Franz von Assisi

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Das älteste, noch zu Lebzeiten entstandene Bild Franziskus’ von Assisi, Fresko im Sacro Speco in Subiaco

Franz von Assisi (auch Franziskus von Assisi, lat.: Franciscus de Assisi oder Franciscus Assisiensis gebürtig Giovanni Battista Bernardone; * 1181/1182 in Assisi, Italien; † 3. Oktober 1226 in der Portiuncula-Kapelle unterhalb der Stadt) war der Begründer des Ordens der Minderen Brüder (Franziskaner). Er wird in der römisch-katholischen Kirche als Heiliger verehrt.

Der hl. Franziskus lebte nach dem Vorbild Jesu Christi (sogenannte Imitatio Christi), wie er selbst sagte, das Evangelium „sine glossa“ (das heißt, ohne Hinzufügungen oder Veränderungen). Diese Lebensweise zog gleichgesinnte Gefährten an, was zur Gründung der Minderen Brüder führte, deren Orden rasch wuchs. Franziskus war auch Mitbegründer der Klarissen. Trotz großer Widerstände während der ersten Jahre seines Wirkens wurde er von der katholischen Kirche schon zwei Jahre nach seinem Tode heiliggesprochen. Sein Gedenktag ist in der römisch-katholischen, der alt-katholischen, der anglikanischen und einigen evangelischen Kirchen am 4. Oktober, in der evangelischen Kirche in Deutschland der 3. Oktober.

Leben

Jugend

Denkmal für Franz’ Eltern in Assisi; Pica hält eine zerbrochene Kette, Pietro den abgelegten Rock.
Umbrien, die Region, aus der Franz stammte

Franz von Assisi wurde 1181 oder 1182 in der umbrischen Stadt Assisi am Fuß des Monte Subasio geboren. Seine Eltern waren der wohlhabende Tuchhändler Pietro Bernardone und dessen Frau Pica. Eigentlich auf den Namen Giovanni (deutsch: Johannes) getauft, gab ihm sein Vater – der sich zum Zeitpunkt der Geburt auf einer Handelsreise in Frankreich befunden hatte – nach seiner Rückkehr den Rufnamen Francesco (‚Französchen‘). Während in der Sekundärliteratur sehr oft behauptet wird, die Mutter des hl. Franziskus sei Französin aus dem niederen Adel gewesen (möglicherweise aus der Familie Bourlémont in den Vogesen) und der Vater habe sie auf seinen Handelsreisen kennengelernt, widerspricht der Historiker Isnard Frank solchen Herkunftsangaben: „Die Vermittlung des Französischen durch die angeblich aus Frankreich stammende Mutter ist auszuschließen. Ihr Name hat nichts mit der Picardie zu tun, wie früher gelegentlich angenommen wurde. Sie stammte aus einer ortsansässigen assisischen Familie.“ Er führt für diese Feststellung jedoch keine Quellenangaben an und begründet sie nicht.[1]

Franziskus genoss eine für einen Bürgerlichen vergleichsweise hohe Bildung, offenbar weil sein Vater wünschte, dass er als Kaufmann Lesen, Schreiben und Rechnen beherrschen müsse. Daher schickte er seinen Sohn in die Schule der Pfarrei San Giorgio, die vom Kapitel zu San Rufino unterhalten wurde;[2] dort lernte Franz zumindest Lesen, Schreiben und etwas Latein. In seiner Jugend führte Franz ein ausschweifendes Leben, mit dem Geld seines Vaters hielt er seine Altersgenossen bei Festen frei und war solchermaßen oft der Mittelpunkt der jugendlichen Feiern.

Im November 1202 zog Franziskus mit Assisi in einen Krieg gegen die Nachbarstadt Perugia, wobei Assisi unterlag (Gefecht bei Collestrada). Assisi gehörte zum Machtbereich der Staufer und Perugia zu dem der Welfen. Wie andere Kämpfer aus Assisi wurde er daraufhin in Perugia eingekerkert und kam erst Anfang 1204 nach mehr als einem Jahr gegen eine Lösegeldzahlung seines Vaters wieder frei.[3] Sein Jugendtraum, Ritter zu werden, und sein unbekümmertes Leben waren durch das Erleben des Krieges in Frage gestellt worden. Als er freikam, war er krank und innerlich zutiefst erschüttert.

Als Walter III. von Brienne, ein Lehnsmann des Papstes, 1204 oder 1205 einen Kriegszug nach Apulien in Süditalien vorbereitete, um dort für den Papst die Herrschaft gegen die Staufer wiederzugewinnen, machte Franziskus sich mit Pferd und Rüstung auf den Weg nach Apulien, um sich dem papsttreuen Ritter anzuschließen, kehrte aber noch auf dem Weg dorthin um. Die Legenden erklärten seine Umkehr damit, dass Franziskus von Gott im Traum aufgerufen worden sei, sich statt in den Dienst eines weltlichen Ritters in den Dienst Gottes zu stellen; so träumte er laut der zweiten Franziskus-Biographie des Thomas von Celano, dass er wie folgt angesprochen worden sei:

„Wer kann dir Besseres geben? Der Herr oder der Knecht“
Franz antwortet: „Der Herr!“
Darauf die Stimme: „Warum dienst du dem Knecht statt dem Herrn?“
Franz: „Was willst du Herr, das ich tun soll?“
Der Herr: „Kehre zurück in deine Heimat, denn ich will dein Gesicht in geistlicher Weise erfüllen.“

Franziskus zog sich in der folgenden Zeit zunehmend aus seinem Freundeskreis zurück und suchte die Einsamkeit. 1205 oder 1206 unternahm er eine Wallfahrt nach Rom, auf der er der Legende nach mit einem Bettler die Kleidung tauschte, um das Leben in vollkommener Armut „auszuprobieren“. Sein Verhalten brachte ihn in Konflikt mit seinem Vater, der mit seinem ältesten Sohn große Pläne hatte und es nicht duldete, dass er Waren aus seinem Geschäft als Almosen verschenkte.

Panoramabild der Stadt Assisi

Berufung

Franziskus sieht sich in einer Vision vom Kreuz her angesprochen. (Fresko von Giotto di Bondone, um 1295)
Franz gibt seinem Vater die Kleider zurück und verzichtet damit auf seinen Besitz. (Fresko von Giotto di Bondone, um 1295)

Beim Gebet in San Damiano, etwa im Jahr 1205, sprach der Überlieferung zufolge Christi Stimme vom Kreuz von San Damiano zu Franziskus:

„Franziskus, geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, ganz und gar in Verfall gerät.“ (nach II Cel 10[4]).

