Atik Yomin

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"Der Alte der Tage", Fresco in Ubisa (Georgien), 14. Jahrhundert
William Blake: The Ancient of Days (1794)
Das erstes apokalyptische Siegelbild
(gemalt von Clara Rettich nach den Angaben Rudolf Steiners, Stuttgart 1911)

Atik Yomin (aramäisch עתיק יומין atiq yomin), von עַתִּיק atiq „alt“ und יוֹם jom „Tag“), der „Alte der Tage“ (eng. Ancient of Days), mit einem Kleid „weiß wie Schnee und das Haar auf seinem Haupt rein wie Wolle“, wie er in der Apokalypse des Daniel (Dan 7,9 LUT) beschrieben wird, ist in der jüdischen Kabbala nach der Lehre Isaak Lurias (1534-1572) die verborgene, innerste und älteste Dimension von Kether, der obersten Sephira. Ein anderer innerer Aspekt von Kether ist für Luria der Heilige Alte (hebr. עתיק ‏קדוש Attiqa Qaddisha), wie er im Sohar genannt wird[1]. Kether hat derart drei Gesichter: ein offenbares und zwei verborgene, die die Quelle des Göttlichen Willes und damit der ganzen Schöpfung sind.

"... in diesem Bilde der Zeit, zurückblickend und immer Umfassenderes und Umfassenderes umfassend, bis zum «Alten der Tage», in dieser Imagination empfand man das Abbild des Einheitsgottes. So wie der dreigeteilte Raum, der dreifaltige Raum als das Abbild erlebt worden ist der Dreifaltigkeit des Gottes, so wurde die Zeit empfunden als das Abbild der Einheitlichkeit des Gottes. Der Grund des Monotheismus liegt im alten Zeiterleben; der Grund, die Trinität zu empfinden, liegt in dem alten Raumerleben." (Lit.: GA 184, S. 154f)

Atik Yomin und Attiqa Qaddisha stehen verborgen hinter den fünf Gesichtern (hebr. פרצוף, Parzufim), zu denen die 10 Sephiroth, die als Adam Kadmon zugleich das makrokosmische Urbild des Menschen sind, transformiert wurden, nachdem es im Zuge des Schöpfungsgeschehens zum sogenannten Bruch der Gefäße (Schvirat ha-Kelim) gekommen war. Die inneren sechs Sephiroth, von Chesed abwärts bis Jesod, waren zu schwach, um der Gewalt des schöpferischen göttlichen Lichts standzuhalten. Um weitere Zerstörung zu verhindern, wurden die Gefäße der 10 Sephiroth aus dem Brennpunkt des Lichts gerückt und in diese fünf bzw. sechs Gesichter oder archetypische Personen verwandelt.

In der katholischen Theologie, so auch bei Thomas von Aquin, wird der „Heilige Alte“ als Vatergott aufgefasst. Diese Deutung kommt auch gelegentlich in den othodoxen Kirchen vor, sehr selten wird damit auch auf den Heiligen Geist hingewiesen - zumeist aber wird der „Alte der Tage“ als der Sohn Gottes, der Christus, aufgefasst.

