Carl Gustav Jung und Kategorie:Protein: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Jung_1910-rotated.jpg|thumb|Carl Gustav Jung (1910)]]
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'''Carl Gustav Jung''' (* 26. Juli 1875 in Kesswil, Schweiz; † 6. Juni 1961 in Küsnacht, Schweiz), meist kurz ''C. G. Jung'', war ein Schweizer [[wikipedia:Psychiater|Psychiater]] und der Begründer der [[Analytische Psychologie|analytischen Psychologie]].
[[Kategorie:Biochemie]]
 
[[Kategorie:Chemische Verbundung]]
== C.G. Jungs Typologie ==
[[Kategorie:Zellbiologie]]
[[Bild:Psychische Basisfunktionen Jung-de.svg|thumb|left|Die psychischen Basisfunktionen nach Jung]]
[[Kategorie:Nährstoff]]
[[Bild:Persona.svg|right|250px|thumb|Typisch männliche Einstellung der '''Persona''', bei der das äußere Ich dem objektiven Denken, das innere jedoch der subjektiven Gefühlswelt zugewandt ist. Die Hauptfunktion, das Denken, beherrscht hier die Ich-Hülle, die ''Persona''. Die minderwertige Funktion, das Fühlen, kommt hier der '''Anima''' zu.]]
[[Kategorie:Protein|!]]
Die von Jung entwickelte Typologie psychologischer Typen und/oder psychischen Einstellungen zum Leben hat auch außerhalb der an Jung orientierten Forschung und Rezeption Aufmerksamkeit und Anerkennung bis in den Alltag hinein gefunden. Die Unterscheidung zwischen Menschen mit extravertierter und introvertierter Einstellung geht auf Jung zurück. Jung kombiniert diese Grundunterscheidung mit den Anpassungs- oder Orientierungsfunktionen Intuition, Empfindung,[[Fühlen]] und Denken, wodurch sich acht bzw. 16 verschiedene Einstellungen des Individuums zu sich selbst und zur Welt ergeben, die bei jedem Menschen in individueller Mischung vorkommen. <ref>C.G. Jung: Gesammelte Werke, Bd. 6. Psychologische Typen. / Jolande Jacobi: Die Psychologie von C.G. Jung, Seite 20ff.</ref>
 
"Diese vier Funktionstypen, die beim Individuum durch die jeweilige Vorherrschaft der einen oder der anderen Funktion feststellbar sind, haben in dieser Form natürlich nur in der Theorie Gültigkeit. Im Leben kommen sie fast niemals rein vor, sondern mehr-minder als Mischtypen (...) Ein reiner Denktypus war z.B. [[Kant]], wogegen [[Schopenhauer]] schon als intuitiver Denktypus bezeichnet werden muß. Die Funktionen, aber nur die 'benachbarten', können also vielfach als Mischtypen auftreten, und wenn sie so in Mischtypen mit geringerem oder größerem Überwiegen der einen Funktion erscheinen, machen sie die Zuordnung des Individuums zu einem Funktionstypus außerordentlich schwierig." (Jacobi, S. 26)
 
Nach Jung sind Empfindung und Intuition irrationale Funktionen, Denken und Fühlen rationale Funktionen. Das Fühlen in diesem rationalen Sinne ist mit einem Werturteil verbunden, z.B. einem Geschmacksurteil, was in einer Situation passendes Verhalten sei, oder mit Bezug auf das eigene Wohlergehen, das Gefühl, ob einem der Besuch einer bestimmten Party am Wochenende gut tun würde. Denken ist eine Orientierungsfunktion, die über eine geschlossene begriffliche Ordnung der Welt verfügt, die auch einer Leitidee untergeordnet sein kann. Ein jedes Ding oder Ereignis hat in solchem System seinen Platz und erfährt einen entsprechenden Umgang. Der Empfindungstyp orientiert sich mehr an dem, was sich ihm empirisch zu zeigen scheint. Er beobachtet genau, und beachtet subtile Differenzen, die ihm Information oder auch ästhetischen Genuß liefern. Der intuitive Typus orientiert sich mittels der Erfassung von Ganzheiten, spontanen Eingebungen, was es mit einem Vorfall oder Menschen auf sich habe. So kann z.B. ein machtbewußter Mensch im Umgang mit anderen möglicherweise intuitiv spontan erkennen, welche Menschen seinen Machtanspruch gefährden, und welche für seine Vorhaben ungefährlich sind.
 
