Bibliothek:Rudolf Steiner/Naturwissenschaft/GA 320 Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik I/Dritter Vortrag

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DRITTER VORTRAG

Stuttgart, 25. Dezember 1919

Es ist mir gesagt worden, daß dasjenige, worinnen wir die gestrige Betrachtung gipfeln lassen mußten, die Erscheinung, die durch das Prisma auftritt, doch Schwierigkeiten dem Verständnisse für viele geboten habe, und ich bitte Sie, darüber sich zu beruhigen. Es wird dieses Verständnis nach und nach kommen. Wir werden uns gerade mit den Licht- und Farbenerscheinungen ein wenig eingehender befassen, damit diese eigentliche piéce de résistance - eine solche ist es auch für die übrige Physik - uns eine gute Grundlage abgeben könne. Sie sehen ein, daß es sich uns zunächst darum handeln muß, daß ich Ihnen gerade einiges von demjenigen sage, was Sie nicht in Büchern finden können und was nicht Gegenstand der gewöhnlichen naturwissenschaftlichen Betrachtungen ist, was wir gewissermaßen nur hier behandeln können. Wir werden dann in den letzten Vorträgen darauf eingehen, wie dasjenige, was wir hier betrachten, auch im Unterricht zu verwerten ist.
Dasjenige, was ich versuchte gestern auseinanderzusetzen, ist ja im wesentlichen eine besondere Art des Ineinanderwirkens von Helligkeit und Trübe. Und ich wollte zeigen, daß durch dieses verschiedenartige Zusammenwirken von Helligkeit und Trübe, das besonders auftritt beim Durchgang eines Lichtzylinders durch eia Prisma, die polarisch zueinander sich verhaltenden Farbenerscheinungen entstehen. Zunächst bitte ich Sie, die bittere Pille schon in Empfang zu nehmen, daß die Schwierigkeit des Verständnisses dieser Sache dar innen liegt, daß Sie eigentlich - es geht diejenigen an, die Schwierigkeit des Verständnisses finden - die Licht- und Farbenlehre phoronomisch gestaltet haben möchten. Die Menschen haben sich nun schon einmal gewöhnt durch unsere sonderbare Erziehung, nur sich solchen Vorstellungen hinzugeben, die mit Bezug auf die äußere Natur mehr oder weniger phoronomisch sind, das heißt sich nur befassen mit dem Zählbaren, mit dem Räumlich-Formalen und mit dem Beweglichen. Nun sollen Sie sich bemühen, in Qualitäten zu denken, und Sie können
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wirklich in einem gewissen Sinne sagen: Hier stocke ich schon. - Aber schreiben Sie das durchaus zu dem unnatürlichen Gang, den die wissenschaftliche Entwickelung in der neueren Zeit genommen und durch gemacht hat, den Sie sogar in gewisser Weise mit Ihren Schülern durch machen werden - ich meine jetzt die Lehrer der Waldorfschule und andere Lehrer. Denn es wird natürlich nicht möglich sein, sogleich gesunde Vorstellungen in die heutige Schule hineinzutragen, sondern wir werden Übergänge schaffen müssen.
Nun gehen wir einmal für die Licht- und Farbenerscheinungen von dem anderen Ende der Sache aus. Eine viel angefochtene Bemerkung Goethes möchte ich heute vorausschicken. Sie können es bei Goethe lesen, wie er bekannt geworden ist in den achtziger Jahren des acht-zehnten Jahrhunderts mit allerlei Behauptungen über das Auftreten von Farben am Lichte, also über diejenigen Erscheinungen, von denen wir gestern begonnen haben zu sprechen. Es ist ihm gesagt worden, es sei die allgemeine Anschauung der Physiker, daß, wenn man farbloses Licht durch ein Prisma gehen lasse, dieses farblose Licht gespalten, zerlegt würde. Also etwa so wurden die Erscheinungen interpretiert, daß gesagt wurde: Fangen wir einen farblosen Lichtzylinder auf, so zeigt er uns zunächst ein farbloses Bild. Stellen wir diesem Lichtzylinder in den Weg das Prisma, so bekommen wir die Aufeinanderfolge der Farben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau - Hellblau, Dunkelblau -, Violett. Nun, das ist etwas, was an Goethe herantrat, und zwar so, daß er erfuhr: Man erklärt sich diese Sache so, daß das farblose Licht eigentlich schon in sich enthält - wie, das ist ja natürlich schwer zu denken, aber das wurde gesagt - diese sieben Farben. Wenn man das Licht durch das Prisma gehen läßt, so tut das Prisma eigentlich nichts anderes, als das, was im Licht schon drinnen ist, fächerartig auseinanderlegen, das Licht in die sieben Farben zerlegen. Nun, Goethe wollte der Sache auf den Grund gehen und lieh sich allerlei Instrumente aus, wie wir es versucht haben in diesen Tagen sie auch zusammenzutragen, um selber zu konstatieren, wie die Dinge sind. Er ließ sich diese Instrumente von dem Hofrat Büttner in Jena nach Weimar hinüberkommen, stapelte sie auf und wollte zu gelegener Zeit versuchen, wie sich die Sache verhält. Der Hofrat Büttner wurde
