Bibliothek:Rudolf Steiner/Naturwissenschaft/GA 320 Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik I/Vierter Vortrag

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VIERTER VORTRAG

Stuttgart, 26. Dezember 1919

Wir sind leider mit dem Zusammenstellen des Experimentier-Materials noch nicht weit genug gediehen. Daher werden wir manche Dinge, die wir heute machen wollten, erst morgen machen, und ich werde den Vortrag heute mehr so einrichten müssen, daß ich einiges, was uns nützlich sein wird in den nächsten Tagen, Ihnen noch zur Darstellung bringe, gewissermaßen mit einer kleinen Änderung meiner Absichten.
Ich möchte zunächst einfach vor Sie hinstellen dasjenige, was man nennen könnte das Urphänomen der Farbenlehre. Es wird sich darum handeln, daß Sie nach und nach dieses Urphänomen der Farbenlehre bewahrheitet, bekräftigt finden an den Erscheinungen, die Sie im ganzen Umfang der sogenannten Optik oder Farbenlehre beobachten können. Natürlich komplizieren sich die Erscheinungen, und das ein fache Phänomen tritt nicht überall gleich so bequem in die äußere Offenbarung. Aber wenn man sich die Mühe gibt, findet man es überall. Dieses einfache Phänomen, zunächst in Goethescher Art ausgesprochen, ist das: Sieht man ein Helleres durch Dunkelheit, dann wird
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das Helle durch die Dunkelheit in dem Sinn der hellen Farben er scheinen, in dem Sinn des Gelblichen oder Rötlichen, mit anderen Worten: Sehe ich zum Beispiel irgendein leuchtendes, sogenanntes weißlich scheinendes Licht durch eine genügend dicke Platte, die irgendwie abgetrübt ist, so erscheint mir dasjenige, was ich sonst, indem
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ich es direkt anschaue, weißlich sehe, das erscheint mir gelblich, gelb-rötlich. Hell durch Dunkelheit erscheint gelb oder gelblich rötlich. Das ist der eine Pol. Umgekehrt, wenn Sie hier einfach eine schwarze Fläche haben und Sie schauen sie direkt an, dann sehen Sie eben die schwarze Fläche. Nehmen Sie aber an, ich habe hier einen Wassertrog, durch diesen Wassertrog jage ich Helligkeit durch, so daß er aufgehellt ist, dann habe ich hier eine erhellte Flüssigkeit, und ich sehe das Dunkel dunkel durch Hell, sehe es durch Erhelltes. Da erscheint Blau oder Violett, Blaurot, das heißt der andere Pol der Farbe. Das ist das Urphänomen - Hell durch Dunkel: Gelb; Dunkel durch Hell: Blau.
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Dieses einfache Phänomen kann überall gesehen werden, wenn man sich nur gewöhnt, real zu denken, nicht abstrakt zu denken, wie eben die heutige Wissenschaft denkt. Nun erinnern Sie sich von diesem Gesichtspunkt aus an den Versuch, den wir schon gemacht haben, wo wir einen Lichtzylinder haben durchgehen lassen durch ein Prisma und, indem der Lichtzylinder durch das Prisma durchging, eine wirkliche Farbenskala bekommen haben, die wir aufgefangen haben, vom Violett bis zum Rot. Dieses Phänomen, ich habe es Ihnen ja schon auf gezeichnet. Wir konnten sagen: Wenn wir hier das Prisma haben, hier den Lichtzylinder, dann geht das Licht in irgendeiner Weise durch das Prisma hindurch, wird nach oben abgelenkt. Und wir haben gesagt: Hier findet nicht nur eine Ablenkung statt. Eine Ablenkung würde stattfinden, wenn ein Gegenstand, ein durchsichtiger Gegenstand dem Lichte in den Weg gestellt würde, der parallele Flächen hat. Aber es
