Anatta

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Anatta (Pali) oder Anātman (Sanskrit अनात्मन्) bedeutet „Nicht-Selbst“, „Nicht-Ich“ oder auch „Unpersönlichkeit“.

Nicht-Selbst

Die buddhistische Lehre von Anatta (Pāli) bezeichnet das Nichtvorhandensein eines permanenten und unveränderlichen Selbsts, festen Wesenskerns oder Seele. Was normalerweise als „Selbst“ betrachtet wird, ist demnach tatsächlich nur eine Ansammlung von sich konstant verändernden, physischen und psychischen Bestandteilen „(Skandhas“). Durch das Anhaften an die Vorstellung, dass der jeweils erlebte, temporäre Zustand eine Art von unveränderlicher und dauerhafter Seele bildet, entsteht Leiden. Die Lehre von „Anatta“ versucht die Buddhisten zu ermutigen, sich vom unangebrachten Anklammern an das zu lösen, was als fester Wesenskern betrachtet wird. Denn erst dadurch (unterstützt von ethischem Verhalten und Meditation), kann der Weg zur völligen Befreiung Nirvana erfolgreich gegangen werden.

Die Befreiung von der Illusion eines unveränderlichen (s. Anicca) Wesenskerns (das Atman der indischen Philosophie) führt auch zur Befreiung von dessen transzendenter, kosmischer Widerspiegelung, dem Brahman. Die Lehre von „Anatta“ ist somit die konsequente Weiterführung des Advaita-Vedānta, indem sie von der Nicht-Dualität zur Leerheit (Sunyata) führt.

Ein anderes Verständnis dieser Lehre (wie es vom Buddha in den „Tathagatagarbha“-Schriften des Mahayana erläutert wird) beinhaltet, dass zwar die fünf „Skandhas“ kein festes Selbst haben, denn sie sind der Veränderung und dem Verfall unterworfen, sich aber jenseits dessen noch das ewige Buddha-Prinzip, oder die Buddha-Natur („Buddha-dhatu“) befindet. Tief in jedem Wesen verborgen ist demnach das überweltliche und unvergängliche Wahre Selbst - dessen volle Wahrnehmung kann jedoch nur durch die Erleuchtung erreicht werden.

In der buddhistischen Lehre bildet Anatta zusammen mit Dukkha und Anicca die Drei Daseinsmerkmale der bedingten Existenz. Die Lehre von Anatta gilt als die wichtigste Lehre des Buddhismus, denn wer sie nicht versteht, der kann die gesamte buddistische Lehre nicht verstehen. Der Buddha wird darum auch als Anatta-vadi bezeichnet, als der Verkünder des Nicht-Selbst.

Erläuterung

Die buddhistische Lehre erklärt, dass alles im Leben einer kontinuierlichen Veränderung unterworfen ist und das alles, was existiert, nur in Abhängigkeit von Bedingungen existiert (pratitya-samutpada), welche ebenfalls nicht dauerhaft sind. Aus diesem Grund gilt die Vorstellung als falsch, dass irgendetwas ein dauerhaftes Selbst oder eine Seele hat.

Die Annahme eines dauerhaften und festen Selbsts wird von Buddhisten als einer der Hauptursachen für das menschliche Leid betrachtet. Der Buddha lehrte, dass wir durch die Wahrnehmung der Nichtexistenz unseres Ichs unsere weltlichen Begierden transzendieren können, um so über das Leid hinauszuwachsen.

Der Buddha hat immer wieder betont, dass alles Anhaften an die Vorstellung eines festen Selbsts falsch ist und auf Verblendung beruht. Damit richtete er sich vor allem auch gegen die in der damaligen Zeit vorherrschenden Lehren der Upanischaden, die die Existenz einer festen Seele lehren.

Die Lehren des Buddha beruhen auf der direkten Erkenntnis der Wahrheit und sie beinhalten daher kein Konzept von einem Selbst, welches erschaffen sein könnte durch Geburt, Imagination, Spekulation, metaphysische Studien oder durch eine Selbst-Identifikation. Die fünf Skandhas (Körper, Empfindungen, Wahrnehmungen, Geistesformationen, Bewusstsein) sind in diesem Zusammenhang sehr wichtig, weil ein Individuum ein Begehren, Anhaften an diese Skandhas formt und sich damit identifiziert. Wenn ein Mönch sein Begehren nach allen fünf Skandhas durch meditative Einsicht überwunden hat, erlebt er die Freude des Nicht-Anhaftens und verweilt in Weisheit. Der Buddha hat deutlich erklärt, dass alle fünf Skandhas unbeständig sind, genauso wie eine brennende Flamme unbeständig und dem ständigen Wechsel unterworfen ist.

