Die Mysteriendramen Rudolf Steiners

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Von Rudolf Steiner entworfene Siegelbilder zu seinen vier Mysteriendramen.

Die Mysteriendramen Rudolf Steiners sind der Versuch, den Einweihungsweg einzelner, konkreter individueller Menschen in künstlerischer Form dramatisch darzustellen. Vier Mysteriendramen hat Rudolf Steiner vollendet, ein fünftes, das laut Marie Steiner eine Rückschau auf Ereignisse an der kastalischen Quelle in Delphi bringen sollte, war schon in groben Zügen umrissen, doch kam es durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht mehr zur weiteren Ausarbeitung des Entwurfs. Vermutlich sollten insgesamt sieben Dramen entstehen (vereinzelt wird sogar von zwölf gesprochen), in denen auch immer wieder Rückblicke in frühere Inkarnationen der handelnden Personen gegeben worden wären, wodurch sich schließlich ein vollständiges Panorama der geistigen Entwicklung der Menschheit und zugleich ein umfassendes Bild des ganzen geistigen Schulungswegs ergeben hätte (Lit.: Hammacher 1995, S. 112; Judith von Halle 2016, S. 15ff).

Die Mysteriendramen sind, wie Steiner selbst immer wieder betonte, nichts Vollendetes, sie sind ein keimhafter Anfang, ein Neubeginn – ein Anfang in künstlerisch-dramatischer Hinsicht einerseits, in dem ein kraftvoller Impuls zur Neubelebung der Theaterwelt überhaupt liegt, anderseits ist in ihnen zugleich ein zukunftsweisender Weg aufgezeigt, geistige Wahrheiten in sehr lebendiger, konkreter Form an die Menschen heranzubringen.

Die vier bisher bekannten Mysteriendramen

Luzifer in einer Inszenierung von Rudolf Steiners Mysteriendramen am Goetheanum in Dornach.

Die vier vollendeten Dramen Rudolf Steiners sind:

  1. Die Pforte der Einweihung (1910) - Uraufführung am 15. August 1910 im Schauspielhaus München
  2. Die Prüfung der Seele (1911) - Uraufführung am 17. August 1911 im Gärtnerplatz-Theater in München
  3. Der Hüter der Schwelle (1912) - Uraufführung am 24. August 1912 im Gärtnerplatz-Theater in München
  4. Der Seelen Erwachen (1913) - Uraufführung am 22. August 1913 im Volkstheater in München

Goethes Märchen als Grundlage der Mysteriendramen

1907, auf dem Münchner Kongress, hatte Rudolf Steiner Eduard Schurés Rekonstruktion des „Dramas von Eleusis“ auf die Bühne gebracht, später folgten Schurés „Kinder des Luzifer“. Das waren aber alles Rückgriffe auf die Vergangenheit, die ganz aus dem Geiste der Verstandesseelenkultur lebten, abgesehen davon, dass beide Werke höheren künstlerischen Ansprüchen kaum genügen können. Aber etwas Besseres, in dem auf künstlerische Weise geistige Wahrheiten enthüllt wurden, gab es damals nicht. So suchte Steiner nach einem geistigen Inhalt und einer künstlerischen Form, die dem Bewusstseinsseelenzeitalter gerecht werden konnte und kam dabei zunächst auf Goethes „Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie“, das er in dramatisierter Form auf die Bühne bringen wollte, doch gewann die Sache bald ein Eigenleben. In der ersten Niederschrift sind die Namen der handelnden Personen noch aus Goethes Märchen genommen, doch indem die Märchenfiguren nach und nach zu eigenständigen Bühnenpersönlichkeiten aus Fleisch und Blut heranwuchsen, mussten auch andere Namen gefunden werden, die ihren geistigen Charakter besser unterstreichen sollten. Indem sich auch die Handlung immer mehr zu metamorphosieren begann, entstand schließlich ein völlig eigenständiges Drama, bei dem aber der Bezug zu Goethes Märchen immer wieder spürbar wird. Nachstehend sind auf der linken Seite die Namen aus der ersten Niederschrift angeben, die sich teilweise noch direkt auf Goethes Märchen beziehen, und rechts die Namen aus dem fertigen Drama:

Goethes Märchen Mysteriendramen
Lilie Maria
Mensch Johannes Thomasius
1. Irrlicht Capesius
2. Irrlicht Strader
König des Willens Romanus (eherner König)
Der Mann mit der Lampe Felix Balde
König des Gefühls Theodosius (silberner König)
Schlange Die andre Maria
Die Frau des Mannes mit der Lampe Felicia Balde
1. Mädchen Philia
2. Mädchen Astrid
3. Mädchen Luna
Riese German (goldener König)
Kanarienvogel Kind
Ferner:
Hierophant Benedictus
Makrokosmos Der Geist der Elemente
Mann Estella
Frau Sophia
Retardus (gemischter König)

Theodora, die Seherin, die in der ersten Niederschrift nicht angeführt wird, entspricht dem Habicht aus Goethes Märchen. Helena, deren Urbild sich im Drama später als Luzifer erweisen wird, hat kein Vorbild in Goethes Märchen und ist eine ganz eigenständige Schöpfung Steiners.

Anthroposophie und künstlerisches Schaffen

Johannes Thomasius zwischen Luzifer und Ahriman. Foto von der Neuinszenierung von Rudolf Steiners Mysteriendramen an der Goetheanum-Bühne 2010. Foto: Jochen Quast

Was Rudolf Steiner durch seine Schriften und Vorträge an geistigen Erkenntnissen gegeben hat, lebt auf ganz andere, eigenständige Weise, und in gewissem Sinn sogar, wie er selbst sagt, lebensvoller und konkreter, in der künstlerischen Ausgestaltung der Mysteriendramen. Sie sind unmittelbar aus echtem künstlerischen Schaffen hervorgegangen und keineswegs ein bloß bildhaft inszenierter Abklatsch zuvor gedanklich formulierter anthroposophischer Lehren. Beide, anthroposophische Lehre und künstlerisches Schaffen, schöpfen bei Rudolf Steiner aus der selben Quelle, nämlich dem unmittelbaren, bewussten Erleben der geistigen Wirklichkeit, doch wird dieses Erleben ganz unterschiedlich zu Darstellung gebracht. Was Rudolf Steiner als anthroposophische Lehre gegeben hat, ist ein Gedankenkunstwerk, dem aber, entsprechend der Wesensart des Denkens, notwendig ein allgemeiner, bis zu einem gewissen Grad abstrakter Charakter innewohnt. Was Rudolf Steiner in seinen Mysteriendramen künstlerisch auf die Bühne gestellt hat, sind lebensvolle, geistrealistische Einzelschicksale, die aber eben deshalb auch keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben können. Sie stehen deshalb keineswegs in Widerspruch zu den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Geistesschulung, sondern sind die einzigartige unwiederholbare individuelle Ausformung derselben. Um die handelnden Personen echt und überzeugend zu charakteriesieren, durfte Rudolf Steiner nicht den Umweg über das Gedankenelement wählen, sondern sie mussten unmittelbar aus dem schöpferischen Wollen hervortreten - in einer Form, die auch Steiner selbst niemals vorhersehen konnte und die ihn selbst immer wieder aufs Neue überraschte. Das ist ein Grundzug echten künstlerischen Schaffens, alles andere wäre völlig unkünstlerische, bloß ausgedachte abstrakte Konstruktion. Nachher, wenn das Werk einmal vollendet ist, kann man natürlich die ihm innenwohnenden Gesetzmäßigkeiten auch gedanklich fassen und beschreiben. Darauf hat Rudolf Steiner sehr nachdrücklich hingewiesen:

"Ich führte aus, als ich die Dichtung des «Faust» interpretieren sollte, daß der Dichter beim Niederschreiben nicht notwendig unmittelbar alle Dinge selber gewußt, selber empfunden hat in Worten, die dann später darin gefunden worden sind. Ich kann die Versicherung geben, daß nichts von dem, was ich hinterher an dieses Mysterium anknüpfen werde, und von dem ich doch weiß, daß es darin ist, mir bewußt war, als die einzelnen Bilder gestaltet wurden. Die Bilder wuchsen so aus sich heraus wie die Blätter einer Pflanze. Man kann gar nicht solch eine Gestalt vorher dadurch hervorbringen, daß man zuerst die Idee hat und diese dann in die äußere Gestalt umsetzt. Es war mir immer recht interessant, wenn so Bild für Bild geworden ist, und Freunde, welche die einzelnen Szenen kennengelernt haben, sagten, es sei merkwürdig, daß es doch immer anders komme, als man es sich vorgestellt habe." (Lit.: GA 125, S. 103)

Individuelle Wege in die geistige Welt

Der Zugang zur geistigen Welt kann nicht auf einem allgemein verbindlichen, für alle Menschen genau gleichen Weg gefunden werden. Zwar liegen allen Schulungswegen notwendig gemeinsame Prinzipien zugrunde, doch wirksam beschritten können sie nur werden, wenn dabei auch die spezifischen Voraussetzung des jeweiligen Menschen oder der jeweiligen zusammengehörigen Menschengruppe berücksichtigt wird.

In alten vorchristlichen Zeiten, als die Menschen noch kollektiver und mehr durch den Gruppengeist ihres Volkes bestimmt waren, hatte im Grunde jedes Volk seinen eigenen Einweihungsweg und erfolgreich konnte er auch letztlich nur innerhalb dieser jeweiligen Menschengemeinschaft beschritten werden. Der Yoga Schulungsweg unterscheidet sich deutlich vom Achtgliedrigen Pfad des Buddha; die Persische Einweihung geht andere Wege als die Ägyptische Mysterien und diese sind wieder verschieden von den Einweihungsritualen in den Mysterien von Ephesos, Eleusis oder Samothrake. Wieder einen ganz anderen Charakter hatten die Hybernischen Mysterien, deren Ursprünge weit in die prähistorische Zeit zurückreichen, sich aber später innig mit dem Christentum verbanden, nachdem man im inneren geistigen Schauen das Mysterium von Golgatha zeitgleich zu den Ereignissen in Palästina miterlebt hatte. In «Die Pforte der Einweihung» wird gezeigt, wie gerade Maria in einer frühmittelalterlichen Inkarnation als Christusbote aus den hybernischen Mysterien zu jenem Stamm gekommen war, wo Johannes damals in weiblicher Inkarnation lebte und wo noch die Götter Odin und Baldur verehrt wurden.

Für den heutigen, durch die abendländische Kultur geprägten Menschen sind alle diese altehrwürdigen Pfade kaum mehr gangbar. Selbst der Christliche Schulungsweg, wie er im Mittelalter bis hin in die frühe Neuzeit gepflegt wurde, kann heute nur noch von wenigen Menschen erfolgreich beschritten werden.

Der christliche Einweihungsweg unterscheidet sich von allen anderen Wegen dadurch, dass innerhalb dieses Weges der Mensch nicht durch eigene Anschauung zur Erkenntnis von Reinkarnation und Karma kommen kann und es war durchaus notwendig, dass der Mensch wenigstens einmal eine Inkarnation durchlebte, in der er keine Kenntnisse der früheren Erdenleben hatte - und das gilt auch für den christlichen Eingeweihten:

"Damit der Mensch sich dachte, die eine Inkarnation sei die einzige, dazu war notwendig, daß etwas das Gehirn von der Erkenntnis von den höheren Prinzipien im Menschen, von Atma, Buddhi, Manas und von der Erkenntnis der Reinkarnation abschnitt. Dazu wurde den Menschen der Wein gegeben. Früher war bei allem Tempelkultus nur das Wasser gebraucht worden. Dann wurde der Gebrauch des Weines eingeführt, und sogar ein göttliches Wesen, Bacchus, Dionysos, war der Repräsentant des Weines. Der tiefsteingeweihte Jünger, Johannes, enthüllt in seinem Evangelium, was der Wein für die innere Entwickelung bedeutet. Bei der Hochzeit von Kana in Galiläa wird das Wasser in Wein verwandelt. Durch den Wein wurde der Mensch so zubereitet, daß er die Reinkarnation nicht mehr verstand. Damals wurde das Opferwasser in Wein verwandelt, und wir sind jetzt wieder dabei, den Wein in Wasser zu verwandeln. Wer hinaufkommen will in die höheren Gebiete des Daseins, der muß sich jeden Tropfens Alkohol enthalten. (Lit.: GA 97, S. 22)

Die Tempelritter, die in den mittelalterlichen Szenen in «Die Prüfung der Seele» eine zentrale Rolle spielen, sind diesen Weg gegangen, allerdings in einer mehr unbewussten, unsystematischen Weise, indem sie sich mit ungeheurer Gemütstiefe in die Schilderungen des Mysteriums von Golgatha versenkt haben, wie sie namentlich im zweiten Teil des Johannes-Evangeliums gegeben werden. Und sie haben sich dabei offenbar dennoch gewisse Grundrundkenntnisse über die wiederholten Erdenleben des Menschen errungen - ein Zeichen dafür dass hier schon die Kräfte des kommenden, neuen Bewusstseinsseelenzeitalters hereinleuchten und die Zeit der mystsischen Gefühlseinweihung abläuft.

"Worte sind ohnmächtig, das zu beschreiben, was in den Seelen solcher Menschen lebte, in jenen Seelen, die pflichtgemäß niemals wanken durften, und auch, wenn eine dreifach stärkere Macht äußerlich auf dem physischen Plane ihnen entgegenstand, nicht flüchten durften, sondern ruhig den Tod erwarten mußten, den Tod, den sie ertragen wollten, um zu befestigen im Erdendasein den Impuls, der von dem Mysterium von Golgatha ausgegangen ist. Das war intensives Leben des ganzen Menschen mit dem Mysterium von Golgatha. Und wenn sich solch intensives Leben in entsprechenden Rhythmen in den Menschenseelen so ereignet, daß es sich hineinstellt in das ganze kosmischirdische Strömen der Kräfte, dann entwickelt sich aus solchem Leben Bedeutendes, wohlgemerkt: Bedeutendes. Ich sage, wenn sich solches Bewußtsein hineinstellt mit einem gewissen Rhythmus innerlichmystisch in das, was äußerlich geschieht, dann kann man gewiß vieles erleben, das die eigene Seele mit dem Göttlich-Geistigen in Zusammenhang stellt. Aber noch anderes, Wirksameres wird dann entwickelt, wenn solches inneres Erleben, zusammengefaßt mit dem äußeren geschichtlichen Werdegang, nun in den Dienst dieses äußeren geschichtlichen Werdegangs gestellt ist. Was im Dienste der Wiedererringung der Macht über das Heilige Grab damals getan werden sollte, mit dem sollte in Übereinstimmung stehen das, was im Bewußtsein der Tempelritterseelen lebte. Dadurch entwickelte sich ein besonderes mystisches Leben, durch das diejenigen, die diesem sogenannten geistlichen Orden angehörten, immer mehr für die Welt wirken konnten als andere geistliche Orden. Denn wenn in solcher Weise eben im Zusammenhange mit dem Leben der Umwelt mystisch gelebt wird, dann strömt das, was mystisch erlebt wird, in die unsichtbaren, in die übersinnlichen Kräfte der Umwelt des Menschen hinein, wird objektiv, ist dann nicht bloß innerlich in der Seele des Menschen, sondern wirkt im geschichtlichen, im historischen Werden weiter. Durch solche Mystik wird nicht nur seelisch etwas erlebt für das einzelne menschliche Individuum, sondern es wird Seelisches; objektiv gestaltete Mächte, die vorher nicht da waren in der spirituellen Strömung, welche die Menschheit trägt und hält, die werden geboren, die sind dann da. Wenn der Mensch sein Tagewerk vollbringt mit seiner Hände oder mit seiner sonstigen Werkzeuge Arbeit, so stellt er etwas Äußerliches, Materielles in die Welt hinein. Mit solcher Mystik, wie die Tempelritter sie entfaltet haben, wird Geistiges in das Geisttum der Erde hineingestellt. Dadurch aber, daß dieses geschah, wurde die Menschheit wirklich eine Etappe weitergebracht in ihrer Entwickelung. Das Mysterium von Golgatha wurde durch dieses Erleben der Templer auf einer höheren Stufe als vorher verstanden und auch erlebt. Es war jetzt etwas da über dieses Mysterium von Golgatha, was vorher nicht dagewesen war. Die Seelen der Templer hatten aber dadurch noch etwas Besonderes erreicht.

