Bazon Brock

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Bazon Brock auf der See-Conference 2017
Bazon Brock und der Künstler Andreas Paeslack 2004 als Schirmherren des Projektes „Im Namen der Kunst“

Bazon Brock[1] (eigentlich Jürgen Johannes Hermann Brock[2]; * 2. Juni 1936 in Stolp in Pommern) ist emeritierter Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Bergischen Universität Wuppertal, Künstler und Kunsttheoretiker. Brock gilt als Vertreter der Fluxus-Bewegung.[3]

Leben

Im Zweiten Weltkrieg erlitt Brock eine schwere Vergiftung durch eine Phosphorbombe, unter der er bis heute leidet.[4] Sein Vater wurde von den Russen zum Tode verurteilt und erschossen.[5] Er besuchte das humanistische Gymnasium Kaiser-Karl-Schule Itzehoe, welches er mit dem Abitur, unter anderem in den Fächern Latein und Griechisch, abschloss. Der Name Bazon (griechisch für „Schwätzer“) stammt von Brocks Lateinlehrer.[6]

Ab 1957 absolvierte er eine Ausbildung in Dramaturgie und arbeitete ab 1960 als Dramaturg, zunächst am Stadttheater Luzern. Von 1957 bis 1964 studierte er parallel Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaften in Zürich, Hamburg und Frankfurt am Main. Ebenfalls ab 1957 schrieb er erste Aktionslehrstücke und es erfolgten erste Publikationen. Das Fach Kunst, mit dem er oft in Zusammenhang gebracht wird, studierte er nicht universitär, gilt dennoch als ausgewiesener Kunstkenner, sowohl alter als auch zeitgenössischer Werke. Er beteiligte sich zusammen mit Friedensreich Hundertwasser, Joseph Beuys, Wolf Vostell und anderen an Happenings. So nahm er beispielsweise 1965 am 24-Stunden-Happening in der Galerie Parnass in Wuppertal teil.

Bazon Brock am 1. Mai 2006 in Köln anlässlich seiner Ausstellung im Museum Ludwig – am Dionysos-Brunnen ein Brunnen-Orakel begründend

Nach dem Studium wurde Brock als ordentlicher Professor (1965–1976) an die Hochschule für Bildende Künste in Hamburg berufen,1970 als Gastdozent für Kunsttheorie und Neue Medien an die Kölner Werkschulen, später, zwischen 1977 und 1980 auch an die Universität für angewandte Kunst Wien. Anschließend übernahm er eine Professur an der Bergischen Universität Wuppertal, wo er 2001 emeritiert wurde.[7] Im Jahr 2010 war Brock Fellow am Kolleg Friedrich Nietzsche.[8] Brock lebt in Wuppertal-Cronenberg.

Arbeit

Zitat von Bazon Brock auf einem Schild in Berlin (Sophie-Gips-Höfe)

Brocks Arbeitsschwerpunkte liegen auch nach seiner Emeritierung vor allem in der Neuronalen Ästhetik und „Imaging Sciences“ am Fachbereich „Architektur, Kunst, Design, Musik“, wo er lange Jahre Dekan war und im Besonderen als Fachdozent das Fach für „Nicht-normative Ästhetik“ betreut.

Er ist Mitglied der „Forscher-Familie bildende Wissenschaften“. Diese „fruchtbringende Gesellschaft“ beschäftigt sich vorrangig mit der Kulturgenetik, um Konzepte zur Zivilisierung der Kulturen auszuarbeiten. Die Ergebnisse werden in der Reihe „Ästhetik und Naturwissenschaften“ im Springer-Verlag Wien/New York veröffentlicht.

Bazon Brock wurde am 21. November 1992 der Ehrendoktor der Technischen Wissenschaften von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich verliehen. Er ist Mitglied im P.E.N.-Club Liechtenstein, einem Zentrum der internationalen Schriftstellervereinigung P.E.N.

Besucherschule

Auf der Kasseler documenta 4 1968 richtete Brock erstmals eine Besucherschule ein, die den Besuchern der documenta das Verständnis für Kunstbetrachtung nahebringen und Aneignungstechniken für zeitgenössische Kunst vermitteln sollte. Sie wurde auch auf der documenta 5 1972 und documenta 6 1977 von ihm angeboten, ab der documenta 7 1982 nicht mehr. In den 1980er und 1990er Jahren setzte er die Besucherschule bei den Kunstmessen Art Frankfurt und Art Basel fort. Im Mai und Juni 2009 nahm Brock anlässlich der Ausstellung 60 Jahre – 60 Werke, Kunst aus der Bundesrepublik Deutschland in Berlin seinen Ansatz mit einer täglichen Besucherschule wieder auf.

Als zeitgemäße Weiterentwicklung der Besucherschule initiierte Bazon Brock 2010 das Studium Generale „Der professionalisierte Bürger“ an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Zwei Jahre lang wurden dort kostenlose Ausbildungsangebote für „Diplom-Rezipienten, Diplom-Patienten, Diplom-Konsumenten, Diplom-Bürger und Diplom-Gläubige“ angeboten. Eine weitere Ergänzung stellt die Denkerei in Berlin-Kreuzberg dar.

