Ungarische Sprache: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 8. September 2018, 22:24 Uhr

Die ungarische Sprache (Ungarisch, magyar nyelv) gehört zum ugrischen Zweig der finno-ugrischen Sprachen innerhalb der uralischen Sprachfamilie.

Ungarisch, das somit anders als die meisten europäischen Sprachen nicht zur indogermanischen Sprachfamilie gehört, ist im südmitteleuropäischen Raum verbreitet und wird von über 13,5 Millionen Menschen gesprochen. Andere Schätzungen gehen von bis zu 15 Millionen Menschen aus. Ungarisch ist Amtssprache in Ungarn und seit dem 1. Mai 2004 auch eine der Amtssprachen in der EU.

Ursprung und Geschichte

Sprachverwandtschaft

Die vergleichende Sprachwissenschaft ordnet das Ungarische zusammen mit dem Chantischen und dem Mansischen, den Sprachen zweier indigener Völker Westsibiriens mit jeweils wenigen tausend Sprechern, der ugrischen Untergruppe der finno-ugrischen Sprachen zu. Die finno-ugrischen Sprachen wiederum bilden zusammen mit der kleinen Gruppe der samojedischen Sprachen die uralische Sprachfamilie.

Die Verwandtschaft zwischen den verschiedenen dieser Familie angehörigen Sprachen lässt sich vielfach vor allem über die Sprachstruktur nachweisen, während der Wortschatz zuweilen nur noch wenige Ähnlichkeiten aufweist. So sind die Urformen des Finnischen und Ungarischen schon seit vielen Jahrtausenden getrennt, und die Verwandtschaft ist nicht näher als die Beziehung verschiedener indogermanischer Sprachen wie etwa Deutsch und Persisch.

Entwicklung

Bis zu ihrer Landnahme an der Donau im 9. Jahrhundert lebten die Magyaren mehrere Jahrhunderte in intensivem Kulturkontakt mit den benachbarten turksprachigen Ethnien (Chasaren, Wolgabulgaren). Ein Einfluss auf die Sprachentwicklung erscheint daher möglich. Die Fremdbezeichnung „Ungar“ wird gelegentlich mit dem Namen einer hunno-bulgarischen Stammesföderation „Onogur“ mit der Bedeutung „zehn Pfeile“ in Verbindung gebracht. Während des Aufenthalts in der „Zwischenheimat“ in den Steppengebieten nördlich des Schwarzen Meeres (Etelköz) im 9. Jahrhundert können zudem Kultur- und Sprachkontakte mit den Krimgoten angenommen werden.

Erste Inschriften des Ungarischen sollen aus dem 9. Jahrhundert stammen, als sich die Magyaren noch der ungarischen Runenschrift bedienten. Die Datierung und Relevanz der ungarischen Runen ist allerdings umstritten. Mit der Christianisierung unter König Stephan I. kam das Lateinische als Quelle für zahlreiche Entlehnungen hinzu.

Als erstes Schriftdenkmal des Ungarischen gilt die Stiftungsurkunde der Benediktinerabtei von Tihany aus dem Jahre 1055. Das Schriftstück enthält in einem überwiegend lateinischen Text mehrere ungarische Wortverbindungen. Der früheste erhaltene Text in ungarischer Sprache ist die „Leichenrede“ (halotti beszéd) vom Ende des 12. Jahrhunderts.

Aus der Zeit der Herrschaft der Habsburger (1699–1867/1918) in Ungarn stammt der Einfluss der deutschen Sprache. Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 wurde in den Randgebieten (Slowakei, Kroatien, Siebenbürgen) eine Politik der intensiven Magyarisierung verfolgt, also der erzwungenen Durchsetzung des Ungarischen gegenüber den Regionalsprachen. Die Magyarisierung äußerte sich zahlenmäßig darin, dass der Anteil der magyarischen Bevölkerung im Königreich Ungarn nach offizieller Darstellung von etwa 29 % im Jahre 1780 auf 54 % im Jahre 1910 anstieg. Die aus der Magyarisierung resultierende Unzufriedenheit der nichtmagyarischen Bevölkerung des Königreichs Ungarn war 1918 eine der Hauptursachen für den Zerfall des Königreichs Ungarn.

