Baruchbuch

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Das gnostische Baruchbuch, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Buch Baruch des christlich-alttestamentarischen Bibelkanons, wird erstmals von Hippolyt von Rom ausführlich referiert (Refutatio V,26) und ist wohl den Ophiten (von griech. ὄφις, Ophis, „Schlange“) bzw. Naassener (von hebr. נָחָשׁ nachasch, „Schlange“, hier transkripiert als nahas bzw. naas) zuzurechnen, die in ihren Kulten die Paradiesesschlange als göttliches Wesen verehrten. Als Verfasser nennt Hippolyt einen Gnostiker namens Justinus, der vermutlich im 1. oder 2. Jahrhundert lebte und wirkte.

„So schwöre denn, sagt Justinus, wenn du erkennen willst, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und was in keines Menschen Herz gedrungen“[1], den über alles Guten, den Oberen, das Geheimnis der Lehre unausgesprochen zu bewahren. Denn auch unser Vater, nachdem er den Guten gesehen und ihm zur Seite eingeweiht wurde, hat das zu Verschweigende unausgesprochen bewahrt und hat geschworen, wie geschrieben steht: „Der Herr hat geschworen und es wird ihn nicht reuen“[2]. Wenn Justinus dies so hat bekräftigen lassen, so ergötzt er die Anfänger mit mancherlei Fabeln in mancherlei Büchern und führt sie so zu dem „Guten“, indem er sie in die unaussprechlichen Mysterien einweiht. Um aber nicht all zu vieles durchgehen zu müssen, wollen wir die Geheimnisse aus einem seiner Bücher, das nach seiner Meinung ein Meisterwerk ist, vorlegen. Das Buch ist Baruch betitelt; eine der zahlreichen darin enthaltenen Fabeln wollen wir als von Herodot stammend nachweisen; er gibt sie umgestaltet als etwas Neues seinen Zuhörern wieder und macht sich aus ihr die ganze Grundlage seines Lehrgebäudes.“

Hippolyt von Rom: Widerlegung aller Häresien (Refutatio omnium haeresium) V,24 [2]

Hippolyt verurteilt das Werk als schändlichen Rückfall in das Heidentum:

„Justinus ist durchweg gegen die Lehre der heiligen Schriften, insbesondere gegen das schriftliche Wort der heiligen Evangelisten; es unterwies ja der Logos seine Jünger mit den Worten: „Geht nicht auf den Weg der Heiden“[3], was doch bedeutet, man solle der nichtigen Lehre der Heiden kein Gehör geben.“

Hippolyt von Rom: Widerlegung aller Häresien (Refutatio omnium haeresium) V,23 [3]

Eugen Heinrich Schmitt merkt dazu kritisch an:

„Dieses System schreibt Hippolytus einem gewissen Justinus zu, den er, bezeichnend genug, darum als einen besonders schändlichen Menschen hinzustellen sucht, weil derselbe in der rückhaltslosesten Weise eines der grössten Hindernisse des geistigen Lebens, die Ausartungen tierischer Sinnlichkeit kennzeichnete, obschon aus den Ausführungen klar wird, dass dieser Justinus vielmehr einen strengen Asketismus predigte und den Erfolg des Jesus eben seiner triumphierenden Reinheit in geschlechtlicher Beziehung zuschrieb.“

Eugen Heinrich Schmitt: Die Gnosis, Band 1, S. 311[4]

Inhalt

Schmitt referiert den Inhalt des Baruchbuchs kurz wie folgt:

„Es werden drei Prinzipien des Universums unterschieden, erstens der gute Gott oder die allweise Gottheit, zweitens der Vater oder Geist, die schöpferische Kraft, genannt Elohim und drittens die Weltseele symbolisiert als eine Gestalt, deren Oberkörper ein Weib ist, das in einer Schlange endigt und die den Namen Eden trägt. Von Elohim und Eden gehen vierundzwanzig kosmische Kräfte oder Engel aus, zwölf die dem Willen des Vaters folgen, und zwölf, die der Natur der Mutter folgen. Die letzteren zwölf werden auch als die Bäume des Gartens Eden symbolisiert.