Im Gegensatz dazu bezieht eine Minderheit innerhalb der Mahayana-Tradition die buddhistische Lehre von Anatta nur auf die kurzlebigen Elemente der fünf Skandhas eines Wesens, jedoch nicht auf die verborgene und unsterbliche Buddha-Natur. Gemäß der Mahayana-Lehren existiert die Buddha-Natur in den Tiefen des Geistes eines jeden Wesens. (Siehe dazu den Abschnitt "Anatta in den Tathagatagarba Sutras".)

Schwierigkeiten beim Verständnis

Schüler des Buddhismus stehen oft vor dem intellektuellen Dilemma, dass die Lehre von Anatta und die Lehre der Wiedergeburt einander auszuschließen scheinen. Wenn es kein Selbst gibt, keine dauerhafte Essenz einer Person, was wird dann wiedergeboren? Der Buddha diskutierte dies in einem Gespräch mit einem Brahmanen namens Kutadanta. Es ist demnach lediglich der karmische Impuls, der die Verbindung zwischen den einzelnen Leben herstellt. Es gibt keine Substanz, die übertragen wird.

Einige Buddhisten sagen, dass es nicht schwieriger sei zu verstehen, wie „Ich“ sterben und wiedergeboren werden kann, als zu verstehen, wie „Ich“ noch genau die selbe Person sein kann, die sie vor ein paar Minuten war. Für Buddhisten besteht keine Identität vom jeweils jetzigen Selbst mit dem Selbst, dass es noch vor einigen Minuten gab; und es gibt auch keine Identität von dem Selbst, dass gerade jetzt existiert, mit dem Selbst, dass noch vor einigen Leben existierte. Verbunden sind sie nur durch eine Kontinuität der Veränderung, aber nicht jedoch durch eine feste Substanz. Gleichsam einem fließendem Fluss, der schon eine Minute später ein anderer ist.

Eine weitere Schwierigkeit beim Verständnis der Lehre von Anatta ist, dass sie der Vorstellung von der Buddhalehre als einem Pfad der Praktik widerspricht. Aus der Lehre von Anatta kann man ableiten, dass es niemandem möglich sein kann, sich selbst vom Anhaften zu befreien. Da es kein Selbst gibt, kann das Selbst kein Selbst befreien. Erst wenn auch die Vorstellung von einem Selbst losgelassen wurde, kann die Befreiung stattfinden.

Anatta (Anatman) in den Tathagatagarbha Sutras

Das Verständnis des „Nicht-Selbsts“ (hier in Sanskrit Anatman genannt) in den Mahayana-Schriften, die "Tathagatagarbha"-Sutras bekannt sind, unterscheidet sich von anderen Interpretationen und ist daher bemerkenswert: Die Lehre, die in diesen Texten vom Buddha präsentiert wird, stellt klar, dass es nur die vergänglichen Elemente (Skandhas) eines empfindenden Wesens sind, welche das „Nicht-Selbst“ („Anatman“) darstellen, während die tatsächliche Realität, die innewohnende Essenz („Svabhava“) des Wesens nicht weniger ist als das Buddha-Prinzip („Buddha-dhatu“ - „Buddha-Prinzip“ oder „Buddha-Natur“) selbst, rein und todlos. Im „Mahayana Mahaparinirvana Sutra“ wird dieses innewohnende, unsterbliche Buddha-Element als das „wahre Selbst“ bezeichnet. Es wird nicht durch die Wiedergeburt beeinflusst, ist immer vollkommen makellos, strahlend rein und wartet auf die Entdeckung in den Tiefen des verunreinigten Alltagsbewusstseins eines jeden Wesens. Im „Tathagatagarbha Sutra“ erklärt der Buddha, dass er mit seinem Buddha-Auge dieses verborgene Buddha-Juwel in jedem Wesen sehen kann. Der Buddha: „Verborgen in den Klesas (mentale Verunreinigungen) von Gier, Hass und Verblendung, sitzt erhaben und unbeweglich die Weisheit des Tathagatas (des Buddhas), die Wahrnehmung des Tathagatas und der Körper des Tathagatas. ... alle Wesen, obwohl in ihnen alle Formen der geistigen Verunreinigungen gefunden werden können, haben ein Tathagatagarbha (Buddha-Essenz), welches für alle Zeiten vollkommen rein ist, und das gesättigt ist mit Tugenden, welche sich nicht von meinen Tugenden unterscheiden.“ (Lopez, 1995, p.96). Folglich bekommt die Lehre vom „Nicht-Selbst“ eine kontroverse Darlegung in den Tathagatagarbha-Sutras, in denen sie nur als relative Tatsache, aber nicht aber als absolute Wahrheit dargestellt wird.

Siehe auch

Weiterführende Literatur

  • Donald S. Lopez, Jr., Buddhism in Practice. Princeton University Press (1995).
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