Durch dieses intensive Sich-Hineinleben in das Mysterium von Golgatha hatten diese Seelen die Macht erlangt, die christliche Einweihung durch dieses historische Ereignis wirklich zu erreichen. Diese christliche Einweihung, man kann sie so erreichen, wie es in unseren Schriften geschildert ist; aber hier durch die Templer wurde diese christliche Einweihung so erreicht, daß die äußeren Taten und der Enthusiasmus, der in den äußeren Taten lebte, die Seelen der Templer heraustrug, so daß diese Seelen, abgesehen vom Leibe, außer dem Leibe, in dem geistigen Werdegang der Menschheit mitlebten, durchdrangen, seelisch-geistig durchdrangen die Geheimnisse von Golgatha. Da wurde vieles nicht nur für die einzelnen Seelen, sondern für die Menschheit erlebt. Das ist das Wichtige, das ist das Bedeutsame." (Lit.: GA 171, S. 196ff)

Die Templerritter mussten dabei aber auch all die Anfechtungen durch die Widersachermächte erleben, die jede geistige Entwicklung, egal welchen Weg man geht, notwendig begleiten und besteht auch immer die sehr reale Gefahr, den luziferischen und ahrimanischen Verführungen zu verfallen. Diese Erlebnisse sind dramatisch und es gehört Mut dazu, sich ihnen zu stellen. Die Mysteriendramen schildern immer wieder solche Erlebnisse und sie verlangen danach, auch entsprechend dramatisch dargestellt zu werden. Die für die geistige Schulung notwendige Besonnenheit muss diesen Erfahrung immer wieder und auf jeder Entwicklungsstufe neu abgerungen werden.

"Aber sie hatten, weil das bei jedem so ist, der in die geistige Welt hineinschaut, sie hatten alle die Anfechtungen, alle die Versuchungen in der Tat kennengelernt, die da aufsteigen aus des Menschen Innerem, wenn sich der Mensch den guten göttlich-geistigen Kräften nähert. All die Feinde, die da wirken aus dem untergeordneten geistigen Reiche heraus und die den Menschen abbringen wollen vom Guten, die den Menschen verleiten wollen zum Bösen, die in den Trieben, in den Begierden, in den Leidenschaften, in den Affekten wirken können, die aber namentlich auch wirken können in Spott und Haß und Verachtung und Ironisierung des Guten, all die Mächte, die da aufgerufen werden konnten, die Templer hatten sie kennengelernt. Und sie hatten in vielen, vielen ihnen heiligen Stunden jene inneren Siege errungen, die der Mensch erringen kann, wenn er sehend hindurchgeht durch die Welten, die jenseits der Schwelle der sinnlichen Welt liegen und die überwunden werden müssen, damit der Mensch nach der Überwindung mit gestärkten Kräften in die ihm angemessenen geistigen Welten einziehen kann." (Lit.: GA 171, S. 199f)

Daher auch die von Rudolf Steiner genannte goldene Regel jeglicher Geistesschulung:

"Und diese goldene Regel ist: wenn du einen Schritt vorwärts zu machen versuchst in der Erkenntnis geheimer Wahrheiten, so mache zugleich drei vorwärts in der Vervollkommnung deines Charakters zum Guten." (Lit.: GA 10, S. 65)

Diese Regel muss streng beachtet werden, denn jede geistige Schulung verstärkt notwendig alle Seelenkräfte, auch die negativen, die dadurch von vergleichsweise harmlosen Läßlichkeiten zu sehr bedenklichen Erscheinungen anwachsen können:

"Schon durch die geringe Entwickelung des astralischen Leibes, welche die theosophische Lehre als Elementarlehre bewirkt hat, als sie angefangen hat bekanntzuwerden, traten ganz merkwürdige Erscheinungen auf. Zum Beispiel ein Schüler, der Kassier war, ist mit dem Gelde durchgegangen; Leute, die früher friedfertig waren, wurden streitsüchtig. Das hängt damit zusammen, daß mit dem bißchen okkulter Entwickelung, das aus den theosophischen Begriffen fließt, die schlimmen Seiten des Charakters hervorgedrängt werden, wenn sonst nichts geschieht." (Lit.: GA 98, S. 31)

Das zu beachten, ist heute noch viel wichtiger als in alten Zeiten. Das Geheimnis des Bösen, das fünfte der sogenannten sieben Lebensgeheimnisse betrifft ganz besonders unser gegenwärtiges Bewusstseinsseelenzeitalter. Rudolf Steiner hat öfter darauf hingewiesen, dass heute jeder, wirklich jeder Mensch zu den schlimmsten Gräueltaten fähig ist. Und wenn so häufig die Rätselfrage gestellt wird, wie Menschen solch abgrundtief menschenverachtender Scheußlichkeiten, wie sie die Medien so oft berichten, fähig sein können, so ist die Frage eigentlich falsch gestellt. Wichtiger und erhellender wäre die Antwort auf die Frage, worum die große Mehrzahl der Menschen deratige Taten nicht begeht, obwohl sie ihrer fähig wären. Rudolf Steiner spricht es mit erschütternder Klarheit aus:

"Bei allen Menschen liegen im Unterbewußtsein seit dem Beginne der fünften nachatlantischen Periode die bösen Neigungen, die Neigungen zum Bösen. - Ja, gerade darinnen besteht das Eintreten des Menschen in die fünfte nachatlantische Periode, in die neuzeitliche Kulturperiode, daß er in sich aufnimmt die Neigungen zum Bösen. Radikal, aber sehr richtig gesprochen, kann folgendes zum Ausdrucke gebracht werden: Derjenige, der die Schwelle zur geistigen Welt überschreitet, der macht die folgende Erfahrung: Es gibt kein Verbrechen in der Welt, zu dem nicht jeder Mensch in seinem Unterbewußtsein, insofern er ein Angehöriger der fünften nachatlantischen Periode ist, die Neigung hat. Die Neigung hat; ob in dem einen oder in dem anderen Fall die Neigung zum Bösen äußerlich zu einer bösen Handlung führt, das hängt von ganz anderen Verhältnissen ab als von dieser Neigung." (Lit.: GA 185, S. 110)