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wird das Prisma, das zusammengehende Flächen hat, dem Lichte in den Weg gestellt. Dadurch bekommen wir im Durchgang durch das Prisma eine Verdunkelung des Lichtes. Wir haben es also in dem Augenblicke, wo wir das Licht durch das Prisma hindurchjagen, zu tun mit zweierlei, erstens mit dem einfachen, fortströmenden hellen Licht, dann aber mit dem dem Licht in den Weg gestellten Trüben. Aber dieses Trübe, haben wir gesagt, stellt sich so dem Lichte in den Weg, daß, während das Licht in der Hauptsache nach oben abgelenkt wird, dasjenige, was als Trübung entsteht, indem es nach oben strahlt, mit seinen Strahlen in der Richtung der Ablenkung sein wird. Das heißt, es strahlt Dunkelheit in das abgelenkte Licht hinein, Dunkelheit lebt gewissermaßen im abgelenkten Licht. Dadurch entsteht hier das Bläuliche, Violette. Aber die Dunkelheit strahlt auch nach unten. Da strahlt sie, während der Lichtzylinder so (nach oben) abgelenkt wird, nach unten, und sie wirkt entgegengesetzt dem abgelenkten Licht, kommt gegen dieses nicht auf, und wir können sagen: Da übertönt das abgelenkte helle Licht die Dunkelheit, und wir bekommen die gelblichen oder gelblich-rötlichen Farben. Nehmen wir einen genügend dünnen Lichtzylinder, so können wir, wenn wir in der Richtung dieses Lichtzylinders schauen - mit unseren Augen können wir ja durch das Prisma hindurch -, statt daß wir von außen auf einem Schirm anschauen das Bild, das entworfen wird, können wir unser Auge an die Stelle dieses Bildes stellen. Dann sehen wir, wenn wir durch das Prisma hindurchsehen, dasjenige, was hier ein Ausschnitt ist, durch den uns der Lichtzylinder entsteht, verschoben. Wir haben also hier wiederum, wenn wir innerhalb der Fakten stehen bleiben, das Phänomen vor uns: Wenn ich hier hinschaue, so sehe ich dasjenige, was mir sonst direkt zukommen würde, durch das Prisma nach unten verschoben. Aber ich sehe es außerdem farbig. Sie sehen es überall farbig. Was sehen Sie eigentlich? Wenn Sie sich vergegenwärtigen, was Sie hier sehen, und rein aussprechen, was Sie sehen im Zusammenhang mit demjenigen, was wir eben festgestellt haben, dann ergibt sich Ihnen dasjenige, was Sie wirklich sehen, auch für die Einzelheit, unmittelbar. Sie müssen sich nur an das Gesehene halten. Nicht wahr, wenn Sie so hinschauen auf den Lichtzylinder - weil er
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Ihnen entgegenkommt, der helle Lichtzylinder -, so sehen Sie ein Helles, aber Sie sehen das Helle durch das Abgedunkelte, durch die blaue Farbe, ein Helles durch ein Dunkles. Also müssen Sie hier Gelb oder Gelbrötlich sehen, Gelb und Rot. - Nicht wahr, ein deutlicher Beweis, daß Sie hier oben ein Abgedunkeltes haben, ist, daß die blaue Farbe entsteht. - Und unten ist Ihnen die rote Farbe ebenso ein Beweis, daß Sie ein Aufgehelltes haben. Ich habe Ihnen ja gesagt, das Hell übertönt die Dunkelheit. Also sehen Sie, indem Sie hinschauen, den Lichtzylinder, wie hell er auch sein mag, noch durch ein Aufgehelltes. Er ist dunkel gegenüber dem Aufgehellten. Sie sehen also ein Dunkles durch ein Erhelltes, und Sie müssen es unten blau sehen oder blaurot. Sie brauchen bloß das Phänomen aus zusprechen, dann haben Sie auch dasjenige, was Sie sehen können. Das, was sich dem Auge darbietet, ist, was Sie sonst sehen: das Blau, durch das Sie hindurchschauen. Also erscheint das Hell rötlich. Am unteren Rand haben Sie die Erhelltheit. Wie hell auch der Lichtzylinder sein mag, Sie sehen ihn durch ein Erhelltes. Also sehen Sie ein Dunkleres durch ein Erhelltes und Sie sehen es blau. Darauf kommt es an, auf das Polarische. Das erstere, das am Schirm, kann man, wenn man gelehrt sein will, die objektiven Farben nennen. Das andere, was man sieht, wenn man durch das Prisma schaut, kann man nennen das subjektive Spektrum. Das subjektive Spektrum erscheint in Umkehrung des objektiven Spektrums. Wenn wir so sprechen, dann haben wir ganz gelehrt gesprochen.
