goethe selber eine höhere Stufe erreicht hatte nach der Italienreise,
nach seiner Reise, die ich so charakterisiert habe, daß er die ganze
Natur und Kunst mit seiner Anschauung durchdringen wollte. Jetzt ist
Faust gestimmt, wie Goethe selber gestimmt war. Jetzt steht Faust vor
demselben Geiste, den er also anredet:


[[Bild:Aetherbauch.gif|right|250px|Lockerung des [[Ätherleib]] im Bauchbereich.]]
<blockquote><poem>
Wenn auch der Ausdruck nicht besonders ästhetisch ist, so darf ich aber doch vielleicht diese Art des Hellsehens das Bauchhellsehen nennen. So daß man wirklich unterscheiden kann: das Kopfhellsehen, das Brusthellsehen und das Bauchhellsehen.
Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,
Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst
Dein Angesicht im Feuer zugewendet.
Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,
Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht
Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,
Vergönnest mir in ihre tiefe Brust
Wie in den Busen eines Freunds zu schauen.
Du führst die Reihe der Lebendigen
Vor mir vorbei, und lehrst mich meine Brüder
Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.
Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt,
Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste
Und Nachbarstämme quetschend niederstreift,
Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert;
Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst
Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust
Geheime tiefe Wunder öffnen sich.
Und steigt vor meinem Blick der reine Mond
Besänftigend herüber: schweben mir
Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch
Der Vorwelt silberne Gestalten auf,
Und lindern der Betrachtung strenge Lust.
</poem></blockquote>


Während das Kopfhellsehen für unseren Menschheitszyklus im eminentesten Sinne dahin führt, von dem Menschen unabhängige Ergebnisse zu gewinnen, führt das Bauchhellsehen dazu, vorzugsweise Ergebnisse zu gewinnen, welche zusammenhängen mit dem, was im Menschen selber vorgeht. Dasjenige, was im Menschen selber vorgeht, muß selbstverständlich auch Gegenstand des Forschens sein, gibt es doch auch auf dem Gebiete des physischen Forschens die Anatomie und die Physiologie, die sich mit alledem zu befassen haben. Es darf nicht die Meinung auftauchen, daß dieses Bauchhellsehen nicht einen gewissen Wert, im höchsten Sinne des Wortes, haben könnte. Selbstverständlich hat es seinen Wert. Aber klar muß man sich darüber sein, daß dieses Bauchhellsehen nur wenig den Menschen unterrichten kann über dasjenige, was unpersönlich in den kosmischen Vorgängen sich abspielt, daß es im wesentlichen den Menschen unterrichtet über das, was in dem Menschen, ich möchte sagen, innerhalb der Haut des Menschen vor sich geht. Über andere Gegensätze zwischen Kopfhellsehen und Bauchhellsehen werde ich noch sprechen, aber in bezug auf das Moralisch-Ethische sind diese beiden Arten im Grunde genommen auch innerlich recht gut zu unterscheiden. Das Brusthellsehen steht dazwischen, zwischen Kopfhellsehen und Bauchhellsehen. In bezug auf das Ethische ist verhältnismäßig am wichtigsten das Kopfhellsehen. Menschen, welche danach streben, in unpersönlicher Weise, in dem Sinne wie es angedeutet ist in «[[Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?]]», zu einer Anschauung der höheren Welten zu kommen, Menschen, welche es sich nicht verdrießen lassen, diesen unbequemen, aber sicheren Weg zu gehen, die werden in bezug auf ihre Hellsichtigkeit auch etwas Unpersönliches in sich entwickeln, vor allen Dingen ein höheres Interesse für die objektive Welterkenntnis, für dasjenige, was in der Welt des kosmischen und in der Welt des geschichtlichen Werdens vor sich geht.
Da ist Goethe und mit ihm Faust zu der Höhe gelangt, nicht mehr
sich wegzuwenden von dem Geist, den er im Sprunge hat erreichen
wollen. Jetzt tritt ihm der Geist als ein solcher entgegen, von dem er
sich nicht mehr hinwegzuwenden braucht. Jetzt erkennt er ihn in allem
Lebendigen, in allen Reichen der Natur: in Wald und Wasser, im stillen
Busch, in der Riesenfichte, in Sturm und Donner. Und nicht nur da.
Nachdem er ihm erschienen ist in der großen Natur draußen, erkennt
er ihn auch in seinem eigenen Herzen: seine geheimen tiefen Wunder
öffnen sich." {{Lit|{{G|272|27f}}}}
</div>


Von dem Menschen selber wird dieses Kopfhellsehen vorzugsweise in dem Sinne sprechen, daß es aufmerksam macht, wie der Mensch sich hineinstellt in den kosmischen, in den geschichtlichen Werdegang des Lebens, aufmerksam macht darauf, was der Mensch im Ganzen des Weltenprozesses ist, und es wird immer dasjenige, was herauskommt bei diesem Kopfhellsehen, einen unpersönlichen, ich möchte sagen, einen allgemein-wissenschaftlichen Charakter haben; es wird Mitteilungen enthalten, die Wichtigkeit haben - ich bitte das Wort wohl zu beachten - für alle Menschen, nicht nur für den einen oder den anderen.
<div style="margin-left:20px">
"Denken Sie sich einige Meilen von der Erde erhoben:
Sie können da nicht als physischer Mensch leben, Sie hören auf als
Mensch zu leben. Sie sind bloß ein Glied unserer Erde, wie meine
Hand ein Glied meines Körpers ist. Die Illusion, daß Sie selbständige
Wesen sind, entsteht nur dadurch, daß Sie herumspazieren auf
der Erde, während die Hand angewachsen ist. Das tut aber nichts.
Goethe meinte etwas ganz Wirkliches, wenn er vom Erdgeist
spricht. Er meint, daß die Erde eine Seele hat, deren Glieder wir
sind. Er spricht von etwas Wirklichem, wenn er den Erdgeist [im
«Faust»] sprechen laßt:


Dasjenige, was Bauchhellsehen ist, das wird vorzugsweise durchdrungen sein von allen möglichen menschlichen Egoismen, wird überhaupt sehr leicht dazu verführen, daß sich der betreffende Hellseher viel mit sich, mit den okkulten Unterlagen seines eigenen Geschickes befaßt, mit den okkulten Unterlagen seines persönlichen Wertes und Charakters. Das ergibt sich wie eine selbstverständliche Neigung aus dem, was man das Bauchhellsehen nennt.
<blockquote><poem>
In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
</poem></blockquote>