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ungeduldig und forderte die Instrumente zurück, als Goethe noch nichts gemacht hatte. Er mußte die Instrumente zusammenpacken - bei manchen Dingen passiert uns ja so etwas, daß wir nicht gleich dazu kommen. Er nahm schnell noch das Prisma und sagte: Also, durch das Prisma wird das Licht zerlegt. Ich gucke es mir an an der Wand. -Und nun hat er erwartet, daß das Licht schön siebenfarbig erscheint. Es erschien aber nur da irgend etwas Farbiges, wo irgendein Rand war, wo ein Schmutzfleck war, so daß das Schmutzige, das Trübe, mit dem Hellen zusammenstieß. Da sah man Farben, wenn man durchguckte. Aber wo gleichmäßiges Weiß war, sah man nichts. Da wurde Goethe stutzig, er wurde irre an dieser ganzen Theorie. Und nun hatte er keinen Sinn mehr für das Zurückschicken der Instrumente. Er behielt sie und verfolgte die Sache weiter. Und da stellte sich heraus, daß die Sache eigentlich gar nicht so ist, wie sie gewöhnlich dargestellt wurde: Wenn wir Licht durchlassen durch den Raum des Zimmers, so bekommen wir auf einem Schirm einen weißen Kreis. Nun, wenn man diesem Lichtkörper, der da durchgeht, in den Weg stellt das Prisma, so wird der Lichtzylinder abgelenkt (vgl. die Figuren S.53 und S. 54). Aber es erscheinen zunächst durchaus nicht die sieben aufeinanderfolgenden Farben, sondern nur am untern Rand tritt das Rötliche auf, das ins Gelbliche übergeht, und am oberen Rand das Bläuliche, das ins Grünliche übergeht. In der Mitte bleibt es weiß.
Was sagte sich nun Goethe? Er sagte sich: Da kommt es also überhaupt nicht darauf an, daß irgend etwas aus dem Licht heraus sich spaltet, sondern ich bilde ja eigentlich ab ein Bild. Dieses Bild ist nur das Abbild des Ausschnittes hier. Der Ausschnitt hat Ränder und die Farben treten nicht deshalb auf, weil sie aus dem Licht herausgeholt werden, gewissermaßen weil das Licht in sie zerspalten würde, sondern weil ich das Bild entwerfe und das Bild als solches Ränder hat, so daß ich es auch hier mit nichts anderem zu tun habe, als daß dort, wo Helligkeit und Dunkelheit zusammentreten - denn außerhalb dieses Lichtkreises hier ist Dunkelheit in der Umgebung und innen ist es hell -, da an den Rändern, die Farben auftreten. Es treten zunächst überhaupt nur die Farben als Randerscheinungen auf, und wir haben, indem wir die Farben als Randerscheinungen zeigen, im Grunde das
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ursprüngliche Phänomen vor uns. Wir haben gar nicht vor uns das ursprüngliche Phänomen, wenn wir nun den Kreis verkleinern und ein kontinuierliches Farbenbild bekommen. Das kontinuierliche Farbenbild entsteht nur dadurch, daß, während beim großen Kreis die Randfarben eben Randfarben bleiben, sich beim kleinen Kreis vom Rand herein die Farben bis zur Mitte fortsetzen. Sie übergreifen sich in der Mitte und bilden, was man ein kontinuierliches Spektrum nennt. Also, die ursprüngliche Erscheinung ist diejenige, daß an den Rändern, wo Helligkeit und Dunkelheit zusammenströmen, Farben auftreten.
Sie sehen, es handelt sich darum, daß wir nicht mit Theorien in die Tatsachen hineinpfuschen, sondern reinlich bei einem Studium der bloßen Tatsachen bleiben, der bloßen Fakta. Nun handelt es sich dar um, daß hier ja nicht nur dasjenige auftritt, was wir in den Farben sehen, sondern Sie haben gesehen: Es tritt hier auch auf eine Verschiebung des ganzen Lichtkegels, eine seitliche Ablenkung des ganzen Lichtkegels. Wenn Sie schematisch diese seitliche Ablenkung verfolgen wollen, so könnten Sie es etwa auf die folgende Weise noch verfolgen.