Die Anordnung der vier Grundtypen im Kreis ist also nicht beliebig. Die vier Mischtypen sind "Empirisches Denken", "Intuitives spekulatives Denken", "Empfindendes Fühlen" und "Intuitives Fühlen". Dabei kann so eine Mischung ausgeglichen sein, oder aber eine Funktion überwiegen, was meist der Fall ist. Die gegenüber liegenden Kombinationen Denken und Fühlen, oder Empfinden und Intuieren kommen gemäß dieser Lehre nicht vor. Meist ist eine Funktion sehr gut entwickelt, und eine weitere Hilfsfunktion zusätzlich in geringerem Maße, während die gegenüberliegende Funktion die minderwertige (i.S.v. unentwickelt, eher unbewußt, unterdrückt, unspezialisiert etc.) Funktion ist. Die Extraversion oder Intraversion liegt jeweils auf einer Hälfte des Kreises. Die gegenüberliegende Funktion Fühlen ist bei einem extravertierten Denktypus z.B. introvertiert. Wenn die entwickelte Denkfunktion introvertiert ist, ist entsprechend dann die Funktion des Fühlens extravertiert.
 
Diese grundsätzlichen Funktionstypen und Einstellungen bilden die Basisbausteine für C.G. Jungs psychologische Struktur- und Entwicklungslehre. Weitere Konzepte bzw. in empirischer Hinsicht vorkommende Persönlichkeitsaspekte sind [[Persona_(C.G._Jung)|Persona]], [[ Anima_(Archetypus)|Anima - bzw. Animus]], der [[Schatten_(Archetypus)|Schatten]] sowie das [[Selbst_(Archetypus)|Selbst]]. Die Integration zunächst der minderwertigen Funktion und des Schattens, und dann der Anima bzw. dem Animus kann zur Selbstfindung und [[Individuation]] führen.
 
== Das kollektive Unbewusste und seine Archetypen ==
Nach der Jung sind die Archetypen Manifestationen des [[kollektives Unbewusstes|kollektiven Unbewußten]].
 
Um zu verdeutlichen was er unter dem Archetypus verstand, brachte Jung gern das Beispiel
mit dem in der Mutterlauge vorhandenen, aber nicht sichtbaren Kristallgitter, das erst durch das Anschießen der Ionen und Moleküle als Kristall in Erscheinung tritt. Die so entstandenen Kristalle
basieren zwar alle auf der präformierten Strukturmatrize (dem Kristallgitter), aber treten als sichtbare Erscheinung in den unterschiedlichsten Formen auf (vergleichbar mit dem Bild des Archetypus, welches dann im Bewusstsein erscheint).  <ref>[[Wikipedia:Aniela Jaffé|Aniela Jaffé]]: ''Der Mythus von Sinn: im Werk von C.G. Jung'', 3. Aufl., Daimon-Verlag 1983, Seite 21-22 [http://books.google.com/books?id=IHWJ5gZ0ytoC&pg=PA21&dq=%22Um+den+Unterschied+zwischen+dem+Archetypus%22&hl=de&sa=X&ei=jdgkUZyIAa3h0wGT74HIAQ&ved=0CCYQ6AEwAA#v=onepage&q=%22Um%20den%20Unterschied%20zwischen%20dem%20Archetypus%22&f=false Buch bei Google Books] </ref> 
 
Jung erkannte in Träumen vier Hauptkategorien von archetypischen Symbolen:
* den ''[[Schatten_(Archetypus)|Schatten]]'', welcher der Ich-Sphäre zuzurechnen ist und unterdrückte oder verdrängte Persönlichkeitsanteile enthält, bzw. den „dunklen Doppelgänger“, der die verdrängte Seite der Persönlichkeit symbolisiert und in den Träumen den Helden oder die Heldin verfolgt als Zeichen, dass die unterdrückten Teile der Persönlichkeit bewußt werden "möchten" und integriert werden sollten
* die Sirene, Liebesgöttin oder Sophia ''[[Animus und Anima|Anima]]'' und der Liebhaber bzw. der Märchenprinz ''Animus'', die eigenen gegengeschlechtlichen psychischen Anteile der Persönlichkeit, fordern beim Auftreten im Traum jeweils zur Integration der jeweils andersgeschlechtlichen Eigenschaften im Leben auf
* den ''alten Weisen'' oder ''die alte Weise'', die Weisheitsschicht der Psyche,
* und den Archetyp des ''[[Selbst_(Archetypus)|Selbst]]'', welcher sowohl Ich als auch Unbewusstes umfasst, Zentrum und Umfang der Gesamtpsyche darstellt und die zentrale Selbststeuerungs- und Entwicklungsinstanz der Psyche ist.
 