Auf diese Vision hin erbettelte er Baumaterial und begann nach Aussage seiner Biographen die kleine romanische Kirche eigenhändig wiederherzustellen. Später habe er in gleicher Weise San Pietro della Spina renoviert, eine heute nicht mehr vorhandene Kirche, sowie die etwa drei Kilometer von Assisi entfernte Kapelle Santa Maria degli Angeli, die unter dem Namen Portiuncula bekannt ist.

Für wohltätige Zwecke und für seine baulichen Wiederherstellungsarbeiten an San Damiano nahm Franz Waren und Geld aus dem Geschäft seiner Eltern. Dies führte zu Streit mit seinem Vater, der schließlich vor dem Richterstuhl des örtlichen Bischofs Guido II. einen Prozess gegen seinen Sohn führte. In dieser Gerichtsverhandlung, die im Frühjahr 1207 öffentlich auf dem Domplatz stattfand, entkleidete sich Franziskus vollständig, verzichtete mit dieser Geste auf sein Erbe und sagte sich von seinem Vater los. Seine überlieferte Aussage:

„Bis heute habe ich dich meinen Vater genannt auf dieser Erde; von nun an will ich sagen: »Vater, der du bist im Himmel«.“[5]

Danach begann Franziskus, außerhalb der Stadtmauern als Einsiedler zu leben. Er ging um Essen bettelnd von Haus zu Haus. Seine freiwillige Armut bezeichnete er – in Anspielung auf Vorstellungen des Rittertums und des Minnesangs – als seine „Herrin“.[6] Franziskus hielt sich zum Gebet häufig in den kleinen Kapellen im Umkreis Assisis auf, vor allem in Portiuncula. Er pflegte nach eigenen Angaben die Aussätzigen, die außerhalb der Stadtmauern leben mussten, was auch bei seinen Biographen vermerkt ist. In seinem Testament schrieb er:

So hat der Herr mir, dem Bruder Franziskus, gegeben, das Leben der Buße zu beginnen: Denn als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr selbst hat mich unter sie geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit der Seele und des Leibes verwandelt. (Testament 1-3[7]) In den Biographien und Legenden wird diese Begebenheit hagiographisch überhöht.

Als Franziskus 1208 am 24. Februar, dem Gedenktag des Apostels Matthias, in der kleinen Kirche von Portiuncula die Messe hörte, wurde er auf jene Stelle des Evangeliums nach Matthäus (10,5–14 EU) aufmerksam, die von der Aussendung der Jünger erzählt:

Geht aber und predigt […] Umsonst habt ihr’s empfangen, umsonst gebt es auch. Ihr sollt weder Gold noch Silber noch Kupfer in euren Gürteln haben, auch keine Reisetasche, auch nicht zwei Hemden, keine Schuhe, auch keinen Stecken. Mt 10,8–10 EU

Die frühen Quellen berichten, dass Franziskus diese Worte der Evangelien nicht nur im übertragenen Sinne verstanden habe, sondern immer versucht habe, sie zunächst wörtlich und direkt anzuwenden. So sei der Text für ihn eine Aufforderung gewesen, so zu leben und zu wirken, wie die zwölf von Jesus ausgeschickten Jünger, die Apostel, nämlich in Armut zu leben und das Evangelium zu verkünden (auch apostolisches Leben genannt oder lat. vita apostolica). Ausgehend vom Evangelium kleidete sich Franziskus von nun an in eine einfache Kutte, die mit einem Strick gehalten wurde, lehnte den Besitz und sogar den Kontakt mit Geld strikt ab und ging nach Möglichkeit barfuß.

Franziskus verstand sich selbst als Büßer. Als solcher ermahnte er seine Mitmenschen, Gott zu lieben und für ihre Sünden Buße zu tun. Durch diese Predigten und seine extreme Lebensweise stieß er bei vielen Menschen auf Spott und Ablehnung, doch etliche andere zog sein Beispiel an, so dass sich ihm im Laufe der Zeit viele Brüder anschlossen.

Entstehung und Bestätigung seines Ordens

Der Überlieferung zufolge schlossen sich als erste Bernardo di Quintavalle, ein reicher Adeliger aus Assisi, und Pietro Catanii, ein Rechtsgelehrter, Franziskus an. Die Dreigefährtenlegende berichtet, diese drei – Bernardo, Pietro und Francesco – hätten die Bibel durch dreimaliges Aufschlagen nach dem Auftrag befragt, den Gott für sie habe (sogenanntes Bibelstechen). Ihr Lebensprogramm seien die drei so gefundenen Jesusworte gewesen:

„Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.“(Mt 19,21 EU)
„Nehmt nichts mit auf den Weg, keinen Wanderstab und keine Vorratstasche, kein Brot, kein Geld und kein zweites Hemd.“(Lk 9,3 EU)
„Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“(Lk 9,23 EU)

Franziskus hatte nach eigenen Angaben nicht vor, einen Orden zu gründen. Er schreibt in seinem Testament:

Und nachdem mir der Herr Brüder gegeben hat, zeigte mir niemand, was ich zu tun hätte, sondern der Höchste selbst hat mir geoffenbart, dass ich nach der Vorschrift des heiligen Evangeliums leben sollte. (Testament 14[8])

Die Brüder waren den Biographien zufolge zunächst in einer Hütte in Rivotorto, wenige Kilometer von Assisi entfernt, unten in der Ebene, untergekommen, wo sie aber nicht lange bleiben konnten. Die Quellen geben unterschiedliche Gründe an, nämlich entweder Platzmangel oder den Eigenbedarf des Besitzers. Im Jahr 1208 übergab der Abt der Benediktinerabtei am Monte Subasio den Brüdern das Kirchlein Portiuncula. Thomas von Celano überliefert, Franziskus habe jedoch keinen Grundbesitz haben wollen und darauf bestanden, dass die Brüder eine Art Miete in Form von Fischen an die Benediktiner zahlten. Auf dem Gelände um die Kirche lebten die Brüder in einfachen Hütten aus Reisig.

Franz und seine Brüder erbitten die Bestätigung der Regel. (Fresko von Giotto di Bondone, um 1295)

Im Jahr 1209 ging Franz mit seinen ersten zwölf Gefährten – die Zahl hat er selbst oder sein Biograph wohl bewusst gewählt, um auf die zwölf Apostel anzuspielen – nach Rom, um von Papst Innozenz III. die Bestätigung der Lebensweise ihrer kleinen Gemeinschaft zu erbitten. Diese war in der Zeit der Ketzerkriege nicht leicht zu erreichen, weil die Gründung von neuen Bewegungen in der Kurie mit äußerster Skepsis betrachtet wurde. Die erste Fassung der damals in Rom vorgelegten franziskanischen Regel (in der Literatur Regula primitiva oder Urregel genannt) ist verloren gegangen. Sie stellte vermutlich einen knappen und einfachen, aus Evangelienzitaten zusammengesetzten Leitfaden für ein Leben in Armut dar.