Nehmen Sie an, Sie fügen zwei Prismen zusammen, sodaß dann das untere Prisma, das aber ein Ganzes bildet mit dem oberen, so steht wie das, was ich Ihnen gestern aufgezeichnet habe. Das obere Prisma steht entgegengesetzt dem unteren. Würde ich durch dieses Doppel-Prisma einen Lichtzylinder durchgehen lassen, so würde ich natürlich etwas Ähnliches bekommen müssen wie gestern. Ich würde eine Ablenkung bekommen, das eine Mal nach unten, das andere Mal nach oben. Ich würde, wenn ich hier ein solches Doppel-Prisma hätte, eine noch mehr in die Länge gezogene Lichtfigur bekommen, aber zu gleicher Zeit würde sich herausstellen, daß diese noch mehr in die Länge gezogene Lichtfigur sehr undeutlich, düster ist. Das würde mir da durch erklärlich werden, daß ich dann, wenn ich hier die Figur mit einem Schirm auffange, von diesem Lichtkreis hier ineinandergeschoben eine Abbildung bekommen würde. Aber ich könnte den Schirm auch hereinrücken. Ich würde wiederum eine Abbildung bekommen. Das heißt, es gäbe hier eine Strecke - das liegt alles innerhalb der Tatsachen -, auf der ich immer die Möglichkeit, eine Abbildung zu bekommen, antreffen würde. Sie sehen daraus, daß durch das Doppel-Prisma
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Bild GA 320 65
mit dem Lichte hantiert wird. Immer finde ich außen einen roten Rand, und zwar jetzt oben und unten, und in der Mitte Violett. Während ich sonst bloß bekomme das Bild vom Rot bis zum Violett, bekomme ich jetzt die äußeren Ränder rot und in der Mitte Violett und dazwischen die anderen Farben. Ich könnte also durch ein solches Doppel-Prisma die Möglichkeit schaffen, daß eine solche Figur entstünde, aber ich würde diese auch bekommen, wenn ich den Schirm verschieben würde. Ich habe also eine gewisse Strecke, auf der die Möglichkeit der Entstehung eines Bildes vorhanden ist, das an den Rändern farbig ist, aber auch in der Mitte farbig ist und allerlei Übergangsfarben hat.
Nun kann man verhindern, daß hier, wenn ich mit dem Schirm auf und ab gehe, ein ganz weiter Raum ist, auf dem die Möglichkeit besteht, solche Bilder zu schaffen. Aber Sie ahnen wohl, diese Möglichkeit könnte nur geschaffen werden, wenn ich das Prisma immer ändern würde, weil bei einem Prisma, dessen Winkel hier größer ist, das Bild an einer anderen Stelle entworfen wird, als wenn ich den Winkel kleiner machen würde, und ich würde diese Strecke kleiner bekommen. Ich kann die ganze Sache dadurch zu einer anderen machen, daß ich nun hier nicht ebene Flächen für ein Prisma habe, sondern daß ich von
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vornherein gekrümmte Flächen nehme. Dadurch wird dasjenige, was beim Prisma noch außerordentlich schwer zu studieren ist, wesentlich vereinfacht. Und wir bekommen dann folgende Möglichkeit: Wir lassen zunächst durchgehen durch den Raum den Lichtzylinder, und jetzt stellen wir die Linse, die also eigentlich nichts anderes ist als ein Doppel-Prisma, aber mit gekrümmten Flächen, die stellen wir in den Weg (Figur S.65, unten). Jetzt bekomme ich das Bild zunächst wesentlich verkleinert. Also, was ist denn da eigentlich geschehen? Der ganze Lichtzylinder ist zusammengezogen, verengt. Da haben wir eine neue Wechselwirkung zwischen dem Materiellen, dem Materiellen in der Linse, im Glaskörper, und dem durch den Raum gehenden Licht. Diese Linse wirkt so auf das Licht, daß sie den Lichtzylinder zusammen zieht.
Wir wollen uns die ganze Sache einmal schematisch aufzeichnen. Ich habe hier einen Lichtzylinder, von der Seite gezeichnet, und lasse sein Licht durch die Linse gehen. Wenn ich eine gewöhnliche Glasplatte oder eine Wasserplatte entgegensetzen würde, so würde der Lichtzylinder einfach durchgehen und es würde sich dem Schirm eben ein Abbild des Lichtzylinders ergeben. Das ist nicht der Fall, wenn ich nicht eine Glasplatte oder eine Wasserplatte habe, sondern eine Linse. Wenn ich einfach mit den Strichen nachfahre demjenigen, was geschehen ist, so muß ich sagen: Es ist eine Verkleinerung des Bildes, die sich ergeben hat. Also ist der Lichtzylinder zusammengezogen.
Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Das ist diese, daß man die Anordnung nachbildet nicht einem solchen Doppel-Prisma, wie ich es dort gezeichnet habe, sondern einem Doppel-Prisma, das so im Querschnitt gestaltet ist, daß mit dieser Kante hier die Prismen aneinanderstoßen. Dann würde ich allerdings dieselbe Beschreibung, die ich gemacht habe, mit einem wesentlich vergrößerten Kreis bekommen. Wiederum würde ich, indem ich mit dem Schirm auf und ab gehe, während einer gewissen Strecke die Möglichkeit haben, das Bild - mehr oder weniger undeutlich - zu bekommen. Ich würde hier in diesem Fall oben Violett, Bläulich haben, unten auch Violett, Blau und in der Mitte würde ich Rot haben. Dort war es umgekehrt. Und dazwischen die Zwischenfarben.