Die doppelte Zwölfzahl ist offenbar die Zahl der zwölf Monate des Jahres mit den aufsteigenden und abnehmenden Mondphasen als den männlichen und weiblichen Momenten. Die kosmischen formbildenden Kräfte erscheinen unter dem Bilde der aufsteigenden und absteigenden Phase des Sonnenjahres, wo diejenigen Kräfte, die der Fülle des Lichtes und dem Hochstand der Sonne bedeuten, die höheren, feineren, allvereinenden geistigeren Kräfte, die entgegengesetzten, dunkleren, kälteren dagegen die niedereren, mehr grobmateriellen, tierischen und vegetativen Formkräfte der Organisation darstellen. Es ist das Jahr ausserdem in seiner aufsteigenden und absteigenden Phase ein Symbol der aufsteigenden und absteigenden Allentwicklung, des kosmischen Ausatmens und Einatmens. Die Phase, in der die Auflösung des materiellen Kosmos beginnt, ist zugleich der Anfang des Sicherhebens zum Geiste, zum Urlichte; die Phase, in der der Prozess der Erlösung beginnt. Das wird von dem Mythus und der rituellen Darstellung des Mysteriums als ein Tanz im Kreise symbolisiert. Kreis um Kreise schwingen sich in immer höherer Verklärung empor zum reinen Urlichte, zum unerfassbaren „guten Gotte". Das sind die Kränze, welche die Äonen, nach dem Bilde Manis, auf das Haupt des Vaters legen.

Die Wendung zur Erlösung wird hier ganz in Übereinstimmung mit einer Reihe anderer gnostischer Zirkel, die unter verschiedenen anderen Namen bei den Kirchenvätern verhandelt werden, dargestellt. Der weltbildende Gott oder Demiurg erkennt schliesslich seine untergeordnete Natur und die Herrlichkeit des guten Gottes über ihm und steigt zu ihm empor, um zu seiner Rechten zu sitzen. Es ist das die Erhebung des psychischen Bewusstseins, welches das Geistige, Universale bloss in Bildern und Symbolen erkennt (wie die antiken Völker), zum Schauen der Vernunftwahrheit in ihrer reinen, nicht mehr bildlichen Weise die Verklärung des Menschengeistes zu dieser seligen Gestalt.

Mit dem Erwachen dieses höheren Bewusstseins erwacht aber zugleich in ihrer ganzen Gewalt und masslosen Natur die niedere organisierende Tätigkeit, die tierische Begierde. Wir finden dieses Zusammentreffen in der geschichtlichen Phase, als in Jesus sich das Himmelreich in seinem Strahlenglanz eröffnen sollte und zugleich die masslose Sinnlichkeit im weltbeherrschenden Rom ihre Orgien feierte und das Tier in der Fülle der Machtbegierde und der Sinneslust berauscht, seinen höchsten Triumph zu feiern schien. Dem Menschen enthüllte sich das Grenzenlose seiner eigenen Natur, und dort, wo die harmonische Befriedigung in der allein entsprechenden Form der höheren Formthätigkeit, der reinen, der geistigen nicht zur Geltung gelangen konnte, dort kam, bei der vorherrschenden niedrigen tierischen Tätigkeit dieser Drang nach dem Grenzenlosen zur Geltung in der masslosen Machtbegierde und Sinneslust.

Der unterste Teil der Weltseele erscheint nun verselbständigt in der Schlange, die dieser Zirkel Naas (hebräisch Nahasch) nennt, das Symbol der tierischen Begierde. Naas erscheint diesem Mythus entsprechend als die Schlange des Paradieses (des Gartens Eden, der Seele) und ebenso als der verbotene Baum der Sinneslust. Elohim dagegen sandte ans der Höhe einen Engel namens Bar uch dem Menschengeist zu Hilfe. Schon dem Moses und den Propheten war dies geistige Prinzip erschienen, doch Naas hatte fortwährend seine Belehrungen in der Menschenseele verdunkelt. Auch auf den hellenischen Mythus bezieht sich dieser gnostische Kreis und sieht in Herakles und seinen zwölf Arbeiten den Kampf des Sonnenprinzips, des Lichtgeistes mit den zwölf Mächten des niedrigeren Prinzipes, des Sinnlichen, der Weltseele. Ebenso war „Baruch" der Lehrer des Knaben Jesus, der im zwölften Jahre (wieder der Sonnencyklus) seinen Lehren lauschte und die Verlockungen des Naas verachtete.“

Eugen Heinrich Schmitt: Die Gnosis, Band 1, S. 309ff[5]