Man kann diese Feststellung gar nicht gewichtig genug nehmen: Jeder Mensch hat heute in sich die Neigung zu grausamsten Verbrechen, die man sich nur vorstellen kann, ja die sogar unser Vorstellungsvermögen weit übersteigen mögen! Da sind all die luziferischen Verführungen zur Eitelkeit, zur Ruhmessucht, ja zur Sucht in jeder Form überhaupt, und vor allem ein unbändiger Egoismus, der ohnehin schon immer mehr zur geheimen Religion unserer Zeit wird. Da sind aber vor allem heute auch all die Grausamkeiten, hinter denen letztlich Ahriman steht: die Machtbesessenheit, die Lust zur Gewalt, zur Zerstörung, zum Töten und Quälen – und von hier ist es nur mehr ein kleiner Schritt bis zu den Anfängen der schwarzen Magie. Selbstverständlich gab es viele dieser Erscheinungen auch in früheren Zeiten in nicht gerade geringem Maß, aber doch unter ganz anderen Bedingungen. Der einzelne Mensch war damals im Grunde immer der Verführte, und seine Schuld lag darin, dass er sich mit zu geringer Kraft gegen die Widersachermächte wehrte. Vieles davon wirkt noch nach und viele gegenwärtige Erscheinungen können noch auf diese Weise gedeutet werden. Was aber heute ganz neu hinzukommt, ist, dass das einzelne Individuum nun selbst zur potentiellen Quelle des Bösen werden kann. Im einzelnen Individuum beginnt, noch ganz unterbewusst, der Wille zum Bösen zu erwachen. Wir stehen heute an jener Schwelle, an der die uns vorangegangenen geistigen Wesen standen, die auf früheren Verkörperungen unserer Erde ihre Menschheitsstufe, d.h. ihre Ich-Entwicklung, durchgemacht haben, aber ihr Entwicklungsziel nicht ganz erreichen konnten und dadurch zu Widersachermächten wurden. So sind auf dem alten Mond gewisse luziferische Widersacher entstanden, und noch früher, auf der alten Sonne, bestimmte ahrimanische Mächte. Heute besteht die Gefahr, dass der Mensch selbst zur Widersachermacht wird!

Tatsächlich beginnt jetzt erst die Zeit, wo der Mensch aus eigenem Antrieb wirklich böse werden kann. Das ist der Preis, den wir für die Freiheit notwendig zahlen müssen. Und es ist zugleich ein Anzeichen für das Eingreifen höherer Widersachermächte, durch die die Polarität von Luzifer und Ahriman und damit auch das Böse selbst eine ungeheure Steigerung erfährt - und wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung! Diese Mächte sind die von Rudolf Steiner genannten Asuras. Sura (von "Surya", dem hinduistischen Sonnengott, der etwa dem griechischen Apollon entspricht) bedeutet im Sanskrit "Lichtwesen". Durch die Vorsilbe a- wird die Verneinung bzw. die Bezeichnung des Gegenteils ausgedrückt. Asuras sind somit "Gegner der Lichtwesen". Davon leitet sich auch der in der Apokalypse des Johannes genannte Sonnendämon «Sorat» oder Surat. Die Asuras wachsen in unserer gegenwärtigen Zeit zu gefährlichen Widersachermächten heran, die den Menschen zur schwarzen Magie verführen. Sexuelle Riten spielen dabei eine große Rolle und alle Arten gezielt eingesetzter physischer und seelischer Folter und Gewalt. Diese Kräfte spielten schon, wie Steiner betonte, eine wesentliche Rolle bei der Zerschlagung des Templerordens im 14. Jahrhundert. Die Asuras wirken unmittelbar bis in die Bewusstseinsseele des Menschen und greifen dadurch auch direkt als eine Art von Gegen-Ich das menschliche Ich an:

"Und in der Zeit, die jetzt kommen wird, werden sich hineinschleichen in diese Bewußtseinsseele und damit in das, was man das menschliche Ich nennt - denn das Ich geht auf in der Bewußtseinsseele -, diejenigen geistigen Wesenheiten, die man die Asuras nennt. Die Asuras werden mit einer viel intensiveren Kraft das Böse entwickeln als selbst die satanischen Mächte der atlantischen oder gar die luziferischen Geister der lemurischen Zeit.

Das Böse, das die luziferischen Geister den Menschen zugleich mit der Wohltat der Freiheit brachten, das werden sie alles im Verlaufe der Erdenzeit ganz abstreifen. Dasjenige Böse, das die ahrimanischen Geister gebracht haben, kann abgestreift werden in dem Ablauf der karmischen Gesetzmäßigkeit. Das Böse aber, das die asurischen Mächte bringen, ist nicht auf eine solche Weise zu sühnen. Haben die guten Geister dem Menschen Schmerzen und Leiden, Krankheit und Tod gegeben, damit er sich trotz der Möglichkeit des Bösen aufwärts entwickeln kann, haben die guten Geister die Möglichkeit des Karma gegenüber den ahrimanischen Mächten gegeben, um den Irrtum wieder auszugleichen - gegenüber den asurischen Geistern wird das im Verlaufe des Erdendaseins nicht so leicht sein. Denn diese asurischen Geister werden bewirken, daß das, was von ihnen ergriffen ist - und es ist ja des Menschen tiefstes Innerstes, die Bewußtseinsseele mit dem Ich -, daß das Ich sich vereinigt mit der Sinnlichkeit der Erde. Es wird Stück für Stück aus dem Ich herausgerissen werden, und in demselben Maße, wie sich die asurischen Geister in der Bewußtseinsseele festsetzen, in demselben Maße muß der Mensch auf der Erde zurücklassen Stücke seines Daseins. Das wird unwiederbringlich verloren sein, was den asurischen Mächten verfallen ist. Nicht, daß der ganze Mensch ihnen zu verfallen braucht, aber Stücke werden aus dem Geiste des Menschen herausgeschnitten durch die asurischen Mächte. Diese asurischen Mächte kündigen sich in unserem Zeitalter an durch den Geist, der da waltet und den wir nennen könnten den Geist des bloßen Lebens in der Sinnlichkeit und des Vergessens aller wirklichen geistigen Wesenheiten und geistigen Welten. Man könnte sagen: Heute ist es erst mehr theoretisch, daß die asurischen Mächte den Menschen verführen. Heute gaukeln sie ihm vielfach vor, daß sein Ich ein Ergebnis wäre der bloßen physischen Welt. Heute verführen sie ihn zu einer Art theoretischem Materialismus. Aber sie werden im weiteren Verlauf - und das kündigt sich immer mehr an durch die wüsten Leidenschaften der Sinnlichkeit, die immer mehr und mehr auf die Erde herniedersteigen - dem Menschen den Blick umdunkeln gegenüber den geistigen Wesenheiten und geistigen Mächten. Es wird der Mensch nichts wissen und nichts wissen wollen von einer geistigen Welt. Er wird immer mehr und mehr nicht nur lehren, daß die höchsten sittlichen Ideen des Menschen nur höhere Ausgestaltungen der tierischen Triebe sind, er wird nicht nur lehren, daß das menschliche Denken nur eine Umwandlung dessen ist, was auch das Tier hat, er wird nicht nur lehren, daß der Mensch nicht bloß seiner Gestalt nach mit dem Tier verwandt ist, daß er auch seiner ganzen Wesenheit nach vom Tier abstamme, sondern der Mensch wird mit dieser Anschauung Ernst machen und so leben." (Lit.: GA 107, S. 247ff)

Wenn dennoch nicht jeder ein Kapitalverbrechen begeht, so liegt das weniger an den überragenden moralischen Kräften, die wir bereits unserer kleinen irdischen Persönlichkeit einverleibt haben, sondern es ist die weise Führung der unser Schicksals im Verein mit unserem höheren Selbst leitenden Mächte, die uns davor bewahren. Geistig strebende Menschen, selbst Eingeweihte, sind besonders gefährdet, denn ihre raschere Entwicklung bedingt, dass sie sich schneller und öfter bewähren müssen – und dabei auch scheitern können.