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Nun, über diese Erscheinungen ist ja sehr viel, namentlich im Laufe der neueren Zeit, gegrübelt worden. Nicht nur, daß man so, wie wir es jetzt versucht haben, die Erscheinungen angesehen und sie reinlich ausgesprochen hat, sondern man hat über die Dinge gegrübelt, und das äußerste Grübeln ist ja schon angegangen, als der berühmte Newton über das Licht deshalb nachgedacht hat, weil ihm zuerst dieses Farbenspektrum sich dargeboten hat. Newton hat sich allerdings die sogenannte Erklärung - eine solche ist es immer nur - verhältnismäßig leicht gemacht. Er hat gesagt: Nun, wenn wir eben das Prisma haben, so lassen wir weißes Licht hinein. Da drinnen sind schon die Farben enthalten, das Prisma lockt sie hervor, und dann marschieren sie der Reihe nach auf. Ich habe einfach das weiße Licht zerlegt. Nun hat sich Newton vorgestellt: Jeder Farbenart entspricht ein bestimmter Stoff, so daß also in dem Gesamten stofflich sieben Farben enthalten sind. Gewissermaßen ist für ihn dieses Durchlassen des Lichtes durch das Prisma eine Art chemischer Zerlegung des Lichtes in sieben einzelne Stoffe. Er hat sich sogar Vorstellungen gemacht, welche Stoffe größere Korpuskeln, Kügelchen aussenden und welche Stoffe kleinere. Nun also liegt in diesem Sinne die Sache so, daß die Sonne uns Licht sendet; wir lassen das Licht ein durch den kreisförmigen Spalt, da (Prisma) fällt es auf als ein Lichtzylinder. Aber dieses Licht besteht in lauter kleinen Korpuskeln, kleinen Körperchen, die hier aufstoßen, dann von ihrer Richtung abgelenkt werden, und dann bombardieren sie den Schirm. Da (Prisma) fallen diese kleinen Kanonenkügelchen auf. Die kleinen fliegen nach oben, die großen nach unten, die kleinen sind die violetten, die großen sind die roten, nicht wahr? Und so sondern sich die großen von den kleinen. Diese Anschauung, daß da ein Stoff oder verschiedene Stoffe durch die Welt fliegen, die wurde sehr bald erschüttert von anderen Physikern, Huygens und Young und anderen, und es ist endlich dazu gekommen, daß man sich gesagt hat: So geht es doch nicht, daß da diese kleinen Kügelchen von irgendwo ausgehen und einfach durch das Medium getrieben werden oder auch nicht durch ein Medium getrieben werden und entweder auf einem Schirm ankommen, ein Bild erzeugen, oder in das Auge gelangen, um bei uns die Erscheinung des Rot und so weiter hervorzurufen. Damit geht es
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doch nicht. Und ich möchte sagen: Zuletzt wurden die Menschen dazu getrieben, sich zu beweisen, daß es so nicht gehe, durch einen Versuch, der ja allerdings auch schon vorbereitet war, sogar bei dem Jesuiten Grimaldi und auch durch andere. Es wurde diese ganze Anschauung wesentlich erschüttert durch dasjenige, was durch Fresnel als Versuch angestellt worden ist.