Nun tritt in bezug auf die anschauliche Natur zwischen den beiden Arten des Hellsehens ein starker Unterschied auf. Derjenige, der danach strebt, zunächst in dem Sinne, wie es gegeben ist in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», mit seinem Seelisch-Geistigen frei zu werden von dem Wahrnehmungsapparat des Kopfes, der also gewissermaßen den geistig-seelischen Teil des Kopfes herauslockert aus dem physischen Werkzeuge und mit diesem geistig-seelischen Kopfteile sich hineinzuversetzen vermag in die geistige Welt, der wird es außerordentlich schwer haben, aus bloß schattenhaft-hellseherischen Erlebnissen herauszukommen. Dieses Heraustreten aus dem Kopfe ist verbunden zunächst mit Erlebnissen, die wirklich nicht einmal die Farbe, die Gesättigtheit von lebhaften Erinnerungen haben, die also gewissermaßen innerlich sehr farblos auftreten, und erst wenn man in den Anstrengungen, die auf diesem Wege liegen, immer weiter und weiter dringt, stellt es sich heraus, daß der schattenhafte Charakter dieser Erlebnisse sich verliert, und daß gewissermaßen mit Farbigem und Tönendem die farblosen und schattenhaften Erlebnisse tingiert werden.
So ist schon der physische Mensch ein Glied des Erdenorganismus
und Teil eines Ganzen. Und nun bedenken Sie es geistig und seelisch:
da ist es genau so. Wie oft habe ich betont, daß die Menschheit nicht
leben könnte, wenn sie sich nicht auf Grund der anderen Reiche
weiter entwickelt hätte. Ebenso kann der hoher entwickelte Mensch
nicht sein ohne den niedriger entwickelten. Ein Geistiges kann nicht
sein ohne diejenigen, die zurückgeblieben sind, wie ein Mensch
nicht sein kann, ohne daß Tiere zurückgeblieben sind, wie ein Tier
nicht ohne Pflanze, eine Pflanze nicht ohne Mineral sein kann. Am
schönsten ist dies ausgedrückt im Johannes-Evangelium nach der
Fußwaschung: Ich könnte nicht sein ohne euch... - Die Jünger sind
eine Notwendigkeit für Jesus, sie sind sein Mutterboden. Das ist eine
große Wahrheit." {{Lit|{{G|264|387}}}}
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[[Bild:Aethersphaere.gif|right|250px|Äthersphäre]]
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Denn der Prozeß, der sich da abspielt, ist der, daß wir herausrücken aus unserem Kopfe zunächst und wirklich in einer Welt darinnen sind, die wir sehr schwer haben zu bemerken. Dann, indem wir nach und nach, langsam uns erwerben die Möglichkeit, außerhalb unseres Kopfes zu leben, verstärken sich diese inneren Lebenskräfte, und die Folge davon ist, daß aus dem ganzen Umkreise der Welt die zuströmenden Kräfte zusammengezogen werden. Also denken Sie sich, aus dem ganzen Umkreise der Welt müssen die Kräfte zusammengezogen werden, und wenn wir aus dem Umkreise der Welt die ganzen Kräfte zusammenziehen, dann bekommen wir die Tingierung mit Farbigem und Tönendem. Denken Sie sich einmal, um sich das vorzustellen, Sie haben hier - a - eine Fläche, die sehr stark gefärbt ist, eine Kugelfläche. Und nun denken Sie sich diese Kugelfläche hinausgedehnt über eine große Fläche - b, c -. Da wird die Farbe viel blasser, und wenn wir sie noch weiter ausdehnen, so wird die Farbe immer blasser und blasser; wenn wir sie hereinbringen würden, so würden wir, wenn dies ein blasses Gelb ist, hier ein sehr gestärktes, gesättigtes Gelb bekommen, weil dieselbe Menge der Farbpunkte dann wieder mehr zusammenkonzentriert ist.
"Aber Faust ist eben der Menschheitsrepräsentant,
der dem 16. Jahrhundert angehört, also schon der fünften nachatlantischen
Periode, derjenigen Periode, die sich der Anschauung naht:
Ich lebe als der Erdeneremit auf einem Staubkorn des Universums. -
Da wäre es nicht mehr ehrlich gewesen von dem jungen Goethe, Faust
hinbücken zu lassen zu dem Geiste der großen Welt. Als Menschheitsrepräsentant
könnte das bei Faust nicht der Fall sein, denn der Mensch
hatte in seinem Bewußtsein keinen Zusammenhang mehr mit den Himmelskräften,
die auf- und niedersteigen und sich die goldenen Eimer
reichen, das heißt, mit den Wesenheiten der höheren Hierarchien.
Das war verfinstert, das war nicht mehr da für das Menschheitsbewußtsein.
So konnte sich Faust nur an dasjenige halten, womit er etwa verknüpft
sein konnte als Erdeneremit: Er wandte sich an den Genius der
Erde.


Nun steht das Kopfhellsehen dem ganzen Kosmos gegenüber, und über den ganzen Kosmos ist dasjenige ausgedehnt, was der Mensch erst zusammenkonzentrieren muß mit seinen Lebenskräften in das, was er selber ist hellseherisch seiner Wesenheit nach; so daß er wirklich nur im mühseligen Gang der inneren Entwickelung allmählich das Schattenhafte der Erlebnisse tingiert. Und dann, wenn man lange, lange sich Mühe gegeben hat, das allgemeine Erleben zu haben, das einem nur das Gefühl gibt, außerhalb seines Leibes zu sein, und wenn man dieses allgemeine Erleben lange gehabt hat und immer mehr ein Gefühl bekommen hat, ein intensiveres, aber noch nicht farbiges und tönendes, inneres Erleben zu haben, dann kommen allmählich die Gebiete aus dem Kosmos an das Kopfhellsehen heran.
Daß sich Faust an den Genius der Erde wendet, das ist etwas, ich
möchte sagen, radikal Grandioses, was bei Goethe auftritt: Denn das
ist die Wendung, welche das menschliche Bewußtsein in diesem Zeitalter
genommen hat, hinweg von den sich verfinsternden Himmelsmächten
zu dem Genius der Erde, auf den der Geist selber hingewiesen
hat, der durch das Mysterium von Golgatha gegangen ist. Denn dieser
Genius, der durch das Mysterium von Golgatha gegangen ist, hat sich
mit der Erde verbunden. Er hat dadurch, daß er sich mit der Erdenmenschheitsentwickelung
verbunden hat, dem Menschen nun die
Kraft gegeben, in der Zeit, da er nicht mehr hinauf blicken kann zu
den Gelstern der Himmel, hinzusehen zu den Geistern der Erde, und
die Geister der Erde sprechen nun im Menschen. Früher waren es
die Sterne in ihrem Weben, welche die Himmelsworte offenbarten
der Menschenseele, die diese Himmelsworte deuten und erkennen
konnte. Jetzt mußte der Mensch auf seinen Zusammenhang mit der
Erde hinsehen, das heißt, sich selber fragen, ob der Genius der Erde
in ihm spricht.


Das ist eine Sache der langsamen, selbstlosen Entwickelung. Insbesondere muß gesagt werden, daß zu dieser Entwickelung unerläßlich ist das Studium der Geisteswissenschaft. Es muß immer wieder und wieder betont werden, daß die Geisteswissenschaft, wenn sie gegeben ist, wirklich verstanden werden kann. Man kann das nicht oft genug betonen, daß man kein Hellseher zu sein braucht, um Geisteswissenschaft zu verstehen. Selbstverständlich muß man Hellseher sein, um zu den Ergebnissen zu kommen; aber wenn sie einmal da sind, braucht man kein Hellseher zu sein.
Aber nur erst nebulose Worte, mystisch pantheistische Worte, kann
Goethe in seinem Zeitalter dem Genius der Erde abringen. Richtig
ist es, grandios ist es, daß Faust sich zu dem Genius der Erde wendet,
aber ich möchte sagen, ganz grandios ist es, daß Goethe noch nicht
irgend etwas, was schon befriedigen kann, diesenGenius der Erde aussprechen
läßt. Daß der Genius der Erde erst, ich möchte sagen, die
Weltengeheimnisse in mystisch pantheistischen Formeln stottert und
stammelt, statt sie in scharf umrissener Weise auszusprechen, das zeigt
eben, daß Goethe seinen Faust genial hineingestellt hat in das Zeitalter,
in welchem er seinen, Faust und sich sah." {{Lit|{{G|221|57f}}}}
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Dieses Verständnis der Geisteswissenschaft muß vorangehen dem eigentlichen Schauen. Auch hier ist es so, daß man sagen kann: es ist der umgekehrte Weg von dem der richtige, der m der physisch-sinnlichen Welt der richtige ist. In der physisch-sinnlichen Welt haben wir zuerst die richtigen Anschauungen, dann gehen wir zum gedanklichen Betrachten über; wir bilden uns die wissenschaftlichen Urteile hinterher. Beim Aufsteigen in die geistige Welt ist es umgekehrt. Da müssen wir zuerst die Begriffe und Vorstellungen entwickeln, müssen uns anstrengen, um uns objektiv in die Geisteswissenschaft einzuleben; sonst können wir niemals sicher sein, daß irgendwelche Beobachtung in der geistigen Welt von uns im richtigen Sinne gedeutet wird. Da muß die Wissenschaft eben dem Schauen vorangehen. Und das ist es, was vielen so unendlich unbequem ist: daß sie die Geisteswissenschaft studieren sollen. Das nehmen viele als unbegreifliche Zumutung hin. Denn sie streben danach, Anschauungen zu haben in der geistigen Welt. Gewiß, die kann man relativ leicht haben; aber sie richtig zu deuten, dazu gehört, daß man wirklich objektiv, selbstlos sich in die Geisteswissenschaft einläßt, sich mit ihr durchdringt.
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"In Goethes Jugend wird «Faust» so begonnen,
Nun ist gerade das Umgekehrte der Fall bei dem, was man nennen kann das Bauchhellsehen. Da gehen wir aus von demjenigen Geistig-Seelischen, das zunächst gearbeitet hat an unserem Leiblich-Physischen. Denn all dem, was es in der Welt gibt, liegt ein Geistiges zugrunde. Wenn Sie, sagen wir, ein Stück Kohlrabi gegessen haben - wir sind ja meist Vegetarier - und es dann verarbeitet wird in unserem Organismus, so hat man es nicht bloß mit dem physisch-chemischen Prozeß zu tun, den der Magen mit seinen Kräften und Säften ausführt, sondern hinter dem allem ist der Ätherleib, der Astralleib und das Ich tätig. Alle diese Prozesse haben hinter sich geistig-spirituelle Prozesse. Es würde ganz falsch sein zu glauben, daß es materielle Prozesse gibt, die nicht einen spirituellen Prozeß hinter sich haben.
daß Faust das Buch desNostradamus auf schlägt, wo geschildert
 