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Bild GA 320 67
Ich kann mir wiederum an die Stelle dieses Doppel-Prismas setzen eine Linse mit folgendem Querschnitt: )(. Während diese Linse ihrem Querschnitt nach sich in der Mitte dick zeigt und an den Rändern dünn, zeigt sich diese in der Mitte dünn und an den Rändern dick (Figuren S.65 und 67, unten). In diesem Fall bekomme ich auch durch die Linse hier ein Bild, das wesentlich größer ist, als der gewöhnliche Querschnitt wäre, der von dem Lichtzylinder entstehen würde. Ich bekomme ein vergrößertes Bild, aber auch mit dieser Farbenabstufung an den Rändern und gegen die Mitte zu. Will ich also hier die Erscheinungen verfolgen, so muß ich sagen: Der Lichtzylinder ist aus-einandergeweitet worden, er ist im wesentlichen auseinandergetrieben worden. Das ist das einfache Faktum.
Nun, was sehen wir aus diesen Erscheinungen? Wir sehen, daß eine Beziehung herrscht zwischen dem Materiellen, das uns zunächst als durchsichtiges Materielles entgegentritt in den Linsen oder Prismen, zwischen diesem Materiellen und demjenigen, was durch das Licht zur Erscheinung kommt. Und wir sehen auch in gewissem Sinn eine gewisse Art dieser Wechselwirkung. Denn gehen wir von demjenigen aus, was wir hier durch eine solche Linse gewinnen würden, die an den Rändern dick und in der Mitte dünn ist, was müssen wir uns denn da sagen, wenn wir eine solche Linse vor uns haben? Da müssen wir
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sagen: Es ist auseinandergetrieben worden der ganze Lichtzylinder, er ist geweitet worden. Und wir sehen auch, wie diese Weitung möglich ist. Diese Weitung kommt ja dadurch zustande, daß das Materielle, durch das das Licht durchgegangen ist, hier dünn ist, hier dicker ist. Da muß das Licht durch mehr Materielles dringen als hier in der Mitte, wo es durch weniger Materielles dringt. Was geschieht nun mit dem Lichte? Nun, wir haben ja gesagt, es wird geweitet, es wird auseinandergetrieben. In der Richtung dieser zwei Pfeile wird es auseinander-getrieben. Wodurch kann es nur auseinandergetrieben werden? Nun, lediglich durch den Umstand, daß es in der Mitte weniger Materie zu passieren hat und an den Rändern mehr. Nun überlegen Sie sich die Sache: In der Mitte hat das Licht weniger Materielles zu passieren, geht also leichter durch, hat also, wenn es durchgegangen ist, noch mehr Kraft. Also, es hat hier mehr Kraft, wo es durch weniger Materielles hindurchgeht, als hier, wo es durch mehr Materielles geht. Diese stärkere Kraft in der Mitte, die hervorgerufen wird dadurch, daß das Licht durch weniger Materielles hindurchgeht, die drückt den Lichtzylinder auseinander. Das ist etwas, was Sie sozusagen an den Fakten unmittelbar ablesen können. Ich bitte, sich nur ganz klar darüber zu sein, daß es sich hier handelt um eine richtige Behandlung der Methode, um eine richtige Führung des Denkens. Man muß sich klar sein, wenn man das, was durch das Licht erscheint, mit Linien verfolgt, daß man da eigentlich nur etwas hinzuzeichnet, was mit dem Lichte nichts zu tun hat. Wenn ich hier die Linien zeichne, dann zeichne ich bloß die Grenzen des Lichtzylinders. Dieser Lichtzylinder wird durch diese Öffnung bewirkt. Ich zeichne also gar nichts, was mit dem Licht zu tun hat, sondern nur etwas, was hervorgerufen wird dadurch, daß das Licht durch den Spalt durchgeht. Und wenn ich hier sage: In dieser Richtung bewegt sich das Licht, so hat das wiederum mit dem Lichte nichts zu tun; denn würde ich die Lichtquelle hinaufschieben, so würde sich eben das Licht, wenn es durch den Spalt fallen würde, so bewegen, und ich müßte diese Pfeilrichtung so zeichnen. Das alles hätte mit dem Lichte als solchem nichts zu tun. Dieses Zeichnen von Linien in das Licht hinein ist man gewohnt worden, und dadurch ist man allmählich darauf gekommen, von den Lichtstrahlen zu reden.
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Man hat es nirgends mit Lichtstrahlen zu tun; man hat es zu tun mit einem Lichtkegel, der hervorgerufen ist durch einen Spalt, durch den man das Licht dringen läßt, man hat es zu tun mit einer Verbreiterung des Lichtkegels, und man muß sagen: Irgendwie muß die Verbreiterung des Lichtkegels zusammenhängen mit dem geringeren Weg hier in der Mitte, den das Licht macht, als hier am Rande. Durch den geringeren Weg hier in der Mitte behält es mehr Kraft, durch den längeren Weg am Rande wird ihm mehr Kraft genommen. Das schwächere Licht am Rande wird gedrückt durch das stärkere Licht in der Mitte, und es wird der Lichtkegel verbreitert. Das ist, was Sie ablesen können.