Aus heutiger Sicht vertrat Franz sein Anliegen geschickt, indem er die Brüder als Buß- bzw. Wanderprediger bezeichnete. Die Büßer und Wanderprediger wurden von der Kirche als Stand anerkannt, wohingegen sie die übrigen Gruppierungen der im Hochmittelalter an verschiedenen Orten aufkommenden Armutsbewegung, beispielsweise der Katharer/Albigenser, Waldenser, Humiliaten oder Brüder und Schwestern des freien Geistes, zumindest später als häretisch bekämpfte – und insbesondere die Katharer mit Waffengewalt auslöschen ließ.

Der kleinen Gemeinschaft um Franz gab der Papst im Sommer oder Herbst 1210 zumindest die mündliche und vermutlich probeweise erteilte Erlaubnis, nach ihrer Regel in Armut zu leben und Buße zu predigen. Hierzu trug bei, dass Franz Fürsprecher an der Kurie, also in den päpstlichen Behörden, fand, besonders Kardinal Ugolino von Ostia. Die Dreigefährtenlegende erwähnt, Franz und seine Gefährten hätten in Rom den ihnen wohlgesinnten Bischof von Assisi getroffen, der über den ihm bekannten Kardinal von Sabina (möglicherweise Giovanni I. Colonna alias Giovanni der Ältere) eine wohlwollende Aufnahme beim Papst anbahnte. Allerdings habe auch der Kardinal von Sabina Franz und seine Gefährten nicht ohne Vorbehalte empfangen, sondern ihre Angelegenheit dem Papst erst nach mehrtägigen Befragungen des Ordensgründers empfohlen: Er habe Franz gewarnt, dass seine Ordensregel zu Schwierigkeiten führen werde, und ihn gedrängt, sich lieber einem der bestehenden Orden anzuschließen.[9]

Öffentlich verkündet wurde die päpstliche Anerkennung des Ordens vermutlich erst vor oder während des IV. Laterankonzils im Jahr 1215, denn nach diesem Konzil war die Gründung von Orden auf Grundlage einer bisher nicht approbierten Ordensregel (z. B. die Regel der Benediktiner oder der Augustiner-Kanoniker) untersagt. Ob die Anerkennung schriftlich oder weiterhin mündlich erfolgte, ist nicht bekannt.

Weitere Lebensstationen

Im Jahr 1219, während des Kreuzzugs von Damiette, reiste Franziskus als Missionar bis Palästina und schloss sich dort dem Kreuzfahrerheer an, das auf dem Weg nach Ägypten war. In der Nähe von Damiette an der Nil-Mündung predigte er im Lager des muslimischen Heeres vor dem Sultan Al-Kamil. Diese Begebenheit ist auch in außerfranziskanischen Quellen belegt, beispielsweise bei dem Kreuzzugs-Chronisten Oliver von Paderborn. Bei dieser Begebenheit verfolgte er drei Ziele: Erstens wollte er den Sultan zum Christentum bekehren, zweitens, wenn nötig, als Märtyrer sterben und drittens Frieden schaffen. Der Sultan schenkte Franziskus zwar ein Signalhorn und war sehr beeindruckt von der Begegnung mit dem Bettelmönch, doch Franziskus konnte die bevorstehende Schlacht nicht verhindern und der Kreuzzug insgesamt wurde fortgeführt.

Seit dieser Reise verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend, vermutlich durch eine Augeninfektion, die er sich im Orient zugezogen hatte. Zudem gab es Probleme innerhalb des rasch wachsenden Ordens: Während Franziskus nicht in Italien war, stiegen die Spannungen in der franziskanischen Gemeinschaft, die bereits in ganz Europa vertreten war. Nach Assisi zurückgekehrt, übertrug Franz 1220 die Leitung des Ordens Pietro Catanii. Etwa gleichzeitig diktierte Papst Honorius III. der Bruderschaft eine klar hierarchische, dem Geist des Ordensgründers aber kaum gerecht werdende Ämterverfassung und setzte überdies den Kardinal von Ostia, Ugolino di Segni, den späteren Papst Gregor IX., als Kardinalprotektor und -korrektor des Ordens ein. Das Verhältnis zwischen Protektor und Ordensgründer beschreibt Thomas von Celano, der erste Franziskus-Biograph, vielsagend: „Der heilige Franziskus hing an dem Kardinal...wie das einzige Kind an seiner Mutter. Sorglos schlief und ruhte er an seinem liebenden Busen. Gewiß nahm der Kardinal die Stelle des Hirten ein und erfüllte dessen Aufgaben. Den Namen des Hirten aber überließ er dem heiligen Mann…“ Über die Gründe und Motive für diese Maßnahmen und den Amtsverzicht des Franziskus kann nur spekuliert werden.[10] Vermutlich befürworteten nicht alle, welche sich der franziskanischen Bewegung angeschlossen hatten, die strenge Forderung Franzens, die Minderen Brüder müssten besitzlos leben. Außerdem wollten manche der Franziskaner, dass sich ihr Leben nicht allein nach dem Evangelium richte, sondern zusätzlich festen Ordensregeln folgen solle. Auch die 1221 entstandene, stark spirituell ausgerichtete, sogenannte „nichtbullierte Regel“ wurde von vielen Brüdern für unpraktikabel gehalten. Offensichtlich misslang es Franz, die Mehrheit seiner Nachfolger auf dem von ihm gewünschten strengen und grundsatztreuen Kurs zu halten.

Die Stigmatisation des hl. Franziskus (Fresko von Giotto di Bondone)

Mit der Abgabe der Ordensleitung zog sich Franziskus nach Lage der Quellen innerlich aus der Gemeinschaft zurück, worunter er sehr litt. Er verfasste schließlich auf Anweisung der römischen Kurie 1223 in der Einsiedelei Fonte Colombo widerwillig eine dritte, die letzte Version der franziskanischen Ordensregel. Diese Regel wurde auf dem Pfingstkapitel – so hieß die Ordensversammlung – im Juni 1223 diskutiert, und der auf Innozenz III. folgende Papst Honorius III. genehmigte mit Solet annuere die bullierte Regel am 29. November desselben Jahrs.[11]

Als sich Franziskus im Spätsommer des Jahres 1224 auf den Berg La Verna zurückzog, wo er seit 1212 eine kleine Felsnische als Einsiedelei benutzte, wurden bei ihm nach Aussage der Biographen Wundmale sichtbar, die die ältesten Quellen als Einprägung der Wundmale Christi deuten. Dies gilt als der erste überlieferte Fall einer Stigmatisation. Als Tag dieses Ereignisses wird in den Biographien der 17. September 1224 angegeben, drei Tage nach dem Fest der Kreuzerhöhung. Einzelne moderne Autoren halten diese Entstehungsgeschichte jedoch für eine erfundene Legende.[12]