wird, «wie Himmelskräfte auf- und niedersteigen und sich die goldenen
Denken Sie sich nun, Sie legen sich nach einem mehr oder weniger opulenten Mittagsmahle hin und werden hellsichtig, aber so hellsichtig, daß sich das Geistig-Seelische der Verdauungsorgane vor allen Dingen aus diesen Verdauungsorganen heraushebt. Dann leben Sie, während Ihr Magen und die übrigen Organe richtig verdauen, mit Ihrem Geistig-Seelischen im Geistig-Seelischen selber. Und während Ihnen sonst der spirituelle Prozeß unbewußt bleibt, der sich in Ihrem Ätherleibe, Astralleibe und Ich vollzieht, kommt er Ihnen, wenn Sie hellseherisch werden, zum Bewußtsein, und Sie können dann, indem Sie sich erleben in dem Geistig-Seelischen, all jenes Arbeiten und Bilden und Schaffen des Geistig-Seelischen an den Leibesgliedern während der Verdauung sehen; sehen, indem es sich hinausprojiziert m die Welt, und Ihnen, bildhaft sich spiegelnd, im äußeren Äther erscheint. Dann bekommen Sie, weil Sie jetzt nicht so sehr aus dem Kosmos anzuziehen haben die Farbe, sondern weil Sie den ganzen Prozeß konzentriert in Ihrer eigenen Haut sich abspielen haben, die allerschönsten hellseherischen Gebilde. So daß ein Wunderbares, das sich abspielt um Sie in den herrlichsten, lichtesten Farben- und Gestaltungsprozessen, nichts anderes zu sein braucht als der in den Geistesorganen des Menschen vor sich gehende Verdauungsprozeß oder sonst ein im Leibe befindlicher Prozeß.
Eimer reichen». Dann wird aber das Blatt umgeschlagen und gesagt:
 
«Du Geist der Erde bist mir näher.» Goethe weist das große Tableau
Dieses Hellsehen unterscheidet sich von dem anderen ganz besonders dadurch, daß während das andere Hellsehen von schattenhaften Gebilden ausgeht und erst mühselig die Tingierung mit Farbe und Ton erhält, dieses schon ausgeht von dem Schönsten und Herrlichsten, das man sehen kann. Man kann es geradezu als ein Gesetz aussprechen: wenn das Hellsehen beginnt mit den herrlichsten Gebilden, insbesondere mit Farbengebilden, dann ist es ein Hellsehen, das sich bezieht auf Prozesse, die sich innerhalb des Persönlichen abspielen. Ich betone aber noch ausdrücklich, daß es für das Erforschen der geistigen Welt von großem Wert sein kann. Geradeso wie der Anatom und der Physiologe den Verdauungsprozeß und andere Prozesse untersuchen müssen, so hat es auch einen höchsten wissenschaftlichen Wert, auf diese Weise das hinter den menschlichen Prozessen stehende Geistige, das Spirituelle zu erforschen. Aber schlimm wäre es, wenn man sich irgendwelchen Täuschungen hingeben würde, wenn man sich Illusionen hingeben und die Dinge nicht in der richtigen Weise deuten würde.
des Makrokosmos zurück und läßt nur den Erdgeist an seinen Faust
 
herankommen. Als er dann im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts
Wenn man glauben würde, daß ein solches, ohne die entsprechende Vorbereitung auftretendes Hellsehen mehr geben könnte, als was sich im Menschen abspielt und sich hinausprojiziert in die objektive Welt, wenn man glauben würde, daß man gewissermaßen den regierenden Weltenmächten, den tonangebenden geistigen Kräften durch ein solches Hellsehen näherkommen könnte, so würde man sich sehr täuschen. Ebensowenig wie man durch die Untersuchung der menschlichen Verdauung die Weltenrätsel lösen kann, ebensowenig kann man den Weltenrätseln und Geheimnissen dadurch näherkommen, daß man dieses Bauchhellsehen entwickelt.
von Schiller veranlaßt wurde, den «Faust» umzudichten, schuf er den
 
«Prolog im Himmel»." {{Lit|{{G|217|144}}}}
Sie sehen also, wieviel dazugehört, sich in der Welt, in die wir eintreten durch das Freiwerden unserer geistig-seelischen Kräfte, wirklich richtig zu orientieren. Niemand sollte etwa durch die Erörterungen, die darüber gepflogen worden sind, einen Abscheu haben vor dem Bauchhellsehen. Aber jeder sollte sich klar sein darüber, wie sich ein solches Hellsehen verhält zu dem, was wirklich geistiges Hellsehen werden kann, und wie man fernhalten muß von aller äußeren Überschätzung dasjenige, was auf hellseherischem Wege so gewonnen wird, daß es nur einen persönlichen Inhalt haben kann. Erst dann, wenn man bei diesen Dingen, die auch persönlichen Inhalt haben, absehen kann von dem Persönlichen und sie so betrachten kann wie der Anatom, der Physiologe dasjenige betrachtet, was er durch die Sektion erlebt oder durch seine Untersuchungen erhält, erst wenn man da zur wissenschaftlichen Betrachtung übergeht, dann haben die Dinge einen besonderen Wert. Jedenfalls dürfen sich an diese Dinge nicht im entferntesten irgendwelche religiöse Gefühle anknüpfen; die können sich nur an die Ergebnisse des Kopfhellsehens anknüpfen. Und man wird dem anderen Hellsehen um so gerechter, je mehr man geradezu die Forderung stellt, daß seine Ergebnisse nur im wissenschaftlich-objektiven Sinne behandelt werden, wie die Ergebnisse der Anatomie, der Physiologie.
 
Nicht alles, was auf dem Wege des Hellsehens gefunden wird, ist - ich möchte diesen radikalen Satz aussprechen - anbetungswürdig; aber alles ist des Erlernens wert. Das ist es, was wir ins Auge fassen müssen. Ich sagte, für unseren Zyklus sei es ganz besonders wichtig, die Ergebnisse des Kopfhellsehens der allgemeinen geistigen Menschheitskultur einzuverleiben; und das ist wirklich wichtig. Ich will heute in bezug auf diese Wichtigkeit eine Seite der Sache einmal erwähnen. Wir leben wirklich in einer Zeit, in welcher sich die Menschheit vorbereiten muß, allmählich über den bloßen philosophischen Idealismus hinauszukommen und einzulaufen in ein wirkliches Bewußtsein von den geistigen Welten, von der allgemeinen geistigen Welt, in der wir darinnen leben, wie wir in der physischen Welt darinnen leben.
 
Nun, gehen wir von einem Erlebnisse des Kopfhellsehens aus, das wir leicht verstehen werden, wenn wir uns ein wenig vertieft haben in die Dinge, die gesagt worden sind in dem Münchner Zyklus, der zuletzt gehalten worden ist, und die auch ausgeführt worden sind in meinem Buche «Die Schwelle der geistigen Welt». Ich habe da besonders erwähnt, daß unser Denken eine Umänderung erfährt in dem Augenblicke, wo wir uns freimachen, besonders in bezug auf unsere Gedanken, von dem physischen Werkzeuge des Kopfes. Ich habe es damals grotesk ausgedrückt, indem ich gesagt habe: Wenn wir so frei werden, dann haben unsere Gedanken nicht mehr den Charakter, den sie haben im gewöhnlichen, alltäglichen Leben. Im gewöhnlichen, alltäglichen Erleben müssen wir das Gefühl haben - wenn wir nicht verrückt sind -, daß wir Herr sind über unsere Gedankenwelt, daß, wenn wir zwei Gedanken haben, wir es sind, die diese Gedanken verbinden oder trennen.
 
Wenn wir uns erinnern, sind wir uns bewußt: mit unserem Innenleben gehen wir von einem gegenwärtigen zu einem vergangenen Erlebnis über. Immer haben wir das Gefühl: wir sind es, die hinter dem Gewebe und Gewoge unserer Gedanken stehen. Das hört auf in dem Augenblicke, wo wir im Kopfteil das Geistig-Seelische freiwerden lassen vom physischen Werkzeug, wo wir ein Denken entwickeln, das leibbefreit ist. Ich habe dazumal radikal gesagt: Es ist, wie wenn wir den Kopf in einen Ameisenhaufen hineingesteckt hätten, in dem alles zu quirlen anfängt. So fangen die Gedanken auch an, ein eigenes Leben zu entwickeln und durcheinanderzuspielen. Und wenn wir im gewöhnlichen Leben zwei Gedanken haben und sie verbinden, wie zum Beispiel die zwei Gedanken «Rose» und «rot», so wissen wir, daß wir Herr sind in unserer Gedankenwelt, die Begriffe zu verbinden zu: «die Rose ist rot» und zu der Vorstellung «die rote Rose». Das ist nicht so, wenn wir draußen sind außer dem Leibe. Da bekommen wir in die Gedanken Leben, das Eigenleben der Gedanken. Jeder Gedanke wird zu einem Wesen. Der eine Gedanke läuft zu dem anderen hin, ein anderer läuft von dem anderen fort.
 
