Nikolai Wassiljewitsch Gogol

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Nikolai Gogol (Gemälde von Alexander Andrejewitsch Iwanow, unbekannten Datums)

Nikolai Wassiljewitsch Gogol (russisch Никола́й Васи́льевич Го́голь; * 20. Märzjul. / 1. April 1809greg. in Welyki Sorotschynzi; † 21. Februarjul. / 4. März 1852greg. in Moskau) war ein russischer Schriftsteller ukrainischer Herkunft. Er ist einer der wichtigsten Vertreter der russischsprachigen Literatur in der Ukraine.

Leben

Kindheit und Jugend

Nikolai Gogol wurde am 1. April 1809 als eines von fünf Kindern der ukrainischen Gutsbesitzerfamilie von Wassili Afanassjewitsch und Marija Iwanowna Gogol-Janowski geboren. Der Name Gogol erinnert an kosakische Vorfahren[1] und einige Historiker halten es für möglich, dass Ostap Hohol, ein Hetman der rechtsufrigen Ukraine, ein Vorfahre Nikolai Gogols ist.[2][3] Der Vater galt als Träumer und war Gelegenheitsautor ukrainischer Schwänke. Die Mutter war vierzehn, als ihr der doppelt so alte Bräutigam vorgestellt wurde.[4]

Gogol war zehn Jahre alt, als sein jüngerer Bruder starb, und sechzehn, als der Vater dahinschied.[4]

Während seines Schulbesuchs am Gymnasium in Nischyn litt Gogol an Skrofulose und schaffte es, dem Spott der Mitschüler durch Überspitzungen zu entgehen.[4] Er war klein, krumm gewachsen und dünn, hatte schlechte Haut und eine übermäßig lange, spitze Nase.[5] Zeitgenossen rätselten über sein mürrisches, konzentriertes, düsteres, kluges und krankes Wesen. Der 18-jährige Gogol notierte: „Alle halten mich für ein Rätsel“.[4]

Phase des Erfolgs

Gogol-Büste in Sankt Petersburg

Nach ersten literarischen Versuchen kam er 1828 in die Hauptstadt Sankt Petersburg und scheiterte beim Versuch, eine Anstellung an der dortigen Universität zu erhalten. Gogol unternahm eine Reise nach Deutschland und versuchte, ebenso erfolglos, Schauspieler zu werden. 1829 erhielt er eine Stelle im Staatsdienst. 1831 gab er seine Anstellung jedoch wieder auf und wurde Geschichtslehrer an einer Privatschule für Mädchen.

Im Jahr 1831 lernte Gogol den Dichter Alexander Puschkin kennen, der ihm den Weg in die russische Literatur wies. Puschkin wurde ihm Freund und Förderer. So regte Puschkin an, den Revisor und Die toten Seelen zu schreiben – beide Werke fanden später höchste Anerkennung. Puschkin verschaffte Gogol auch wiederholt Arbeit als Privatlehrer und Universitätsprofessor, wenngleich Gogol diese Tätigkeiten nie lange ausübte. Ende 1833 bewarb er sich, unterstützt von Alexander Puschkin und Wassili Schukowski, für den Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte an der St.-Wladimir-Universität in Kiew, da er des Klimas wegen Sankt Petersburg verlassen wollte. Jedoch wurde ihm der damals unbekannte Historiker Wolodymyr Zych vorgezogen.[6][7] So wurde Gogol 1834 Adjunkt-Professor am Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte an der Universität Sankt Petersburg. Diese Stellung musste er im Dezember 1835 wieder aufgeben, da er nicht die formalen Qualifikationen besaß, die ein neues Universitätsgesetz verlangte.

Er begann zu schreiben und feierte mit seinen volkstümlichen ukrainischen Erzählungen Abende auf dem Weiler bei Dikanka (Вечера на хуторе близ Диканьки, 1831/32) einen Überraschungserfolg. Es ist die einzigartige Kombination der derben Vertep-Komödiantik mit dem ukrainischen Lokalkolorit und märchenhafter, bisweilen unheimlicher Phantastik, die den Erzählband zum Erfolg machte. Noch überwog die Komik in der Darstellung der Teufel und Hexen, jedoch wurde schon hier die Neigung zum alles durchdringenden Dämonischen deutlich, die sich in Gogols späteren Werken voll entwickelte. Eine weitere Sammlung von vier Erzählungen mit dem ukrainischen Thema, Mirgorod (Миргород, 1835), knüpfte an den Erfolg der Abende an und nahm bereits entscheidende Momente von Gogols reiferen Werken vorweg.