Nun sehen Sie: Während man es eigentlich nur zu tun hat mit Bildern, redet man in der Physik von allem möglichen, von den Lichtstrahlen und dergleichen. Diese Lichtstrahlen, die sind nun eigentlich zum Untergrund gerade für das materialistische Denken auf diesem Gebiet geworden. Wir wollen, um das noch etwas anschaulicher zu machen, was ich eben auseinandergesetzt habe, etwas anderes noch betrachten. Nehmen wir an, wir haben hier eine Wanne, ein kleines Gefäß. Wir haben hier in diesem kleinen Gefäß eine Flüssigkeit, zum Beispiel Wasser, und da unten irgendeinen Gegenstand liegen, meinet wegen einen Taler oder dergleichen. Wenn ich hier ein Auge habe, so kann ich folgendes Experiment machen: Ich kann zunächst das Wasser
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weglassen und kann auf diesen Gegenstand sehen mit dem Auge. Ich werde in dieser Richtung den Gegenstand sehen. Was ist der Tatbestand? Ich habe auf dem Boden eines Gefäßes liegen einen Gegenstand. Ich gucke hin und sehe in einer gewissen Richtung diesen Gegenstand. Das ist der einfache Tatbestand. Wenn ich anfange nun
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zu zeichnen: Von diesem Gegenstand geht ein Lichtstrahl aus, der wird in das Auge geschickt und affiziert das Auge, dann phantasiere ich schon alles mögliche dazu. Nun fülle ich bis hierher das Gefäß mit Wasser oder irgendeiner Flüssigkeit an. Nun stellt sich etwas ganz Besonderes heraus. Ich ziehe dieselbe Richtung, in der ich früher den Gegenstand habe, vom Auge zum Gegenstand hin, gucke nach der Richtung, in der ich früher geguckt habe. Ich könnte er warten, dasselbe zu sehen, tue es aber nicht, sondern etwas höchst Merkwürdiges tritt ein: Ich sehe den Gegenstand etwas gehoben. Ich
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sehe ihn so, daß er mit dem ganzen Boden in die Höhe gehoben wird. Wie man das feststellen, ich meine messen kann, darüber können wir ja noch sprechen. Ich will jetzt nur das Prinzipielle sagen. Worauf kann denn das nur beruhen, wenn ich mir die Frage beantworte nach dem reinen Tatbestand? Nun, ich erwarte, wenn ich früher so gesehen habe, den Gegenstand wiederum in der Richtung zu finden. Ich richte das Auge darauf hin, aber ich sehe ihn nicht in der Richtung, ich sehe ihn in der anderen Richtung. Ja, früher, als noch kein Wasser in dem Trog war, da konnte ich bis zu dem Boden direkt hinunterschauen, und zwischen meinem Auge und dem Boden war nur die Luft. Jetzt stößt meine Visierlinie hier auf das Wasser. Das läßt meine Sehkraft nicht so einfach durch wie die Luft, sondern stellt ihr stärkeren Widerstand entgegen, und ich muß vor dem stärkeren Widerstand zurückweichen. Von hier ab muß ich vor dem stärkeren Widerstand zurückweichen. Dieses Zurückweichen drückt sich dadurch aus, daß ich nicht bis unten sehe, sondern daß das Ganze gehoben erscheint. Ich sehe gewisser maßen schwerer durch das Wasser als durch die Luft, überwinde den Widerstand des Wassers schwerer als den Widerstand der Luft. Daher
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muß ich die Kraft verkürzen, ziehe also selbst den Gegenstand herauf. Ich verkürze die Kraft dadurch, daß ich den stärkeren Widerstand finde. Würde ich in der Lage sein, hier ein Gas hineinzufüllen, das dünner wäre als die Luft, dann würde der Gegenstand sich hier senken, weil ich jetzt weniger Widerstand fände. Ich würde daher den Gegenstand
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hinunterschieben. Der Physiker konstatiert nicht diesen Tat bestand, sondern er sagt: Nun ja, da wird ein Lichtstrahl geworfen bis zu der Oberfläche des Wassers. Dieser Lichtstrahl wird hier gebrochen, und weil ein Übergang stattfindet zwischen einem dichteren Medium und einem dünneren, wird der Lichtstrahl vom Einfallslot gebrochen, kommt hier in das Auge. Und jetzt sagt er etwas höchst Kurioses: Das Auge, nachdem es die Nachricht bekommen hat durch den Lichtstrahl, verlängert jetzt den Weg nach außen und projiziert den Gegenstand an diese Stelle hin. - Das heißt: Man findet alle möglichen Begriffe, aber man rechnet nicht mit dem, was da ist, mit dem Widerstand, den die