Im ausführlichen Bericht Hippolyts heißt es:

„Er sagt: Es gab drei unerzeugte Prinzipien des Alls, zwei männliche und ein weibliches. Von den männlichen heißt eines der Gute, und zwar wird dieses allein so genannt, er ist Vorauswisser aller Dinge; das andere heißt Vater alles Erzeugten, es ist ohne Vorherwissen, ohne Erkenntnis, ohne Sehvermögen. Das weibliche ist ohne Vorherwissen, zornmütig, hat zwei Seelen und zwei Leiber, ist in allem dem Mädchen der Herodotischen Fabel ähnlich, bis zur Scham Jungfrau, unterhalb Schlange, wie Justinus behauptet; dieses Mädchen heißt Edem und Israel. Dies sind die Prinzipien des Alls, Wurzeln und Quellen, aus welchen das Existierende entstand; etwas anderes gab es nicht. Da nun der Vater, der Nichtvorauswisser, jene Halbjungfrau Edem sah, überkam ihn Begierde nach ihr. Dieser Vater aber heißt Elohim; ebensosehr aber begehrte Edem nach Elohim, und die Begier vereinigte sie in einem Liebeserweis. Aus diesem Verkehr erzeugt sich der Vater mit der Edem zwölf Engel. Die Namen der väterlichen Engel sind: Michael, Amen, Baruch, Gabriel, Esaddaios..... und die Namen der mütterlichen Engel, die Edem zur Welt brachte, folgen gleichfalls. Es sind die folgenden: Babel, Achamod, Naas, Bel, Bellas, Satan, Sael, Adonaios, Kauithan, Pharaoth, Karkamenos, Lathen. Von diesen vierundzwanzig Engeln haben die väterlichen Gemeinschaft mit dem Vater und vollführen in allem seinen Willen, die mütterlichen mit Edem. Die Gesamtzahl all dieser Engel ist das Paradies, von dem Moses sagt: „Gott pflanzte das Paradies in Edem gegen Osten“1, d. h. gegen das Angesicht Edems, auf daß Edem das Paradies, d. i. die Engel, für immer sehe. Die Engel dieses Paradieses werden allegorisch Bäume2 genannt, und der Baum des Lebens ist der dritte der väterlichen Engel, Baruch; der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen ist der dritte der mütterlichen Engel, Naas. Dies sollen nach ihm die Worte des Moses bedeuten; Moses habe dies verdeckt gesagt, weil nicht alle zur Wahrheit gelangten. Nachdem aber das Paradies aus der gemeinsamen Liebe Elohims und Edems entstanden war, nahmen die Engel Elohims etwas von der schönsten Erde3, d. i. nicht vom tierischen Teil Edems, sondern von den menschlichen und edlen Teilen der Erde über der Scham und bildeten den Menschen. Aus den tierischen Teilen entstehen die Tiere und die übrigen Lebewesen. Den Menschen also machten (Elohim und Edem) zum Sinnbild ihrer Einheit und Liebe und legten ihre eigenen Kräfte in ihn, Edem die Psyche, Elohim das Pneuma4. Und der Mensch Adam wird zum Siegel und zum Denkmal der Liebe und zum ewigen Sinnbild der Ehe Edems und Elohims. Auf gleiche Weise ist auch Eva, wie von Moses5 aufgezeichnet ist, Abbild und Sinnbild, ewig zu hütendes Siegel der Edem geworden; in gleicher Weise ward auch in Eva, dem Abbilde, die Psyche von Edem, das Pneuma von Elohim6 gelegt. Und es wurden ihnen Weisungen gegeben: „Wachset und vermehret euch und erbet die Erde“7, d. i. die Edem; nach Justinus soll es so geschrieben stehen. Edem hat nämlich ihre ganze Kraft wie eine Mitgift bei der Hochzeit dem Elohim zugebracht. Und so, sagt er, bringen bis heute die Frauen in Nachahmung jener ersten Ehe den Männern eine Mitgift in Befolgung eines göttlichen und väterlichen Gesetzes, das zwischen Elohim und Edem Geltung hatte. Nachdem nun alles geschaffen war, wie es bei Moses steht8, der Himmel, die Erde und was darin ist, wurden die zwölf Engel der Mutter „in vier Ursprünge“9 geteilt, und jedes dieser Viertel heißt Fluß, Pheison, Geon, Tigris und Euphrat, wie Moses sagt; diese zwölf Engel umwandeln in vier Abteilungen die Welt und verwalten sie und haben von Edem eine Befehlsgewalt über die Welt. Sie bleiben aber nicht immer an den gleichen Stellen, sondern umwandeln wie in einem zyklischen Reigen die ihnen zugeteilten Räume, indem sie sich von Ort zu Ort begeben und nach Zeiten und Zwischenräumen ihren Platz wechseln. Wenn nun Pheison über die Räume herrscht, so entsteht