Also die Gedankenwelt gewinnt ein Eigenleben. Warum gewinnt sie ein Eigenleben? Nun, was wir im gewöhnlichen Denken des Alltags erleben, das sind nur Bilder, nur Schatten von Gedanken. Sie können das schon in meinem Buche «Theosophie» nachlesen. Sobald wir das Denken leibfrei entwickeln, wird jeder Gedanke so wie eine Hülse, und in die Hülse hinein schlüpft ein elementares Wesen. Der Gedanke ist nicht mehr in unserer Gewalt: Wir lassen ihn, wie einen Fühler, hinausgehen in die Welt, und da schlüpft ein elementarisches Wesen hinein. Unsere Gedanken sind so von elementarischen Wesen gleichsam ausgefüllt, und das quirlt und braust, das webt und west in uns. So daß wir sagen können: Wenn wir unseren geistig-seelischen Teil des Kopfes in die geistige Welt hineinstecken - wir haben ihn nur dadurch draußen, daß wir im physischen Kopfe nicht darinnen sind -, wenn wir ihn so hineinstecken in die geistige Welt, dann erleben wir nicht mehr solche Gedanken, wie wir sie erleben in der physischen Welt, sondern wir erleben das Leben von Wesen. Wir stecken unseren Kopf eben, wie ich damals sagte, gleichsam in einen Ameisenhaufen hinein. Wir erleben das Leben von Wesen.
 
So ist es im Grunde genommen bis hinauf zu den Wesenheiten der
höchsten Hierarchien. Und wenn wir einen Engel, einen Erzengel, einen
Geist der Persönlichkeit erleben wollen, so muß es so sein, daß wir in der
geschilderten Weise unsere Gedanken ausstrecken. Das Wesen muß sich
einhüllen in unsere Gedanken. Wir schicken unsere Gedanken aus, und das Wesen schlüpft hinein und bewegt sich darinnen. Wenn wir wahrnehmen die Wesen auf der Venus oder auf dem Saturn, so ist es so, daß wir unsere Gedanken hmausschlüpfen lassen, und die Venus- und Saturnwesen hineinschlüpfen. Wir dürfen uns nicht fürchten davor, nicht mehr irdisch-menschliche Gedanken zu haben, sondern Hierarchiengedanken. Wir müssen uns gewöhnen, mit unserem Kopfe in den höheren Hierarchien darinnen zu leben. Wir müssen uns sagen: unser Denken hört auf, und unser Kopf wird der Schauplatz des Wirkens der höheren Hierarchien.
 
Nun ist es so, daß in der Fichte-Schelling-Hegel-Philosophie der Gedanke bis zu seiner reinsten Gedankenklarheit gebracht worden ist im Beginn des 19. Jahrhunderts. Wozu sich der Gedanke aufschwingen kann, das ist in dieser Philosophie wirklich enthalten. Die Aufgabe, bis zu welcher der Gedanke gebracht werden kann, ist da gelöst. Der nächste Schritt aber ist der, daß der Gedanke aus sich herausgeht und man wirklich hineinkommt in das quirlende und webende Leben des Gedankens. So daß wir in der Zeit leben - man kann das sagen -, wo die Menschheit dazu berufen ist, wahrzunehmen die höheren Hierarchien. Hingenommen werden sollen wir von der Welt der höheren Hierarchien, und abstreifen müssen wir die Furcht vor dem Verlieren der Gedanken an das Leben und Weben in den höheren Hierarchien." {{Lit|{{G|161|153ff}}}}
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== Literatur ==
== Literatur ==
* Karl von Meyenn (Hrsg.): ''Wolfgang Pauli. Wissenschaftlicher Briefwechsel, Band III: 1940–1949. Springer. Berlin (1993) Brief #929, S. 496
 
* H. Atmanspacher, H. Primas, E. Wertenschlag-Birkhäuser (Hrsg.), ''Der Pauli-Jung-Dialog'', Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1995
#Rudolf Steiner: ''Goethes Geistesart'', [[GA 22]] (1989), ISBN 3-7274-0130-3 {{Schriften|022}}
* Goethes Werke, ''Vollständige Ausgabe in vierzig Teilen'', Auf Grund der Hempelschen Ausgabe, Deutsches Verlagshaus Bong u. Co, Berlin Leipzig Wien Stuttgart, 38. Teil
#Rudolf Steiner: ''Bewußtsein – Leben – Form '', [[GA 89]] (2001), ISBN 3-7274-0890-1 {{Vorträge|089}}
* Goethes Werke (WA). Hrsg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. Weimar 1887-1919. Abteilung  IV 8, Briefe
#Rudolf Steiner: ''Kosmogonie'', [[GA 94]] (2001), ISBN 3-7274-0940-1 {{Vorträge|094}}
* Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, § 77
#Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), ISBN 3-7274-0961-4 {{Vorträge|096}}
* [[Rudolf Steiner]]: ''Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen'', [[GA 16]] (2004), ISBN 3-7274-0160-5; zusammen mit [[GA 17]] in '''Tb 602''', ISBN 978-3-7274-6021-0 {{Schriften|016}}
#Rudolf Steiner: ''Das christliche Mysterium'', [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
* Rudolf Steiner: ''Briefe Band I: 1881 – 1890'', [[GA 38]] (1985), ISBN 3-7274-0380-2 {{Briefe|038}}
#Rudolf Steiner: ''Natur- und Geistwesen – ihr Wirken in unserer sichtbaren Welt'', [[GA 98]] (1996), ISBN 3-7274-0980-0 {{Vorträge|098}}
* Rudolf Steiner: ''Die Erkenntnis der Seele und des Geistes'', [[GA 56]] (1985), ISBN 3-7274-0560-0 {{Vorträge|056}}
#Rudolf Steiner: ''Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis'', [[GA 100]] (1981), ISBN 3-7274-1000-0 {{Vorträge|100}}
* Rudolf Steiner: ''Spirituelle Seelenlehre und Weltbetrachtung'', [[GA 52]] (1986), 30. März 1904, Berlin {{Vorträge|52}}
#Rudolf Steiner: ''Die Apokalypse des Johannes'', [[GA 104]] (1985), ISBN 3-7274-1040-X {{Vorträge|104}}
* Rudolf Steiner: ''Das Lukas-Evangelium'', [[GA 114]] (2001) {{Vorträge|114}}
#Rudolf Steiner: ''Von Jesus zu Christus'', [[GA 131]] (1988), ISBN 3-7274-1310-7 {{Vorträge|131}}
* Rudolf Steiner: ''Wie erwirbt man sich Verständnis für die geistige Welt?'', [[GA 154]] (1985), ISBN 3-7274-1540-1 {{Vorträge|154}}
#Rudolf Steiner: ''Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen'', [[GA 136]] (1996), ISBN 3-7274-1361-1 {{Vorträge|136}}
* Rudolf Steiner: ''Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung'', [[GA 161]] (1980) {{Vorträge|161}}
#Rudolf Steiner: ''Die Welt des Geistes und ihr Hereinragen in das physische Dasein'', [[GA 150]] (1980), ISBN 3-7274-1500-2 {{Vorträge|150}}
* Rudolf Steiner: ''Kunst und Kunsterkenntnis'', [[GA 271]] (1985), ISBN 3-7274-2712-4 {{Vorträge|271}}
#Rudolf Steiner: ''Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt'', [[GA 158]] (1993), ISBN 3-7274-1580-0 {{Vorträge|158}}
* Flensburger Hefte Nr. 66: ''Hellsehen - Der Blick über die Schwelle'', Flensburger Hefte Vlg., Flensburg 1999
#Rudolf Steiner: ''Gegenwärtiges und Vergangenes im Menschengeiste'', [[GA 167]] (1962), ISBN 3-7274-1670-X {{Vorträge|167}}
* Flensburger Hefte Nr. 107: ''Neues Hellsehen'', Flensburger Hefte Vlg., Flensburg 2010
#Rudolf Steiner: ''Geistige Wirkenskräfte im Zusammenleben von alter und junger Generation. Pädagogischer Jugendkurs.'', [[GA 217]] (1988), ISBN 3-7274-2170-3 {{Vorträge|217}}
#Rudolf Steiner: ''Erdenwissen und Himmelserkenntnis'', [[GA 221]] (1998), ISBN 3-7274-2210-6 {{Vorträge|221}}
#Rudolf Steiner: ''Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes «Faust»'', Band I: Faust, der strebende Mensch , [[GA 272]] (1981), ISBN 3-7274-2720-5 {{Vorträge|272}}
#Rudolf Steiner: ''Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914'', [[GA 264]] (1987), ISBN 3-7274-2650-0 {{Schule|264}}
#Rudolf Steiner: ''Kunst im Lichte der Mysterienweisheit'', [[GA 275]] (1990), ISBN 3-7274-2750-7 {{Vorträge|275}}


{{GA}}
{{GA}}


[[Kategorie:Grundbegriffe]]
[[Kategorie:Geistige Wesen]] [[Kategorie:Erde]]
[[Kategorie:Anthroposophie]]
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[[Kategorie:Erleuchtung]]
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[[Kategorie:Wahrsagen]]
[[Kategorie:Hellsehen|!]]
[[Kategorie:Esoterik]]

Version vom 1. Dezember 2013, 00:04 Uhr

Die Erscheinung des Erdgeists in Goethes Faust.

