Dunkle Energie

Aus AnthroWiki

Als Dunkle Energie wird in der Kosmologie eine hypothetische Form der Energie bezeichnet. Die Dunkle Energie wurde als eine Verallgemeinerung der kosmologischen Konstanten eingeführt, um die beobachtete beschleunigte Expansion des Universums zu erklären, die vor rund 5 Milliarden Jahren begonnen hat[1]. Der Begriff wurde 1998 von Michael S. Turner geprägt.

Die physikalische Interpretation der Dunklen Energie ist weitgehend ungeklärt und ihre Existenz ist experimentell nicht nachgewiesen. Die gängigsten Modelle bringen sie mit Vakuumfluktuationen in Verbindung, es wird aber auch eine Reihe weiterer Modelle diskutiert. Die physikalischen Eigenschaften der Dunklen Energie lassen sich durch großräumige Kartierung der Strukturen im Universum, beispielsweise die Verteilung von Galaxien und Galaxienhaufen, untersuchen; entsprechende astronomische Großprojekte befinden sich in Vorbereitung.

Beobachtung

Materie- bzw. Energie-Anteil des Universums zum jetzigen Zeitpunkt (oben) und zur Entkopplungszeit (unten), 380.000 Jahre nach dem Urknall. (Beobachtungen der WMAP-Mission u. a.).[2] Die Bezeichnung „Atome“ steht für „normale Materie“.

Nachdem die Expansion des Universums durch die Beobachtung der Rotverschiebung der Galaxien als etabliert galt, wurden detailliertere Messungen durchgeführt, um die Geschwindigkeit der Expansion und ihre Veränderung über die Lebenszeit des Universums zu bestimmen. Traditionelle Modelle besagten, dass die Expansion aufgrund der Materie und der durch sie wirkenden Gravitation verlangsamt wird; Messungen sollten diese Verlangsamung quantifizieren.

Die Messungen, die im Wesentlichen auf Entfernungsbestimmungen weit entfernter Supernovae vom Typ Ia basierten, ergaben entgegen den Voraussagen, die sich aus den bis dahin gültigen Annahmen ableiten ließen, eine Zunahme der Expansionsgeschwindigkeit. Diese unerwartete Beobachtung wird seither auf eine unbestimmte Dunkle Energie zurückgeführt. In den Modellen besteht das Universum zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ca. 13,8 Milliarden Jahre nach dem Urknall, zu 68,3 % aus Dunkler Energie, 26,8 % aus Dunkler Materie und zu 4,9 % aus der sichtbaren, baryonischen Materie. In der Frühzeit des Universums, zum Zeitpunkt der Entkopplung der Materie von der Hintergrundstrahlung, war die Zusammensetzung noch wesentlich anders.[3]

Die Existenz einer Dunklen Energie könnte auch eine Erklärung für die Flachheit des Universums sein. Es ist bekannt, dass die normale Materie nicht ausreicht, um dem Universum eine flache, das heißt im Wesentlichen euklidische, Geometrie zu geben; sie stellt nur 2–5 % der notwendigen Masse. Aus Beobachtungen der gravitativen Anziehung zwischen den Galaxien ergibt sich aber, dass Dunkle Materie maximal 30 % der erforderlichen Materie sein kann.

Dunkle Energie ist auch ein wichtiger Parameter in Modellen zur Strukturbildung im Universum.

Theoretischer Hintergrund

Die heute akzeptierte Theorie zur großräumigen Entwicklung des Kosmos ist die allgemeine Relativitätstheorie (ART). In der Diskussion um die Expansion oder Kontraktion des Universums bewirkt die Materie durch ihre Gravitationswirkung eine Verlangsamung der Expansion; die kosmologische Konstante (sofern sie positiv ist) beschreibt dagegen eine beschleunigte Expansion und, sofern sie auf großen Skalen gegenüber der Krümmung dominiert, ein flaches Universum.

Die beobachtete Beschleunigung der Expansionsbewegung bedeutet, dass eine Beschreibung durch die kosmologische Konstante sinnvoll ist. Zuvor war sie nur eine Ad-hoc-Konstruktion, die bei der heuristischen Ableitung der einsteinschen Feldgleichungen nicht ausgeschlossen werden konnte.