Tod und unmittelbare Nachwirkung

Grab des Franz von Assisi in der Basilica San Francesco in Assisi

Seit seinem Orientaufenthalt war Franziskus durch eine Augenkrankheit nach und nach erblindet, außerdem – vermutlich durch sein Fasten – magenkrank und stark geschwächt. Im Herbst 1226 lud der Bischof von Assisi ihn in seinen Palast ein. Zwei Tage vor seinem Tod ließ Franziskus sich jedoch „eilends“ aus der Stadt heraus zur Portiuncula-Kirche tragen.[13] Seine Beweggründe werden von Celano so interpretiert, dass er an seinem bevorzugten Ort sterben wollte, wo die Bewegung der Brüder ihren Anfang genommen hatte. Wahrscheinlich wünschte er auch, dort begraben zu werden.[14] Celano überliefert, die Bürger von Assisi hätten seinen Leichnam jedoch unmittelbar nach seinem Tod nach Assisi hineintragen lassen, da sie befürchteten, dass sich die Bürger des benachbarten und verfeindeten Perugia seines Leichnams bemächtigen würden. Weil Franziskus schon zu Lebzeiten als Heiliger galt, erwartete der Magistrat der Stadt Assisi aus seiner öffentlichen Verehrung auch politisches Renommee für die Stadt und wirtschaftlichen Nutzen, zum Beispiel durch Pilgerreisen.

Der Tod des hl. Franziskus (Fresko von Giotto di Bondone)

Die Überlieferung berichtet, der hl. Franziskus habe sich gewünscht, nackt auf die Erde gelegt zu werden, um seine Treue zur „Herrin Armut“ zu verdeutlichen. Er sei danach mit einem von einem Bruder geliehenen Gewand bekleidet worden. Auf seinen Wunsch hin sei der von ihm gedichtete Sonnengesang gesungen worden. Dann habe er sich das Evangelium von Jesu Leiden und Sterben vorlesen lassen. Bei seinem Tod schließlich sollen der Legende nach Lerchen zu einer für sie ungewöhnlichen Tageszeit aufgeflogen sein.

Im Testament, das er hinterlassen hat, bekräftigt Franziskus noch einmal, was der Inhalt seines Lebensentwurfs war: seinen Gehorsam gegenüber der Kirche, dass er aber auch ohne jeden Mittler, allein durch eine unmittelbare Offenbarung Gottes dazu gekommen sei, gemäß dem Evangelium zu leben, und dass sein absoluter Verzicht auf jede Form von materiellem und geistigem Besitz verbindlich sei und von niemandem minimiert werden dürfe. Dieses Testament, so sein Wille, solle ohne jede Veränderung oder Interpretation neben der Ordensregel bei allen zukünftigen Ordensversammlungen „bis ans Ende“ verlesen werden.


Heiligsprechung

Schon am 16. Juli 1228 wurde Franziskus von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Der älteste Bericht über die Feierlichkeiten mutet indessen eher wie eine Heiligsprechung des Papstes an, während die konkrete Persönlichkeit des armen Bruders Franz zur Marginalie wurde. Der unbequeme Lebensentwurf des Franziskus kam in dem Bericht so gut wie nicht zur Sprache. So nimmt es auch nicht wunder, dass dieser Heiligsprechung zwei Jahre später die päpstliche Bulle Quo elongati folgte, in der Gregor IX., der einstige Protektor des Lebenswerkes des Franziskus, dem Testament des Heiligen die Rechtsverbindlichkeit für den Orden abspricht. Dem entsprach die Beisetzung: Franziskus wurde nicht in der Santa Maria degli Angeli in Portiuncula bestattet, vielmehr ruhen seine Gebeine seit 1230 in einem Steinsarg in der Grabkammer der Unterkirche der Basilika San Francesco in Assisi.

Werk

Peter Paul Rubens: Detail aus „Die letzte Kommunion des hl. Franziskus von Assisi“

Franziskus hat viele eigene Werke hinterlassen, obwohl er sich selbst als idiota (im Sinne von ungebildet) bezeichnete; dieser Bescheidenheitstopos war im Mittelalter allgemein üblich. Franziskus verfasste seine Texte auf Altitalienisch oder in ungelenkem Latein, das er von einem Schreiber korrigieren ließ.

Er hinterließ zahlreiche Gebete und Gesänge (Laudi), unter anderem den berühmten Sonnengesang. Es sind hauptsächlich Loblieder und Anbetungstexte. Dabei wurde Franziskus, der in seiner Jugend dem Ritterideal nacheiferte, in Liedform und Wortwahl vom Minnelied inspiriert. Daneben stellte Franz aus Bibelzitaten ein Offizium für das Stundengebet seiner Brüder zusammen, bei dem er in freier Assoziation Verse aus den Propheten (vor allem Jesaja) und den Psalmen, aber auch aus dem Neuen Testament kombinierte. Neben den Lobgesängen und Gebeten sind von ihm auch Briefe erhalten, einige davon jedoch nur als Entwurf oder Diktat.

Das einzige erhaltene Autograph stellt das Schriftstück für Bruder Leo dar, das im Sacro Convento in Assisi aufbewahrt wird. Es enthält auf der Vorderseite den Segen für Bruder Leo und auf der Rückseite Notizen des Bruders zur Entstehung dieses Schriftstücks. Bruder Leo bewahrte dieses Pergament der Überlieferung nach zeit seines Lebens eingenäht in seinen Habit.

Die verschiedenen aufeinander folgenden Regeltexte stellte Franziskus mit großer Wahrscheinlichkeit allein zusammen. Neben der verloren gegangenen Urregel verfasste er 1221 die ausführlichere Nichtbullierte Regel und etwas später die 1223 approbierte Bullierte Regel. Außerdem schrieb er spezielle Anweisungen für die Einsiedeleien nieder sowie weitere Mahnungen und Richtlinien für die Brüder und auch für die Schwestern der heiligen Klara von Assisi.

In seinem geistlichen Testament, das im Frühjahr 1226 in Siena entstand, versuchte Franziskus, seinen Brüdern nochmals den ursprünglichen evangelischen Geist in Erinnerung zu rufen. Es sollte nach seinem Willen bei allen zukünftigen Ordensversammlungen neben der Ordensregel verlesen werden. Papst Gregor IX. sprach ihm indessen 1230, zwei Jahre nach der Heiligsprechung, mit der Bulle Quo elongati jede Rechtsverbindlichkeit für den Orden ab.