Neuronale Ästhetik

Im Oktober 1978 präsentierte Bazon Brock im Rahmen des Steirischen Herbstes in Graz „Die neurophysiologischen Grundlagen jeder Ästhetik“. 1993 fand in Bonn das von Olaf Breidbach, Bazon Brock und Detlef B. Linke organisierte Symposion „Neuronale Ästhetik – Hirnbilder und Menschenbilder“ statt.

„Mit der ‚Neuronalen Ästhetik‘ soll der Versuch gekennzeichnet werden, die begriffliche Fassung neuronaler Prozesse selber als ästhetische Operation zu entfalten und über korrespondierende Analogien zwischen ‚natürlichen‘, alltäglichen, jedermann von Natur aus beherrschbaren Aktivierungen seines Weltbildapparates und den weltbildkonstituierenden Operationen der Wissenschaftler und Künstler, die ja auch nur über denselben Apparat wie jedermann verfügen, erweiterte und modifizierte Konfrontationen des Geistes und des Prinzips Leben mit ihren Verkörperungsformen zu schaffen.“

Bazon Brock

Aktionen

  • Wa(h)re Kunst. Der Museumsshop als Wunderkammer, seit 1994 in 18 Städten.
  • Die Macht des Alters. Strategien der Meisterschaft, Berlin, Bonn, Stuttgart 1998/99.
  • …Marsch durch Theorie. Grabbeigaben…, Frankfurt: Schirn, ab März 2006.
  • Anlässlich seines 70. Geburtstags 2006 zog Brock Bilanz und skizzierte in einem elf Stationen durchlaufenden Lustmarsch durchs Theoriegelände elf Topologien, mit denen er sich 50 Jahre lang in Literatur, Theater, Ästhetik, Film, Fernsehen, Hörfunk, Action Teaching und Ausstellungen beschäftigt hat. Diese Aktion ist seit März 2006 im Zentrum für Kunst und Medientechnologie zu sehen.
  • Prophets in residence – Orakel oder Bestimmung der Zukunft. 2010 im Deutschen Historischen Museum Berlin.
  • Pythagoras in Delphi. Zur Ästhetik der Welteinheit. Hochschule für Gestaltung Karlsruhe.
  • Amt für Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand, 2011

Veröffentlichungen

Schriften

  • Gerüstgrundriß für Übersichtsleser. In: März-Texte 1. März, Darmstadt 1969 u.ö., wieder in Mammut. März-Texte 1 & 2. ebd. Herbstein 1984, wieder als Reprint März Texte 1 & Trivialmythen. Area, Erftstadt 2004, ISBN 3-89996-029-7, hier S. 9–14.[9]
  • Ästhetik als Vermittlung. Arbeitsbiographie eines Generalisten. DuMont Kunstverlag, Köln 1977, ISBN 3-7701-0671-7
  • Die Ruine als Form der Vermittlung von Fragment und Totalität. In: Lucien Dällenbach und Christiaan L. Hart Nibbrig (Hrsg.): Fragment und Totalität. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, S. 124–140, ISBN 3-518-11107-8
  • Ästhetik gegen erzwungene Unmittelbarkeit. Die Gottsucherbande. Schriften 1978–1986. DuMont Buchverlag, Köln 1986, ISBN 3-7701-1976-2
  • Der Barbar als Kulturheld. Dumont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2002, ISBN 3-8321-7149-5
  • Die Macht des Alters. Katalog zur Ausstellung, DuMont, Köln 1998, ISBN 3-7701-4652-2.
  • Die Re-Dekade: Kunst und Kultur der 80er Jahre. Klinkhardt und Biermann, München 1990, ISBN 3-7814-0288-6
  • Die Welt zu Deinen Füßen. DuMont, Köln 1998, ISBN 3-7701-4483-X.
  • Lock Buch Bazon Brock. ‚Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken‘. DuMont, Köln 2000, ISBN 3-7701-5436-3
  • als Herausgeber: Lustmarsch durchs Theoriegelände. DuMont, Köln 2007, ISBN 978-3-8321-9024-8
  • mit Peter Sloterdijk (Hrsg.): Der Profi-Bürger. Handreichungen für die Ausbildung von Diplom-Bürgern, Diplom-Patienten, Diplom-Konsumenten, Diplom-Rezipienten und Diplom-Gläubigen. Fink, Paderborn 2011, ISBN 978-3-7705-5160-6