Diese Fresnelschen Versuche sind außerordentlich interessant. Man muß sich einmal klar werden, was da eigentlich geschieht in der Anordnung, die Fresnel seinen Versuchen gegeben hat. Aber ich bitte Sie, jetzt wirklich auf die Tatsachen recht sehr achtzugeben, denn es handelt sich darum, daß wir ganz genau ein Phänomen studieren. -Nehmen Sie an, ich hätte zwei Spiegel und hier eine Lichtquelle, das heißt mit einer Flamme leuchte ich von da aus, so daß ich, wenn ich hier einen Schirm aufstelle, Bilder bekomme durch diesen Spiegel und Bilder bekomme von dem anderen Spiegel. Nehmen Sie also
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an - ich werde das im Durchschnitt zeichnen - zwei sehr wenig gegeneinander geneigte Spiegel. Habe ich hier eine Lichtquelle - ich will sie L nennen - und einen Schirm, so spiegelt sich mir das Licht, indem es hier (Spiegel) auffällt, so daß ich in der Lage sein kann, hier
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durch das reflektierte Licht den Schirm zu beleuchten. Wenn ich das Licht hier auffallen lasse, so kann ich durch den Spiegel den Schirm hier beleuchten, so daß er hier in der Mitte heller ist als in der Um gebung. Nun habe ich aber hier einen zweiten Spiegel, durch den das Licht etwas anders reflektiert wird, und es wird gewissermaßen noch ein Teil desjenigen, was von hier unten von meinem Lichtkegel nach dem Schirm hindirigiert wird, noch hinein in das Obere fallen, so daß durch die Neigung gewissermaßen sowohl das, was der obere Spiegel spiegelt, als Helligkeit auf den Schirm geworfen wird, als auch, was vom unteren Spiegel gespiegelt wird. Man kann sagen, daß es für diesen Schirm so ist, wie wenn er von zwei Orten aus erhellt würde. Nehmen Sie nun an, es habe einen Physiker gegeben, der das sieht. Dieser Physiker, der das sieht, dächte newtonisch. Dann wird er sich sagen: Da ist die Lichtquelle, die bombardiert zuerst den ersten Spiegel, der schmeißt ihre Kügelchen hieher. Diese prallen ab, kommen auf den Schirm und erhellen ihn. Aber auch von dem unteren Spiegel prallen die Kügelchen ab. Da kommen viele Kügelchen an. Es muß viel heller sein, wenn die zwei Spiegel da sind, als wenn nur der eine Spiegel da ist. Richte ich die Sache so ein, daß ich den zweiten Spiegel weg-mache, so müßte der Schirm durch das hergeworfene Licht weniger erhellt sein, als wenn ich die zwei Spiegel habe. Allerdings, ein Gedanke könnte diesem Physiker kommen, der richtig fatal wäre. Denn diese Korpuskeln, diese Körperchen, die müssen diesen Weg machen, da kommen die anderen herunter. Warum just nun diejenigen, die da herunterkommen, gar nicht auf diese stoßen und sie wegschleudern, das ist außerordentlich schwer einzusehen. - Überhaupt, Sie können in unseren Physikbüchern sehr schöne Erzählungen über die Wellentheorie finden. Aber während die Dinge sehr schön berechnet werden, muß man immer den Gedanken haben, daß man niemals berechnet, wie so eine Welle durch die andere durch saust. Das geht immer so ganz unbemerkt ab. Wollen wir einmal in Wirklichkeit auf fassen, was hier eben eigentlich geschieht.
