Imitatio Christi

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Als imitatio Christi oder besser auch als imitatio Jesu (von lat. imitatio, imitationis „Nachfolge, Nachahmung“) wird die vor allem im Mittelalter von vielen Christen mit großer Gefühlsintensität gepflegte Nachahmung der Lebensweise Jesu Christi bezeichnet, wie sie namentlich durch die Evangelien überliefert ist. Franz von Assisi, der als armer Bettelmönch lebte, ist dafür ein ganz besonderes Beispiel, das in seiner kompromisslosen Radikalität nur mehr selten erreicht wurde. Sehr einflussreich war in diesem Zusammenhang auch Thomas von Kempens (* um 1380; † 1471) Schrift über die «Nachfolge Christi».

„«Imitatio» ist nicht dasselbe wie nacheifern. Imitatio ist ein um eine Stufe niederer Begriff. Die Imitatio Christi ist durchaus eine Möglichkeit, aber sie ist etwas anderes; Imitatio ist ein Gefühlsbegriff. In dem Sinne von Franz von Assisi können Sie die Imitatio Christi auch nicht anders auffassen, denn als ein Gefühl. Es ist kein bloßer Begriff. Der Begriff «Imitatio» schließt eigentlich ein, daß wir uns in unserem Empfinden so gestalten, daß unsere Empfindungen ähnlich werden, unser inneres Leben ähnlich wird dem Christus-Leben. Das ist nicht das gleiche eigentlich, wie ihn als ein Vorbild betrachten. Man hat ja natürlich im abstrakten Denken nicht diese scharfen Unterschiede zwischen Ähnlichwerden und Nacheifern. Also die Imitatio Christi ist damit nicht ausgeschlossen, obwohl ich lieber sprechen würde von einer Imitatio Jesu als von einer Imitatio Christi, und da kann man sagen, man kann in seinen menschlichen Eigenschaften natürlich ähnlich werden dem Jesus. Das Ähnlichwerden hört aber auf, wenn das Mysterium von Golgatha mit seinen letzten Akten beginnt. Wie das Ähnlichwerden mit dem Mysterium von Golgatha vor sich gehen soll, das wäre mir unverständlich. Ähnlichwerden dem Christus kann der Christ dadurch, daß der Christus im paulinischen Sinne in ihm lebt. Das ist der richtige christliche Begriff, und er kann gar nicht anders gefaßt werden, als daß der Christus durch seine Gegenwart in ihm lebendig wird. Wenn der Mensch ähnlich wird dem Christus, dann wird er das durch das paulinische «Christus in mir». Der Anthroposophie ist das ja ganz sicher. Aber es handelt sich bei der anthroposophischen Vorstellung, die den Tatsachen entsprechen will, darum, daß wir dem Christus nur ähnlich werden können [dadurch], daß der Christus in uns lebt. Ohne diese Vorstellung wäre das Ähnlichwerden nichts anderes als eine Illusion. Man kann sich nicht einen [abstrakten] Begriff bilden vom Ähnlichwerden. Der anthroposophischen Vorstellung ist es ganz sicher; mir scheint es auch die richtige christliche Vorstellung zu sein: Wenn wir etwas ähnlich werden können, so kann es nur dem Christus in uns selber sein.“ (Lit.:GA 343, S. 450f)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II, GA 343a (1993), ISBN 3-7274-3430-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II. Dokumentarische Ergänzungen GA 343b pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.