Video-Dokumentationen

  • Wir wollen Gott und damit basta. DuMont, Köln 1985
  • Selbsterregung – eine rhetorische Oper zur Erzwingung der Gefühle (vom WDR produziert, am 17. April 1992 ausgestrahlt), Schiebener und Jürgens, Köln 1990.
  • Quer Denken – Gerade Gehen 45 Min. / D, PL. Ein Portraitfilm von Ingo Hamacher Bellacoola über Bazon Brock wurde in der Reihe „Querköpfe“ von BellaCoola für den WDR produziert und im April 1991 ausgestrahlt.
  • Der Körper des Kunstbetrachters, Videokatalog zur Documenta IX im Juni 1992 hergestellt und mehrmals im Fernsehen gezeigt.
  • Ästhetik als Metatheorie – In zwanzig Kapiteln wird ein strukturierter Einstieg in die Denkwelt des KünstlerPhilosophen und GeistTäters gegeben.
  • Das Vlog (((rebell.tv))) führt ein „Dossier Bazon Brock“ und dokumentiert die aktuelle Tour (2006).[10]
  • Bazon Brock. Mann mit Mission. Universalpoet und Prognostiker. Filmbox mit 16 DVDs. Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften VDG, Weimar 2010, ISBN 978-3-89739-688-3

Filmografie

  • Bazon – Ernste Scherze (Dokumentarfilm), Hamburg, 2016; Regie: Peter Sempel

TV-Produktionen

  • Bazon Brock zur Geschichte der Kybernetik, 6-stündige Aufzeichnung von 3sat, 1997, anlässlich der „Installation eines Theoriegeländes“ im Portikus, Frankfurt, Februar 1997.
  • Bazon Brock war von 1997 bis 2008 Moderator der Fernsehdiskussion „Bilderstreit“ in 3sat.

Hörspiele

  • Jeremia Casting – ein Hört, Hört. Deutschlandfunk Kultur, hr2-kultur, ZKM Karlsruhe. Regie: Bazon Brock, Christian Bauer, Holger Stenschke. Ursendung in hr2-kultur am 27. April 2011.

Hörspiele von Bazon Brock wurden als Kassetten im S-Press Tonband-Verlag, Köln, veröffentlicht.

Siehe auch

Literatur

  • Wollt Ihr das totale Leben? Fluxus und Agit-Pop der 60er Jahre in Aachen. Neuer Aachener Kunstverein, Aachen, 1995, ISBN 3-929261-24-3.
  • Martin Heller, H. U. Reck (Hrsg.): BB. Ästhetik nach der Aktualität des Ästhetischen. Ein Symposium zur Perspektive der Kulturentwicklung. Zürich 1998, ISBN 3-907065-66-2
  • Heiner Mühlmann: Kunst und Krieg. Das säuische Behagen in der Kunst. Über Bazon Brock. Köln 1998, ISBN 3-932189-57-4
  • Nicole Stratmann: Der Selbstfesselungskünstler – Bazon Brock. Einführung in eine Ästhetik des Unterlassens. VDG Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 1995, ISBN 3-929742-75-6
  • Cordula Walter-Bolhöfer (Interview), Bettina Wolf (Fotografien): Bazon Brock. Künstler, Kämpfer, Kritiker. ars momentum Kunstverlag, Witten 2007, ISBN 978-3-938193-31-0
  • Beuys Brock Vostell. Aktion Demonstration Partizipation 1949-1983. ZKM - Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Hatje Cantz, Karlsruhe, 2014, ISBN 978-3-7757-3864-4. [11]

Weblinks

Commons: Bazon Brock - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikiquote: Bazon Brock – Zitate

Einzelnachweise

  1. Den Spitznamen „Bazon“, was im Griechischen bazo „Schwätzer“ bedeutet kann, erhielt er von den Lehrern seines Gymnasiums. Brock interpretiert das anders: „Im Griechischen heißt Bazon nämlich nicht Schwätzer, sondern: reden, in der Absicht etwas Bestimmtes zu erreichen. So wie ein Rechtsanwalt redet um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, jemanden frei zu bekommen, ein Ziel durchzusetzen, das nannte man bazo“ (Interview mit Marcus Ertle).
  2. vgl. Walter-Bolhöfer: Bazon Brock: Künstler, Kämpfer, Kritiker. 2007, S. 8
  3. Das grosse Kunstlexikon von P.W. Hartmann. BeyArs.com. Abgerufen am 9. Februar 2012.
  4. FAZ, 14. November 2015, S. 3.
  5. FAZ, 14. November 2015, S. 3.
  6. Menschenbilder, ausgestrahlt in Radio Österreich 1 am 29. Mai 2016
  7. Bazon Brock / Schirn Kunsthalle (englisch). Schirn Kunsthalle (2006). Abgerufen am 8. Februar 2012.
  8. Bazon Brock zu Gast am Kolleg Friedrich Nietzsche – Vier Vorlesungen im Goethe-Nationalmuseum verknüpfen Aspekte bei Nietzsche mit aktuellen Fragen der Philosophie. Klassik Stiftung Weimar. Abgerufen am 9. Februar 2012.
  9. Dieser Text ist später auch unter dem Titel Affirmation als politische Strategie bekannt geworden. In Brocks Werkbiographie wird irrtümlich Melzer als Verlag angegeben; Schröder trennte sich damals gerade von Melzer
  10. begleitete Bazon Brock durch das Jahr 2006 (Memento vom 18. März 2009 im Internet Archive) rebell.tv
  11. Beuys Brock Vostell
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