Gewiß, das Licht fällt hier herunter, wird hieher herübergeworfen, fällt auch auf den zweiten Spiegel, wird hieher geworfen. Das Licht ist also auf dem Weg zum Spiegel, wird hier herübergeworfen – das
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ist immer der Weg des Lichts. Was geschieht aber eigentlich? Nun, nehmen wir an, wir hätten hier so einen Lichtgang. Jetzt wird er hier herübergeworfen. Jetzt kommt aber hier der andere Lichtgang, der trifft auf. Das ist ein Phänomen, das nicht zu leugnen ist: Die beiden stören sich gegenseitig. Der will da durch sausen, der andere stellt sich in den Weg. Die Folge davon ist: Wenn er da durch sausen will, löscht er das von da kommende Licht zunächst aus. Dadurch aber bekommen wir überhaupt hier (Schirm) nicht eine Helligkeit,
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sondern es spiegelt sich hier in Wahrheit die Dunkelheit herüber, so daß wir also hier eine Dunkelheit kriegen. Nun ist aber die ganze Geschichte nicht in Ruhe, sondern in fortwährender Bewegung. Was hier gestört worden ist, das geht weiter. Da ist also gleichsam ein Loch im Licht entstanden. Es ist ja das Licht durchgesaust, es ist ein Loch entstanden. Dieses erscheint dunkel. Aber dadurch wird der nächste Lichtkörper um so leichter durchgehen und Sie werden neben der Dunkelheit einen um so helleren Fleck haben. Das nächste
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wiederum, was geschieht, ist das, daß, indem das hier weiterschreitet, wiederum ein solcher kleiner Lichtzylinder von oben aufstößt auf eine Helligkeit, sie wiederum auslöscht, wiederum eine Dunkelheit hervorruft. Dadurch, daß diese weiter schreitet, kann das Licht wiederum leichter durch. Wir haben es zu tun mit einem solchen fortschreitenden Gitter, wo das Licht, das von oben kommt, immer durch kann und, indem es auslöscht, wiederum Dunkelheit bringt, die aber fortschreitet. Wir müssen also hier abwechselnd Helligkeit und Dunkelheit bekommen dadurch, daß das obere Licht durch das untere durchgeht und so ein Gitter macht. Das ist, was ich Sie gebeten habe, genau zu denken. Denn Sie müssen verfolgen, wie ein Gitter entsteht. Sie haben Helligkeiten und Dunkelheiten dadurch abwechselnd, daß Licht ins Licht hineinsaust. Wenn Licht in Licht hineinsaust, so wird das Licht eben aufgehoben, wird das Licht in Dunkelheit verwandelt. Die Entstehung eines solchen Lichtgitters müssen wir also dadurch erklären, daß wir die Anordnung getroffen haben durch diese Spiegel. Die Geschwindigkeit des Lichtes, überhaupt dasjenige, was an Verschiedenheiten der Lichtgeschwindigkeit hier auftritt, hat keine große Bedeutung. Was ich zeigen möchte, ist hier dasjenige, was innerhalb des Lichtes selbst auftritt mit Hilfe des Apparates, ist hier (Schirm), daß sich das Gitter ab spiegelt: hell, dunkel, hell, dunkel. Aber jener Physiker - es war Fresnel selber -, der sagte sich: Wenn das Licht die Ausströmung von Körperchen ist, so ist es selbstverständlich, daß, wenn mehr Körperchen hingeschleudert werden, es dann heller werden muß, sonst müßte ein Körperchen das andere aufzehren. Also nach der bloßen Ausstrahlungstheorie kann nicht erklärt werden, daß Helligkeit und Dunkelheit miteinander abwechseln. Wie es zu erklären ist, wir haben es eben gesehen. Aber nun sehen Sie, das Phänomen so zu nehmen, wie es eigentlich sein muß, das fiel nun gerade wiederum den Physikern nicht ein, sondern im Zusammenhang mit gewissen anderen Erscheinungen versuchten sie eine Erklärung im Sinne des Materialismus. Mit den hinbombardierenden Stoffkügelchen ging es nicht mehr. Deshalb sagte man: Nehmen wir an, das Licht ist nicht ein Hinströmen von feinen Stoffen, sondern nur eine Bewegung in einem feinen Stoffe, in dem Äther, Bewegung im Äther. Und zuerst