Der Erdgeist ist der Planetengeist der Erde und hat seinen Sitz in der neunten Schicht des Erdinneren, die identisch mit der Eishölle aus Dantes Göttlicher Komödie und zugleich der Quellort aller schwarzmagischer Kräfte ist. Hier ist auch das Erdgehirn lokalisiert, das in engem Zusammenhang mit dem menschlichen Gehirn steht. In Rudolf Steiners Mysteriendramen erweist sich das Urbild des German als der Geist des Erdgehirns. Der Geist der Erde umfasst dabei die Gesamtheit aller geistigen Wesen, die sich mit der Erde verbunden haben.

Der Erdgeist als Gemeinschaft geistiger Wesenheiten

"Wenn man unsere Erde hellseherisch von außen betrachten könnte, so würde man nicht nur Felsen und so weiter aus materiellem Stoff wahrnehmen und dazwischen tierische und menschliche Gestalten einherwandern sehen, sondern man würde vor allen Dingen Gruppenseelen der Pflanzen, der Tiere und so weiter sehen. Das ist schon eine geistige Bevölkerung unserer Erde. Der Hellseher würde ferner die einzelnen Individualseelen der Menschen, die Volksseele und so weiter sehen. Sie müssen sich überhaupt den Geist eines Himmelskörpers nicht etwa nur so einfach vorstellen, daß Sie sich im Raume eine Kugel denken, die einen Geist und eine Seele hat, sondern daß eine ganze geistige Bevölkerung, die ein Ganzes ausmacht, diesen Himmelskörper bewohnt. Und alle diese einzelnen Geister, Gruppenseelen und so weiter, stehen wiederum unter einem Anführer, wie wir es nennen können, und alles dies zusammen entspricht dem gesamten Geist unserer Erde, demjenigen, was wir den Erdgeist nennen." (Lit.: GA 098, S. 190)

Erdgeist und internationale Bestrebungen

"Solche Wesen, die von höheren Plänen aus die physische Entwicklung leiten, sind vorhanden. Deren niederste Entwicklung ist in der Astralmaterie. Jedes Volk, jede Rasse, jeder Stamm hat eine gemeinsame Astralmaterie, die Inkarnationsmaterie für den Volksgeist. Der Volksgeist erreicht immer seine Entwicklung etwas früher als die einzelnen im Volk. Der Volksgeist kann von der Mitte eines Zyklus an Karma ansammeln. Wir bilden mit an dem Karma des Volkes, der Rasse und so weiter. Kollektiv-Karma wird dies genannt. Es ist eine Realität. Es wird dadurch bewirkt, daß diejenigen Wesen, die eine Stufe weiter sind, auch Karma haben. Die internationalen Bestrebungen gehören einem noch umfassenderen Geiste an, der die gesamte Astralmaterie der Erde umfaßt, dem wirklichen Erdgeist. Die physische Erde ist auch der physische Körper für diesen Erdgeist, den planetarischen Logos, der, wenn man sich zu ihm erhebt, das Karma der ganzen irdischen Entwicklung bedeutet. Internationale Bestrebungen sind der erste Ansatz zu jener großen Einheit, die entstehen wird auf dem Arupaplan. Der Theosoph lebt in der Idee dieser großen Einbeziehung, des Konzentrierens auf einen Punkt." (Lit.: GA 089, S. 154f)

Erdgeist und Natur

"Im ersten Kindheitsalter ist ein inniger Zusammenhang zwischen Natur und Geist, sie durchdringen einander, stehen einander noch freundschaftlich gegenüber. Später sondern sie sich, und der Geist und die Naturprozesse gehen mehr abgesondert vor sich. Dafür werden die Naturprozesse auch mehr geistlos, indem der Geist aus ihnen herausdifferenziert ist und zu der besonderen Seele geworden ist, auf die der Mensch so stolz ist. Diese erkauft sich der Mensch damit, daß sein Leib mehr geistlos wird. Der Mensch hat erst Geist aus seinem Leibe gesogen, damit er ihn mehr abgesondert für sich gebrauchen kann. In der ganzen Erdenentwickelung gibt es ein Ähnliches. In sehr frühen Zeiten der Erde war überall der Geist mit der Natur der Erde innig verbunden, daher war dazumal ein inniges Zusammenwirken zwischen Erdgeist und Erdennatur. Heute ist in gewisser Weise die Erdennatur so abgesondert von ihrem Geist wie beim Menschen die Natur von dem Seelischen. Und wie beim Menschen der Geist es ist, der Denken, Fühlen und Wollen dirigiert, so läuft in der Erdenentwickeiung auch der Erdgeist als Geschichtsverlauf neben dem Naturprozeß einher. Diese waren in der lemurischen Zeit noch mehr miteinander verwoben, wie die geistigen und die Naturprozesse beim Kinde auch enger verwandt sind als beim späteren Menschen. Worauf kommt es denn hier an? Kommt es darauf an, zu sagen: Der Geist entwickelt sich im späteren Lebenszeitalter oder Erdzeitalter? - Nein, er war schon da, aber er hat dazumal seine Tätigkeit verwendet auf das, was dann abgesondert ist. Und das verhärtet, es verholzt, es stirbt." (Lit.: GA 150, S. 74f)

Erdgeist und Erdinneres

"Die neunte und letzte Schicht [des Erdinneren] ist sozusagen der Wohnsitz des Planetengeistes. Sie zeigt zwei eigentümliche Erscheinungen. Man könnte sie mit einem Menschen vergleichen, denn sie besitzt ein Organ, das einem Gehirn ähnelt. Ein anderes Organ gleicht einem Herzen. Auch der Planetengeist ist Veränderungen unterworfen, die mit der Entwickelung der Menschen in engem Zusammenhange stehen." (Lit.: GA 097, S. 282)

Der Planetengeist der Erde

"So wie wir beim Menschen also sagen: hinter seinem astralischen Leib ist sein Ich, so sprechen wir davon, daß hinter all dem, was wir die Gesamtheit der Geister der Umlaufszeiten nennen, verborgen ist der Geist des Planeten selbst, der Planetengeist. Während die Geister der Umlaufszeiten die Naturgeister der Elemente dirigieren, um auf dem Erdenplaneten rhythmischen Wechsel, Wiederholungen in der Zeit, Abwechselung im Raum hervorzurufen, hat der Geist der Erde eine andere Aufgabe. Dieser Geist der Erde hat die Aufgabe, die Erde selber in Wechselbeziehung zu bringen zu den übrigen Himmelskörpern der Umgebung, sie so zu dirigieren und zu lenken, daß sie im Laufe der Zeiten in die richtigen Stellungen kommt zu den anderen Himmelskörpern. Dieser Geist der Erde ist gleichsam der große Sinnesapparat der Erde, durch den die Erde, der Erdenplanet, in das richtige Verhältnis zu der Umwelt kommt.

Wenn ich also die Aufeinanderfolge jener geistigen Wesenheiten, mit denen wir es zunächst auf unserer Erde zu tun haben und zu denen wir den Weg finden können durch eine allmähliche okkulte Entwicklung, zusammenfassen soll, so muß ich sagen: Wir haben als den äußersten Schleier die Sinnenwelt mit aller ihrer Mannigfaltigkeit, mit demjenigen, was wir ausgebreitet sehen für unsere Sinne, was wir mit dem Verstand des Menschen begreifen können. Wir haben dann hinter der Sinneswelt liegen die Welt der Naturgeister. Hinter der Welt der Naturgeister haben wir liegen die Welt der Geister der Umlaufszeiten und dahinter den Planetengeist." (Lit.: GA 136, S. 44)

Christus und der Erdgeist

Der Anführer aller dieser geistigen Wesenheiten und damit der eigentliche Planetengeist der Erde ist seit dem Mysterium von Golgatha der Christus.