Mit den sog. Petersburger Erzählungen (Петербургские повести, 1842) wandte sich Gogol der nördlichen Metropole und neuen Themen zu:[8] Sie zeigen das Leben von Beamten, Offizieren und Handwerkern in der Großstadt, in der Laster und Geldgier herrschen und wo sich das Dämonische überall im Alltäglichen manifestieren kann. Das Beamtentum wird auch in seiner Komödie Der Revisor (Ревизор, 1836) karikiert, deren Sujet auf einen Vorschlag Puschkins zurückgeht. Sein Hauptwerk Die toten Seelen (Мертвые души, 1842), das er auf seinen Reisen von 1836 bis 1842 durch Deutschland, Frankreich, die Schweiz und vor allem Italien schrieb, gestaltet treffend die teils großspurige wie korrupte Lebensart des russischen Landadels. Als Gutsbesitzer lebten viele Adlige ein zurückgezogenes Leben auf ihren Landgütern. Ihre Söhne gingen meist als Offiziere zur Armee, wo sie spielten und sich duellierten. Die Bauern waren Leibeigene.

Er gehörte zum St. Petersburger Salon von Jewdokija Petrowna Rostoptschina, zu dem u. a. auch Iwan Mjatlew, Lew Alexandrowitsch Mei, Pjotr Pletnjow und Graf Odojewski gehörten.

Literarischer Niedergang und Tod

Zwischen 1836 und 1848 unternahm Gogol noch Reisen durch Deutschland, die Schweiz, Österreich, Frankreich und Italien, doch durchlief er eine schwere schöpferische Krise. Zudem begann er an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose zu leiden, einer Form der Schizophrenie.

Gogol begab sich auf eine Wallfahrt nach Palästina. Er geriet nach seiner Rückkehr unter den Einfluss eines Priesters, der seine Werke als verderbt ansah. Er verbrannte – möglicherweise in einem wahnhaften Anfall – das Manuskript des zweiten Teils der Toten Seelen, bezeichnete dies aber kurz darauf als großen Fehler.

Die Psychose zerstörte den einst so umtriebigen Literaten schließlich vollends: Gogol starb an den Folgen strengen religiösen Fastens im Alter von 42 Jahren. Nach seinem Tod fragten sich viele seiner Freunde, ob sie Gogol jemals richtig gekannt hatten.[5]

Werke

Briefmarke der DDR, 1952

Siehe auch

Literatur

  • Lorenzo Amberg: Kirche, Liturgie und Frömmigkeit im Schaffen von N. V. Gogol. Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 1986, ISBN 3-261-03656-7.
  • Peter Deutschmann: Intersubjektivität und Narration. Gogol, Erofeev, Sorokin, Mamleev. Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2003, ISBN 3-631-50198-6.
  • Susi K. Frank: Der Diskurs des Erhabenen bei Gogol und die longinsche Tradition. (= Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste. 98). Fink, München 1999, ISBN 3-7705-3415-8.
  • Melissa Frazier: Frames of the imagination. Gogols Arabesques and the romantic question of genre. (= Middlebury studies in Russian language and literature. 22). Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2000, ISBN 0-8204-4507-X.
  • Urs Heftrich: Gogols Schuld und Sühne. Versuch einer Deutung des Romans „Die toten Seelen“. Pressler, Hürtgenwald 2004, ISBN 3-87646-100-6.
  • Kjell Johansson: Gogols Welt. Roman. Claassen, München 2000, ISBN 3-546-00199-0.
  • Rolf-Dietrich Keil: Nikolai W. Gogol. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1998, ISBN 3-499-50342-5.
  • Andreas Krziwon: Das Komische in Gogols Erzählungen. Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 1994, ISBN 3-631-46147-X.
  • Andreas Larsson: Gogol und das Problem der menschlichen Identität. Die „Petersburger Erzählungen“ und der „Revisor“ als Beispiele für ein grundlegendes Thema in den Werken von N. V. Gogol. Sagner, München 1992, ISBN 3-87690-518-4.
  • Birgit Seidel-Dreffke: Die Haupttendenzen der internationalen Gogolforschung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (deutschsprachiges Gebiet, USA, Großbritannien, Sowjetunion). Haag und Herchen, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-89228-803-8.
  • Christian von Tschilschke: Epen des Trivialen: N. V. Gogols „Die toten Seelen“ und G. Flauberts „Bouvard und Pécuchet“. Ein struktureller und thematischer Vergleich. Winter, Heidelberg 1996, ISBN 3-8253-0389-6.
  • Peter Urban (Hrsg.): Gogols Petersburger Jahre. Gogols Briefwechsel mit Puskin. Eine Geschichte in Briefen. Friedenauer Presse, Berlin 2003, ISBN 3-932109-30-9.
  • Natascha Drubek-Meyer: Gogols eloquentia corporis. Einverleibung, Identität und die Grenzen der Figuration. Sagner, München 1998, ISBN 3-87690-725-X. (Digitalisat)