in diesem Teil der Erde Hunger, Bedrängnis und Elend. Karg10 ist die Konstellation dieser Engel. Ebenso entstehen aus jedem der vier Teile nach der Kraft und Natur des einzelnen schlimme Zeiten und Epidemien; und so geht es für immer, ohne Unterbrechung, rund um die Welt gemäß der Herrschaft jener Viertel, wie ein Strom von Bosheit nach dem Willen der Edem. Das notwendige Böse hat folgenden Grund: Da Elohim in wechselseitiger Liebe die Welt hergestellt und gebildet hatte, wollte er in die oberen Schichten des Himmels aufsteigen und sehen, ob nicht etwas an seiner Schöpfung mangelhaft sei; er nahm die eigenen Engel bei seinem Aufstieg mit sich und ließ Edem unten zurück; da sie Erde war, wollte sie ihrem Gatten nicht hinauf folgen. Da nun Elohim oben an das Ende des Himmels kam und ein helleres Licht als das, das er geschaffen, sah, sprach er: „Öffnet mir die Tore, auf daß ich eingehe und dem Herrn bekenne; ich meinte nämlich, ich sei der Herr.“ Antwort ward ihm vom Lichte mit den Worten: „Dies ist das Tor des Herrn, Gerechte treten durch dasselbe ein“11. Und sofort ward das Tor geöffnet und der Vater trat ohne Engel zum Guten ein und sah „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und was in keines Menschen Herz gedrungen“12. Dann sprach der Gute zu ihm: „Setze dich zu meiner Rechten!“13 Der Vater aber sprach zum Guten: „Laß mich, Herr, die Welt, die ich geschaffen, vernichten; mein Pneuma ist an die Menschen gebunden, und ich will es wieder zu mir nehmen.“ Darauf sprach der Gute zu ihm: „Du kannst nichts Böses tun, da du bei mir bist; aus gemeinsamer Liebe habt ihr die Welt gemacht, du und Edem; lasse also Edem die Schöpfung besitzen, so lange sie will, du aber bleibe bei mir.“ Da erkannte Edem, daß sie von Elohim verlassen sei; voll Trauer ließ sie die eigenen Engel neben sich stehen und schmückte sich sorgfältig, ob vielleicht Elohim von Begierde ergriffen zu ihr herabkäme. Da aber Elohim, von dem Guten bezwungen, nicht mehr zu Edem herabkam, befahl Edem der Babel, die Aphrodite ist, Ehebrüche und Scheidungen bei den Menschen anzustiften; es sollte, so wie sie von Elohim geschieden war, auch das Pneuma Elohims, das in den Menschen ist, durch solche Scheidungen gequält und betrübt werden und dasselbe leiden, wie Edem in ihrer Verlassenheit. Und Edem gab ihrem dritten Engel Naas große Macht, damit er mit allen Strafen das in den Menschen befindliche Pneuma Elohims züchtige, um durch das Pneuma Elohim selbst zu strafen, der gegen die zwischen ihnen14 geschlossenen Verträge seine Gattin verlassen hat. Da der Vater Elohim dies sah, schickte er Baruch, seinen dritten Engel, aus, um dem in allen Menschen befindlichen Pneuma zu helfen. Baruch ging also und stellte sich mitten unter die Engel Edems, d. i. mitten in das Paradies — das Paradies sind nämlich die Engel, in deren Mitte er sich stellte — und verkündete dem Menschen: „Von jedem Baume, der im Paradiese ist, wirst du essend genießen, von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen“15. Dieser ist Naas; das bedeutet, den elf anderen Engeln Edems solle man gehorchen; sie haben zwar Leidenschaften, aber sie haben keine Ungerechtigkeit; Naas hatte aber Ungerechtigkeit; er machte sich an Eva heran, täuschte sie und trieb Ehebruch mit ihr, was Unrecht ist; er machte sich aber auch an Adam heran und mißbrauchte ihn wie einen Knaben, was gleichfalls Unrecht ist. Daraus entstand der Ehebruch und die mannmännliche Unzucht. Seit der Zeit beherrschte das Böse und das Gute, die beide zugleich vom Vater verursacht sind, die Menschen; da der Vater nämlich zu dem Guten hinaufstieg, zeigte er denen, die hinaufkommen wollen, den Weg; indem er Edem verließ, bewirkte er für sein in den Menschen befindliches Pneuma den Beginn von Übeln. Es wurde also Baruch zu Moses gesandt, und durch ihn sprach er zu den Söhnen Israels, daß sie sich zu dem Guten bekehren sollten. Der dritte....... verdunkelte durch die von Edem her in Moses wie in allen Menschen