"Unsere Erde ist nicht bloß der materielle Körper, als den sie unsere Augen sehen, sondern unsere Erde hat eine geistige Hülle. Wie wir selbst einen Ätherleib und einen Astralleib haben, so hat auch unsere Erde solche höheren Leiber. Und wie sich eine kleine Menge Substanz ausdehnt in einer Flüssigkeit, so dehnte sich das, was geistig ausstrahlte von der Tat auf Golgatha, in die geistige Atmosphäre der Erde aus, durchdrang sie und ist seit jener Zeit darinnen. Es ist also seit jener Zeit unserer Erde etwas mitgeteilt, was sie früher nicht hatte. Und da die Seelen nicht bloß überall umschlossen von dem Materiellen leben, sondern da Seelen wie Tropfen sind, die im Meere des irdisch Geistigen leben, so sind eben die Menschen seit jener Zeit eingebettet in die geistige Atmosphäre unserer Erde, die durchdrungen ist von dem Christus-Impuls. Das war vor dem Mysterium von Golgatha nicht der Fall; und das ist der große Unterschied zwischen dem vorchristlichen und dem nachchristlichen Leben. Wenn man sich nicht vorstellen kann, daß so etwas im geistigen Leben stattfindet, dann ist man noch nicht so weit, das Christentum wirklich als eine mystische Tatsache aufzufassen, deren volle Bedeutung nur in der geistigen Welt erkannt und anerkannt werden kann." (Lit.: GA 131, S. 102f)

"Bis zu dem Zeitpunkte, in dem der Christus Jesus auf der Erde erschien, ist alles, was vom Christus-Geist vorhanden war, eine Einheit. Es war eine einheitliche Hülle, welche die ganze Erde umgab, die in der festen Erde gleichsam ihr Knochensystem hatte. Wenn Sie die feste Erde nehmen mit alledem, was sie in sich hat, und dann dazunehmen, was die Erde an Wärme umgibt, dann haben Sie ungefähr das, was man den Körper des Christus-Geistes nennt. Daher das schöne Wort im Johannes- Evangelium, wo sich der Christus Jesus selbst bezeichnet als den Geist der Erde: «Der mein Brot isset, der tritt mich mit Füßen.» Was isset der Mensch, wenn er ißt? Das Brot. Er ißt das Brot, das der Leib des Christus ist. Und indem er auf der Erde geht, tut der Mensch das andere: er tritt ihn mit Füßen. Ganz wörtlich ist das zu nehmen. Ebenso wie sich in der lemurischen Zeit in die einzelnen Individualitäten ausgegossen hat von dem Element des Geistes der Jahvegeist, ebenso goß sich nach und nach in den Zeitaltern, die dem Christus Jesus vorangegangen waren, und in denjenigen, die ihm jetzt nachfolgen, langsam der Christus-Geist ein, der seinen Körper in der Wärme des Blutes hat. Und wenn der ganze Christus-Geist ausgegossen sein wird in die menschlichen Individualitäten hinein, dann wird das Christentum, die große Menschenbrüderschaft, die Erde erobert haben. Dann wird es überhaupt kein Bewußtsein von Cliquen und kleinen Zusammenhängen mehr geben, sondern nur das Bewußtsein, daß die Menschheit ein Bruderbund ist. Bei der größten Individualisierung wird dennoch jeder zum andern hingezogen sein. Die kleinen Stammes- und Volksgemeinschaften werden gewichen sein der Gemeinschaft des Lebensgeistes, der Budhi, der Gemeinschaft des Christus." (Lit.: GA 096, S. 284f)

"Wer zur Zeit Christi von einem andern Planeten heruntergeblickt hätte auf die Erde, der würde das Hinzutreten dieser neuen Substanz zum Astralleibe der Erde ersehen haben an der Änderung der Farbenstrahlung dieses Astralleibes. Durch die Verbindung seines Astralleibes mit demjenigen der Erde ist der Sonnengeist Christus zugleich Erdgeist geworden. Der Christus-Geist ist Sonnengeist und zugleich Erdgeist. Von dem Moment an, da Christus auf Erden gewandelt ist, bleibt er in ständiger Verbindung mit der Erde. Er ist der Planetengeist der Erde geworden; die Erde ist sein Leib, er leitet die Erdenentwickelung. Diese Verbindung hat sich auf Golgatha vollzogen und das Mysterium von Golgatha ist das Symbolum dessen, was für die Erdenentwickelung damals geschehen ist." (Lit.: GA 100, S. 253)

"Wir erinnern uns daran, daß wir den großen Moment von Golgatha hingestellt haben vor unsere Seele. Wenn jemand damals die Erde von ferne betrachtet hätte mit hellseherischem Blick, so hätte er wahrgenommen in dem Augenblick, wo das Blut aus den Wunden des Erlösers floß, daß die ganze astralische Aura der Erde sich veränderte. Da ist die Erde durchdrungen worden von der Christus-Kraft. Durch dieses Ereignis kann sich die Erde dereinst wieder mit der Sonne vereinigen. Diese Kraft wird wachsen. Das ist die Kraft, die unseren Ätherleib vor dem zweiten Tode bewahrt. Christus wird immer mehr und mehr der Erdgeist, und derjenige, der ein rechter Christ ist, versteht die Worte: «Wer mein Brot isset, der tritt mich mit Füßen», der betrachtet den Leib der Erde als den Leib des Christus. Die Erde als planetarischer Körper ist der Leib des Christus, freilich erst im Anfange. Es wird erst der Christus Erdgeist, er wird sich völlig mit der Erde vereinigen. Und wenn sich die Erde später mit der Sonne vereinigen wird, wird der große Erdgeist Christus Sonnengeist sein." (Lit.: GA 104, S. 252)

"Wenn also — ich habe ja auch das schon erwähnt — ein alter Weiser, der wirklich hellsichtig war, in der Zeit vor dem Mysterium von Golgatha sich in die geistigen Hohen hinaufhob, so traf er in diesen geistigen Höhen natürlich den Christus. Daher wurden diejenigen, die dazumal von dem Christus sprechen konnten, Propheten, die das Ankommen des Christus vorhersagen konnten; denn sie fanden Christus in den geistigen Weiten und sahen ihn gewissermaßen auf seinem Wege zur Erde hin, wie er als Sonnengeist herunterstieg, um allmählich Erdgeist zu werden. Sie schauten also hin auf einen zukünftigen Augenblick der Erdenentwickelung, in dem sich das, was sie nur in geistigen Höhen sahen, mit der Erdenentwickelung verbinden werde. Wenn man die Erde dazumal, vor dem Mysterium von Golgatha, in allen ihren Weiten durchforschte nach dem, was man aus ihr wissen konnte, fand man den Christus nicht. Daher hat die Erdenwissenschaft der alten vor dem Mysterium von Golgatha lebenden Völker selbstverständlich den Christus nicht. Aber wenn die Eingeweihten dieser Mysterien einen gewissen Grad erreicht hatten, wurde ihnen verkündet das Kommen des Christus auf die Erde.

Bedenken Sie nun, wie das alles anders ist seit dem Mysterium von Golgatha. Es ist ja gerade das Gegenteil davon seit dem Mysterium von Golgatha da. Seit dem Mysterium von Golgatha findet man, wenn man hier die Erdenentwickelung durchforscht, den Christus hineinverwoben in die ganze Geschichte derjenigen Völker, die eben schon vom Christentum durchdrungen sind. Und eine geschichtliche Darstellung zu geben, ohne vom Christus zu sprechen, ist eigentlich ein Unding. Das hat sogar der Historiker Ranke empfunden und sich noch in seinem hohen Alter die Frage gestellt, ob denn Geschichte überhaupt etwas heißt, wenn man nicht überall zeigt, wie der Christus-Impuls in den einzelnen Erscheinungen drinnen lebt. Dafür aber ist in denjenigen Welten, in die man aufsteigen kann, aus denen der Christus herausgekommen ist, um eben mit der Erdenentwickelung sich zu verbinden, der Christus nicht so unmittelbar darin. Man muß dann schon von jenen Höhen herunterschauen auf die Erde und sehen, wie er sich mit der Erde verbunden hat." (Lit.: GA 167, S. 198f)

Der Erdgeist im Jahreslauf

"Wir wissen ja, wie nur eine materialistische Weltanschauung des Glaubens sein kann, daß allein der Mensch innerhalb der Weltenordnung mit einem Erkenntnis-, Gefühls- und Willensvermögen begabt sei; während man anerkennen muß vom Standpunkte einer spirituellen Weltanschauung, daß ebenso, wie es unterhalb der Menschenstufe Wesenheiten gibt, es auch Wesenheiten gibt oberhalb der menschlichen Stufe des Denkens, Fühlens und Wollens. In diese Wesenheiten kann sich der Mensch einleben, wenn er eben als Mikrokosmos im Makrokosmos untertaucht. Wir müssen aber dann von diesem Makrokosmos so sprechen, wie wenn er nicht nur ein Raumesmakrokosmos sei, sondern wie wenn die Zeit in ihrem Verlaufe Bedeutung habe im Leben des Makrokosmos. Wie der Mensch sich zurückziehen muß von all den Eindrücken, die auf seine Sinne ausgeübt werden können aus seiner Umgebung, wie er gleichsam um sich herum durch das Abschließen seiner Sinneswahrnehmung Finsternis erzeugen muß, um im Inneren das Licht des Geistes anzuzünden, wenn er in die Tiefen seiner Seele hinuntersteigen will, so muß derjenige Geist, den wir als den Erdgeist bezeichnen können, abgeschlossen sein von den Eindrücken des übrigen Kosmos. Es muß das geringste Maß von Wirkungen von dem äußeren Kosmos auf den Erdgeist ausgeübt werden, damit der Erdgeist selber sich innerlich konzentrieren, seine Fähigkeiten innerlich zusammenziehen kann. Denn dann werden die Geheimnisse entdeckt, die der Mensch deshalb durchzumachen hat mit diesem Erdgeist, weil die Erde als Erde aus dem Kosmos herausgesondert ist.