Kajetan Eßer hat in intensiven Studien vor allem in den 1960er und 1970er Jahren die echten Schriften des Franz von Assisi von den ihm nur zugeschriebenen unterschieden. In der folgenden Liste sind die von der Forschung mittlerweile anerkannten echten Schriften mit dem Titel, den Eßer ihnen gab, aufgelistet:

Gebetstexte und Meditationen   Briefe
  • Aufforderung zum Lobe Gottes
  • Erklärung zum Vaterunser
  • Gebet vor dem Kreuzbild von San Damiano
  • Gruß an die selige Jungfrau Maria
  • Gruß an die Tugenden
  • Offizium vom Leiden des Herrn
  • Preisgebet zu allen Horen
  • Schriftstück für Bruder Leo (Lobpreis Gottes, Segen für Bruder Leo)
  • Sonnengesang
 
  • Brief an den heiligen Antonius
  • Brief an die Gläubigen I und II
  • Brief an die Kleriker I und II
  • Brief an die Kustoden I und II
  • Brief an die Lenker der Völker
  • Brief an Bruder Leo
  • Brief an einen Minister
  • Brief an den gesamten Orden
 
Regeltexte und Mahnungen an die Brüder und Schwestern   Diktate und Entwürfe
  • Ermahnungen
  • Lebensform für die heilige Klara
  • Mahnlied für die Schwestern der heiligen Klara
  • Nicht bullierte Regel
  • Fragmente einer anderen Form der nicht bullierten Regel
  • Bullierte Regel
  • Regel für Einsiedeleien
  • Testament
  • Vermächtnis für die heilige Klara
 
  • Brief an die Bürger von Bologna
  • Brief an die Brüder in Frankreich
  • Brief an Herrin Jakoba
  • Brief an die heilige Klara über das Fasten
  • Die wahre und vollkommene Freude
  • Segen für Bruder Bernhard
  • Segen für die heilige Klara und ihre Schwestern
  • Testament von Siena

Frühe Biographien

Die erste Lebensbeschreibung des Franz von Assisi wurde von Thomas von Celano (1190–1260) verfasst, der sich darauf berief zu schreiben, was er „aus seinem eigenen Munde gehört und von glaubwürdigen und zuverlässigen Zeugen erfahren habe“.[15] Er schrieb sein erstes Werk (Vita prima) im Auftrag Papst Gregors IX. in den Jahren 1228 bis 1229. 1246–1247 schrieb er eine zweite Lebensbeschreibung – diesmal im Auftrag der franziskanischen Ordensleitung. Gleichzeitig mit dem Auftrag für diese neue Biografie „erging der Aufruf an die Minderbrüder, alle bisher nur mündlich überlieferten Franz-Geschichten zu sammeln, niederzuschreiben und dem Celano zur Verfügung zu stellen.“ Insbesondere die Brüder Leo, Rufinus und Angelo schrieben daraufhin ihre heute als Dreigefährtenlegende bekannten Erinnerungen an Franziskus nieder, auf die Celano in seiner zweiten Biografie zurückgriff.[16] Schließlich verfasste er 1250–1252 die „Abhandlung über die Wunder des heiligen Franziskus“, eine Sammlung von Wundergeschichten.

Der zweite offizielle Biograph des Heiligen war der fünf Jahre vor dem Tod des Franziskus geborene hl. Bonaventura von Bagnoregio (1221–1274), ein Gelehrter, der ab 1257 Generalminister des Ordens war und dem an einem bestimmten Franziskusbild gelegen war. Die Streitigkeiten innerhalb des Ordens um die richtige Armutspraxis und die Strenge der Ordensregel sollte durch eine einheitliche und verbindliche Biographie behoben werden. Darum ordnete das Generalkapitel der Franziskaner unter der Leitung Bonaventuras 1266 in Paris schließlich die Vernichtung aller vorherigen Franziskus-Biographien an. Die absolute Vernichtung gelang zwar nicht, die Zensur hatte aber immerhin zum Erfolg, dass die erste Franziskus-Biografie des Celano erst 1768 gedruckt erschien, seine zweite erst 1880.[17] Bonaventura verfasste die Legenda major 1260–1262. Gleichzeitig schrieb er eine gekürzte Fassung, die Legenda minor, die für die Lesung im Chorgebet der Brüder bestimmt war.[18] Die Legenda verwendet alle früheren Biographien als Quellen, dazu kommen einige wenige Augenzeugenberichte von Brüdern. Die Sondertraditionen der früheren Legenden ließ Bonaventura jedoch aus. Das Urteil über die Franziskusbiografien des Bonaventura ist teilweise vernichtend, so nennt Adolf Holl sie „stark geglättet“ und urteilt in seiner 1979 erschienenen Franz-Biografie schließlich: „Die Bonaventura-Biographie, jahrhundertelang die einzige offiziell zugelassene, ist historisch wertlos. Sie bringt gegenüber den älteren Quellen“ – gemeint sind die Celano-Biografien und die Dreigefährtenlegende der schon erwähnten Brüder Leo, Rufino und Angelo – „wenig neues Material und unterschlägt so ziemlich alles, was Franz interessant macht.[19]

Bartholomäus von Pisa verfasste Ende des 14. Jahrhunderts „Über die Gleichförmigkeit des Lebens des seligen Franziskus mit dem Leben des Herrn Jesus“ (De conformitate vitae Beati Francisci ad vitam Domini Jesu).

Weitere legendenhafte Darstellungen des Franziskuslebens sind die Legenda Perusina, der Bund des heiligen Franziskus mit der Herrin Armut, das Speculum perfectionis sowie die Fioretti (Blümlein des Hl. Franziskus).

Rudolf Steiner über Franz von Assisi

„Die eigentümliche Art des Franz von Assisi, die ja so viel Ähnlichkeit hat, auch in dem Leben seiner Mönche, mit den Schülern des Buddha, ergibt sich aus dem Umstand, daß Franz von Assisi selbst ein Schüler des Buddha war.“ (Lit.:GA 130, S. 317)

„Franz von Assisi ist seitdem nur einmal als Kind kurz auf der Erde erschienen und in der Kindheit gestorben und war seither nicht mehr verkörpert. Er ist seitdem verbunden mit der Tätigkeit des Buddha und einer der hervorragendsten Folger des Buddha auf dem Mars.“ (Lit.:GA 130, S. 322f)

„Es war wohl am auffallendsten, am einleuchtendsten, daß bei einer solchen Persönlichkeit wie Franz von Assisi starke, gewaltige moralische Impulse gewirkt haben müssen, damit diese Persönlichkeit hat zu ihren Taten gelangen können. Umgeben war zunächst Franz von Assisi von Menschen mit sehr schweren Krankheiten, für welche die übrige Welt dazumal keine Hilfe hatte. Bei ihm wirkten seine moralischen Impulse nicht nur so, daß viele von diesen schwer Kranken in ihrer Seele eine moralische Stütze, einen großen Trost hatten. Das war gewiß für viele allein zu erreichen. Aber es war für manche immerhin auch zu erreichen, daß die moralischen Impulse, die moralischen Kräfte, die ausströmten von Franz von Assisi, sogar heilende, gesundheitsbringende Wirkung hatten, wenn der Glaube, das Vertrauen der Kranken hinlänglich groß war.“ (Lit.:GA 155, S. 85)