Visierkraft des Auges selber findet in dem Dichteren, in das sie eindringen muß. Man möchte ge wissermaßen alles weglassen und dem Licht alles selbst zuschieben, so wie man hier beim Prisma sagt: Oh, das Prisma macht gar nichts, sondern die sieben Farben sind schon im Lichte drinnen. Das Prisma gibt nur die Veranlassung, daß sie sich hübsch nebeneinander hinstellen wie Soldaten, die sieben Farben; aber da drinnen sind schon diese sieben unartigen Buben zusammen, die gezwungen werden, auseinanderzutreten. Das Prisma macht gar nichts davon. Wir haben gesehen: Gerade dasjenige, was im Prisma entsteht, dieser getrübte Keil ist es,
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der die Farben verursacht. Die Farben selber haben gar nichts mit dem Lichte selber zu tun. Und Sie sehen hier wiederum, während wir hier uns klar sein müssen, daß wir eine aktive Tätigkeit ausüben, mit dem Auge hinvisieren und einen stärkeren Widerstand im Wasser finden, dadurch gezwungen sind, die Visierlinie abzukürzen durch den stärkeren Widerstand, sagt der Physiker: Da werden Lichtstrahlen geworfen, die werden gebrochen und so weiter. Und dann das Aller-schönste, gerade an dieser Stelle! Sehen Sie, der heutige Physiker sagt: Da wird also zunächst das Licht ins Auge auf gebrochenem Wege gelangen, dann projiziert das Auge das Bild nach außen. - Was heißt das? Zum Schlusse sagt er doch: Das Auge projiziert. Er setzt nur eine phoronomische Vorstellung, eine von allen Realitäten verlassene Vorstellung, eine reine Phantasietätigkeit an Stelle dessen, was sich unmittelbar darbietet: der Widerstand des dichteren Wassers gegen die Visierkraft des Auges. Gerade an solchen Punkten merken Sie am aller-deutlichsten, wie alles gerade in unserer Physik verabstrahiert ist, wie alles zur Phoronomie gemacht werden soll, wie man nicht in die Qualitäten hineingehen will. Auf der einen Seite also entkleidet man das Auge jedweder Aktivität, auf der anderen Seite aber wieder projiziert das Auge dasjenige, was es als Reiz bekommt, nach außen. Dasjenige aber, was nötig ist, ist, daß man von vornherein von der Aktivität des Auges ausgeht, daß man sich klar ist: Das Auge ist ein tätiger Organismus.
Nun sehen Sie, hier haben wir ein Modell des Auges, und wir werden heute beginnen, uns zunächst auch ein wenig zu befassen mit dem Wesen des menschlichen Auges. Das Auge, das menschliche Auge, ist ja eine Art Kugel, nur von vorne nach hinten etwas zusammen-gedrückt, eine Kugel, die hier in der Knochenhöhle drinnensitzt so, daß eine Reihe von Häuten zunächst das Innere dieses Auges umgibt. Wenn ich den Durchschnitt zeichnen will, so müßte ich da so zeichnen: Das, was ich jetzt zeichne, wäre das rechte Auge. Das Äußerste, was man zunächst findet, wenn man das Auge etwa aus dem Schädel herauspräparieren würde, das wäre Bindegewebe, Fett. Dann aber kommt man zu der eigentlichen ersten Umhüllung des Auges, der sogenannten Sklerotika, Hornhaut. Sehnig, knochig, knorpelig ist die
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äußerste Umhüllung. Ich habe sie hier gezeichnet. Sie wird nach vorne durchsichtig, so daß das Licht von hier aus in das Auge eindringen kann. Eine zweite Schichte, die den Innenraum hier auskleidet, ist die sogenannte Aderhaut. Sie enthält die Blutgefäße. Wir würden sie etwa hier haben. Und als Drittes würden wir bekommen die innerste
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Schichte, die sogenannte Netzhaut, die sich dann nach dem Schädel zu in dem Sehnerv fortsetzt. Hier also würde der Sehnerv nach innen gehen, würde bilden die Netzhaut. Und damit haben wir die drei Umhüllungen des Auges aufgezählt. Nun aber, hinter dieser Hornhaut, eingebettet hier in den Ziliarmuskel, ist eine Art Linse. Sie wird hier durch einen Muskel, den man den Ziliarmuskel nennt, getragen. Nach vorne ist hier die durchsichtige Hornhaut, und zwischen der Linse und ihr ist dasjenige, was man die wässerige Flüssigkeit nennt, so daß, wenn das Licht in das Auge eindringt, es erst die durchsichtige Hornhaut passiert, die wässerige Flüssigkeit passiert, dann durch diese Linse geht, die in sich beweglich ist durch Muskeln. Dann