Solch eine Zeit, wo das größte Maß der Eindrücke vom äußeren Makrokosmos auf die Erde ausgeübt wird, ist die Sommersonnenwendezeit, die Johannizeit. Es erinnern uns daher viele Nachrichten aus alten Zeiten, die an Festesdarstellungen und Festesbegehungen anknüpfen, wie solche Feste inmitten der Sommerzeit stattfanden, wie die Seele in der Mitte des Sommers dadurch, daß sie sich des Ich entäußert und aufgeht im Leben des Makrokosmos, trunken hingegeben ist den Eindrükken vom Makrokosmos.

Aber umgekehrt erinnern uns die legendarischen oder sonstigen Darstellungen desjenigen, was in der Vorzeit erlebt werden konnte, dann, wenn das geringste Maß der Eindrücke vom Makrokosmos zur Erde kommt, daran, daß der Erdgeist, in sich konzentriert, die Geheimnisse des Erdenseelenlebens im unendlichen All erlebt, und daß der Mensch, wenn er sich hineinbegibt in dieses Erleben zu der Zeit, in welcher am wenigsten Licht und Wärme gesendet wird aus dem Makrokosmos zur Erde, dann die heiligsten Geheimnisse miterlebt. Daher wurden diese Tage um die Weihnachtszeit herum immer so heilig gehalten, weil der Mensch, als er in seinem Organismus noch die Fähigkeit hatte, mitzuerleben das Erdenerleben in der Zeit, wo es am konzentriertesten ist, mit dem Erdgeist Zusammensein konnte." (Lit.: GA 158, S. 171ff)

"Die Zeit, in welcher das geringste Maß von Eindrücken aus dem Makrokosmos zur Erde kommt, die Zeit von Weihnachten bis über das Neujahr hinaus, ungefähr bis zum 6. Januar, ist wohl geeignet, daß man sich nicht nur erinnere an das Gegenständliche der geistigen Erkenntnis, sondern an die Empfindungen, die wir in uns entwickeln müssen durch das Aufnehmen der Geisteswissenschaft. Wahrhaft leben wir uns also wieder hinein in den Erdgeist, mit dem wir zusammen doch eine Ganzheit bilden, und mit dem lebte das alte, hellseherische Erkennen, wie es uns etwa in dieser Legende von Olaf Asteson dargestellt ist." (Lit.: GA 275, S. 89f)

Der Erdgeist in Goethes Faust-Dichtung

Goethe schildert bekanntlich die Erscheinung des Erdgeists in seiner Faust-Dichtung:

"Goethe hat in seinen Faust nicht etwa nur die Enttäuschungen eines in die Irre gehenden Erkenntnisdranges hineinlegen wollen; er wollte vielmehr die im Wesen des Menschen begründeten Konflikte dieses Dranges selbst darstellen. Der Mensch ist in jedem Augenblicke seines Daseins mehr^ als sich zum Vollbringen seines Lebens enthüllen darf. Der Mensch soll sich entwickeln aus seinem Innern heraus; er soll entfalten, was in vollem Maße zu erkennen ihm erst nach der Entfaltung gegönnt sein kann. Seine Erkenntniskräfte sind so geartet, daß sie selbst zur Unzeit an das herangebracht, was sie zur rechten Zeit bewältigen sollen, durch ihren eigenen Gegenstand betäubt werden können. - Faust lebt in alle dem, was in den Worten des Erdgeists sich offenbart. Aber dieses sein eigenes Wesen betäubt ihn, als es ihm anschaulich vor die Seele tritt in dem Augenblicke, in dem seine Lebensreife, dieses Wesen nicht erkennend, zum Bilde wandeln kann.

Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
Nicht mir!

Bei diesen Worten stürzt Faust zusammen. Im Grunde hat er sich geschaut; aber er kann sich nicht gleichen, weil er, was er ist, nicht erkennend umfassen kann. Die Selbstanschauung hat das dieser Anschauung nicht gewachsene Bewußtsein betäubt.

Faust stellt die Frage: «Nicht dir! Wem denn?» - Die Antwort wird dramatisch gegeben. Wagner tritt ein. Dieser selbst ist die Antwort auf das «Wem denn?». Seelischer Hochmut war es, der in Faust im Augenblicke das Geheimnis des eigenen Wesens erfassen wollte. Was in ihm lebt, ist zunächst nur das Streben nach diesem Geheimnis; das Ebenbild dessen, was er im Augenblicke von sich erkennend umfassen kann, ist Wagner. Man wird die Szene mit Wagner ganz mißverstehen, wenn man nur auf den Gegensatz blickt zwischen dem hochgeistigen Faust und dem beschränkten Wagner. In der Begegnung mit diesem nach der Erdgeistszene sollte Faust begreiflich werden, daß er mit seiner Erkenntniskraft im Grunde auf der Wagnerstufe steht. Dramatisch gedacht ist in der hier in Frage kommenden Szene Wagner das Ebenbild von Faust." (Lit.: GA 022, S. 47f)

"... der springende Punkt liegt darin, daß Faust sich abwendet von dem, was sich ihm offenbart von dem Zeichen des Makrokosmos, der ganzen Welt. Er will zunächst nichts wissen von den Beziehungen des Menschen zu dem ganzen umfassenden großen All. Er wendet sich zum Erdgeist, zu dem, was ihm offenbaren will, was der Mensch nur aus den Kräften der Erde hat. Was sich ihm aus dem Makrokosmos offenbart, das ist ihm ein Schauspiel, «aber ach, ein Schauspiel nur!» Da wendet er sich ab. Aber der Erdgeist weist ihn von sich. Faust glaubte durch den Erdgeist irgend etwas ergreifen zu können, was mit seinem tiefsten Wesen zusammenhängt. Der Erdgeist bringt ihn zum Niederstürzen. Und dann die Worte: «Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!»

Nun frage man: Wer ist es, den der Faust begreift? Er selbst sagt: «Nicht dir! - Wem denn?» - und herein tritt Wagner. Alles, was du bisher entwickelt hast, ist bloßes Gefühlsstreben; was du schon in dir trägst, schaue es an - in Wagner! Das ist die andere Natur des Faust." (Lit.: GA 181, S. 268f)

"In wunderbar schönen Worten wird von Faust der Erdgeist charakterisiert. Wir sehen, wie er ahnt, daß das, was der Planet Erde ist, nicht einfach jene physische Kugel ist, als die sie von der Naturwissenschaft angesehen wird, sondern gerade so, wie der Leib eine Seele enthält, so der Erdenleib einen Geist.

In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall' ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff' ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.

Das ist das, was in der Erde lebt als der Geist der Erde, wie in uns unser Geist lebt. Aber Goethe kennzeichnet den Faust als noch nicht reif, seinen Geist als noch unvollendeten. Abwenden muß er sich von dem furchtbaren Zeichen wie ein furchtsam weggekrümmter Wurm. Der Erdgeist antwortet ihm: «Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir.» In Goethes Seele lebte die Erkenntnis, wenn sie zunächst auch nur eine ahnende war, daß wir auf keiner Stufe uns befriedigt erklären dürfen, sondern von jeder Stufe aus höhere und immer höhere Stufen erstreben müssen, daß wir auf keiner Stufe sagen können, wir haben etwas erreicht, sondern von jeder Stufe aus immer höher streben müssen. Goethe führten in diese Geheimnisse hinein seine emsigen Studien von Erscheinung zu Erscheinung. Und nun sehen wir ihn wachsen. Denselben Geist, den er zuerst gerufen hat, und von dem er nur sagen konnte: «Schreckliches Gesicht!», läßt Goethe durch Faust anreden, nachdem Goethe selber eine höhere Stufe erreicht hatte nach der Italienreise, nach seiner Reise, die ich so charakterisiert habe, daß er die ganze Natur und Kunst mit seiner Anschauung durchdringen wollte. Jetzt ist Faust gestimmt, wie Goethe selber gestimmt war. Jetzt steht Faust vor demselben Geiste, den er also anredet:

Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,
Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst
Dein Angesicht im Feuer zugewendet.
Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,
Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht
Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,
Vergönnest mir in ihre tiefe Brust
Wie in den Busen eines Freunds zu schauen.
Du führst die Reihe der Lebendigen
Vor mir vorbei, und lehrst mich meine Brüder
Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.
Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt,
Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste
Und Nachbarstämme quetschend niederstreift,
Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert;
Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst
Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust
Geheime tiefe Wunder öffnen sich.
Und steigt vor meinem Blick der reine Mond
Besänftigend herüber: schweben mir
Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch
Der Vorwelt silberne Gestalten auf,
Und lindern der Betrachtung strenge Lust.

