Zahlensystem

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Ein Zahlensystem (seltener auch: Zahlsystem) dient der schriftlichen Darstellung von Zahlen. Eine Zahl wird dabei nach festgelegten Regeln als eine Folge von Zahlzeichen (Ziffern) festgehalten. Im Zuge der Menschheitsgeschichte wurden verschiedene Zahlensysteme entwickelt, wobei man grundsätzlich - und weitgehend in der zeitlichen Reihenfolge ihrer Entstehung - zwischen additiven, hybriden und positionellen Systemen (Stellenwertsysteme) unterscheiden kann.

Additive Zahlensysteme

In additiven Systemen errechnet sich die Zahl als Summe der Ziffern ohne Rücksicht auf ihre Position.

Strichliste

Strichliste

Das einfachste Beispiel ist die bekannte Strichliste, bei der jeder Strich den Wert Eins repräsentiert. In der Regel werden die Striche der Übersichtlichkeit halber zu 5er-Blöcken zusammengefasst, indem auf vier vertikale Striche ein horizontaler oder diagonaler Durchstrich folgt.

Ägyptische Hieroglyphenzahlen

Schon vor etwa 5000 Jahren gab es im Alten Ägypten ein entwickelt additives, nach Zehnerpotenzen geordnetes Zahlensystem, bei dem es für jede Zehnerpotenz zwischen 1 und 1.000.000 ein eigenes Zeichen gab:

1 10 100 1.000 10.000 100.000 1.000.000
Z1
V20
V1
M12
D50
I8
C11
Einfacher Strich Rindsgespann Seilschlinge Wasserlilie Finger Kaulquappe oder Frosch Heh (altägyptischer Gott der Unendlichkeit)
Die 36 hieratischen Zahlzeichen

Die Zahl 1913, die aus einem Tausender-Zeichen, neun Hunderter-Zeichen, einem Zehner-Zeichen und drei Einer-Zeichen besteht, würde z.B. so geschrieben:

M12V1V1V1V1V1V1V1V1V1V20C11

Da die Hieroglyphen für den alltäglich Gebrauch viel zu umständlich waren, wurde schon ab Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. handschriftlich die hieratische Schrift benutzt und die Blöcke mit lauter gleichartigen Zeichen zu einem einzigen Zeichen zusammengefasst. Dabei wurden vier Zeichen für die Zehnerpotenzen 1, 10, 100 und 1.000 sowie 32 (4 mal 8) Zeichen für deren Vervielfachungen, also insgesamt 36 Zahlzeichen. für die Schreibung der Zahlen 1 bis 9.999 verwendet.

Römische Zahlen

Bei der Römischen Zahlschrift handelt es sich ebenfalls um ein additives System mit ergänzenden Regeln zur subtraktiven Schreibung bestimmter Zahlen. Die Zahlschrift umfasst sieben durch Buchstaben repräsentierte Ziffern:

Die römischen Ziffern
Zeichen I V X L C D M
Wert 1 5 10 50 100 500 1000

Dabei gelten folgende Subtraktionsregeln:

  • I vor V oder X: IV (4), IX (9)
  • X vor L oder C: XL (40), XC (90)
  • C vor D oder M: CD (400), CM (900)
Beispiel
MCMLXXXIV = 1000 + (1000 - 100) + 50 + 10 + 10 + 10 + (5 - 1) = 1984
              M         CM         L    X    X    X     IV

Hybride Zahlensysteme

Bei hybriden Zahlensystemen wird eine Grundziffer mit einem nachfolgenden Zeichen multipliziert, das eine Potenz der Basis darstellt. In Europa gab es solche Syteme kaum, wohl aber seit zweiten Jahrtausends v. Chr. in Mesopotamien und später auch im ganzen Nahen Osten, Äthiopien, Südindien, Sri Lanka, China und Japan und auch bei den Maya in Mittelamerika.

Hier ein Beispiel aus dem japanischen Zahlsystem:

    23:  二十三  (2 × 10 + 3)
30.000:  三万    (3 × 10.000)

Stellenwertsysteme

Bei einem Stellenwertsystem hängt der Wert einer Ziffer von ihrer Position (Stelle) innerhalb der Zahl ab, die eine entsprechende Potenz der gewählten Basis darstellt, die gleich der Anzahl der insgesamt in diesem System verwendeten Ziffern ist.

Der Wert der Zahl ergibt sich dann durch Addition dieser Ziffern, die zuvor mit ihrem jeweiligen Stellenwert multipliziert werden, mit .

Dualsystem

Das Dualsystem, auch Binärsystem, ist das einfachste Stellenwertsystem und verwendet nur die Ziffern 0 und 1, hat also die Basis 2. Zahlen in dieser Darstellungsform werden als Binär- oder Dualzahlen bezeichnet.