{{"|Der <<Archetypus an sich>> ist unerkennbar; er stellt eine <<hypothetische unanschauliche Vorlage>> dar.}}
<ref>C. G. Jung: ''Archetypen des koll. Unbewußten'', GW IX 1, Seite  15. Zitiert nach: Aniela Jaffé: ''Der Mythus von Sinn: im Werk von C.G. Jung'', 3. Aufl., Daimon-Verlag 1983, Seite 22  (Das erweiterte Originalzitat aus Jung, Gesammelte Werke: Fußnote 8 Seite 15, lautet: "Man muß, um genau zu sein, zwischen 'Archetypus' und 'archetypischen Vorstellungen' unterscheiden. Der Archetypus stellt an sich eine hypothetische, unanschauliche Vorlage dar, wie das in der Biologie bekannte 'pattern of behavior'. Siehe dazu [Jung,] Theoretische Überlegungen zum Psychischen.[GW VIII]" Fußnote 8 ist am Ende des folgenden Satzes eingefügt: "Der Archtypus stellt wesentlich einen unbewußten Inhalt dar, welcher durch seine Bewußtwerdung und das Wahrgenommenwerden verändert wird, und zwar im Sinne des jeweiligen individuellen Bewußtseins, in welchem er auftaucht.")</ref> 
{{"|Ob die seelische Struktur und ihre Elemente, eben die Archetypen, überhaupt je entstanden sind, das ist eine Frage der Metaphysik und daher nicht zu beantworten.}}  
<ref>C. G. Jung: '' Mutterarchetypus '', GW IX 1, Seite  114 f. Zitiert nach: Aniela Jaffé: ''Der Mythus von Sinn: im Werk von C.G. Jung'', 3. Aufl., Daimon-Verlag 1983, Seite 21 </ref> 
 
Diese eher ernüchternden Aussagen Jungs lassen vermuten, dass er die höheren Bewusstseinsstufen ([[Überpsychisches Bewusstsein]] und [[Spirituelles Bewusstsein]]) nicht kannte.
<ref>Wenn es um den Vergleich von Rudolf Steiner und C.G. Jung geht, macht [[Gerhard Wehr]] hingegen folgende Aussage: {{"|Fatal wird sich auswirken, wenn man einer Gestalt wie Steiner im Gegenüber zu Jung eine „höhere“ Erkenntnisqualität beimisst.}} (info3 Januar 2011 [http://www.info3.de/c5-style/magazin/info3/archiv/2011/januar/dialoge-koennen-nur-auf-augenhoehe-gelingen/ Text])</ref> 
Er erkannte nur {{"|wie sich die betreffenden Tatsachen, auf die Ebene der [[Psychisches Bewusstsein|Imagination]] projiziert, abbilden.}}
<ref>[[Hans Erhard Lauer]]: ''Die Rätsel der Seele'', 2. Aufl. 1964, S. 109f. (Siehe dazu auch [[Carl Gustav Jung#Analytische Psychologie und Anthroposophie im Vergleich|Analytische Psychologie und Anthroposophie im Vergleich]]) </ref>
Ähnlich wie Kant,
<ref>{{"|C.G. Jung war stark von Kant beeinflusst, den er schon in seiner Sudienzeit studiert hatte...Jung hat sich Zeit seines Lebens streng an die Grenzen der Erkenntnis gehalten, obwohl man ihm gerade Grenzüberschreitungen in Richtung der Metaphysik zum Vorwurf machte.}} (Alfred Ribi (Studienleiter am Jung-Institut): ''Neurose - an der Grenze zwischen krank und gesund: Eine Ideengeschichte zu den Grundfragen des Menschseins'', Springer  2011, [http://books.google.com/books?id=gxnUPyyc5uEC&pg=PA47&lpg=PA47&dq=%22C.+G.+Jung+war+stark+von+Kant+beeinflusst%22&source=bl&ots=mMiMjcIXbF&sig=RQ1SiKMlG88kA_ZrAQHX60vlS4Q&hl=de&sa=X&ei=HJE7Uf-IOIb9ygGhhIB4&ved=0CBoQ6AEwAA#v=onepage&q=%22C.%20G.%20Jung%20war%20stark%20von%20Kant%20beeinflusst%22&f=false Text]) </ref>
der es das [[Ding an sich]] nennt, sprach er von etwas für den Menschen unerreichbaren.
 
=== Persona und Schatten ===
Die Persona (griech. = Maske) ist diejenige Seite der Persönlichkeit, die der sozialen Umwelt zugewandt ist. Sie manifestiert sich akut in allen Situationen, in denen "man sich zeigt", auf die Straße tritt z.B., ist aber auch sonst allgegenwärtig, als eine Fassung des Selbstverständnisses, die der Mensch oft nicht mal in der privaten Kammer für sich allein ablegen kann. Sie enthält all die vermeinten guten oder vorteilhaften, meist bewußten und differenzierten Eigenschaften, die sich ein Mensch zuschreibt, mit denen er sich identifiziert, und hält andere Züge der Persönlichkeit, die "dunklen", meist unbewußt, im ''Schatten''. Diese Polarität korrespondiert mit der entwickelten Anpassungsfunktion und der polaren minderwertigen, unentwickelten Funktion. Ein Professor z.B. hat typischerweise eine Persona, die seine intellektuelle Kompetenz herausstreicht, die Anpassungsfunktion des Denkens ist gut entwickelt und ist Hauptbestandteil der Persona. Die Gefühlsfunktion ist bei solchem Typus dann entsprechend minderwertig (gemäß den Ansprüchen der Persona), undifferenziert und unentwickelt, meist unbewußt verdrängt, versteckt, und dem Schatten zugehörig.
 
