Evangelistensymbole

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Evangelistensymbole (7. Jh.)
Codex Amiatinus
Die vier Evangelistensymbole Stier, Löwe, Adler und Mensch zur Gestalt eines Tetramorphs vereinigt (Fresco, Meteora, 16. Jahrhundert)

Die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, welche als Autoren der vier biblischen Evangelien gelten, werden in der christlichen Ikonographie seit dem 4. Jahrhundert durch vier geflügelte Symbole dargestellt: Ein Mensch versinnbildlicht Matthäus, der Löwe Markus, der Stier Lukas und der Adler Johannes.

Diese Symbole, die bis zum 13. Jahrhundert auch zu einem einzigen Gebilde zusammengefasst wurden, das die aus dem Griechischen übernommene Bezeichnung Tetramorph trägt, was Viergestalt oder Viergetier bedeutet, finden sich auch als Attribute in figürlichen Darstellungen der Evangelisten.

Herkunft

Die Symbole gehen zurück auf eine Vision aus dem Buch des Propheten Ezechiel: "Und ich sah, und siehe, es kam ein ungestümer Wind von Mitternacht her mit einer großen Wolke voll Feuer, das allenthalben umher glänzte; und mitten in dem Feuer war es lichthell. Und darin war es gestaltet wie vier Tiere, und dieselben waren anzusehen wie Menschen. Und ein jegliches hatte vier Angesichter und vier Flügel. ... Ihre Angesichter waren vorn gleich einem Menschen, und zur rechten Seite gleich einem Löwen bei allen vieren, und zur linken Seite gleich einem Ochsen bei allen vieren, und hinten gleich einem Adler bei allen vieren. ... Wo der Geist sie hin trieb, da gingen sie hin ..." (Hes 1,4-20 EU).

Wahrscheinlich liegen die Wurzeln des Tetramorph in der noch älteren Tradition der babylonischen Mythologie. Dort symbolisierten die vier Gestalten die vier männlichen Planetengötter. Der Stier stand für den babylonischen Stadtgott Marduk (Jupiter), der Löwe für den Kriegs- und Unterweltgott Nergal (Mars), der Adler für den Windgott Ninurta (Saturn) und der Mensch für Nabu (Merkur), den Gott der Weisheit.

Die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament nahm das Bild aus der hebräischen Bibel auf und begründete die christliche Tradition: "Und in der Mitte des Thrones und rings um den Thron sind vier Wesen ... Und das erste Wesen ist gleich einem Löwen, und das zweite Wesen gleich einem jungen Stier, und das dritte Wesen hat ein Angesicht wie das eines Menschen, und das vierte Wesen ist gleich einem fliegenden Adler ... jedes einzelne Wesen hat sechs Flügel und ringsum und inwendig sind sie voller Augen" (Offb 4,6-8 EU).

Evangelistensymbole (8. Jh.)
Book of Kells

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Reihenfolge der Evangelien im Neuen Testament genau der Schilderung bei Ezechiel mit der Abfolge Mensch – Löwe – Stier – Adler entspricht, während die Offenbarung eine andere Reihenfolge kennt und lediglich den Adler an letzter Position belässt.

Bedeutung

Die vier Symbole wurden in verschiedenen Epochen unterschiedlich gedeutet.

In der christlichen Tradition wurden sie zuerst von den Kirchenvätern Irenäus von Lyon (2. Jh.) und Hippolyt auf die Gestalt Christi bezogen. Christus im „Tetramorph“: Mensch in der Geburt, „Stierkalb“ im Opfertod, „Löwe“ im Auferstehen und „Adler“ durch die Auffahrt zum Himmel.