Eines der ersten kosmologischen Modelle, das auf Albert Einstein zurückgeht, beschreibt ein statisches, nicht expandierendes Universum. Im Rahmen dieses Modells besitzt die kosmologische Konstante einen Wert ungleich null; die kosmologische Konstante entspricht einer Energie des Vakuums, die der Gravitation der im Universum enthaltenen Materie entgegenwirkt. Nachdem entdeckt wurde, dass das Universum nicht statisch ist, sondern expandiert, ging auch Einstein dazu über, die kosmologische Konstante gleich null zu setzen. Dennoch wurden in der Literatur auch weiterhin Modelle diskutiert, in denen die kosmologische Konstante einen von null verschiedenen Wert besitzt, z. B. im Lemaître-Universum (Inflexionsmodell).

Ein weiteres Problem war, dass die Annahme einer Vakuumenergie in der Quantenfeldtheorie Beiträge zum Energie-Impuls-Tensor lieferte, die einem außerordentlich hohen Wert der kosmologischen Konstante entsprachen, was nicht beobachtet wurde (Problem der kosmologischen Konstante).

Erklärungsversuche

Über die genaue Natur der Dunklen Energie kann derzeit nur spekuliert werden. Die einfachste Lösung ist, einen geeigneten Wert einer kosmologischen Konstanten zu postulieren und als gegebene und grundlegende Eigenschaft des Universums hinzunehmen.

Ein Vorschlag ist, die Dunkle Energie als Vakuumenergie, die in der Quantenfeldtheorie auftritt, zu verstehen. Allerdings gibt es bislang keine überzeugenden quantitativen Herleitungen.

Alternativ wird Dunkle Energie als die Wirkung eines Skalarfeldes, „Quintessenz“ genannt, angesehen. Die Fluktuationen eines solchen Feldes breiten sich typischerweise fast mit Lichtgeschwindigkeit aus. Aus diesem Grund neigt ein solches Feld auch nicht zu gravitativem Klumpen: Die Fluktuationen in überdichten Regionen strömen sehr schnell in unterdichte Regionen und führen so zu einer praktisch homogenen Verteilung.

Die Elementarteilchen, die man einem solchen Skalarfeld zuschreibt, wären überaus leicht (ungefähr 10−82 Elektronenmassen) und dürften, von der Gravitation abgesehen, praktisch nicht mit normaler (baryonischer) Materie wechselwirken.[4]

Inflation

Die Dunkle Energie wirkt der Gravitation entgegen und kann in diesem Sinn als Antigravitation angesehen werden. Gemäß der Zustandsgleichung der Dunklen Energie führt eine konstante positive Vakuumenergiedichte zu negativem Druck , der die beschleunigte Expansion des Universums vorantreibt:

Ob die Vakuumenergiedichte tatsächlich zeitlich konstant bleibt, ist noch unklar. Da der Strahlungsdruck beträgt, tritt der Expansionsdruck auch im Fall einer zeitlich nicht konstanten Energiedichte auf, sofern .

Die Dunkle Energie und die damit verbundenen Felder sind damit auch eine denkbare Ursache der Inflation in der Frühzeit des Kosmos. Allerdings ist unklar, ob zwischen einer derartigen Dunklen Energie und derjenigen, die für die derzeit beobachtete Expansion vorgeschlagen wird, ein Zusammenhang besteht.