Unser gegenwärtiges Bewusstseinsseelenzeitalter hat viele Veränderungen gebracht. Die Menschen sind, verglichen mit früheren Zeiten, viel individueller, aber auch egoistischer geworden, wobei diesbezüglich in den letzten drei oder vier Jahrzehnten ein deutlicher zusätzlicher Entwicklungsschub zu bemerken ist. Dem trägt der Rosenkreuzer-Schulungsweg Rechnung, auf dem auch die anthroposophische Geistesschulung aufbaut. In seinen grundlegenden Schriften und Vorträgen, etwa in der «Theosophie», in «Die Geheimwissenschaft im Umriß» und in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» konnte Steiner diesen Weg zunächst nur ganz allgemein zeichnen. Solche allgemeinen Regeln sind notwendig und können hilfreich sein, reichen aber nicht aus um eine wirkliche geistige Entwicklung anzustoßen. Spezifischere, aber darum auch weniger allgemein verbindliche Schilderungen gab Steiner in «Die Schwelle der geistigen Welt» und in «Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen». In ganz individueller und darum auch besonders konkreter, lebendiger und höchst dramatischer Form wird exemplarisch der Weg einzelner Geistesschüler in Rudolf Steiners Mysteriendramen gezeichnet.

"Keine Seele ist in derselben Lage wie die andere. Daher ist im Grunde genommen auch der Weg in die übersinnlichen Welten hinauf für jede Seele ein individueller, ein solcher, welcher sich je nach der betreffenden Seele beim Ausgangspunkt richtet. Man kann nicht sagen, wenn man im richtigen Sinne sprechen will: so muß nach einem normalen Prinzip unmittelbar jede Seele den Aufstieg in die höheren Welten, die Initiation, durchmachen. Daher das Bedürfnis, nicht nur in kurzen Broschüren oder dergleichen - was ja leichter wäre - Anweisungen zu geben: so und so soll es die Seele machen, um den Glauben zu erwecken, man könne, wenn man solche Regeln befolgt, unter allen Umständen in der gleichen Art wie jede andere Seele in die höheren Welten hinaufsteigen. Daher das Mißliche solcher Dinge. Deshalb namentlich habe ich versucht, in dem Büchelchen «Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen» etwas zu zeigen, was individuell ist und doch einer jeden Seele nützlich sein kann. Aber deshalb ergab sich auch die Notwendigkeit, die Mannigfaltigkeit und die Variabilität des Initiationsweges zu zeigen. Und ohne selbst etwa irgendwie Erklärungen liefern zu wollen über das, was getan worden ist, möchte ich Sie nur darauf hinweisen, wie sich die Notwendigkeiten zu den drei Gestalten ergeben, welche in den drei Mysterienversuchen - «Die Pforte der Einweihung», «Die Prüfung der Seele» und «Der Hüter der Schwelle» - vor Ihre Seele hintreten als Johannes Thomasius, Capesius und Strader. Sie zeigen Ihnen den Weg der ersten Schritte zur Initiation gleichsam in drei verschiedenen Aspekten. Man kann von keinem dieser Wege sagen, daß er besser oder schlechter sei als der Weg des anderen; sondern man muß von jedem dieser Wege sagen, daß er sich ergeben mußte je nach dem Karma der betreffenden Individualitäten. Man kann nur sagen: eine Seele, welche so ist wie Johannes Thomasius, oder welche so ist wie Capesius, muß eben solche Wege gehen, wie sie versucht worden sind, nicht in Theorien, nicht lehrhaft, sondern in Gestalten zu zeigen. Daher das Bedürfnis, solche Gestalten zu zeigen. Und immer notwendiger und notwendiger wird es werden, hinwegzuführen von dem Glauben, daß man mit ein paar Regeln in diesen Dingen auskomme, immer notwendiger wird es sein, gerade auf spirituellem Gebiete von dem Lehrhaften auf das Gestaltete hinzuweisen. Weil die Beziehungen der Welten so mannigfaltige sind, deshalb müssen auch die Wege der einzelnen Individualitäten so mannigfaltige sein. Wenn man aber erst dazu kommt, gewisse Individualitäten oder Wesenheiten der höheren Welten ernsthaft ins Auge zu fassen und deren Anteil an dem Menschen zu prüfen, dann muß man erst recht die Notwendigkeit fühlen, diese Gestalten lebendig zu zeigen, sie in ihrer Mannigfaltigkeit hinzustellen, nicht bloß Definitionen von ihnen zu geben. In unserer Zeit ist es insbesondere für diejenigen, die spirituelle Erkenntnis anstreben, wichtig, solche Gestalten wie Luzifer und Ahriman, denen man auf dem Wege zur Initiation ja immer begegnet, einmal gerade in ihrer Vielartigkeit, in ihrer Variabilität ins Auge zu fassen. Dann wird sich zeigen, wie merkwürdig die Beziehungen und Verkettungen der einen Welt mit der anderen sind." (Lit.: GA 138, S. 105f)

Eines aber haben alle geistigen Schulungswege gemeinsam: Sie dienen und dienten niemals der bloßen geistigen Erbauung und der Befriedigung spiritueller Sehnsüchte, auch nicht der weltentrückten Verehrung der göttlichen Welt, sondern sie fordern eine durchgreifende Verwandlung des Menschen, die notwendig auch durch höchst dramatische existentielle Krisen führt, ihn aber letzlich tüchtiger macht, die praktischen Aufgaben des Alltagslebens zu bewältigen. Verwandlung des Menschen bedeutet in diesem Sinn auch immer zugleich Verwandlung der Erde. Geistige Entwicklung ist nichts Theoretisch-Beschauliches, vom Leben Abgesondertes, sondern pure Lebenspraxis - und nur an diesen ihren Früchten im realen irdischen Leben kann sie gemessen werden.

"Es kann keine spirituelle Erkenntnis geben, die nicht einfließen würde in das werktätige Leben." (Lit.: GA 99, S. 18)

In vergangenen Zeit blieb die Teilnahme an den Mysterien allerdings wenigen Auserwählten vorbehalten. Sie wirkten im Verborgenen und strenge Geheimhaltung war oberste Pflicht. Man hielt es für gefährlich, das Wissen und die Macht zur Umgestaltung der Erde in die Hände unreifer Menschen zu legen und Geheimnisverrat wurde mit dem Tode bestraft. Das war damals auch gerechtfertigt, denn gerade unreife, wenig entwickelte Menschen verfügten damals noch über gewisse atavistische geistige Fähigkeiten, die, verbunden mit dem Mysterienwissen, großes Unheil anrichten hätten können. Manche halten auch heute noch an diesen Prinzipien fest, aber sie sind nicht mehr zeitgemäß. Die alten, instinktiven Kräfte sind versiegt und die Weisheit der Mysterien vermag heute nur zu nutzen, der sich einen entsprechenden Reifegrad erarbeitet hat. Die Geistesweisheiten können heute nicht mehr verraten werden, selbst wenn man sie ganz öffentlich ausspricht. Wer unreif ist, wird sie nicht verstehen und vielleicht auch belächeln, aber nützen kann er sie nicht. Gefahr entsteht nur dann, wenn eine enge, abgeschlossene Gruppe «geheimes» Wissen pflegt und zu gruppenegoistischen Zwecken missbraucht. Die heutigen Mysterien müssen mitten im Leben und im vollen Licht der Öffentlichkeit stehen und sie bedürfen auch keines abgesonderten, verborgenen Tempels mehr. Wie in schon in Goethes Märchen angedeutet, ist der verborgene Felsentempel zu dem grundsätzlich allen zugänglichen Sonnentempel aufgestiegen. Er ist an keinen besonderen Ort gebunden, sondern überall dort zu finden, wo sich eine frei gebildete, aber karmisch verbundene Gemeinschaft von Menschen zu einem gemeinsamen geistigen Streben zusammenfindet. Diese Gesinnung lebt auch in dem Rosenkreuzer-Bund, der in «Der Hüter der Schwelle» gezeigt wird. Zwölf noch ungeweihte Personen, die Wiederverkörperungen der 12 Bauern und Bäuerinnen aus «Die Prüfung der Seele» sind, sollen daher ihre Kräfte mit denen des von Hilarius Gottgetreu geleiteten Mystenbundes vereinen. Hilarius ist dabei als die Reinkarnation des Großmeisters des mystischen Ritterbundes aus «Die Prüfung der Seele» gedacht.

