Kontingente negative Variation

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Die im EEG sichtbare kontingente negative Variation, die die Erwartungshaltung der Versuchspersonen widerspiegelt.[1]

Die sog. kontingente negative Variation (eng. Contingent Negative Variation, CNV) wurde 1962 von William Grey Walter (1910-1977) bei EEG-Untersuchungen an autistischen Kindern entdeckt und 1964 veröffentlicht[2].

Walter arbeitete dabei mit zwei innerhalb von 3-10 sec aufeinanderfolgenden Signalen, mit denen er die Kinder wiederholt so trainierte, dass sie durch das erste Signal bereits eine entsprechende Erwartungshaltung für das kurz darauf folgende Signal aufbauten. Diese Erwartungshaltung spiegelte sich dann im EEG zwischen den beiden Signalen als negatives Potential von durchschnittlich 20 µV wider, gefolgt von einem positiven Potential als Reaktion auf das zweite Signal. Da das negative Potential sehr schwach ist und von anderen, deutlich stärkeren Gehirnaktivitäten überlagert wird, muss es mittels statistischer Analyse per Computer aus den aufgezeichneten Daten wiederhalter Versuchsreihen per Computer herausgefiltert werden.

Auf ähnliche Weise entdeckte wenig später der deutsche Hirnforscher Hans Helmut Kornhuber (1928-2009) gemeinsam mit seinem damaligen Dissertanten Lüder Deecke (* 1938) das sog. Bereitschaftspotential, das sich bereits kurz vor einer willkürlichen Handlung im EEG ebenfalls als negatives Potential zeigt. Die 1964 durchgefühten Experimente wurden im folgenden Jahr publiziert[3]. Da sie dazu aber nur das im EEG sichtbare Signal der tatsächlich ausgeführten Handlung als Referenz verwenden konnten und nicht das zuvor zu einem unbestimmten Zeitpunkt einsetzende Bereitschaftspotential selbst, mussten sie sich für die statistische Auswertung einer Rückwärtsanalyse bedienen. Sie speisten dazu die auf Magnetband aufgezeichneten Messdaten in umgekehrter Zeitfolge, also rückwärts in den Computer ein.

Einzelnachweise

  1. W. GREY WALTER, R. COOPER, H. J. CROW, W. C. MCCALLUM, W. J. WARREN AND V. J. ALDRIDGE, AND W. STORM VAN LEEUWEN AND A. KAMP: CONTINGENT NEGATIVE VARIATION AND EVOKED RESPONSES RECORDED BY RADIO-TELEMETRY IN FREE-RANGING SUBJECTS, in: Electroencephalography and Clinical Neurophysiology, 1967, 23, pp. 197-206 (Fig. 3, p. 201) doi:10.1016/0013-4694(67)90116-2 pdf
  2.  W. Grey Walter, R. Cooper, V. J. Aldridge, W. C. McCallum, A. L. Winter: Contingent Negative Variation: An Electric Sign of Sensori-Motor Association and Expectancy in the Human Brain. In: Nature. 203, Nr. 4943, 25. Juli 1964, S. 380–384, doi:10.1038/203380a0.
  3. Hans H. Kornhuber, Lüder Deecke: Hirnpotentialänderungen bei Willkürbewegungen und passiven Bewegungen des Menschen: Bereitschaftspotential und reafferente Potentiale. In: Pflügers Arch 284, 1965, S. 1–17; doi:10.1007/BF00412364 online