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stellte man sich vor - zum Beispiel tat das Euler -, das Licht pflanze sich in diesem Äther etwa so fort wie der Schall in der Luft. Wenn ich einen Schall errege, so pflanzt sich der ja durch die Luft fort, aber so, daß zunächst, wenn hier der Schall erregt wird, die Luft in der Umgebung zusammengedrückt wird. Dadurch entsteht verdichtete Luft. Die verdichtete Luft, die hier entsteht, die drückt wiederum auf die Umgebung. Sie dehnt sich aus. Dadurch aber ruft sie sporadisch gerade in der Nähe eine verdünnte Luftschicht hervor. Durch solche Verdickungen und Verdünnungen, die man Wellen nennt, stellt man sich vor, daß der Schall sich ausbreitet. Und so nahm man an, daß solche Wellen auch im Äther erregt werden. Aber mit gewissen Erscheinungen stimmte die Sache nicht, und so sagte man sich: Eine Wellenbewegung ist das Licht wohl, aber es schwingt nicht so, wie es beim Schall ist. Beim Schall ist es so, daß hier eine Verdichtung ist, dann eine Verdünnung kommt, und das schreitet so fort. Das sind Längswellen. Also, es folgt die Verdünnung auf die Verdichtung, und ein Körper, der bewegt sich darinnen in der Richtung der Fortpflanzung so hin und zurück. Das konnte man sich beim Lichte nicht so vorstellen. Da ist es so, daß, wenn sich das Licht fortpflanzt, dann die Ätherteilchen sich senkrecht zur Richtung der Fortpflanzung bewegen, so daß also, wenn dasjenige, was man einen Lichtstrahl nennt, da durch die Luft saust - es saust ja so ein Lichtstrahl mit 300000 Kilometer Geschwindigkeit -, dann die kleinen Teilchen immer senkrecht auf die Richtung schwingen, in der das Licht dahin-saust. Wenn dann dieses Schwingen in unser Auge kommt, nehmen wir das wahr. Wenn man das auf den Fresnelschen Versuch an wendet, so ist eigentlich die Bewegung des Lichtes ein senkrechtes Schwingen auf die Richtung, in der sich das Licht fortpflanzt. Dieser Strahl hier, der auf den unteren Spiegel geht, würde also so schwingen, setzt sich so fort, stößt hier auf. Nun, wie gesagt, dieses Durcheinandergehen der Wellenzüge, über das sieht man da hinweg. Die stören sich da nicht im Sinne dieser so denkenden Physiker. Aber hier (Schirm) stören sie sich sogleich, oder aber sie unterstützen sich. Denn was soll nun hier geschehen? Nicht wahr, hier kann es nun so sein, daß, wenn dieser Wellenzug hier ankommt, das eine kleinste
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Teilchen, das senkrecht schwingt, just hinunterschwingt, wenn das andere hinaufschwingt. Dann heben sie sich auf, dann müßte Dunkelheit entstehen. Wenn aber das eine Teilchen hier gerade hinunter-schwingt, wenn das andere hinunterschwingt, oder hinaufschwingt, wenn das andere hinaufschwingt, dann müßte die Helligkeit entstehen, so daß man also hier aus den Schwingungen der kleinsten Teilchen dasselbe erklärt, was wir aus dem Lichte selber erklärt haben. Ich habe gesagt, daß man hier abwechselnd helle und dunkle Stellen hat, aber die sogenannte Undulations-Theorie erklärt sie dadurch, daß das Licht eine Schwingung des Äthers ist: Wenn die kleinsten Teilchen so schwingen, daß sie einander unterstützen, dann entsteht ein hellerer Fleck, wenn sie im entgegengesetzten Sinne schwingen, dann entsteht ein dunklerer Fleck. Sie müssen jetzt nur ins Auge fassen, welcher Unterschied besteht zwischen der reinen Auffassung des Phänomens, dem Stehenbleiben innerhalb der Phänomene, dem Verfolgen und Hinstellen der Phänomene und dem Hinzuerfinden zu den Phänomenen von etwas, was man eben nur hinzuerfunden hat. Denn diese ganze Bewegung des Äthers ist ja nur hinzuerfunden. Man kann natürlich so etwas, was man erfunden hat, berechnen. Aber das, daß man darüber rechnen kann, ist ja kein Beweis dafür, daß die Sache auch da ist. Denn das bloß Phoronomische ist eben ein bloß Gedachtes, und das Rechnerische ist auch bloß ein Gedachtes. Sie sehen daraus, daß wir darauf angewiesen sind, nach unserer Grunddenkweise die Phänomene so zu erklären, daß sie sich uns selber als Erklärung ergeben, daß sie die Erklärung in sich selber enthalten - darauf bitte ich den größten Wert zu legen -, daß hinaus geworfen werden muß, was bloße Spintisiererei ist. Alles kann man erklären, wenn man hinzufügt etwas, wovon kein Mensch etwas weiß. Diese Wellen zum Beispiel könnten natürlich da sein, und es könnte sein, wenn eine herunter- und die andere hinaufschwingt, daß sie sich dann aufheben, aber man hat sie erfunden. Was aber unbedingt da ist, ist dieses Gitter hier, und dieses Gitter sehen wir sich hier treulich spiegeln. Man muß schon auf das Licht schauen, wenn man zu dem kommen will, was unverfälschte Erklärung ist.