Man kann zwar den Schatten nicht mit dem kleinen [[Hüter der Schwelle]], wie ihn Rudolf Steiner beschreibt, gleichsetzen, aber auf dem Weg zur [[Individuation]], wie ihn Jung mit seiner Psychologie beschreibt, hat die Konfrontation mit dem Schatten eine vergleichbare Bedeutung, wie sie auf dem [[Schulungsweg]] für den Jünger mit dem kleinen Hüter der Schwelle gegeben ist.
 
=== Anima und Animus ===
Nach der Integration des Schattens ist der Weg zur Selbstfindung frei für die Begegnung des männlichen Menschen mit der Anima, des weiblichen Menschen mit dem Animus. Anima und Animus liegen wie der Schatten polar zur Persona. Für den entwickelten Menschen, der individuiert ist, stellt die integrierte Anima bzw. der Animus ein imaginatives Wahrnehmungsorgan dar, Anima bzw. Animus sind insofern das Tor zur geistigen Welt. Diese Auffassung Jungs korrespondiert mit derjenigen von Rudolf Steiner, daß auf dem Schulungsweg Lust und Schmerz zu Wahrnehmungsorganen werden.
Ein besonderes Kennzeichen der Individuation nach der Lehre Jungs ist, daß es da vorzugsweise um Vollständigkeit der Seelenentwicklung geht, nicht um Vollkommenheit. Vollständigkeit meint die allseitige Ausbildung der Fähigkeiten, d.h. Entwicklung aller vier Anpassungsfunktionen, zu einer Art Vollmenschlichkeit, statt einseitig an der Vervollkommnung etwa des Denkens oder des Fühlens zu arbeiten, und dabei die anderen Seelenfunktionen zu vernachlässigen. (Dies entspricht der Regel 20 von "[[Licht_auf_dem_Weg|Licht auf den Pfad]]").
 
== Analytische Psychologie und Anthroposophie im Vergleich ==
Rudolf Steiner sieht in der analytischen Psychologie problematische Halbwahrheiten. In einem Vortrag ([[GA 66]]) äußert er sich im Jahre 1917 wie folgt:
 
<div style="margin-left:20px">
"Nun trat ja in der neueren Zeit das hervor, was man die
analytische Psychologie nennt. Diese analytische Psychologie
ist, ich möchte sagen, von guten Ahnungen beseelt.
Denn was will sie? Diese analytische Psychologie, oder wie
man sie gewöhnlich heute nennt, Psychoanalyse, sie will
von dem gewöhnlichen Seelenleben zu dem heruntersteigen,
was in dem gewöhnlichen gegenwärtigen Seelenleben nichtyp
mehr enthalten ist, aber Rest ist aus früherem seelischen
Erleben. Der Psychoanalytiker nimmt an, das seelische
Leben erschöpfe sich nicht in dem gegenwärtigen seelischen
Erleben, in dem bewußten seelischen Erleben, sondern das
Bewußtsein tauche hinunter ins Unterbewußte. Und in vielem,
was im seelischen Leben als Störung, als Verwirrung,
als dieses oder jenes Mangelhafte auftritt, sieht der
Psychoanalytiker eine Wirkung des unten im Unterbewußten
Wogenden. Aber interessant ist es, was in diesem Unterbewußten
der Psychoanalytiker nun sieht. Wenn man hört,
was er aufzählt in diesem Unterbewußten, so ist es zunächst
getäuschte Lebenshoffnung. Der Psychoanalytiker
findet irgendeinen Menschen, der unter dieser oder jener
Depression leidet. Diese Depression braucht ihren Ursprung
nicht im gegenwärtigen bewußten Seelenleben zu haben,
sondern in der Vergangenheit. In diesem Leben trat einmal
irgend etwas im seelischen Erleben auf. Der Mensch ist darüber hinausgekommen, aber nicht vollständig; im Unterbewußten ist ein Rest geblieben. Er hat zum Beispiel Enttäuschungen erlebt. Er ist durch Erziehung, durch andere
Vorgänge, mit dem bewußten Seelenleben über diese Enttäuschungen hinweggekommen, aber im Unterbewußten,
da leben sie. Da wogt sie, diese Enttäuschung, gewissermaßen bis an die Grenze der Bewußtheit heran. Da erzeugt
sie dann die unklare seelische Depression. Der Psychoanalytiker sucht also in allerlei Enttäuschungen, in getäuschten Lebenshoffnungen, die ins Unterbewußte heruntergezogen sind, dasjenige, was das bewußte Leben in
einer dunklen Weise bestimmt. Das sucht er auch in dem,
was das Seelenleben als Temperament färbt. In dem, was
das Seelenleben aus gewissen rationalen Impulsen heraus
färbt, sucht der Psychoanalytiker ein Unterbewußtes, das
gewissermaßen nur anschlägt an das Bewußtsein. Dann
aber kommt er zu einem weiten Gebiete - ich referiere hier
nur —, welches der Psychoanalytiker dadurch faßt, daß er
sagt: Da spielt herauf in das bewußte Leben der animalische
Grundschlamm der Seele. Nun soll gar nicht geleugnet werden, daß dieser Grundschlamm vorhanden ist.
(...)
In dem, was der Psychoanalytiker in den enttäuschten Lebenshoffnungen in den Untergründen der Seele sucht, liegt, wenn er nur tief genug
darauf eingeht, dasjenige, was sich vorbereitet in einem
gegenwärtigen Leben, um schicksalsmäßig in ein nächstes
Leben einzugreifen.
 