aber gelangt das Licht weiter von dieser Linse aus in dasjenige, was nun ausfüllt den ganzen Augenraum und was man gewöhnlich den Glaskörper nennt. So daß das Licht also geht durch die durchsichtige Hornhaut, die Flüssigkeit, die Linse selbst, den Glaskörper und von da dann an die Netzhaut, die eine Verzweigung ist des Sehnervs, der dann ins Gehirn geht. Das sind zunächst schematisch - wir wollen zunächst das Prinzipielle uns vor Augen stellen - diejenigen Dinge, die uns veranschaulichen können, was dieses Auge, das da in eine Höhle der Schädelknochen eingebettet ist, für Teile hat. Aber dieses Auge zeigt außerordentlich
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große Merkwürdigkeiten. Zunächst, wenn wir studieren die Flüssigkeit, die da ist zwischen dieser Linse und der Hornhaut, durch die das Licht durchgehen muß, so ist diese Flüssigkeit ihrem Gehalte nach fast eine richtige Flüssigkeit, fast eine äußere Flüssigkeit. An der Stelle, wo der Mensch seine Augenflüssigkeit hat, zwischen der Linse und der äußeren Hornhaut, ist der Mensch seiner Leiblichkeit nach ganz so, gewissermaßen, wie ein Stück Außenwelt. Es ist fast so, daß diese Flüssigkeit, die da ist in der äußersten Peripherie des -Auges, kaum sich unterscheidet von einer Flüssigkeit, die ich mir hier auf die Hand schütten würde. Und das, was hier die Linse ist, das ist auch noch etwas sehr, sehr Objektives, sehr, sehr Unlebendiges. Gehe ich dagegen auf den Glaskörper über, der das Innere des Auges ausfüllt und an die Nervenhaut grenzt, so kann ich diesen Glaskörper keineswegs so betrachten, daß ich sage: Das ist auch etwas, was fast wie eine äußere Flüssigkeit oder ein äußerer Körper ist. Da drinnen ist schon Vitalität, da drinnen ist Leben, so daß, je weiter wir zurückgehen im Auge, desto mehr dringen wir heran an das Leben. Hier haben wir eine Flüssigkeit, die fast ganz objektiv äußerlich ist, die Linse ist auch noch äußerlich; aber beim Glaskörper stehen wir schon innerhalb eines Gebildes, das in sich Vitalität hat. Dieser Unterschied zwischen all dem, was da draußen ist, und dem, was da drinnen ist, der zeigt sich auch noch in etwas anderem. Auch das könnte man schon heute naturwissenschaftlich studieren. Wenn man nämlich die Bildung des Auges komparativ von der niederen Tierreihe aus verfolgt, so findet man, daß dasjenige, was äußerer Flüssigkeitskörper ist und Linse, daß das nicht von innen heraus wächst, sondern daß sich das ansetzt, indem sich die umliegenden Zellen ansetzen. Also, ich müßte mir die Bildung der Linse so vorstellen, daß das Linsengewebe und daß auch die vordere Augenflüssigkeit entsteht aus den benachbarten Organen und nicht von innen heraus, während beim Inneren das so ist, daß der Glaskörper entgegenwächst. Sehen Sie, da haben wir das Merkwürdige: Hier wirkt die Natur des äußeren Lichtes und bewirkt jene Umwandlung, die Flüssigkeit und Linse hervor-bringt. Auf das reagiert das Wesen von innen und schiebt ihm ein Lebendigeres, ein Vitaleres entgegen, den Glaskörper. Gerade im Auge
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treffen sich die Bildungen, die von außen angeregt werden, und diejenigen, die von innen aus angeregt werden, in einer ganz merk würdigen Weise. Das ist die nächste Eigentümlichkeit des Auges.
Es gibt noch eine andere. Es gibt die Eigentümlichkeit des Auges, die darinnen besteht, daß diese sich ausbreitende Netzhaut eigentlich der sich ausbreitende Sehnerv ist. Nun besteht just die Eigentümlichkeit - ich werde morgen versuchen ein Experiment zu zeigen, das diese bekräftigt -, daß hier, wo der Sehnerv eintritt, das Auge unempfindlich ist. Da ist es blind. Es breitet sich dann der Sehnerv aus, und an einer Stelle, die also hier für das rechte Auge etwas rechts liegt von der Eintrittsstelle, ist die Netzhaut am empfindlichsten. Man kann nun sagen: Der Nerv ist dasjenige, was das Licht empfindet. Aber er empfindet das Licht just nicht da, wo er eintritt. Man sollte glauben, wenn der Nerv wirklich das wäre, was das Licht empfindet, dann müßte er am stärksten es empfinden da, wo er eintritt. Das tut er aber nicht. Das bitte ich im Auge zunächst zu behalten.