wohnende Psyche die Weisungen Baruchs und brachte die seinigen zu Gehör; deswegen ist die Psyche gegen das Pneuma gerichtet16 und das Pneuma gegen die Psyche. Die Psyche nämlich ist Edem, das Pneuma Elohim, beide wohnen in sämtlichen Menschen, den weiblichen wie den männlichen. Wiederum ward Baruch zu den Propheten gesandt, auf daß das in den Menschen wohnende Pneuma durch die Propheten zum Gehorsam komme und Edem und das verderbte Gebilde fliehe, wie der Vater Elohim geflohen ist; ebenso und mit derselben Absicht lockte Naas durch die mit dem Pneuma des Vaters im Menschen wohnende Psyche die Propheten an sich, und alle ließen sich verlocken und folgten den Worten Baruchs nicht, die Elohim aufgetragen hatte. Schließlich wählte Elohim aus der Vorhaut Herakles als Propheten und schickte ihn, um die zwölf Engel Edems niederzukämpfen und den Vater von den zwölf verderbten Engeln der Schöpfung zu befreien. Das sind die zwölf Arbeiten des Herakles, die er der Reihe nach ausführte, von der ersten bis zur letzten, den Löwen, die Hydra, den Eber und so fort; das sind die heidnischen Namen; diese Namen sind, wie er sagt, von der Kraft der mütterlichen Engel übertragen. Da nun Herakles meinte, alles vollbracht zu haben, schloß sich ihm Omphale, die Babel oder Aphrodite ist, an, verlockte ihn und nahm ihm seine Kraft, die Weisungen des Baruch, die Elohim aufgetragen hatte, und gab ihm ihr eigenes Gewand, d. i. die Kraft der Edem, der Kraft von unten, und so blieben die Prophezeiung und die Werke des Herakles ergebnislos. Schließlich aber, „in den Tagen des Königs Herodes“17, ward Baruch wieder von Elohim herabgeschickt und kam nach Nazareth. Dort fand er Jesus, den Sohn Josephs und Marias, Schafe hütend, als zwölfjährigen Knaben, und verkündete ihm alle Ereignisse von Edem und Elohim von Anfang an und alle späteren und sprach: „Alle Propheten vor dir ließen sich verlocken; bemühe dich, Jesus, Menschensohn, dich nicht verlocken zu lassen, sondern verkünde diese Lehre den Menschen und tue ihnen die Angelegenheiten des Vaters und die des Guten kund und steige auf zu dem Guten und nimm dort Platz mit Elohim, dem Vater von uns allen.“ Und Jesus sprach: „Herr, ich werde alles tun“ und folgte dem Engel und kündete. Auch ihn wollte Naas verführen, konnte es aber nicht; Jesus blieb nämlich Baruch treu. Naas ergrimmte nun, weil er ihn nicht verführen konnte, und ließ ihn kreuzigen; er aber ließ Edems Leib am Holze und stieg zu dem Guten auf. Er sprach zu Edem: „Weib, nimm dir deinen Sohn“18, d. i. den physischen und stofflichen Menschen, er aber gab das Pneuma in die Hände des Vaters und stieg zu dem Guten auf. Der Gute aber ist Priapos, der schuf, bevor etwas existierte. Deswegen heißt er Priapos, weil er zuerst das All erschuf19. Deswegen wird er von der ganzen Schöpfung geehrt, in jedem Tempel und auf den Wegen aufgestellt, die herbstlichen Früchte an sich tragend, d. i. die Früchte der Schöpfung, deren Urheber er ward, indem er die Schöpfung zuerst erschuf, die vorher nicht existierte. Wenn ihr nun die Menschen sagen hört, daß ein Schwan zur Leda kam und mit ihr Kinder erzeugte, so ist der Schwan Elohim und Leda Edem. Und wenn die Menschen sagen, daß ein Adler zur Ganymed gekommen sei, so ist der Adler Naas, Ganymed Adam. Und wenn sie sagen, das Gold sei zu Danae gekommen und habe mit ihr Kinder gezeugt, so ist das Gold Elohim, Danae ist Edem. Ebenso legen sie alle derartigen Erzählungen aus, indem sie ähnliche Mythen zusammenstellen. Wenn die Propheten sagen: „Höre, Himmel, und leihe das Ohr, Erde, der Herr hat gesprochen“20, so nennt der Prophet Himmel das Pneuma Elohims im Menschen, Erde die im Menschen mit dem Pneuma befindliche Psyche, Herr den Baruch, Israel Edem. Edem wird ja nach Justinus auch Israel, die Gattin Elohims, genannt. „Israel erkannte mich nicht“21. Wenn es nämlich erkannt hätte, daß ich bei dem Guten bin, hätte es das Pneuma, das durch die väterliche Unwissenheit in den Menschen ist, nicht gestraft......“