Hieronymus identifizierte die Tiere der genannten Bibelstellen im 4. Jahrhundert mit den vier Evangelisten. Er lieferte folgende Deutung, die zur bestimmenden Tradition der christlichen Kirche wurde: Matthäus beginnt sein Evangelium mit der Menschwerdung Jesu, mit dem Stammbaum, so steht der geflügelte Mensch für ihn. Markus beginnt mit der Bußpredigt des Johannes, dessen Stimme wie die eines Löwen in der Wüste schallt, so steht der geflügelte Löwe für seinen Bericht. Lukas beginnt mit dem Opferdienst des Priesters Zacharias, so steht für ihn als typisches Opfertier der geflügelte Stier. Johannes erhielt den Adler, weil er im Prolog über das Wort, das am Anfang bei Gott war, höher steigt als die anderen und sich in die höchsten Regionen aufschwingt, so wie ein Adler sich zur Sonne erhebt. Der Adler für den Verfasser des „geistlichen Evangeliums“ (Clemens von Alexandria, um 200 n. Chr.) lässt sich auch mit der symbolischen Darstellung des Heiligen Geistes in Beziehung bringen, der häufig ebenfalls als Vogel (allerdings als Taube) dargestellt wird. Das Symbol für Matthäus wird volkstümlich auch als der Engel verstanden, der dem Evangelisten diktiert habe.

Die vier Evangelistensymbole haben auch Teil an der Symbolik der Vier als Zahl der Welt und versinnbildlichen so die Universalität der Christus-Botschaft.

Christus im Tetramorph (um 1150)
Abtei Saint-Fortunat, Charlieu
Tympanon des Hauptportals (im Norden!)

Darstellungen

Den biblischen Texten folgend sind auch der Mensch, der nicht mit einem Engel zu verwechseln ist, der Löwe und der Stier meistens geflügelt. Seltener werden die vier Wesen mit Augen übersät dargestellt, wie es in der Offenbarung geschildert ist.

Keller gibt als erste Darstellung die um das Jahr 400 entstandenen Wandmalereien in der Apsis von San Pudenziana in Rom an und nennt als frühe Darstellung der vier zu einer Figur zusammengefügten Tiere eine Buchmalerei in einem um das Jahr 775 datierten Echternacher Evangeliar, das sich 1979 in der Dombibliothek in Trier befand. Grundsätzlich umgeben sie die Majestas Domini (auch Rex Gloriae), das heißt die von einem Kreis oder einer Mandorla eingefasste Christusfigur, deren Platz in der Wandmalerei meistens die Apsis, in der Buchmalerei das Vorsatzblatt liturgischer Handschriften und in der Elfenbeinschnitzerei oder Goldschmiedekunst der Buchdeckel ist.

Besonders häufig sind die Evangelistensymbole im Portalbereich mittelalterlicher Kirchen zu finden, wo sie im Zusammenhang mit der Majestas Domini das Tympanon zieren, oder beispielsweise in den Portalausschrägungen unter den Füssen von Einzeldarstellungen der Evangelisten als Attribute fungieren.

Schöne Beispiele liefern beispielsweise Bogenfelder in Portalen von Saint-Fortunat in Charlieu sowie der Kathedralen von Chartres und Angers.

Galerie

Besonderheiten

Während die Evangelistensymbole gerade bei Darstellungen, die alle vier gemeinsam zeigen, oft diese Zusammenstellung zeigen, werden die Evangelisten auch mit anderen Attributen dargestellt. Wird beispielsweise der Apostel Matthäus dargestellt, so hat er als Attribut Schwert oder Hellebarde, mit denen er getötet wurde. Da sich in Venedig das Grab des Apostels Markus befindet, ist dort der Löwe seit über 1000 Jahren allgegenwärtig. Auf die Evangelistensymbole sind auch die häufigen Wirtshausnamen "Adler", "Löwen", "Ochsen" und "Engel" zurückzuführen.

Siehe auch:

Literatur

  • Hiltgart L. Keller: "Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der bildenden Kunst", Stuttgart, 1968, 4. durchgesehene und ergänzte Auflage Stuttgart, 1979, Philipp Reclam Jun. ISBN 3-15-010154-9
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