Aktuelle Forschungsprojekte

Neuere Forschungsprogramme werden unter anderem mit der Hyper Suprime-Cam des Subaru-Teleskops und im Rahmen des Dark Energy Survey mit der DECam des Victor-M.-Blanco-Teleskops durchgeführt.[5][6][7][8] Der Start des Weltraumteleskops Euclid war für 2019 geplant,[9] wurde aber auf 2020 verschoben.[10][11] Das Hauptinstrument des russischen Satelliten Spektr-RG, der frühestens im September 2018 ins All gestartet werden soll, ist eROSITA, entwickelt vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. Mit den geplanten Experimenten hoffen die Forscher, der Natur der Dunklen Energie auf die Spur zu kommen.[12]

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Börner, Matthias Bartelmann: Astronomen entziffern das Buch der Schöpfung. In: Physik in unserer Zeit. Weinheim 33.2002,3, S. 114–120. ISSN 0031-9252.
  • Harald Lesch, Jörn Müller: Kosmologie für helle Köpfe – Die dunklen Seiten des Universums. Wilhelm Goldmann, München 2006. ISBN 3-442-15382-4.
  • Welt der Wunder. Stuttgart 2008, 2, S. 24.
  • Sidney C. Wolff, Tod R. Lauer: Observing dark energy. Astronomical Soc. of the Pacific conference series. Bd 339. San Francisco Calif. 2005. ISBN 1-58381-206-7.
  • Luca Amendola u. a.: Dark energy – theory and observations. Cambridge Univ. Pr., Cambridge 2010, ISBN 978-0-521-51600-6.
  • Helge Kragh, James M. Overduin: The weight of the vacuum – a scientific history of dark energy. Springer, Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-55089-8.
  • Boris Lemmer, Benjamin Bahr, Rina Piccolo: Quirky Quarks: Mit Cartoons durch die unglaubliche Welt der Physik, Springer Verlag 2017, ISBN 978-3662502587, eBook ISBN 978-3-662-50259-4 (pdf), ASIN B01MQRB6YZ (kindle)
  • Sylvia Feil, Jörg Resag, Kristin Riebe: Faszinierende Chemie: Eine Entdeckungsreise vom Ursprung der Elemente bis zur modernen Chemie, 2. Auflage, Springer Verlag 2018, ISBN 978-3662573235; eBook ASIN B07FDZ6V4S (kindle), ISBN 978-3-662-49920-7 (pdf)
  • Benjamin Bahr, Jörg Resag, Kristin Riebe: Faszinierende Physik: Ein bebilderter Streifzug vom Universum bis in die Welt der Elementarteilchen, 3. Auflage, Springer Verlag 2019, ISBN 978-3662584125; eBook ASIN B07PF2WN96 (kindle), ISBN 978-3-662-58413-2 (pdf)

Weblinks

Videos

Einzelnachweise

  1. Sylvia Feil, Jörg Resag, Kristin Riebe: Faszinierende Chemie, S. 45
  2. Nach den Daten des PLANCK-Weltraumteleskops (ESA, 21. März 2013) ergeben sich im Vergleich zu WMAP leicht korrigierte Werte: Sichtbare Materie: 4,9 %, Dunkle Materie: 26,8 %, Dunkle Energie: 68,3 %, Alter des Weltalls: 13,82 Milliarden Jahre, Planck reveals an almost perfect Universe. Abgerufen am 9. Oktober 2013.
  3. Das neue Bild des alten Universums.
  4. Andreas Müller (2007). Dunkle Energie. Abgerufen am 2017.
  5. New instrument increases Subaru Telescope’s field of view sevenfold. Bei: Phys.org. 13. September 2012 (englisch).
  6. Cameras to focus on dark energy. Bei: Nature.com. 12. September 2012 (englisch).
  7. The Dark Energy Survey. Englische Wikipedia, abgerufen am 14. September 2012.
  8. Additional Information about DECam. (Memento vom 24. September 2012 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft (bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis) Bei: DarkEnergySurvey.org. 2012 (englisch).
  9. Auf der Suche nach Dunkler Energie: Das neue Weltraumteleskop Euclid. Bei: DLR.de. 20. Juni 2012.
  10. Späheinsatz im All: Esa genehmigt Weltraumteleskop Euclid. Bei: Handelsblatt.com. 20. Juni 2012.
  11. Franziska Konitzer: Dunkler Kosmos. Die anderen 96 Prozent. Bei: Spektrum.de. 9. Januar 2013.
  12. Hochenergie-Astrophysik Gruppe am MPE (2016). EROSITA. Abgerufen am 2017.
Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Dunkle Energie aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.