Nun, daß diese Einrichtung des Auges eine außerordentlich von Weisheit der Natur erfüllte ist, das können Sie etwa aus dem Folgenden entnehmen: Wenn Sie so des Tags über die Gegenstände um sich herum beschauen, ja, dann finden Sie, daß die Gegenstände Ihnen, soweit Ihre Augen gesund sind, mehr oder weniger scharf erscheinen, aber so, daß die Schärfe, die Deutlichkeit für Ihre Orientierung genügt. Wenn Sie aber des Morgens aufwachen, da sehen Sie manchmal sehr undeutlich die Ränder der Gegenstände, da sehen Sie diese so wie mit einem kleinen Nebel umgeben. Wenn das ein Kreis ist, sehen Sie da herum wie etwas Undeutliches, wenn Sie des Morgens gerade aufgewacht sind. Worauf beruht denn das? Das beruht darauf, daß wir dreierlei in unserem Auge haben, zunächst den Glaskörper - wir wollen sogar nur auf zweierlei Rücksicht nehmen -, den Glaskörper und die Linse. Sie haben, wie wir gesehen haben, ganz verschiedenen Ursprung. Die Linse ist mehr von außen gebildet, der Glaskörper mehr von innen, die Linse ist mehr unlebendig, der Glaskörper von Vitalität durchzogen. In dem Augenblick, wo wir aufwachen, sind beide einander noch nicht angepaßt. Der Glaskörper will uns noch die
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Gegenstände so abbilden, wie er es kann, und die Linse so, wie sie es kann. Und wir müssen erst warten, bis sie sich gegenseitig eingestellt haben. Daraus ersehen Sie, wie innerlich beweglich das Organische ist und wie die Wirkung des Organischen darauf beruht, daß zunächst die Tätigkeit differenziert wird in Linse und Glaskörper und dann wiederum aus dem Differenzierten zusammengesetzt wird. Da muß sich dann das eine an das andere anpassen.
Wir wollen aus allen diesen Dingen versuchen, nach und nach darauf zu kommen, wie sich aus dem Wechselverhältnis des Auges und der Außenwelt die farbenbunte Welt ergibt. Zu diesem Zweck, um dann morgen daran anknüpfen zu können Betrachtungen über diese Beziehung des Auges zur Außenwelt, wollen wir uns noch folgendes Experiment vor Augen führen: Sehen Sie, ich habe hier eine Scheibe bestrichen mit den Farben, die uns vorhin als Regenbogenfarben Violett, Indigo, Blau, Grün, Gelb, Orange, Rot vor Augen getreten sind. Wenn Sie dieses Rad hier anschauen, so sehen Sie diese sieben Farben - ich habe es so gut gemacht, als es eben geht mit diesen Farben. Nun werden wir zuerst die Scheibe drehen. Sie sehen noch immer, nur eben in Bewegung, die sieben Farben. Ich kann ziemlich stark drehen und Sie sehen in Bewegung die sieben Farben. Nun werde ich aber recht schnell die Scheibe zur Rotierung bringen. Sie sehen, wenn die Sache stark genug rotiert, nicht mehr die Farben, sondern Sie sehen, ich glaube, ein einfarbiges Grau. Nicht wahr? Oder haben Sie etwas anderes gesehen? («Lila», «Rötlich».) Ja, das ist nur aus dem Grunde, weil das Rot etwas zu stark ist gegenüber den anderen Farben. Ich habe zwar versucht, die Stärke durch den Raum auszugleichen, aber Sie würden, wenn die Anordnung ganz richtig wäre, eigentlich ein einfarbiges Grau sehen. Wir müssen uns dann fragen: Warum erscheinen uns diese sieben Farben in einfarbigem Grau? Diese Frage wollen wir morgen beantworten. Heute wollen wir nur noch hinstellen, was die Physik sagt. Sie sagt und hat auch schon zu Goethes Zeiten gesagt: Da habe ich die Regenbogenfarben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett. Jetzt bringe ich die Scheibe in Rotierung. Dadurch kommt der Lichteindruck nicht zur Geltung im Auge, sondern
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wenn ich hier das Rot eben gesehen habe, dann ist durch die rasche Rotierung schon das Orange da, und wenn ich das Orange gesehen habe, schon das Gelb und so weiter. Und dann, während ich noch die übrigen Farben habe, ist schon wieder das Rot da. Dadurch habe ich alle Farben zu gleicher Zeit. Es ist der Eindruck vom Rot noch nicht vorüber, wenn das Violett kommt. Dadurch setzt man für das Auge die sieben Farben zusammen und das muß wiederum Weiß geben. -Dieses war auch die Lehre zu Zeiten Goethes. Goethe hat das als Lehre empfangen: Wenn man den Farbenkreisel macht, ihn rasch rotieren läßt, dann werden die sieben Farben, die so artig gewesen sind, auseinanderzutreten aus dem Lichtzylinder, die werden sich wie der vereinigen im Auge selbst. Aber Goethe hat niemals ein Weiß ge sehen, sondern er hat gesagt: Es kommt niemals etwas anderes zustande als ein Grau. Allerdings, die neueren Physikbücher finden auch, daß nur ein Grau zustande kommt. Aber damit die Geschichte doch weiß wird, so raten sie, man soll in der Mitte einen schwarzen Kontrastkreis machen, dann wird das Grau im Kontrast weiß erscheinen. Also, Sie sehen, in einer netten Weise wird das gemacht. Manche Leute machen es mit «fortune», die Physiker machen es mit «nature ». So wird die Natur korrigiert. Das findet überhaupt bei einer Anzahl der fundamentalsten Tatsachen statt, daß die Natur korrigiert wird.
Sie sehen, ich suche so vorzugehen, daß die Basis geschaffen wird. Wir werden gerade, wenn wir eine richtige Basis schaffen, für alle an-deren Gebiete die Möglichkeit bekommen, vorwärtszukommen.