Nun habe ich Ihnen gesagt: Wenn das eine Licht durch das andere
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durchgeht, mit ihm überhaupt in irgendeine Beziehung tritt, dann wirkt unter Umständen das eine Licht trübend auf das andere Licht, auslöschend auf das andere Licht, wie das Prisma selber trübend wirkt. Das stellt sich ganz besonders dadurch heraus, daß man - wir werden den Versuch wirklich machen -, daß man den folgenden Versuch macht. Sehen Sie, ich will das, um was es sich dabei handelt, aufzeichnen: Nehmen wir an, wir haben dasjenige, was ich Ihnen gestern zeigte, wir haben wirklich ein solches Spektrum, und zwar direkt durch die Sonne erzeugt; wir haben ein solches Spektrum bekommen vom Violett bis zum Rot. Wir könnten ein solches Spektrum auch er zeugen, indem wir nicht die Sonne durch einen solchen Spalt durch scheinen ließen, sondern dadurch, daß wir an diese Stelle hier einen festen Körper herbrächten, den wir glühend machten. Dann würden
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wir auch allmählich, wenn er bis zur Weißglut kommt, die Möglichkeit haben, ein solches Spektrum zu haben. Es ist gleichgültig, ob wir ein Sonnenspektrum haben oder ob das Spektrum von einem weißglühenden Körper kommt.
Nun können wir aber auch noch auf eine etwas modifizierte Art ein Spektrum erzeugen. Nehmen wir an, wir haben hier ein Prisma und wir haben hier eine Natriumflamme, das heißt ein sich verflüchtigendes Metall: Natrium. Zu Gas wird da Natrium. Das Gas brennt, verflüchtigt sich, und wir erzeugen ein Spektrum von diesem sich verflüchtigenden Natrium. So tritt etwas sehr Eigentümliches auf. Wenn wir das Spektrum erzeugen nicht von der Sonne oder nicht von einem festen glühenden Körper, sondern von einem glühenden Gas, dann ist eine einzige Stelle im Spektrum sehr stark ausgebildet, und zwar bekommt Natriumlicht besonders das Gelb. Wir haben hier, nicht wahr; Rot, Orange, Gelb. Der gelbe Teil, der ist beim Natrium besonders
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stark ausgebildet. Das übrige Spektrum ist beim Natriummetall verkümmert, fast gar nicht vorhanden. Also, alles vom Violett bis zum Gelb herein und vom Gelben bis zum Rot ist verkümmert. Wir bekommen daher scheinbar einen ganz schmalen gelben Streifen, man
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sagt eine gelbe Linie. Die entsteht dadurch, daß sie der Teil eines ganzen Spektrums ist. Das andere des Spektrums ist nur verkümmert. So kann man von den verschiedensten Körpern solche Spektren finden, die eigentlich keine Spektren sind, sondern nur leuchtende Linien. Daraus ersehen Sie, daß man umgekehrt, wenn man nicht weiß, was da eigentlich in einer Flamme drinnen ist, und man ein solches Spektrum erzeugt, daß dann, wenn man ein gelbes Spektrum kriegt, in der Flamme Natrium sein muß. Man kann erkennen, mit welchem Metall man es zu tun hat.