Beispiel:

1011 = 1 × 23 + 0 × 22 + 1 × 21 + 1 × 20 = 1 × 8 + 0 × 4 + 1 × 2 + 1 × 1 = 8 + 0 + 2 + 1 = 11
Gottfried Wilhelm Leibniz, Porträt von Bernhard Christoph Francke, um 1700; Herzog Anton Ulrich-Museum
Das binäre Zahlensystem nach einem ersten Entwurf von Leibniz (1697)
Zahlensysteme im Vergleich
Hex. Dual Dezimal
0 0 0 0 0 00
1 0 0 0 1 01
2 0 0 1 0 02
3 0 0 1 1 03
4 0 1 0 0 04
5 0 1 0 1 05
6 0 1 1 0 06
7 0 1 1 1 07
8 1 0 0 0 08
9 1 0 0 1 09
A 1 0 1 0 10
B 1 0 1 1 11
C 1 1 0 0 12
D 1 1 0 1 13
E 1 1 1 0 14
F 1 1 1 1 15

Gottfried Wilhelm Leibniz sah in dem Dualsystem, das er schon Ende des 17. Jahrhunderts entwickelte und in seinem Aufsatz Explication de l’Arithmétique Binaire[1] 1705 erstmals veröffentlichte, ein Sinnbild des Christentums. Leibniz entwarf dazu auch eine Gedenk-Medaille. In einem Brief an Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel Rudolph August vom 2. Januar 1697 heißt es:

„Denn einer der Hauptpuncten des christlichen Glaubens, und zwar unter denjenigen, die den Weltweisen am wenigsten eingegangen, und noch den Heyden nicht wohl beizubringen sind, ist die Erschaffung der Dinge aus Nichts durch die Allmacht Gottes. Nun kann man wohl sagen, daß nichts in der Welt soie besser vorstelle, ja gleichsam demonstrire, als der Ursprung der Zahlen, wie er allhier vorgestellet ist, durch deren Ausdrückung blos und allein mit Eins und mit Nulle oder Nichts alle Zahlen entstehen. Und wird wohl schwerlich in der Natur und Philosophie ein bessres Vorbild dieses Geheimnisses zu finden sein, daher ich auch die entworfene Medaille gesetzet:

IMAGO CREATIONIS.

Es ist aber doch dabei nicht weniger betrachtungswürdig, wie schon darus erscheinet, nicht nur, daß Gott Alles aus Nichts gemacht, sondern auch daß Gott Alles wohl gemacht, und daß Alles, was er geschaffen, gut gewesen; wie wirs hier denn in diesem Vorbilde der Schöpfung auch mit Augen sehen. [...]
Auf daß aber die Schöpfung besser abgebildet würde, und auch die Medaille selbst nicht nur Zahlen, sondern auch sonst etwas haben möchte, so den leiblichen Augen angenehm wäre; so habe darauf entworfen Licht und Finsterniß, oder, nach menschlicher Abbildung, den Geist Gottes über dem Wasser: denn Finsterniß war auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebete auf dem Wasser. Da sprach Gott: Es werde Licht, und es ward Licht. Und kommt solches um so mehr zu Passe, weilen die leere Tiefe und wüste Finsterniß zu Null und Nichts; aber der Geist Gottes mit seinem Lichte zum allmächtigen Eins gehöret.
Wegen der Worte des Sinnbildes, oder Motto dell' impresa, habe ich mich eine Zeitlang bedacht, und endlich gut befunden, diesen Vers zu setzen:

      2,3,4,5 etc. 0
      Omnibus ex nihilo ducendis
      SUFFICIT UNUM,

weil solcher gar klar andeutet, was mit dem ganzen Sinnbilde gemeinet, und warum es sey Imago Creationis.“

Gottfried Wilhelm Leibniz: Brief an Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel Rudolph August[2]

In einem Brief an den französischen Jesuitenpater Joachim Bouvet, der in China als Missionar tätig war, schrieb er:

„Zu Beginn des ersten Tages war die 1, das heißt Gott. Zu Beginn des zweiten Tages die 2, denn Himmel und Erde wurden während des ersten geschaffen. Schließlich zu Beginn des siebenten Tages war schon alles da; deshalb ist der letzte Tag der vollkommenste und der Sabbat, denn an ihm ist alles geschaffen und erfüllt, und deshalb schreibt sich die 7 111, also ohne Null. Und nur wenn man die Zahlen bloß mit 0 und 1 schreibt, erkennt man die Vollkommenheit des siebenten Tages, der als heilig gilt, und von dem noch bemerkenswert ist, dass seine Charaktere einen Bezug zur Dreifaltigkeit haben.“

Leibniz: Brief an Joachim Bouvet[3]

Dezimalsystem

Das Dezimalsystem verwendet die zehn Ziffern von 0 bis 9. Zahlen in dieser Darstellungsform werden als Dezimalzahlen bezeichnet. Im Dezimalsystem wirken laut Rudolf Steiner starke ahrimanische Impulse.