Russische Autoren

  • S. T. Aksakov: Istorija moego znakomstva s Gogolem. Izdanie podgotovili sotrudniki Muzeja „Abramcevo“ A.N. SSSR E.P.Naselenko i E.A.Smirnova. Izdatel´stvo Akademii Nauk SSSR, Moskva 1960.
  • Andrej Belyj: Mastersvo Gogolja. (Die Kunst Gogols). Nachdruck der Ausgabe Moskau 1934 mit einer Einführung von Dmitrij Čiževskij. Wilhelm Fink Verlag, München 1969.
  • Michail B. Chrapčenko: Izbrannye trudy – Nikolaj Gogol´ Literaturnyj put´, velikie pisatelja. Moskva 1993.
  • I. I. Garin: Zagadočnyj Gogol´. Moskva 2002
  • Jurij V. Mann: Poëtika Gogolja. Variacii k teme.Coda, Moskva 1996.
  • S. I. Mašinskij: Gogol´ v vospominanijach sovremennikov. Moskva 1952.
  • V. Veresaev: Gogol´ v žizni. Sistematičeskij svod podlinnych svidedel´stv sovremennikov. ACADEMIA Moskva-Leningrad 1933.
  • V. Veresaev: Kak rabotal Gogol´. Kooperativnoe Izdatel´stvo „Mir“. Moskva 1934.
  • Igor Zolotusskij: Gogol´. Izdanie vtoroe, ispravlennoe i dopolnennoe. Iz serii „Žizn´ zamečatel´nych ljudej“, Molodaja Gvardija Moskva 1984.

Zu den Verfilmungen und Hörspielen siehe auch

Weblinks

Commons: Nikolai Wassiljewitsch Gogol - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
 Wikisource: Nikolai Wassiljewitsch Gogol – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Russen in Baden-Baden
  2. War Hetman Ostap Gogol der Ahne von N.W. Gogol? auf der Webseite des Gogol-Hauses; abgerufen am 10. April 2016 (russisch)
  3. Prototyp von Gogols Taras Bulba - ein entfernter Vorfahre des Schriftstellers, Hetman Ostap Gogol auf gazeta.zn.ua; abgerufen am 10. April 2016 (russisch)
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 nzz.ch: Wo tut's weh, Nikolai Wassiljewitsch?. 28. März 2009.
  5. 5,0 5,1 derStandard.at: Die vierte Dimension der Prosa. 27. März 2009.
  6. Vergessener Professor: Wolodymyr Zych war ein erfolgreicher Konkurrent von Gogol auf day-kiev vom 28. Januar 2006; abgerufen am 6. Januar 2018 (ukrainisch)
  7. Der Mann, der die Position des Professors an der Universität von St.-Wladimir gegen Gogol gewonnen hat in ukraine-russia.livejournal vom 4. Oktober 2009; abgerufen am 6. Januar 2018 (ukrainisch)
  8. Nikolai Gogol: Petersburger Erzählungen. mit 35 Reproduktionen nach Farblithographien von Victor Vilner. Buchverlag Der Morgen, Berlin 1983, DNB 840094965.
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