So findet man überall, wenn man den animalischen
Grundschlamm — ohne sich die Hände dabei zu beschmutzen,
wie es bei den Psychoanalytikern leider so häufig geschieht
- umgräbt, durchforscht, das geistig-seelische Weben des
Schicksals, das über Geburt und Tod mit dem geistig-seelischen Leben der Seele hinausgeht. Gerade an der
analytischen Psychologie haben wir ein Gebiet, an dem so recht
gelernt werden kann, wie alles richtig und alles falsch ist,
wenn es sich um Weltanschauungsfragen handelt, nämlich
von der einen oder anderen Seite aus."{{Lit|{{G|066|179ff}}}}
</div>
 
In [[GA 181]] (1918) heißt es über einen Züricher Professor Jung und seine analytische Psychologie:
 
<div style="margin-left:20px">
In Zürich macht man ja insbesondere Bekanntschaft mit der dort bereits akademiefähig gewordenen analytischen Psychologie, der sogenannten Psychoanalyse, und gerade an meine Vorträge haben sich die merkwürdigsten Auseinandersetzungen über die Beziehungen der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft zur Psychoanalyse angeschlossen. Aber die Psychoanalytiker kommen sozusagen mit geistig verbundenen Augen an diese Welt der Geisteswissenschaft heran, können sich nicht in sie hineinfinden. Aber diese Welt pocht an die Türe desjenigen, was heute den Menschen erschlossen werden soll. Da ist zum Beispiel in Zürich ein Professor Jung, der erst jüngst wieder eine Broschüre über Psychoanalyse geschrieben hat - er hat viele Schriften darüber verfasst - und der manches Problem darin berührt; aber er zeigt damit gerade, dass er alles nur mit unzulänglichen Mitteln anpacken kann. Ich will eine Tatsache anführen, aus deren Erwähnung Sie gleich sehen werden, was ich meine. Jung führt ein Beispiel an, das überhaupt viel von den Psychoanalytikern angeführt wird. Einer Frau passiert das Folgende. Sie ist eines Abends in einer Gesellschaft eingeladen, sie soll in einem Hause zum Abend bleiben. Die Dame des Hauses, wo sie eingeladen ist, soll gleich, nachdem das Abendessen verlaufen ist, in einen Badeort reisen, weil sie nicht ganz gesund ist. Das Abendbrot nimmt seinen Verlauf, die Dame des Hauses fährt ab, die Gäste gehen auch fort. Mit einem Trupp Gäste geht auch die eingeladene Dame, die ich meine. Die Leute gingen, wie man das ja zuweilen zu tun pflegt, wenn man abends aus einer Gesellschaft kommt, nicht auf dem sogenannten Bürgersteig, sondern sie gingen auf der Mitte der Straße. Da kommt auf einmal eine Droschke um eine Ecke gefahren. Die Leute wichen dem Wagen nach den Bürgersteigen hin aus, aber jene erwähnte Dame nicht. Sie lief mitten auf dem Fahrdamm weiter, gerade vor den Pferden vorweg. Der Kutscher schimpfte, aber sie lief immer in derselben Weise weiter, bis sie an eine Brücke kam, die über einen Fluss führte. Da beschloss sie, um dieser unangenehmen Situation zu entgehen, sich über die Brücke in den Fluss zu stürzen. Das tat sie, und sie konnte von den Leuten der Gesellschaft, die ihr nachgelaufen waren, gerade noch gerettet werden. Und weil es nun für die Gesellschaft das Nächstliegende war, wurde sie gerade wieder in das Haus der abgereisten Frau, wo sie herkamen, zurückgebracht. Sie fand dort den Gatten jener abgereisten Dame und konnte in seinem Hause mit ihm einige Stunden zubringen. Nun denken Sie sich, was ein Mensch mit unzulänglichen Mitteln alles aus einer solchen Begebenheit machen kann. Man findet dann, wenn man nach Art der Psychoanalytiker an die Sache herangeht, jene geheimnisvollen Provinzen in der Seele, die uns davon unterrichten, dass die Seele schon in ihrem siebenten Lebensjahre irgendein Erlebnis gehabt hat, das mit Pferden zusammenhängt, so dass die Frau auf jenem Fortgange aus der Gesellschaft, indem der Anblick der Droschkenpferde jenes frühere Erlebnis aus dem Unterbewusstsein heraufrief, dadurch so perplex gemacht worden ist, dass sie nicht zur Seite sprang, sondern vor der Droschke davonlief. So wird für den Psychoanalytiker der ganze Vorgang ein Ergebnis des Zusammenhanges