„Die Menschheit braucht auf das Zehnersystem, das heute das Vorherrschende ist, nicht besonders stolz zu sein. Jedes Zahlensystem wird von bestimmten Geistern in die Welt gebracht, und ein jedes hat die Neigung, gewisse Tatsachen und Zusammenhänge von Tatsachen klarer zu zeigen und andere zu verdunkeln, zurücktreten zu lassen.

In dem Zehnersystem wirken nun sehr stark die ahrimanischen Impulse. Es läßt hervortreten die Tatsache, daß bei jedem Jahrtausend, also im Jahre 1000, 2000 und so weiter, ein besonders starker Angriff Luzifers und Ahrimans vereint stattfindet. In den anderen Jahrhunderten halten sie sich mehr das Gleichgewicht. In dem Jahrhundert aber, wo man schrieb 9 .., also auch in unserem Jahrhundert 19 .., wenn es gegen das neue Jahrtausend geht, vereinigen sie sich und wirken zusammen auf die Menschen ein. Diese Tatsache lebt noch in dem Volksglauben, daß während tausend Jahren Luzifer und Ahriman an der Kette liegen und daß sie dann für kurze Zeit losgelassen werden.

In den vorchristlichen Jahrtausenden 1000, 2000, 3000 v.Chr. war es so, daß dann zu gleicher Zeit ein besonders starker Einfluß der guten, fortschreitenden Mächte stattfand, der diese vereinigte luziferisch-ahrimanische Wirkung im Zaume hielt und ein besonders Gutes daraus entstehen ließ. So sehen wir, wie im Jahre 3000 v.Chr. die Pyramiden gebaut wurden. Im Jahre 2000 war es das Zeitalter Abrahams und alles, was daraus entstand; zugleich ein Höhepunkt der babylonischen Kultur. Im Jahre 1000 v.Chr. war das Zeitalter Davids. Der Bau des salomonischen Tempels wurde vorbereitet. Im Jahre Null erschien der Christus. Wir haben oft auseinandergesetzt, wie nach den Evangelien und besonders nach dem fünften Evangelium, der Christus den Kampf mit Luzifer und Ahriman aufnehmen mußte. In den nachchristlichen Zeiten aber konnten die guten, fortschreitenden Geister nicht mehr so eingreifen; die Menschheit wurde überlassen den Angriffen Luzifers und Ahrimans. Diese erreichten jedenfalls dieses, daß sie das Denken der Menschen verwirrten, daß sie einen Irrtum Zugang finden ließen, den Irrtum von dem herannahenden physischen Ende der Welt. Sie haben immer ein Interesse daran, daß die Dinge viel zu räumlich-zeitlich vorgestellt werden.“ (Lit.:GA 286, S. 109)

Hexadezimalsystem

Das Hexadezimalsystem beruht auf der Basis 16 und verwendet als Ziffernzeichen die Ziffern von 0 bis 9 und darüber hinaus die Buchstaben von A (entspricht dezimal = 10) bis F (= 15). Ein Beispiel: FF = 15•161 + 15•160 = 15•16 + 15•1 = 240 + 15 = 255.

Da 16 die vierte Potenz zur Basis Zwei ist (16 = 24), eignet sich das Hexadezimalsystem - im Gegensatz zum Dezimalsystem - gut zur einfacheren Darstellung größerer Dualzahlen (z.B. 1111 = 1•23 + 1•22 + 1•21 + 1 = 8 + 4 + 2 + 1 = 15 = F).

Sexagesimalsystem

Das Sexagesimalsystem (von lat. sexagesimus „der Sechzigste“), auch Hexagesimalsystem oder Sechziger-System ist die Basis 60 auf und wird heute noch bei der Angabe von Winkel, geografische Längen und Breiten und in der Zeitmessung verwendet. Ein erstes schriftliches sexagesimales Additionssystem gab es bereits um 3300 v. Chr. bei den Sumerern. Die Babylonier benutzten ab ca. 2000 v. Chr. ein sexagesimales Stellenwertsystem. Der Ursprung dürfte in der auf die Astronomie gegründeten Jahreszählung zu suchen sein, da die babylonischen Jahre schon zwölf Monate zu 30 Tagen umfassten, wobei etwa alle drei Jahre ein zusätzlicher 13. Schaltmonat eingefügt wurde.[4]

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Leibniz: Explication de l’Arithmétique Binaire (geschrieben 1703, veröffentlicht 1705)
  2. Leibniz: Brief an den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel Rudolph August, 2. Januar 1697 (Vorstellung der binären Zahlen)
  3. Leibniz, SSB I, 20, 569; zitiert nach: Velminski, S. 73f. [1]
  4. J. P. McEvoy: Sonnenfinsternis. Berlin-Verlag, 2001, S. 43. K. Vogel: Teil II, S. 22 f.