Da ist Goethe und mit ihm Faust zu der Höhe gelangt, nicht mehr sich wegzuwenden von dem Geist, den er im Sprunge hat erreichen wollen. Jetzt tritt ihm der Geist als ein solcher entgegen, von dem er sich nicht mehr hinwegzuwenden braucht. Jetzt erkennt er ihn in allem Lebendigen, in allen Reichen der Natur: in Wald und Wasser, im stillen Busch, in der Riesenfichte, in Sturm und Donner. Und nicht nur da. Nachdem er ihm erschienen ist in der großen Natur draußen, erkennt er ihn auch in seinem eigenen Herzen: seine geheimen tiefen Wunder öffnen sich." (Lit.: GA 272, S. 27f)

"Denken Sie sich einige Meilen von der Erde erhoben: Sie können da nicht als physischer Mensch leben, Sie hören auf als Mensch zu leben. Sie sind bloß ein Glied unserer Erde, wie meine Hand ein Glied meines Körpers ist. Die Illusion, daß Sie selbständige Wesen sind, entsteht nur dadurch, daß Sie herumspazieren auf der Erde, während die Hand angewachsen ist. Das tut aber nichts. Goethe meinte etwas ganz Wirkliches, wenn er vom Erdgeist spricht. Er meint, daß die Erde eine Seele hat, deren Glieder wir sind. Er spricht von etwas Wirklichem, wenn er den Erdgeist [im «Faust»] sprechen laßt:

In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.

So ist schon der physische Mensch ein Glied des Erdenorganismus und Teil eines Ganzen. Und nun bedenken Sie es geistig und seelisch: da ist es genau so. Wie oft habe ich betont, daß die Menschheit nicht leben könnte, wenn sie sich nicht auf Grund der anderen Reiche weiter entwickelt hätte. Ebenso kann der hoher entwickelte Mensch nicht sein ohne den niedriger entwickelten. Ein Geistiges kann nicht sein ohne diejenigen, die zurückgeblieben sind, wie ein Mensch nicht sein kann, ohne daß Tiere zurückgeblieben sind, wie ein Tier nicht ohne Pflanze, eine Pflanze nicht ohne Mineral sein kann. Am schönsten ist dies ausgedrückt im Johannes-Evangelium nach der Fußwaschung: Ich könnte nicht sein ohne euch... - Die Jünger sind eine Notwendigkeit für Jesus, sie sind sein Mutterboden. Das ist eine große Wahrheit." (Lit.: GA 264, S. 387)

"Aber Faust ist eben der Menschheitsrepräsentant, der dem 16. Jahrhundert angehört, also schon der fünften nachatlantischen Periode, derjenigen Periode, die sich der Anschauung naht: Ich lebe als der Erdeneremit auf einem Staubkorn des Universums. - Da wäre es nicht mehr ehrlich gewesen von dem jungen Goethe, Faust hinbücken zu lassen zu dem Geiste der großen Welt. Als Menschheitsrepräsentant könnte das bei Faust nicht der Fall sein, denn der Mensch hatte in seinem Bewußtsein keinen Zusammenhang mehr mit den Himmelskräften, die auf- und niedersteigen und sich die goldenen Eimer reichen, das heißt, mit den Wesenheiten der höheren Hierarchien. Das war verfinstert, das war nicht mehr da für das Menschheitsbewußtsein. So konnte sich Faust nur an dasjenige halten, womit er etwa verknüpft sein konnte als Erdeneremit: Er wandte sich an den Genius der Erde.

Daß sich Faust an den Genius der Erde wendet, das ist etwas, ich möchte sagen, radikal Grandioses, was bei Goethe auftritt: Denn das ist die Wendung, welche das menschliche Bewußtsein in diesem Zeitalter genommen hat, hinweg von den sich verfinsternden Himmelsmächten zu dem Genius der Erde, auf den der Geist selber hingewiesen hat, der durch das Mysterium von Golgatha gegangen ist. Denn dieser Genius, der durch das Mysterium von Golgatha gegangen ist, hat sich mit der Erde verbunden. Er hat dadurch, daß er sich mit der Erdenmenschheitsentwickelung verbunden hat, dem Menschen nun die Kraft gegeben, in der Zeit, da er nicht mehr hinauf blicken kann zu den Gelstern der Himmel, hinzusehen zu den Geistern der Erde, und die Geister der Erde sprechen nun im Menschen. Früher waren es die Sterne in ihrem Weben, welche die Himmelsworte offenbarten der Menschenseele, die diese Himmelsworte deuten und erkennen konnte. Jetzt mußte der Mensch auf seinen Zusammenhang mit der Erde hinsehen, das heißt, sich selber fragen, ob der Genius der Erde in ihm spricht.

Aber nur erst nebulose Worte, mystisch pantheistische Worte, kann Goethe in seinem Zeitalter dem Genius der Erde abringen. Richtig ist es, grandios ist es, daß Faust sich zu dem Genius der Erde wendet, aber ich möchte sagen, ganz grandios ist es, daß Goethe noch nicht irgend etwas, was schon befriedigen kann, diesenGenius der Erde aussprechen läßt. Daß der Genius der Erde erst, ich möchte sagen, die Weltengeheimnisse in mystisch pantheistischen Formeln stottert und stammelt, statt sie in scharf umrissener Weise auszusprechen, das zeigt eben, daß Goethe seinen Faust genial hineingestellt hat in das Zeitalter, in welchem er seinen, Faust und sich sah." (Lit.: GA 221, S. 57f)

"In Goethes Jugend wird «Faust» so begonnen, daß Faust das Buch desNostradamus auf schlägt, wo geschildert wird, «wie Himmelskräfte auf- und niedersteigen und sich die goldenen Eimer reichen». Dann wird aber das Blatt umgeschlagen und gesagt: «Du Geist der Erde bist mir näher.» Goethe weist das große Tableau des Makrokosmos zurück und läßt nur den Erdgeist an seinen Faust herankommen. Als er dann im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts von Schiller veranlaßt wurde, den «Faust» umzudichten, schuf er den «Prolog im Himmel»." (Lit.: GA 217, S. 144)

Literatur

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  2. Rudolf Steiner: Bewußtsein – Leben – Form , GA 89 (2001), ISBN 3-7274-0890-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Kosmogonie, GA 94 (2001), ISBN 3-7274-0940-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft, GA 96 (1989), ISBN 3-7274-0961-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  5. Rudolf Steiner: Das christliche Mysterium, GA 97 (1998), ISBN 3-7274-0970-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  6. Rudolf Steiner: Natur- und Geistwesen – ihr Wirken in unserer sichtbaren Welt, GA 98 (1996), ISBN 3-7274-0980-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  7. Rudolf Steiner: Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis, GA 100 (1981), ISBN 3-7274-1000-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  8. Rudolf Steiner: Die Apokalypse des Johannes, GA 104 (1985), ISBN 3-7274-1040-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  9. Rudolf Steiner: Von Jesus zu Christus, GA 131 (1988), ISBN 3-7274-1310-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  10. Rudolf Steiner: Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen, GA 136 (1996), ISBN 3-7274-1361-1 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  11. Rudolf Steiner: Die Welt des Geistes und ihr Hereinragen in das physische Dasein, GA 150 (1980), ISBN 3-7274-1500-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  12. Rudolf Steiner: Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt, GA 158 (1993), ISBN 3-7274-1580-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  13. Rudolf Steiner: Gegenwärtiges und Vergangenes im Menschengeiste, GA 167 (1962), ISBN 3-7274-1670-X pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  14. Rudolf Steiner: Geistige Wirkenskräfte im Zusammenleben von alter und junger Generation. Pädagogischer Jugendkurs., GA 217 (1988), ISBN 3-7274-2170-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  15. Rudolf Steiner: Erdenwissen und Himmelserkenntnis, GA 221 (1998), ISBN 3-7274-2210-6 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  16. Rudolf Steiner: Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes «Faust», Band I: Faust, der strebende Mensch , GA 272 (1981), ISBN 3-7274-2720-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  17. Rudolf Steiner: Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914, GA 264 (1987), ISBN 3-7274-2650-0 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  18. Rudolf Steiner: Kunst im Lichte der Mysterienweisheit, GA 275 (1990), ISBN 3-7274-2750-7 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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