gegenwärtiger Erlebnisse mit «ungelösten Seelenrätseln» aus dem Gebiete der Erziehung und so weiter. Alles dies aber ist ein Verfolgen der Dinge mit unzulänglichen Mitteln, weil der betreffende Psychoanalytiker nicht weiß, dass dieses im Menschen waltende Unterbewusste wesenhafter ist, als er annimmt, dass es sogar auch viel raffinierter und viel gescheiter ist als das, was der Mensch aus seinem bewussten Verstande hat. Auch viel mutiger und viel kühner ist oft dieses Unterbewusstsein. Denn der Psychoanalytiker weiß nur nicht, dass ein Dämon in der Seele jener Frau saß, die weggegangen, ich könnte ebensogut sagen, schon hingegangen ist mit dem unterbewussten Gedanken, allein zu sein mit dem Manne, wenn die Frau abgereist sein wird. Das alles ist veranstaltet mit den raffiniertesten Mitteln des Unterbewusstseins, denn man tut alles viel sicherer, wenn man mit dem Bewusstsein nicht dabei ist. Die Dame lief einfach vor den Rossen einher, um abgefangen zu werden, wenn es so weit ist, und verhielt sich danach. Aber solche Dinge durchschaut der Psychoanalytiker nicht, weil er nicht voraussetzt, dass es überall eine geistig-seelische Welt gibt, zu der die Menschenseele in Beziehung steht. Aber Jung ahnt so etwas. Aus den zahlreichen Dingen, die ihm auftreten, ahnt er, dass die Menschenseele zu zahlreichen andern Seelen in einer Beziehung steht. Aber er muss doch Materialist sein, denn sonst wäre er doch kein gescheiter Mensch der Gegenwart. Was macht er also? Er sagt: Überall steht die Menschenseele - man sieht das an den Dingen, die mit der Menschenseele vorgehen - in Beziehung zu außerseelischen geistigen Tatsachen. - Diese gibt es aber doch nicht! Also wie hilft man sich da? Nun, die Seele hat eben einen Körper, der von andern Körpern abstammt, und diese wieder von andern; dann gibt es eine Vererbung, und Jung konstruiert sich zusammen, dass die Seele vererbungsgemäß alles das nachlebt, was man an Verhältnissen zum Beispiel zu den heidnischen Göttern erlebt hat. Das steckt noch in einem, durch Vererbung steckt es in einem, und das werden «isolierte Seelenprovinzen», die erst heraufkatechisiert werden müssen, wenn man die Menschenseele davon befreien will. Er sieht es sogar ein, dass es der Menschenseele ein Bedürfnis ist, dazu eine Beziehung zu haben, und dass sie das Nervensystem ruinieren, wenn es nicht heraufgeholt wird ins Bewusstsein. Daher spricht er den Satz aus, der ganz berechtigt ist aus der modernen Weltanschauung heraus: Die Menschenseele kann nicht, ohne dass sie innerlich zugrunde geht, ohne Beziehung zu einem göttlichen Wesen sein. Dies ist ebenso sicher, wie es auf der andern Seite sicher ist, dass es ja ein göttliches Wesen gar nicht gibt. Die Frage nach der Beziehung des menschlichen Seelenwesens zum Gotte hat mit der Frage der Existenz Gottes nicht das geringste zu tun. So steht es in seinem Buche. Also bedenken wir, was da eigentlich vorliegt: Es wird wissenschaftlich konstatiert, dass die Menschenseele sich ein Verhältnis zu Gott konstruieren muss, dass es aber ebenso sicher ist, dass es töricht wäre, einen Gott anzunehmen; also ist die Seele zu ihrer eigenen Gesundheit verurteilt, sich einen Gott vorzulügen. Lüge dir vor, dass es einen Gott gibt, sonst wirst du krank! - das steht eigentlich in dem Buch. Man sieht aber daraus, dass die großen Rätselprobleme an die Pforten pochen, und dass sich die Gegenwart nur gegen diese Dinge stemmt. Würde man mutig genug sein, so würde auf Schritt und Tritt heute etwas ähnliches zutage treten. Man ist nur nicht mutig genug. Denn ich sage dies alles nicht, um dem Professor Jung etwas am Zeuge zu flicken, sondern weil ich glaube, dass er in seinem Denken schon mutiger ist als alle andern. Er sagt das, was er sagen muss nach den Voraussetzungen der Gegenwart. Die andern sagen es nicht, sie sind noch weniger mutig.
{{G|181|022}} ''Fußnoten zur Passage in GA 181:''<ref>Zur Psychoanalyse vgl. u. a. auch die Vorträge vom 10. und 11. November 1917, in:
«Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen» (9 Vorträge, St.
Gallen, Zürich und Dornach 1917), GA 178.
Jung ... eine Broschüre über Psychoanalyse: Carl Gustav Jung, 1875-1961, Arzt. Siehe
«Die Psychologie der unbewußten Prozesse. Ein Überblick über die moderne Theorie
und Methode der analytischen Psychologie», Zürich 1917, (späterer Titel: «Das Unbewußte
im normalen und kranken Seelenleben»),
*22/23 Jung führt ein Beispiel an: Ebenda, S. 18 ff. - Vgl. auch S. 91 ff. in diesem Band.
*24 Aber Jung ahnt so etwas .... Er sagt: Ebenda, S. 85 ff.
*25 Daher spricht er den Satz aus: Ebenda, wörtlich: «Erst in der Aufklärungsepoche fand
man, daß die Götter doch nicht wirklich existierten, sondern nur Projektionen waren.
Damit waren sie auch erledigt. Aber die ihnen entsprechende psychologische Funktion
war keineswegs erledigt, sondern verfiel dem Unbewußten, wodurch die Menschen
selber vergiftet wurden, durch einen Überschuß an Libido, der vorher im Kult des
Götterbildes investiert war. Die Entwertung und Verdrängung einer so starken Funktion,
wie es die religiöse ist, hat natürlich beträchtliche Folgen für die Psychologie des Einzelnen
» (S. 115 f.) und «Der Gottesbegriff ist nämlich eine schlechthin notwendige psychologische
Funktion irrationaler Natur, die mit der Frage nach der Existenz Gottes überhaupt
nichts zu tun hat. Denn diese letztere Frage gehört zu den dümmsten Fragen,
die man stellen kann. Man weiß doch hinlänglich, daß man sich einen Gott nicht einmal
denken kann, geschweige denn sich vorstellen, daß er wirklich existiere, so wenig wie
man sich einen Vorgang denken kann, der nicht notwendig kausal bedingt wäre» (S. 91).</ref>
</div>
[[Hans Erhard Lauer]] arbeitet in "Die Rätsel der Seele" verschiedene Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Im Anhang, der der 2. Auflage (1964) zugefügt wurde, äußert er sich dahingehend, daß Jung zwar nur über die [[Psychisches Bewusstsein|imaginative Erkenntnisstufe]] verfügte, aber bezüglich des Christentums im wesentlichen mit der Anthroposophie übereinstimme:
<div style="margin-left:20px">
"So war es also, wenn auch Vergangenes, so doch immerhin Europäisch-Christlich-Abendländisches, das in Jungs seelischen Erlebnissen sich erneuerte. Daraus erklärt sich auch seine intensive Beziehung zu dem Mysterium, das in der Gestalt Jesu Christi seinen Ausdruck gefunden hat. Auch darf behauptet werden, daß seine Auffassungen gerade auch in diesem Punkte in vollem Einklang stehen mit denjenigen, die Rudolf Steiner hierüber vertreten hat. Nur unterscheiden sie sich von diesen zugleich wieder charakteristischerweise darin, daß Steiner zur Darstellung brachte, was einer über die Imaginationsstufe hinausgehenden geistigen Erfahrung sich erschließt, während Jung nur zur Erscheinung kommt, wie sich die betreffenden Tatsachen, auf die Ebene der Imagination projiziert, abbilden. Übereinstimmt er mit Steiner aber darin, daß er - wie es in der Einleitung zu seiner Selbstbiographie (von A. Jaffé) heißt - 'der christlichen Forderung des Glaubens die Notwendigkeit des Verstehens und Nachdenkens gegenüberstellte'. Oder, wie er es selbst an einer Stelle ausspricht: 'Ich lasse der christlichen Botschaft nicht nur eine Tür offen, sondern sie gehört ins Zentrum des westlichen Menschen. Allerdings bedarf sie einer neuen Sicht, um den säkularen Wandlungen des Zeitgeistes zu entsprechen; sonst steht sie neben der Zeit und die Ganzheit des Menschen neben ihr.' Außerdem aber handelt es sich im besonderen bei jenem [[Alchimie|alchimistisch-rosenkreuzerischen]] Seelenwandlungsprozeß, dem der von ihm durchgemachte in gewisser Weise entsprach, um jene Bestrebungen, durch welche der spezifische Geistesweg gerade der neueren Zeit inauguriert worden ist. Es kommt dies bei Jung darin zum Ausdruck, daß er auf diesem Seelenweg zu dem '''Individuationsprozeß''' 'als dem zentralen Begriff seiner Psychlogie' gelangte." (Lauer in "Die Rätsel der Seele", 2. Aufl. 1964, S. 109f.)
</div>
 