Hippolyt von Rom: Widerlegung aller Häresien (Refutatio omnium haeresium) V,26 [6]

„In dem ersten Buch, das „Baruch“ betitelt ist, steht auch ein Eid, den diejenigen schwören müssen, die diese Mysterien kennen lernen und bei dem Guten eingeführt werden wollen; diesen Eid, so sagt Justinus, schwor unser Vater Elohim, da er zum Guten kam, und es gereute ihn sein Schwur nicht, von dem geschrieben steht: „Der Herr hat geschworen und es wird ihn nicht gereuen“1. Der Schwur aber lautet so: „Ich schwöre bei dem über alles Erhabenen, dem Guten, diese Geheimnisse zu hüten und niemand mitzuteilen und mich nicht von dem Guten zur Schöpfung zurückzuwenden.“ Wenn einer diesen Eid geschworen hat, geht er zu dem Guten ein und sieht, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und was in keines Menschen Herz gedrungen ist“2, und trinkt vom lebendigen Wasser, das für sie Reinigung ist, die Quelle des strömenden lebenden Wassers, wie sie meinen3. Es ist Wasser von Wasser geschieden, und das Wasser unterhalb des Firmamentes ist das der verderbten Schöpfung, in dem die stofflichen und psychischen Menschen abgewaschen werden, und das Wasser oberhalb des Firmamentes ist das lebende Wasser4 des Guten, in dem sich die geistigen (pneumatischen) lebendigen Menschen abwaschen und in dem sich Elohim abwusch, den diese Waschung nicht gereute5. Und wenn der Prophet sagt: „Nimm dir ein Weib der Unzucht, denn buhlend treibt die Erde Buhlerei, fern vom Herrn6, d. i. Edem fern von Elohim, so drückt er hierin klar das ganze Geheimnis aus, und man hört nicht auf ihn wegen der Bosheit des Naas. Auf dieselbe Weise exegesieren sie in mehreren Büchern die anderen prophetischen Aussprüche. Ihr Hauptbuch ist aber das „Baruch“ betitelte, aus dem der Leser ihre ganze Behandlung des Mythos ersehen kann. Ich habe schon viele Häresien kennen gelernt, Geliebte, ich bin aber niemals auf etwas so Schlechtes gestoßen. Wahrhaftig, man sollte.....7 seinen (Justinus') Herakles nachahmen und den Augiasstall, besser noch die Kloake, ausräumen; die ihm anhangen, fallen hinein und werden nimmer gereinigt, ja sie können nicht einmal mehr den Kopf herausstrecken.“

Hippolyt von Rom: Widerlegung aller Häresien (Refutatio omnium haeresium) V,26 [7]

Anmerkungen

  1. 1 Kor 2,9 [1]
  2. Ps 109,4 LUT
  3. Mt 10,5 LUT

Literatur

  1. Eugen Heinrich Schmitt: Die Gnosis. Grundlagen der Weltanschauung einer edleren Kultur., Band 1: Die Gnosis des Altertums, Band 2: Die Gnosis des Mittelalters und der Neuzeit, Diederichs, Leipzig 1903 Band 1 Band 2