„Dadurch, daß er die starken moralischen Impulse hatte, hat er wieder andere um sich versammelt, die, wenn auch im minderen Maße, doch in seinem Sinne wirkten. Eigentlich waren es recht viele, die in seinem Sinne damals gewirkt haben. Es hat nur nicht lange gedauert. Wie war nun wieder in Franz von Assisi hineingekommen eine solche Seelenkraft?“ (Lit.:GA 155, S. 95)

„Wie der Buddhismus sich in Asien ausgebreitet hat, Sie wissen es. Aber in einer mehr verborgenen und verschleierten Gestalt findet derselbe auch seine Ausbreitung innerhalb des europäischen Geisteslebens; und wir haben vor allen Dingen darauf hinzuweisen, daß jener Teil der großen Lehre des Buddha, der sich bezog auf die Gleichheit der Menschen, in ganz besonderem Maße geeignet war, von der europäischen Bevölkerung aufgenommen zu werden, weil eben die europäische Bevölkerung nicht hingeordnet war auf eine Kasteneinteilung. An den Ufern des Schwarzen Meeres wurde in den Jahrhunderten, die noch weit in die christliche Zeit hineingingen, eine Art von Geheimschule begründet.“ (Lit.:GA 155, S. 96)

„Franz von Assisi war in seiner vorhergehenden Inkarnation, im 7., 8. Jahrhundert dort ein Schüler einer Individualität, die nicht mehr in einer Inkarnation im physischen Leibe verkörpert war, einer Wesenheit, die nur noch im Geistleib unter den Schülern, zu denen auch dazumal Franz von Assisi gehörte, dazumal wirkte, und das war kein anderer als der (frühere) Gautama Buddha.“ (Lit.:GA 140, S. 200)

„Diese Geheimschule wurde geleitet von Menschen, welche vorzugsweise den eben charakterisierten Teil der Buddha-Lehre sich zum höchsten Ideal gesetzt hatten. Aber sie hatten die Möglichkeit, in dieser Geheimschule dasjenige, was der Buddha den Menschen gebracht hatte, gleichsam bescheinen zu lassen, mit einem neuen Lichte versehen zu lassen in den nachchristlichen Jahrhunderten dadurch, daß sie den christlichen Impuls zugleich in sich aufgenommen hatten.

Da fanden sich Menschen zusammen, welche zunächst äußerlich Lehrer auf dem physischen Plane hatten. Dann, wenn sie in gehöriger Weise vorbereitet waren, wurden sie dazu gebracht, daß die tiefer in ihnen liegenden Kräfte, die tieferen Weisheitskräfte aus ihnen herauf- und herausgeholt werden konnten, so daß sie zu einem hellseherischen Erschauen der geistigen Welt gebracht wurden. Diese Geheimschüler lernten also wirklich, wenn man das Geistige von ihm so nennen darf, von Angesicht zu Angesicht vorzugsweise den Buddha kennen. Eine gewisse größere Anzahl von diesen Schülern blieben solche Hellseher, andere aber hatten ganz besonders neben den Eigenschaften des Erkennens, neben den Eigenschaften der psychischen Hellsichtigkeit, das spirituelle Element ausgebildet, das nicht zu trennen ist von einer gewissen Demut, von einer gewissen hochentwickelten Andachtsfähigkeit. Diese gelangten dann dazu, daß sie gerade in dieser Geheimschule in hervorragendem Maße den Christus-Impuls empfangen konnten. Sie konnten auch hellsichtig in der Weise werden, daß sie die besonders auserlesenen Nachfolger des Paulus wurden und den Christus-Impuls unmittelbar im Leben empfingen. Aus dieser Schule gingen also sozusagen zwei Gruppen hervor: eine Gruppe, die den Impuls hatte, überall hineinzutragen die Lehre des Buddha, wenn sie auch dessen Namen dabei nicht nannten, und eine zweite Gruppe, die noch dazu den Christus-Impuls empfing. Nun zeigte sich der Unterschied zwischen diesen beiden Gattungen nicht so stark in der einen Inkarnation, sondern erst in der nächsten. Diejenigen, die zum Buddha-Impuls gekommen waren, die wurden die Lehrer jener Gleichheit und Brüderlichkeit der Menschen. Diejenigen Schüler aber, welche den Christus-Impuls empfangen hatten, waren in der nächsten Inkarnation so, daß dieser Christus-Impuls in ihrer physischen Inkarnation weiterwirkte, so daß sie nicht nur lehren konnten und dies auch nicht als ihre Hauptaufgabe betrachteten, sondern daß sie durch ihre moralische Kraft namentlich wirkten. Ein solcher Schüler wurde später als Franziskus von Assisi geboren. Kein Wunder also, daß in ihm die Weisheit, die er empfangen hatte, die Weisheit von der menschlichen Verbrüderung, von der Gleichheit aller Menschen, von der Notwendigkeit, alle Menschen gleich zu lieben, lebte, daß diese Lehre seine Seele durchpulste und diese Seele durchkraftet wurde mit dem Christus-Impulse, der so wirkte, daß, als Franz von Assisi hineinversetzt wurde in eine Bevölkerung, in welcher ganz besonders wirkten die alten Krankheitsdämonen, daß dieser Christus-Impuls an die Krankheitsdämonen durch ihn herankam und das, was schlechte Substanz an den Krankheitsdämonen war, aufsog, an sich zog und von den Menschen hinwegnahm. Bevor er das tat, verkörpert er sich in dieser Substanz so, daß der Christus-Impuls in Franz von Assisi zuerst Vision wurde in jener Vision, wo ihm der Palast erschien, und in jener Vision, wo er aufgefordert wurde, die Last der Armut auf sich zu nehmen.“ (Lit.:GA 155, S. 97ff)

„In der Mysterienstätte nahm Franz von Assisi alles dasjenige auf, das ihn befähigte in dem Leben, in das er dann eintrat als Franziskus, sich selbst zu beleuchten die höheren Hierarchien, die ihn dann in das Dasein treten ließen als den großen Mystiker, der eine so starke Wirkung in seiner Zeit haben konnte.“ (Lit.:GA 140, S. 232)

„Dadurch wurden diese seine moralischen Kräfte so stark, daß sie wegnehmen konnten die geistig schädlichen Stoffe, welche charakterisierte Krankheit nach sich gezogen hatte. Dadurch allein war die Möglichkeit geschaffen, die Nachwirkungen des alten atlantischen Elementes, zu einer höheren Entwickelung zu bringen, wegzufegen von der Erde die schlimmen Substanzen, zu reinigen die europäische Welt von diesen Substanzen.“ (Lit.:GA 155, S. 99)

