Lysis

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Der Anfang des Lysis in der ältesten erhaltenen mittelalterlichen Handschrift, dem 895 geschriebenen Codex Clarkianus

Der Lysis (altgriechisch Λύσις Lýsis) ist ein in Dialogform verfasstes Werk des griechischen Philosophen Platon. Den Inhalt bildet ein fiktives, literarisch gestaltetes Gespräch. Platons Lehrer Sokrates diskutiert mit den Knaben Lysis und Menexenos. Anwesend sind ferner die etwas älteren Jugendlichen Hippothales und Ktesippos.

Allgemeines

Das Thema des Dialogs ist die Freundschaft – insbesondere die erotische Freundschaft – und allgemein die begehrende Liebe. Dafür verwendet Platon hier neben érōs auch den Begriff philía, der sonst gewöhnlich eine sanfte, nicht mit Begierde verbundene Zuneigung oder Freundschaft bezeichnet. In dem homoerotisch geprägten Milieu, in dem sich die Gesprächspartner bewegen, geht es um gleichgeschlechtliche Anziehung, wobei Männer, Jugendliche oder Knaben beteiligt sein können. Es wird erörtert, welches Bedürfnis einer solchen Anziehung zugrunde liegt, worauf die Begierde letztlich abzielt, zwischen welchen Arten von Personen Freundschaft möglich ist und wie Liebe mit Ethik zusammenhängt. Sokrates, der als Fachmann auf dem Gebiet der Erotik auftritt, stellt ein weites Verständnis von philia zur Diskussion, das nicht nur Freundschaften und Liebesbeziehungen umfasst, sondern auch einseitige Liebe. „Freund“ oder „Liebhaber“ ist demnach auch jemand, der erotisch begehrt, ohne dass seine Liebe erwidert wird. Diese Auffassung erweist sich jedoch als problematisch. Tückisch ist die Frage, ob man das liebt, was man selbst schon hat, oder das, was einem fehlt; beide Annahmen führen in Schwierigkeiten. Die angestrebte Klärung der Voraussetzungen von Freundschaft und erotischer Anziehung gelingt nicht, sondern der Dialog endet in einer Aporie (Ratlosigkeit).

Der Lysis bildet den Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit der Freundschaftsthematik in der westlichen Philosophie.

Zu vielen weiteren Themen siehe auch

Ausgaben und Übersetzungen (teilweise mit Kommentar)

  • Franco Trabattoni, Stefano Martinelli Tempesta u. a. (Hrsg.): Platone: Liside. 2 Bände, LED, Milano 2003–2004, ISBN 88-7916-230-6 (Band 1) und ISBN 88-7916-231-4 (Band 2) (maßgebliche kritische Ausgabe mit italienischer Übersetzung, Kommentar und Untersuchungen).
  • Gunther Eigler (Hrsg.): Platon: Werke in acht Bänden. Band 1, 4. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, ISBN 3-534-19095-5, S. 399–451 (Abdruck der kritischen Ausgabe von Alfred Croiset, 4. Auflage, Paris 1956, mit der deutschen Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, 2., verbesserte Auflage, Berlin 1817).
  • Paul Vicaire (Hrsg.): Platon: Lachès et Lysis. Presses Universitaires de France, Paris 1963, S. 63–106 (kritische Ausgabe).
  • Otto Apelt (Übersetzer): Platons Dialoge Charmides, Lysis, Menexenos. In: Otto Apelt (Hrsg.): Platon: Sämtliche Dialoge. Bd. 3, Meiner, Hamburg 2004, ISBN 3-7873-1156-4 (Übersetzung mit Einleitung und Erläuterungen; Nachdruck der 2., durchgesehenen Auflage, Leipzig 1922).
  • Michael Bordt (Übersetzer): Platon: Lysis. Übersetzung und Kommentar (= Ernst Heitsch, Carl Werner Müller (Hrsg.): Platon: Werke. Übersetzung und Kommentar. Bd. V 4). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3-525-30419-6.
  • Ludwig Georgii (Übersetzer): Lysis. In: Erich Loewenthal (Hrsg.): Platon: Sämtliche Werke in drei Bänden. Bd. 1, unveränderter Nachdruck der 8., durchgesehenen Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-17918-8, S. 205–237.
  • Rudolf Rufener (Übersetzer): Platon: Frühdialoge (= Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke. Bd. 1). Artemis, Zürich/München 1974, ISBN 3-7608-3640-2, S. 81–115 (mit Einleitung von Olof Gigon S. XLVII–LVI).

Humanistische Übersetzung (lateinisch)

  • Stefano Martinelli Tempesta (Hrsg.): Platonis Euthyphron Francisco Philelfo interprete, Lysis Petro Candido Decembrio interprete. Società Internazionale per lo Studio del Medioevo Latino, Florenz 2009, ISBN 978-88-8450-357-2, S. 105–171 (kritische Edition; vgl. die Korrekturen des Herausgebers in seinem Aufsatz Ancora sulla versione del “Liside” platonico di Pier Candido Decembrio. In: Acme 63/2, 2010, S. 263–270).
  • Elena Gallego Moya (Hrsg.): La versión latina de Pier Candido Decembrio del Lysis de Platón. In: Boris Körkel u. a. (Hrsg.): Mentis amore ligati. Lateinische Freundschaftsdichtung und Dichterfreundschaft in Mittelalter und Neuzeit. Mattes, Heidelberg 2001, ISBN 3-930978-13-X, S. 93–114 (kritische Edition).

Siehe auch

Literatur

Übersichtsdarstellungen

  • Louis-André Dorion: Lysis. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques. Band 5, Teil 1, CNRS Éditions, Paris 2012, ISBN 978-2-271-07335-8, S. 741–750.
  • Michael Erler: Platon (= Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike, Band 2/2). Schwabe, Basel 2007, ISBN 978-3-7965-2237-6, S. 156–162, 602f.
  • Brigitte Theophila Schur: „Von hier nach dort“. Der Philosophiebegriff bei Platon. V & R unipress, Göttingen 2013, ISBN 978-3-8471-0161-1, S. 197–214.

Untersuchungen

  • David Bolotin: Plato’s Dialogue on Friendship. An Interpretation of the Lysis, with a New Translation. Cornell University Press, Ithaca 1979, ISBN 0-8014-1227-7.
  • Hans-Georg Gadamer: Logos und Ergon im platonischen Lysis. In: Hans-Georg Gadamer: Kleine Schriften. Band 3: Idee und Sprache. Mohr, Tübingen 1972, ISBN 3-16-831831-0, S. 50–63.
  • Terry Penner, Christopher Rowe: Plato’s Lysis. 2., korrigierte Auflage. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-79130-4.
  • Horst Peters: Platons Dialog Lysis. Ein unlösbares Rätsel? Peter Lang, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-631-37754-1.
  • Florian Gernot Stickler: Neudurchgang durch Platons Frühdialog Lysis. Von semantischen Systemen, Affektionen hin zur sokratischen Pädagogik. Königshausen & Neumann, Würzburg 2010, ISBN 978-3-8260-4247-8 (Dissertation mit teils kühnen Hypothesen).
  • Thomas Alexander Szlezák: Platon und die Schriftlichkeit der Philosophie. Interpretationen zu den frühen und mittleren Dialogen. De Gruyter, Berlin 1985, ISBN 3-11-010272-2, S. 117–126.

Weblinks

  • Lysis, griechischer Text nach der Ausgabe von John Burnet, 1903
  • Lysis, deutsche Übersetzung nach Friedrich Schleiermacher, bearbeitet
  • David Robinson, Fritz-Gregor Herrmann: Kommentar


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