Dieses Prinzip, die Mysterien mitten im Leben zu verwirklichen, wird in Steiners Dramen nicht nur dargestellt, sondern es lebt in ihnen als wirksame impulsierende Kraft. Abstrakte Schemata des Erkenntnispfades wird man darin vergebens suchen. Die vier Mysteriendramen zeigen nicht nur exemplarisch und konkret den Schulungsweg, sondern sie sind, vor allem wenn man sich tätig eigenständig gestaltend in sie einlebt, selbst ein für jeden gangbarer, zeitgemäßer und lebenspraktischer menschlicher Schulungsweg, der den individuellen Bedürfnissen und Erfordernissen ausreichend Freiraum lässt und doch zugleich eine verlässliche geistige Orientierungshilfe bietet. Die Dramen sind auch in diesem Sinn nichts fertig Vollendetes, was Steiner ja immer wieder betont hat, sondern sie laden dazu ein, durch die Darsteller und das Publikum im unmittelbaren Darstellen und im aktiven Miterleben des Dargestellten frei und individuell, aber keineswegs willkürlich, immer wieder neu fortgestaltet zu werden und dadurch zugleich an der eigenen Entwicklung zu arbeiten. Der Text selbst, wenn man sich unbefangen und ohne klügelnden Verstand auf ihn einlässt, liefert die dazu nötige, ganz konkrete Inspirationsquelle, die verhindert, dass man sich dabei in wesenlosen Phantasmen verliert.

Der künstlerische Entstehungsprozess der Dramen

Inspiration und Imagination als Quellen des künstlerischen Schaffens

Foto von der Neuinszenierung von Rudolf Steiners Mysteriendramen an der Goetheanum-Bühne 2010. Foto: Jochen Quast

Der Verstand muss im künstlerischen Gestaltungsprozess schweigen. Die Worte entspringen unmittelbar, ohne dass sich das Denken dabei einmischt, aus der Inspiration, aus dem geistigen Hören und die Worte verdichten sich dann weiter zum Bild, zum seelisch geschauten Bild, zur Imagination.

"Nicht wahr, ich darf von den Erfahrungen reden, die ich an dem Ausgestalten meines Dramas selbst gemacht habe. Ich darf also sagen: Darinnen lebt kein Gedanke, sondern alles dasjenige, was Sie nun auch rezitiert und deklamiert hören werden, wurde so gehört, allerdings geistig gehört, wie es hier unmittelbar erklingt. - Also es handelt sich nicht etwa um das Fassen eines Gedankens, der dann erst in Worte umgesetzt wird, sondern es handelt sich um das Anschauen desjenigen, was Sie nun dargestellt vernehmen werden, um das anzuschauen gerade in derselben Art und Weise innerlich klingend und innerlich sich gestaltend, wie es zur Darstellung kommt. Man hat nichts zu tun bei einer solchen Darstellung, als lediglich dasjenige, was so innerlich im Schauen auftritt, äußerlich abzuschreiben." (Lit.: GA 281, S. 11)

"Mir war es immer etwas außerordentlich Unsympathisches, wenn der eine oder der andere gekommen ist und meine Mysteriendramen in symbolischer oder sonstiger verstandesmäßiger Weise ausgedeutet hat und allerlei gerade vom Verstande aus hineingetragen hat. Denn das, was in diesen Mysteriendramen lebt, ist bis auf den einzelnen Laut hin imaginativ erlebt. Das Bild steht als Bild da und stand immer als Bild da. Und niemals wäre es mir selber eingefallen, irgend etwas Verstandesmäßiges zugrunde zu legen, um es dann ins Bild umzugestalten." (Lit.: GA 281, S. 69)

Die Sprache der Dramen

Die Mysteriendramen erfordern eine besondere Behandlung der Sprache, die Rudolf Steiner später in den gemeinsam mit Marie Steiner gehaltenen Kursen für Sprachgestaltung ausführlich erläutert hat. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass alles, was sich auf der physischen Ebene abspielt, eine sehr plastische, stark konturierte konsonantische Sprache verlangt, während Texte, die sich auf das Sittlich-Relgiöse beziehen, einer mehr musikalisch-vokalischen Sprechweise bedürfen. Will man aber die Handlung in die geistige Welt hinaufführen, so muss man zu einer Synthese dieser beiden Sprachformen kommen:

"So wird das Bild, das sich da abspielt als das siebente meines Mysteriendramas «Die Pforte der Einweihung», durchaus als das Abbild geistiger, aber durch den physischen Menschen hindurch wirkender Impulse anzusehen sein. Wenn man nun nicht aus irgendwelchen Phantasien oder aus einer nebulosen Mystik heraus symbolisch oder allegorisch oder irgendwie anders solche Darstellungen des Übersinnlichen gibt, sondern wenn man sie aus den wirklichen Erfahrungen der übersinnlichen Welt heraus gibt, dann ist man genötigt, zu ganz anderen Vorstellungen zu greifen als diejenigen sind, die man sonst im physischen Leben zu verwenden hat. Im physischen Leben fallen jene Vorstellungen auseinander, die sich auf das moralisch-religiöse Leben beziehen. Sie haben einen mehr ungestalteten Charakter, haben einen Charakter der Abstraktheit, des Unanschaulichen. Dagegen jene anderen Vorstellungen, die sich auf die Natur beziehen, haben einen anschaulichen Charakter, der ihnen scharfe Konturen gibt und so weiter. Wer ein Gefühl dafür hat, wie sich im Anhören das konturierte Wort abhebt von dem gestaltlosen Wort, von dem mehr musikalisch zu empfindenden Wort, der wird überall bemerken die Übergänge von diesem innerlich plastischen zu dem innerlich musikalischen Worte. Ist man aber genötigt, die Handlung in die geistige Welt hinaufzuführen, dann muß man gewissermaßen eine Synthese fassen. Man muß die Möglichkeit finden, die Plastik des Wortes soweit aufzulösen, daß sie sich als Plastik nicht verliert, aber man muß sie doch dahin bringen, daß sie unmittelbar zugleich musikalisch wird. Eine plastisch-musikalische Sprechweise muß Platz greifen, denn man hat es nicht mit dem Auseinanderfallen des Sittlich-Religiösen und des Natürlich-Physischen zu tun, sondern mit einer synthetisch zusammenfallenden Reihe. Und so werden Sie denn in dieser Szene, die nun zur Rezitation kommt, hören, wie im Grunde genommen aus einem ganz anderen inneren Vorstellungsleben heraus dargestellt wird, als das gewöhnliche des Alltags ist, oder als dasjenige der gewöhnlichen Dramatik ist. Es wird aus einem Vorstellungsleben heraus gesprochen und dargestellt, welches in einem enthält dasjenige, was Natur, elementarische Naturgewalten, elementarische Naturkraftungen sind, und das, was durch diese elementarischen Naturkraftungen zugleich moralischethische Bedeutung hat. Das Physische wird zu gleicher Zeit sittlich, das Sittliche wird in physische Bildlichkeit heruntergeholt. Man kann nicht mehr unterscheiden in dieser Sphäre zwischen dem, was physisch sich abspielt, und dem, was ethisch sich abspielt, denn das Ethische spielt sich in Form des Physischen, das Physische spielt sich im Gebiete des Ethischen ab. Das aber erfordert eine ganz besondere Behandlung der Sprache, und diese Behandlung der Sprache kann gar nicht anders als so erfolgen, daß man überhaupt bei einer solchen Darstellung künstlerisch nicht im allergeringsten mehr von dem Gedanken ausgeht." (Lit.: GA 281, S. 10f)