„Wo so starke Nachwirkungen des moralisch Bösen da sind, daß schon Krankheitsdämonen existieren, da müssen auch übermoralische Kräfte wirken, wie es diejenigen des Franz von Assisi gewesen sind. Aber überall ist das Bessermachen eines Menschen darin begründet, daß wir seine geistige Verirrung wegschaffen. Das ist das Erste, was wir sagen müssen, wenn wir überhaupt in Worten von Moral sprechen wollen, daß es ein unermeßlich Gutes ist, was auf dem Grunde der Menschennatur vorhanden ist. Der grandiose Glaube an das Gute in jeder Menschennatur, auch der gestraften Menschennatur, das war es, was Franz von Assisi ganz besonders auszeichnete. Dadurch war es möglich, daß die entgegengesetzte Kraft auftrat in seiner Seele, und dieses ist die Kraft moralisch gebender, moralisch helfender, ja sogar heilender Liebe. Und niemand kann, wenn er wirklich den Glauben an das ursprünglich Gute der Menschennatur zum vollen Impulse entwickelt, zu etwas anderem kommen als dazu, diese Menschennatur als solche zu lieben. Diese zwei Grundimpulse sind es zunächst, welche ein wirklich moralisches Leben begründen können: Erstens der Glaube an das Göttliche auf dem Grunde einer jeden Menschenseele, zweites die aus diesem Glauben hervorsprießende maßlose Liebe zum Menschen.“ (Lit.:GA 155, S. 102f)

„Dasjenige, was wir aus dem Zusammenwirken des ursprünglich guten Grundes der menschlichen Seele und der werktätigen Liebe hervorgehen sehen, das berechtigt zu einer Perspektive für die Zukunft, die sich dahin aussprechen kann, daß eine jegliche Seele, auch wenn sie noch so weit herabgestiegen ist aus der Höhe des geistigen Lebens, für dieses geistige Leben wiedergefunden werden kann. Das ist der dritte Impuls, das ist die Hoffnung für jede Menschenseele, daß sie den Weg wieder zurückfinden kann zu dem Göttlich-Geistigen. Diese drei Impulse, wir können sagen, daß sie Franz von Assisi unendlich oft hat aussprechen hören, daß sie ihm unendlich oft vor Augen getreten sind während seiner Einweihung in die kolchischen Mysterien. Wir können aber auch sagen, daß er in dem Leben, das er als Franz von Assisi zu führen hatte, wenig predigte von Glauben, von Liebe, daß er aber selber die Verkörperung war dieses Glaubens und dieser Liebe. In ihm waren sie gleichsam verleiblicht. Es wirkte nicht der Glaube, es wirkte nicht die Hoffnung – die muß man zwar haben –, aber wirksam ist nur die Liebe. Franziskus war ein ritterlicher Knabe. Starkmut, Tapferkeit haben sich umgewandelt in seiner Individualität, die von dem Christus-Impulse durchpulst war, in wirksame, werktätige Liebe. So sehen wir gleichsam wieder auferstehen die alte Tapferkeit, den alten Starkmut in der Liebe, wie sie uns bei Franz von Assisi entgegentritt. Starkmut ins Spirituelle umgesetzt ist Liebe.“ (Lit.:GA 155, S. 103f.)

„In dem Astralleib des Franz von Assisi war einverwoben ein Abbild des Astralleibes des Jesus von Nazareth. Bei Franziskanern und Dominikanern finden Sie viele, welche solche Abbilder des Astralleibes damals verkörpert haben.“ (Lit.:GA 109, S. 58)

„Wenn wir uns fragen: Wer war denn eigentlich der erste so richtige Materialist, der dem Materialismus den allerersten Anstoß gegeben hat? - dann bekommen wir, wenn wir die Geschichte von einem etwas höheren Gesichtspunkte aus betrachten, eine Antwort, die ganz gewiß dem heutigen Menschen selbstverständlich paradox klingen wird, aber die vom Standpunkt einer tieferen Auffassung der Menschheitsgeschichte voll berechtigt ist; wir bekommen die Antwort, daß der erste, der seelisch das materielle Fühlen einleitete, der heilige Franz von Assisi ist. Es ist allerdings paradox, Franziskus, den Heiligen von Assisi, zu charakterisieren als den ersten großen Materialisten. Aber so ist es doch. Man kann sagen: Die letzten Anschauungen, die die Entwickelung der Menschheit noch unter dem Gesichtspunkt des Überirdischen betrachteten, die traten uns in Dantes «Göttlicher Komödie» entgegen, so daß wir auch Dantes «Göttliche Komödie» anzusehen haben als den Abschluß von Anschauungen, die mehr hin gerichtet waren auf das Außerirdische. Dagegen tritt der Blick für das Irdische, das Mitfühlen mit dem Irdischen bei dem ja schon vor Dante tätigen Franziskus von Assisi hervor. Das Seelische tritt immer etwas früher auf als der Ausdruck im Künstlerischen [...] Franz von Assisi ist zunächst ganz auf das Äußerliche gerichtet, hat seine Freude an äußerem Glanz und Reichtum, hat seine Freude an all dem, was das Leben angenehm macht, was auch das persönliche Wohlgefühl erhöht, wird dann aber durch seine persönlichen Erlebnisse in seinem Seelenleben geradezu umgekehrt; eine physische Krankheit ist es zunächst, die ihn von dem Aufgehen in dem äußeren Leben ganz und gar auf das Innere richtet. Und wir sehen dann Franz von Assisi, einen Menschen, der in seiner Jugend ganz und gar auf das äußerliche Wohlleben gerichtet ist, auf äußeren Glanz sogar, auf äußeren Anstand - wir sehen ihn umkehren zu einem rein auf das innere Seelenleben gerichteten Empfinden. Aber so merkwürdig gestaltet sich das aus, daß Franz von Assisi der erste ist unter den großen Gestalten, die nun den Blick ganz abkehren von allem, was aus dem alten visionär-phantasievollen Leben heraus stammt. Er richtet den Blick vielmehr auf dasjenige, was unmittelbar auf der Erde wandelt, zunächst auf den Menschen. Dasjenige sucht Franz von Assisi im Menschen zu erfahren, was in der Menschenseele, im ganzen Menschen zu erleben ist, wenn man den Menschen nur auf sich selbst gestellt ansieht [...] Und in seiner Seele, die also mitleben wollte mit dem, was der arme Mensch war, in der Seele, die den Menschen empfinden wollte gerade in seiner Armut, wenn er durch nichts beschwert war, aber auch durch nichts ihm ein Wert verliehen wurde als durch das, was er nur als Mensch war, dieser Franz von Assisi, der den Menschen so empfinden wollte, der den Christus aber auch so empfinden wollte, wie der Christus ist nur für diese armen Menschen, dieser Franz von Assisi entwickelt mitten aus dem Christentum heraus, aus diesem also gefühlten Christentum heraus ein wunderbares Natur-Fühlen. Alles wird für ihn zu Brüdern und Schwestern auf der Erde. Und nun entwickelt sich ein liebevolles Eingehen nicht nur auf das Menschenherz, nicht nur auf den einzelnen Menschen, sondern auf alle Geschöpfe der Natur. Und in dieser Beziehung ist Franz von Assisi wirklich Realist, Naturalist. Die Vögel sind seine Brüder und Schwestern; die Sterne, die Sonne, der Mond sind seine Geschwister; das Würmlein, das über die Erde kriecht, ist sein Geschwister. Alles betrachtet er mit liebevollem Anteil. Wenn er auf dem Wege geht, greift er das Würmlein auf und beseitigt es, damit es nicht zertreten werden soll. Die Lerche bewundert er, betrachtet sie als seine Schwester. Eine unendliche Innerlichkeit, ein Gedankenleben, das gar nicht denkbar ist in der früheren Zeit, macht Franz von Assisi geltend. Und darin hat man viel mehr das Charakteristikum dieses Franz von Assisi zu sehen, als in dem, was oftmals äußerlich von seinem Leben geschrieben wird [...]