== Siehe auch ==
 
[[Psychoanalyse]]
 
[[Archetypen#Psychologie:_Das_kollektive_Unbewusste_mit_den_Archetypen_von_C.G._Jung|Archetypen nach C.G. Jung]]
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
== Literatur ==
* Jolande Jacobi: ''Die Psychologie von C. G. Jung.'' Rascher, Zürich 1940; 22. Auflage: Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-596-26365-3. ''(Dieses schmale Taschenbuch enthält ein Geleitwort von Jung, in dem er diese Arbeit als adäquate Einführung und Überblick seiner Lehre autorisiert
* [[Gerhard Wehr]]: ''C. G. Jung'' (= ''Rowohlts Monographien.'' Bd. 152). Rowohlt, Reinbek 1969; 21. Auflage 2006, ISBN 3-499-50152-X.
* [[Gerhard Wehr]]: ''Carl Gustav Jung. Leben – Werk – Wirkung.'' Kösel, München 1985; 3., erweiterte Auflage: Telesma, Schwielowsee 2009, ISBN 978-3-941094-01-7.
* [[Hans Erhard Lauer]]: ''Die Rätsel der Seele. Tiefenpsychologie und Anthroposophie''. Verlag die Kommenden, Freiburg 1982, 5. Aufl. ISBN 3782302095 ''(Lauer analysiert detailliert, inwiefern sich die Auffassung des Seelischen und Geistigen der analytischen Psychologie Jungs von der Anthroposophie unterscheidet)''
* C.G. Jung: ''Erinnerungen, Träume, Gedanken''. Patmos; Auflage: 17. Auflage 2011. ISBN 3843601917 ''(Aufgezeichnet und herausgegeben von Aniela Jaffé. Dieses Buch hat auch autobiographischen Charakter und es ist besonders im Hinblick auf die geschilderten übersinnlichen Erfahrungen, die Jung machte, lesenswert.)''
* C.G. Jung, J.J. Clarke (Hrsg.): ''C.G. Jung und der östliche Weg'', Patmos 2005, ISBN 3491698146 ''(Dieses Buch enthält eine Zusammenstellung von Texten Jungs über die Spiritualität des Ostens, mit einer lesenswerten gelehrten Einleitung des Herausgebers.)''
* Rudolf Steiner: ''Geist und Stoff, Leben und Tod'', [[GA 66]] (1988), ISBN 3-7274-0660-7 {{Vorträge|066}}
* Jos. Hupfer: ''Der Begriff des Geistes bei C.G. Jung und bei R. Steiner'', in: Abhandlungen zur Philosophie und Psychologie, Heft 1, 1951, Dornach (Hrsg: Freie Hochschule für Geisteswissenschaft)
 
 
 
Kritische Literatur
* [[Gerhard Wehr]]: ''C. G. Jung und Rudolf Steiner: Konfrontation und Synopse''.  Klett-Cotta /J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger; Auflage: 2., veränd. A. (1998), ISBN 3608919341
''(Gerhard Wehr versteht es in diesem Werk, die analytische Psychologie im Vergleich zur Anthroposophie gerecht zu würdigen. Er sieht in Jung eine wenn nicht Steiner ebenbürtige, so doch große Gestalt, die einen eigenen Zugang zum Geistigen fand, und durch sein Werk diesen Weg für andere vermitteln kann.)''
 
 
{{GA}}
{{Wikipedia}}
 
 
 
 
 
 
[[Kategorie:Psychologe]][[Kategorie:Psychoanalyse]][[Kategorie:Seelenleben]][[Kategorie:Analytische Psychologie]]

Version vom 3. Dezember 2018, 19:41 Uhr