Das Eigentümliche aber, was entsteht, wenn man nun diese zwei Versuche kombiniert, so daß man hier diesen Lichtzylinder erzeugt und hier das Spektrum, zu gleicher Zeit die Natriumflamme hinein-tut, so daß das glühende Natrium sich vereinigt mit dem Lichtzylinder, was da geschieht, ist etwas ganz Ähnliches wie das, was ich Ihnen vorhin beim Fresnelschen Versuch gezeigt habe. Man könnte erwarten, daß hier besonders stark das Gelb auftreten würde, weil das Gelb schon drinnen ist; dann kommt noch das Gelb vom Natrium dazu. Aber das ist nicht der Fall, sondern das Gelbe vom Natrium löscht das andere Gelb aus, und es entsteht hier eine dunkle Stelle. Also, wo man erwarten würde, daß Helleres entstünde, entsteht eine dunkle Stelle! Warum denn? Das hängt lediglich ab von der Kraft, die entwickelt wird. Nehmen Sie an, es wäre das Natriumlicht, das da entsteht, so selbstlos, daß es das verwandte gelbe Licht einfach durch sich hindurchließe, dann müßte es sich ganz auslöschen. Das tut es
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aber nicht, sondern stellt sich in den Weg gerade an der Stelle, wo das Gelb herüberkommen sollte, stellt sich in den Weg. Es ist da, und trotzdem es gelb ist, wirkt es nicht etwa verstärkend, sondern wirkt auslöschend, weil es sich einfach als eine Kraft in den Weg stellt, gleichgültig, ob das, was sich da in den Weg stellt, etwas anderes ist oder nicht. Das ist einerlei. Der gelbe Teil des Spektrums wird aus gelöscht. Es entsteht dort eine schwarze Stelle.
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Sie sehen daraus, daß man bloß wiederum das zu bedenken braucht, was da ist. Da stellt sich einem aus dem flutenden Licht selbst heraus die Erklärung dar. Das sind eben die Dinge, auf die ich Sie hinweisen möchte. - Sehen Sie, der Physiker, der im Sinne Newtons erklärt, der müßte natürlich sagen: Wenn ich hier ein Weißes habe, also einen leuchtenden Streifen, und ich gucke mit dem Prisma durch nach diesem leuchtenden Streifen, so erscheint er mir so, daß ich ein Spektrum bekomme: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Dunkelblau, Violett.
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Nun, sehen Sie, Goethe sagte: Ja, zur Not geht's ja noch. Wenn die Natur wirklich so ist, daß sie das Licht zusammengesetzt gemacht hat, so könnte man ja annehmen, daß dieses Licht durch das Prisma wirklich in seine Teile zerlegt wird. Schön, aber dabei behaupten ja dieselben Menschen, die das sagen, daß das Licht aus diesen sieben Farben als seinen Teilen besteht, zu gleicher Zeit, daß die Dunkelheit gar nichts ist, nur die Abwesenheit des Lichtes ist. Ja, aber wenn ich hier einen schwarzen Streifen lasse zwischen Weiß, und
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ich gucke durch das Prisma durch, so bekomme ich auch einen Regenbogen, nur sind seine Farben anders angeordnet. Da ist er in der Mitte Violett und geht nach der einen Seite ins Bläulich-Grünliche. Da bekomme ich ein anders angeordnetes Band. Aber ich müßte sagen, im Sinne der Zerlegungstheorie: Das Schwarze ist auch zerlegbar. Also, ich müßte zugeben, daß die Dunkelheit nicht bloß die Abwesenheit des Lichtes ist. Die Dunkelheit müßte auch zerlegbar sein. Sie müßte aber auch aus sieben Farben bestehen. Das ist es, was Goethe irre gemacht hat, daß er auch den schwarzen Streifen siebenfarbig sah, nur in an derer Anordnung. Das ist also dasjenige, was wiederum nötigt, einfach die Phänomene so zu nehmen, wie sie sind. Nun, wir werden sehen, daß wir morgen wiederum um halb zwölf Uhr in der Lage sind, Ihnen das, was ich Ihnen heute leider nur theoretisch auseinandersetzen konnte, vorzuführen.