Giotto, sein Zeitgenosse und wohl auch sein Freund, stellt malerisch bereits das unmittelbare Interesse an dem, was auf der Erde webt und lebt, hin. Und so sehen wir hereinziehen mit Giottos Bildern die Nachbildung des Individuell-Natürlichen, die Nachbildung des IndividuellMenschlichen. Und kein Zufall ist es, daß die Malerei, die auf den Namen Giotto getauft ist in der oberen Kirche zu Assisi, daß diese sich gerade mit dem Leben des Franz von Assisi beschäftigt, denn ein tiefer innerer Seelenzusammenhang ist zwischen Giotto und Franz von Assisi. Franz von Assisi, das religiöse Genie, das aus dem inbrünstigen Seelenleben heraus das Mitfühlen mit dem Werden des Natürlichen auf der Erde geltend macht, und Giotto, der zunächst nachahmt, wie Franz von Assisi gefühlt hat, wie Franz von Assisi sich in die Geistigkeit, in das Seelische der Welt hineinstellt.“ (Lit.:GA 292, S. 25ff)

Quellen

  • Dieter Berg, Leonhard Lehmann (Hrsg.): Franziskus-Quellen. Die Schriften des heiligen Franziskus, Lebensbeschreibungen, Chroniken und Zeugnisse über ihn und seinen Orden. Kevelaer 2009.
  • K. Eßer: Opuscula Sancti Patris Francisci (Bibliotheca Franciscana Ascetica Medii Aevi XII). Grottaferrata 1978
  • Lothar Hardick OFM, Engelbert Grau OFM: Die Schriften des Heiligen Franziskus von Assisi. 10. Auflage. Kevelaer 2001, ISBN 3-7666-2069-X.

Literatur

Biografien
  • Friedrich Wilhelm Bautz: Franz von Assisi In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 2, Bautz, Hamm 1990, ISBN 3-88309-032-8, Sp. 95–101.
  • G. K. Chesterton: Thomas von Aquin / Franz von Assisi. Erste vollständige deutsche Textfassung. Nova & Vetera, Bonn 2003, ISBN 3-936741-15-8.
  • Veit-Jakobus Dietrich: Franz von Assisi. Rowohlt, Hamburg 1995, ISBN 3-499-50542-8. (rororo Monographie)
  • Helmut Feld: Franziskus von Assisi. Beck, München 2001, ISBN 3-406-44770-8.
  • Adolf Holl: Der letzte Christ. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1979, ISBN 3-421-01924-X.
  • Raoul Manselli: Franziskus. Der solidarische Bruder. Benzinger, Zürich/Einsiedeln/Köln 1984, ISBN 3-545-20090-6.
  • Paul Sabatier: Leben des heiligen Franz von Assisi. 1. Auflage. Nabu Press, La Vergne (Tennessee) 2010 (Originaltitel: Vie de Saint François d'Assise, übersetzt von Margarete Lisco), ISBN 978-1-147-86392-5 (Reprint, vermutlich der Ausgabe von 1897).
  • Paul Sabatier, Frumentius Renner: Leben des heiligen Franz von Assisi. Redigierter, gekürzter Nachdruck der Ausgabe Zürich, Rascher 1919. EOS-Verlag, Sankt Ottilien 1979, ISBN 3-88096-072-0. [Sabatiers Buch Vie de Saint François d'Assise, dessen Erstausgabe 1894 in Paris erschien, gilt als eines der einflussreichsten neuzeitlichen Bücher über Franz von Assisi, es wurde auf Deutsch lange Zeit aber nur noch in dieser korrigierten und von katholischer Seite gekürzten Ausgabe verlegt.]
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Weblinks

Commons: Franz von Assisi - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikisource: Franciscus Assisiensis – Quellen und Volltexte (latina)

Einzelnachweise

  1. Isnard W. Frank: Franz von Assisi: Frage auf eine Antwort. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1992, ISBN 3-7867-1661-7, S. 37.
  2. Bey, Horst von der / Freyer, Johannes-Baptist: Die Franziskanische Bewegung: Band 1: Geschichte und Spiritualität. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1996, ISBN 3-7867-1905-5, S. 11.
  3. Helmut Feld: Franziskus von Assisi und seine Bewegung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1994
  4. Thomas von Celano: Lebensbeschreibung des Heiligen Franziskus (Vita secunda) 1229
  5. Dreigefährtenlegende 20
  6. Testament 4, außerdem auch im „Gruß an die Tugenden“
  7. Zitiert nach Franziskanische Quellenschriften, Band 1
  8. Testament, zitiert nach Franziskanische Quellenschriften, Band 1
  9. Paul Sabatier: a. a. O., S. 102
  10. Helmut Feld: Franziskus und seine Bewegung, S. 302 ff.
  11. Der Text der sogenannten „bullierten Regel“ (lat. regula bullata)
  12. So etwas P. Bösch, Zwischen Orthodoxie und Häresie. Eine Deutung der Stigmata von Franz von Assisi, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 17 (2009) 121-147
  13. I Celano 108
  14. Jordan von Giano, Chronik, 1262
  15. Celano zitiert nach S. 5 der Schrift von Leonard Holtz: Anders leben mit Franziskus; Leutesdorf: Johannes-Verlag, 1981; ISBN 3-7794-0817-1
  16. A. Holl: Der letzte Christ; 1979; S. 21 f.
  17. A. Holl: Der letzte Christ; 1979; S. 22.
  18. Helmut Feld, a.a.O.
  19. A. Holl: Der letzte Christ; 1979; S. 25
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