„1 Im ersten Jahr Belsazars, des Königs von Babel, hatte Daniel einen Traum und Gesichte auf seinem Bett; und er schrieb den Traum auf und dies ist sein Inhalt: 2 Ich, Daniel, sah ein Gesicht in der Nacht, und siehe, die vier Winde unter dem Himmel wühlten das große Meer auf. 3 Und vier große Tiere stiegen herauf aus dem Meer, ein jedes anders als das andere. 4 Das erste war wie ein Löwe und hatte Flügel wie ein Adler. Ich sah, wie ihm die Flügel genommen wurden. Und es wurde von der Erde aufgehoben und auf zwei Füße gestellt wie ein Mensch, und es wurde ihm ein menschliches Herz gegeben. 5 Und siehe, ein anderes Tier, das zweite, war gleich einem Bären und war auf der einen Seite aufgerichtet und hatte in seinem Maul zwischen seinen Zähnen drei Rippen. Und man sprach zu ihm: Steh auf und friss viel Fleisch! 6 Danach sah ich, und siehe, ein anderes Tier, gleich einem Panther, das hatte vier Flügel wie ein Vogel auf seinem Rücken und das Tier hatte vier Köpfe, und ihm wurde große Macht gegeben. 7 Danach sah ich in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, ein viertes Tier war furchtbar und schrecklich und sehr stark und hatte große eiserne Zähne, fraß um sich und zermalmte, und was übrig blieb, zertrat es mit seinen Füßen. Es war auch ganz anders als die vorigen Tiere und hatte zehn Hörner. 8 Als ich aber auf die Hörner Acht gab, siehe, da brach ein anderes kleines Horn zwischen ihnen hervor, vor dem drei der vorigen Hörner ausgerissen wurden. Und siehe, das Horn hatte Augen wie Menschenaugen und ein Maul; das redete große Dinge. 9 Ich sah, wie Throne aufgestellt wurden, und einer, der uralt war, setzte sich. Sein Kleid war weiß wie Schnee und das Haar auf seinem Haupt rein wie Wolle; Feuerflammen waren sein Thron und dessen Räder loderndes Feuer. 10 Und von ihm ging aus ein langer feuriger Strahl. Tausendmal Tausende dienten ihm, und zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht wurde gehalten und die Bücher wurden aufgetan. 11 Ich merkte auf um der großen Reden willen, die das Horn redete, und ich sah, wie das Tier getötet wurde und sein Leib umkam und ins Feuer geworfen wurde. 12 Und mit der Macht der andern Tiere war es auch aus; denn es war ihnen Zeit und Stunde bestimmt, wie lang ein jedes leben sollte. 13 Ich sah in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht. 14 Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende. 15 Ich, Daniel, war entsetzt, und dies Gesicht erschreckte mich. 16 Und ich ging zu einem von denen, die dastanden, und bat ihn, dass er mir über das alles Genaueres berichtete. Und er redete mit mir und sagte mir, was es bedeutete. 17 Diese vier großen Tiere sind vier Königreiche, die auf Erden kommen werden. 18 Aber die Heiligen des Höchsten werden das Reich empfangen und werden's immer und ewig besitzen. 19 Danach hätte ich gerne Genaueres gewusst über das vierte Tier, das ganz anders war als alle andern, ganz furchtbar, mit eisernen Zähnen und ehernen Klauen, das um sich fraß und zermalmte und mit seinen Füßen zertrat, was übrig blieb; 20 und über die zehn Hörner auf seinem Haupt und über das andere Horn, das hervorbrach, vor dem drei ausfielen; und es hatte Augen und ein Maul, das große Dinge redete, und war größer als die Hörner, die neben ihm waren. 21 Und ich sah das Horn kämpfen gegen die Heiligen, und es behielt den Sieg über sie, 22 bis der kam, der uralt war, und Recht schaffte den Heiligen des Höchsten und bis die Zeit kam, dass die Heiligen das Reich empfingen. 23 Er sprach: Das vierte Tier wird das vierte Königreich auf Erden sein; das wird ganz anders sein als alle andern Königreiche; es wird alle Länder fressen, zertreten und zermalmen. 24 Die zehn Hörner bedeuten zehn Könige, die aus diesem Königreich hervorgehen werden. Nach ihnen aber wird ein anderer aufkommen, der wird ganz anders sein als die vorigen und wird drei Könige stürzen. 25 Er wird den Höchsten lästern und die Heiligen des Höchsten vernichten und wird sich unterstehen, Festzeiten und Gesetz zu ändern. Sie werden in seine Hand gegeben werden eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit. 26 Danach wird das Gericht gehalten werden; dann wird ihm seine Macht genommen und ganz und gar vernichtet werden. 27 Aber das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden, dessen Reich ewig ist, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen. 28 Das war das Ende der Rede. Aber ich, Daniel, wurde sehr beunruhigt in meinen Gedanken und jede Farbe war aus meinem Antlitz gewichen; doch behielt ich die Rede in meinem Herzen.“

Buch Daniel: Dan 7,1-28 EU

Daniels Vision von den vier Tieren und dem Menschensohn findet sich in ähnlicher Gestalt auch in der Apokalypse des Johannes (Off 1,9-20 LUT). Mit dem Menschensohn wird hier ganz deutlich auf den Christus hingewiesen.

„10 Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune, 11 die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea. 12 Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter 13 und mitten unter den Leuchtern einen, der war einem Menschensohn gleich, angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. 14 Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme 15 und seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie großes Wasserrauschen; 16 und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht. 17 Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte 18 und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle. 19 Schreibe, was du gesehen hast und was ist und was geschehen soll danach. 20 Das Geheimnis der sieben Sterne, die du gesehen hast in meiner rechten Hand, und der sieben goldenen Leuchter ist dies: Die sieben Sterne sind Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind sieben Gemeinden.“

Apokalypse des Johannes: Off 1,10-20 LUT

Anmerkungen

  1. Gerold Necker: Einführung in die lurianische Kabbla, Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, Frankfurt am Main Leipzig 2008 ISBN 978-3458710080, S 132

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.