Durch den Ersten Weltkrieg und die darauf folgenden Friedensverträge (Vertrag von Trianon) wurden etwa 3,2 Millionen Ungarn vom Mutterland getrennt;[1] die Hälfte davon lebte in Grenzgebieten (vor allem in der Südslowakei), die andere Hälfte im Innern der Nachbarstaaten, besonders in Nordsiebenbürgen (Rumänien) und in der Vojvodina (Nordserbien). Dadurch gibt es heute noch viele (nur) Ungarischsprechende in den genannten Ländern.

Nach dem Ungarischen Volksaufstand 1956 wanderten viele Ungarn aus. Ihre Ziele waren vor allem Nord- und Südamerika, Australien, Österreich und die Schweiz.

Der große sprachliche Abstand zu den Idiomen der Nachbarvölker (Deutsch, Rumänisch, Slowakisch, Kroatisch, Serbisch, Bosnisch) gehört zu den prägenden Momenten der ungarischen nationalen Identität. Ähnlich wie die Protobulgaren sind die Magyaren Nachfahren eurasischer Steppennomaden, die relativ spät nach Mitteleuropa eingewandert sind. Anders als die erstgenannten Völker haben sie jedoch ihre Sprache dauerhaft bewahrt.

Siehe auch

Literatur

Historische Wörterbücher

  • Albert Szenczi Molnár: Dictionarium Ungarico-Latino-Germanicum. Endter, Nürnberg 1708 (Digitalisat)

Grammatiken und andere sprachwissenschaftliche Veröffentlichungen

  • Szilvia Szita, Tamás Görbe: Gyakorló magyar nyelvtan / A Practical Hungarian Grammar, Akadémiai Kiadó Budapest (2009, 2010) ISBN 978-963-05-8703-7
  • Pál Kövesdi: Elementa Linguae Hungaricae sive Grammatica Hungarica. Svccincta methodo comprehensa et perspicuis exemplis illvstrata. Leuschoviae, 1686 (Digitalisat)
  • Anselm Mansvet Riedl: Magyarische Grammatik. Wien 1858 (Google-Digitalisat, dto. bei MEK)
  • Béla Szent-Iványi: Der ungarische Sprachbau. Hamburg: Buske, ³1995; ISBN 3-87548-101-1
  • László Keresztes: Praktische ungarische Grammatik. Debrecen: Debreceni Nyári Egyetem, 1992; ISBN 963-472-038-2
  • Mária D. Mátai: Kleine ungarische Sprachgeschichte. Hamburg: Buske, 2002; ISBN 3-87548-323-5
  • Tamás Forgács: Ungarische Grammatik. Wien: Edition Praesens, 2002 (²2004); ISBN 3-7069-0107-2
  • Gyula Décsy: Einführung in die finnisch-ugrische Sprachwissenschaft. Wiesbaden: Harrassowitz, 1965; ISBN 3-447-00248-4
  • Harald Haarmann: Die finnisch-ugrischen Sprachen. Soziologische und politische Aspekte ihrer Entwicklung. Hamburg: Buske, 1973; ISBN 3-87118-155-2
  • Ural-altaische Jahrbücher, hrsg. von der Societas Uralo-Altaica (SUA). Wiesbaden: Harrassowitz
  • Finnisch-Ugrische Forschungen. Zeitschrift für finnisch-ugrische Sprach- und Volkskunde, hrsg. von der Suomalais-Ugrilainen Seura (Finnisch-Ugrische Gesellschaft). Helsinki
  • Philologia Fenno-Ugrica. Zeitschrift für finnisch-ugrische Philologie und diachrone Linguistik, hrsg. von Béla Brogyanyi. Freiburg: Verlag Wissenschaft & Öffentlichkeit, Dr. Sabine Schuster, 2004; ISBN 3-930369-19-2
  • József Tompa, Kleine ungarische Grammatik. Akadémiai Kiadó, Budapest 1972; keine sichtbare ISBN, Vergleichlzenz Nr., LSV oder Bestnr.

Lehrbücher

Weblinks

Commons: Ungarische Sprache - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
Commons: Ungarische Aussprache - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wiktionary: Ungarisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Paul Lendvai: Die Ungarn. Eine tausendjährige Geschichte. Goldmann, 2001, ISBN 3-442-15122-8, hierzu S. 418


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