Die Probenarbeit

Johannes Thomasius und Professor Capesius. Foto von der Neuinszenierung von Rudolf Steiners Mysteriendramen an der Goetheanum-Bühne 2010. Foto: Jochen Quast

Die wenigsten Darsteller, die bei den Uraufführungen der Mysteriendramen mitwirken durften, waren ausgebildete Schauspieler. Das erschien Steiner nicht so wichtig; viel bedeutsamer war, dass innerhalb dieser eng verbundenen Gemeinschaft ein ganz besonderer Gemeinschaftsgeist heranwuchs, den Steiner als beispielhaft für die anthroposophische Arbeit, ja vielleicht für das menschliche Zusammenwirken überhaupt bezeichnet hat:

"Wer solche Aufführungen sieht, denkt vielleicht nicht immer daran, daß es lange dauert, bis das, was zuletzt sich dem Auge in wenigen Stunden darbietet, wirklich auf der Bühne steht. Und die Art und Weise, wie unsere lieben Freunde hier an diesem Orte zusammenarbeiteten, um das Werk zustande zu bringen, sie darf in einer gewissen Beziehung immer wieder für die anthroposophische Arbeit, vielleicht auch für das menschliche Zusammenwirken, als Vorbild bezeichnet werden. Insbesondere deshalb, weil es einem richtigen anthroposophischen Empfinden widerstreben würde, bei dieser Arbeit in irgendeiner Weise zu kommandieren. Da ist ein Fortschritt nur dann möglich, wenn die einzelnen Freunde mit ihrem Herzen voll dabei sind, in ganz anderer Weise, als das auf einem ähnlichen künstlerischen Felde jemals der Fall sein könnte. Und dieses Voll-dabei-Sein, nicht nur in den wenigen Wochen, die uns zur Verfügung stehen, um die Aufführungen vorzubereiten, sondern dieses Voll-dabei-Sein, dieses freie herzliche Zusammenwirken, es dauerte Jahre hindurch." (Lit.: GA 122, S. 16)

Den Text seiner Dramen hat Rudolf Steiner Bild für Bild erst unmittelbar vor Probenbeginn niederzuschreiben begonnen. „Es wäre ja Unsinn“ meinte er, „ein Drama zu schreiben, bevor es sich um eine Aufführung handelt.“ Und so schrieb er spät in der Nacht noch die Texte, die jeweils am nächsten Tag geprobt werden sollten. So ähnlich muss es wohl auch Shakespeare mit seiner Theatertruppe gemacht haben. Rudolf Steiner erweist sich hier als genialer Theaterpraktiker. Viel Schlaf konnte Steiner zu dieser Zeit nicht finden und oft blieb sein Bett ganz unberührt, doch war er stets in einer frischen, beschwingten Stimmung. Alexander Strakosch schrieb dazu:

„Rudolf Steiners Tage und – wie erwähnt – auch die Nächte waren von intensiver Tätigkeit erfüllt, doch war es nicht jenes beängstigende Übermaß an Arbeit und Sorge, wie in den letzten Zeiten, sondern es herrschte um ihn die harmonische Beschwingtheit, welche das künstlerische Schaffen verleiht, wenn es sich wirkend entfalten kann. Er wurde nicht von außen gedrängt durch Menschen oder Verhältnisse oder bedrückt durch Sorgen. Alle waren bestrebt, seine Instruktionen auszuführen, seinen Anregungen zu folgen.“ (Lit.: Strakosch)

Natürlich musste Rudolf Steiner, bevor er die Dramen niederschreiben konnte, ein Grundkonzept entwerfen, dem die Handlung folgen sollte, aber der eigentliche Text entstand aus den unmittelbaren Erfahrungen der Probenarbeit. Anfangs mussten sich die Darsteller die Texte, die fein säuberlich in gut leserlicher Handschrift mit Bleistift geschrieben waren, noch selbst abschreiben. Maximilian Gümbel-Seiling schreibt in seinen Erinnerungen an die Probenarbeiten zu den Münchner Mysterienspielen:

„Am Vormittag erschien Dr. Steiner und las uns jeweils aus seinem Heft das neu entstandene Bild vor. Manchmal schrieben wir uns aus diesem Heft selbst unsere Rollen ab. Die Bleistiftschrift war deutlich und klar. Bald unterzog sich Dr. Elisabeth Vreede der Mühe, die fertigen Szenen für uns auf der Schreibmaschine abzuschreiben. Er las mit zurückgehaltenem Pathos, aber deutlicher Charakterisierung. Während der Proben gab er sparsame Winke. Selten machte er es uns auf der Bühne vor. Dann aber bekam man den Eindruck einer konkreten Persönlichkeit und bemerkte, daß es ihm Freude machte, seinen Gestalten Haltung, Ton, Gebärde zu verleihen.“ (Lit.: Seiling)

Später wurde das Ganze noch professioneller organisiert, indem ein Druckerlehrling pünktlich um 5 Uhr morgens Rudolf Steiners Vorlage abholte und die fertigen, praktisch noch feuchten Druckbögen rechtzeitig zum Probenbeginn ablieferte. Wie dann die Probenarbeit ablief, davon hat Alice Fels in ihren Erinnerungen von den Proben zu „Der Seelen Erwachen“ ein lebendiges Bild gezeichnet:

"Um 10 Uhr vormittags trafen alle Teilnehmer im Probenraum ein. Zunächst las Rudolf Steiner mit starker Intonierung und dezidiertem Betonen des Rhythmus das in der Nacht Neuerstandene vor. Dann verteilte er den noch druckfeuchten Text an die Träger der verschiedenen Rollen und ließ ihn so oft lesen und spielen, bis sich die verschiedenartigen Menschen aufeinander abgestimmt hatten. Er leitete die Arbeit derart, daß er niemals die Spieler unterbrach und „verbesserte“, sondern dieselbe Szene wieder und wieder vorsprach und vorspielte mit allen mimischen Nuancen und so oft spielen ließ, bis er mit den Schauspielern zufrieden war. Wesentlich schien ihm dabei, die Stimmung, die Atmosphäre eines Bildes zu übermitteln – gewaltig wirkte es, wie er die beiden Bilder im Geistgebiet vorlas. Er stellte sich während des Lesens auf einen Stuhl, und im schwingenden Rhythmus der Verse fühlte sich der Zuhörer mitgetragen in die Weltenweiten. Die Erde wurde einem gleichsam sachte unter den Füßen weggezogen, während die Jamben mit ungeheurer Wucht, stark beschwingt und dabei in strahlender Helle dahinströmten." (Lit.: Fels)

Ähnliches berichtet auch Oskar Schmiedel von den Proben zur „Pforte der Einweihung“:

"Einen ganz besonders starken Eindruck machte es, wenn Dr. Steiner einzelne Rollen vorspielte; er tat dies mit einer schauspielerischen Kunst und Kraft, die es den Spielern schwer machte, in ihrer eigenen Darstellung dem einigermaßen nachzukommen. Ganz unvergeßlich ist mir z. B., wie Rudolf Steiner die Szene vorspielte, in der Strader vor dem von Thomasius gemalten Bild des Capesius steht. Mit einer Eindringlichkeit spielte Rudolf Steiner, daß wir alle, die wir dies miterleben durften, erschüttert waren und eine tiefe Stille danach längere Zeit im Saale herrschte." (Lit.: Schmiedel)

Dass es durch den schrittweisen Entstehungsprozess der Dramen von Probentag zu Probentag auch kein vorgefertigtes Regiekonzept geben konnte ist klar. Wenn schon das Drama selbst von Tag zu Tag entstand, so musste noch mehr die Regie selbst direkt aus dem lebendigen Probengeschehen herauswachsen. Die künstlerische Inspiration für das Stück selbst und für seine dramatische Umsetzung auf der Bühne fließt hier aus einer Quelle, die durch das gemeinsame Tun und Empfinden während der Proben geöffnet wird. In diesem Sinne sind die Akteure, die Schauspieler, die Bühnenmaler und sonstigen Helfer durchaus aktiv schöpferisch mitbeteiligt am Zustandekommen des Werkes, das dann schließlich über die Bühne gebracht wurde. Durch eine tätige Gemeinschaft von Menschen können sich immer höhere geistige Kräfte offenbaren, als das durch einen Einzelnen möglich ist – selbst wenn er ein hoher Eingeweihter ist. Das mindert keineswegs die Leistung Rudolf Steiners, sondern gab ihm im Gegenteil erst die Möglichkeit, seine Fähigkeiten voll auszuschöpfen.

Damit dieses Werk gelingen konnte, bedurfte es einer ganz besonderen inneren Geisteshaltung der Darsteller:

"In alledem, was hier erwähnt wird, erblicken wir natürlich nicht ein Vollendetes, sondern etwas, was der Anfang eines Wollens ist, und wir möchten nun gerne, daß man durch alles das, was gewollt wird, was nicht jetzt schon geleistet werden kann, ersieht, wie man sich die Fortgestaltung der Kunst denken kann. Deshalb ist es uns von so unendlicher Wichtigkeit, daß auch die innere dramatische Gestaltung nur in den Händen von Darstellern liegt, die nach geistiger Erkenntnis streben, denn ich möchte — nicht aus persönlicher Neigung, sondern deshalb, weil ich muß — nicht ein einziges Wort in diesen unseren dramatischen Unternehmungen auf der Bühne gesprochen wissen von einem Andersgesinnten, und wenn dieses Wort auch mit der höchsten künstlerischen Vollendung und mit dem äußersten künstlerischen Raffinement der gegenwärtigen sprachlichen Bühnentechnik gesprochen würde. Denn etwas ganz anderes wird gewollt als diese äußere Bühnentechnik. Das, was heute Kunst genannt wird, wird nicht gewollt. Gewollt aber wird, daß in jeder Seele, die da oben steht und mitwirkt, das Herz aus spiritueller Wärme heraus spricht, daß ein solcher Hauch durch die ganze mehr oder weniger gute Darstellung geht, daß wir Geisteswärme als Kunst, Kunst als Geisteswärme erleben. Deshalb müßte jeder, der teilnimmt an diesen unseren Inaugurationsunternehmungen des Münchener Zyklus, die Empfindung haben: es gibt da kein Wort, das nicht, indem es gesprochen wird, zugleich in tiefster Seele von dem Darsteller mitempfunden wird. Das bewirkt in mancher Hinsicht jene künstlerische Keuschheit, die derjenige, der nicht spirituell fühlen will, als Dilettantismus empfinden mag, die aber der Anfang ist von etwas, was da kommen soll, der Anfang von etwas, was man einstmals als künstlerische Wahrheit in tiefstem, in geistigstem Sinne des Wortes empfinden wird, so unvollkommen und anfänglich es Ihnen auch heute entgegentreten mag." (Lit.: GA 129, S. 26)

Reinkarnation und Karma

Erstmals in der dramatischen Dichtung überhaupt hat Rudolf Steiner in seinen Dramen die wahren Triebkräfte des Schicksalsgeschehens offen und konsequent auf die Bühne gestellt. Wie sich der Charakter des Menschen gegenüber der Unausweichlichkeit des Schicksals bewährt, war zwar schon immer der Hauptnerv der tragischen Dichtung, doch blieben die wahren Ursachen letztlich rätselhaft. Rudolf Steiner hat die Hintergründe der tragischen Schicksalsverwicklungen auf ihre wahren Ursachen, nämlich auf karmische Verwicklungen in früheren Erdenleben, zurückgeführt und dramatisch zur Darstellung gebracht. Darin liegt ein wesentlicher und notwendiger Impuls für den Fortschritt der dramatischen Kunst, wenn es auch noch länger dauern mag, bis er in weiteren Kreisen aufgegriffen wird.

„Das Drama der Reinkarnation ist das neue Drama, alles andere sind Nachzügler, gabrielische Nachzügler. Aber das wirklich in die Zukunft gehende Drama der Moderne, das michaelische Drama, muss den Menschen im Durchgang durch die Inkarnation erlebbar machen. Eigentlich müssten, gleichsam um die Mysteriendramen Rudolf Steiners herum tausend Dramen geschrieben werden, auch Komödien. So dass dieser Gedanke und das entsprechende Lebensgefühl in der Begegnung mit dem anderen Menschen Selbstverständlichkeiten werden.“

Gespräch mit W. Hammacher: in: Der Europäer Jg. 8 / Nr. 12 / Oktober 2004, S. 10f

Rezeption

Leider sind die Mysteriendramen Steiners außerhalb anthroposophischer Kreise nur mäßig bekannt.

Literatur

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Allgemein

Vorträge zu Die Pforte der Einweihung

  • Rudolf Steiner: Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte, GA 122 (1984), Vorträge in München vom 16.8. und 21.8.1910
  • Rudolf Steiner: Das Matthäus-Evangelium, GA 123 (1988), Vorträge in Bern vom 2.9., 5.9., 10.9. und 12.9.1910
  • Rudolf Steiner: Die Beantwortung von Welt- und Lebensfragen durch Anthroposophie, GA 125 (1992), Vorträge vom 17.9.1910 in Basel und vom 31.10.1910 in Berlin
  • Rudolf Steiner: Von Jesus zu Christus, GA 131 (1988), Vortrag vom 13.10.1911 in Karlsruhe

Vorträge zu Die Prüfung der Seele

  • Rudolf Steiner: Die Mission der neuen Geistesoffenbarung, GA 127 (1989), Vortrag vom 19.12.1911 in Berlin
  • Rudolf Steiner: Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen, GA 129 (1992), 1.,3.,5.,7.- 10. Vortrag in München

Vorträge zu Der Hüter der Schwelle

  • Rudolf Steiner: Von der Initiation. Von Ewigkeit und Augenblick. Von Geisteslicht und Lebensdunkel, GA 138 (1986), Vorträge vom 28.8. und 30.8.1912 in München
  • Rudolf Steiner: Der Wert des Denkens für eine den Menschen befriedigende Erkenntnis, GA 164 (1984), Vortrag vom 19.9.1915 in Dornach

Vorträge zu Der Seelen Erwachen

  • Rudolf Steiner: Die Geheimnisse der Schwelle, GA 147 (1997), Vorträge vom 24.8., 27.8., 28.8. und 30.8.1913 in München
  • Rudolf Steiner: Mysterienstätten des Mittelalters, GA 233a (1991), Vortrag vom 5.1.1924 in Dornach

Die sieben Mysteriendramen

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

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