Richard Seerra

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Richard Serra porträtiert von Oliver Mark, Siegen 2005

Richard Serra (* 2. November 1939 in San Francisco) ist einer der bedeutendsten lebenden US-amerikanischen Bildhauer. Mitte der 1960er Jahre experimentierten Richard Serra und andere amerikanische Künstler mit industriellen Werkstoffen wie Blei und Gummi. Die Materialien wurden mit einfachen Eingriffen bearbeitet und in einen Bezug zum Raum gesetzt. Im Laufe der Jahre erweiterte Serra seinen räumlichen Ansatz, indem er bis heute mit wetterfestem Stahl arbeitet. Außerdem umfasst sein Œuvre eine Vielzahl von Malereien und Druckgraphiken.

Leben

Fulcrum 1987, freistehende Plastik aus COR-TEN-Stahl an der Liverpool Street Station

, London]]

„Im Grunde möchte ich Skulpturen machen, die für eine neue Art von Erfahrung stehen, die Möglichkeiten von Skulptur eröffnen, die es so bislang nicht gab.“

Richard Serra[1]

Studienzeit

Serra studierte von 1957 bis 1961 englische Literatur an der University of California, Berkeley und anschließend in Santa Barbara. Er machte seinen Bachelor in Englischer Literatur. Um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitete er in einem Stahlwerk, wo er erste Erfahrungen im Umgang mit dem vielseitigen Werkstoff Stahl sammeln konnte, die für seine spätere Laufbahn prägend wurden.[2]

Von 1961 bis 1964 absolvierte er ein Kunststudium an der Universität Yale in New Haven. Er wurde dort Assistent des deutschen Emigranten, Malers und Kunsttheoretikers Josef Albers. Darauf folgte eine Zusammenarbeit mit Albers an dessen Buch The Interaction of Color. Er erreichte den Abschluss Bachelor of Fine Arts und den Master of Fine Arts.

Als in dieser Zeit der Minimalismus aufkam, gab es noch eine reine Form des Minimalismus; die Künstler arbeiteten überwiegend mit hochwertigen Industrieprodukten, Materialien und Stoffen wie Plastik oder auch rostfreiem Edelstahl. Zum Teil lag der Schwerpunkt auf einer Verfeinerung des Materials. Darauf folgte eine Künstlergeneration mit unter anderen Richard Serra, Robert Smithson, Bruce Nauman und Eva Hesse. Für Serra hatten diese Künstler weniger den Anspruch, dass Kunst Gebrauchsware sein muss; es war eine „rücksichtslose Erweiterung des Minimalismus“.[3] Die Materialien wurden einfacher, wie Gummi oder Blei. Anstatt eine Formensprache darzustellen, die es schon in der Kunst gab, waren diese Künstler mehr daran interessiert, dass die Form des Materials durch eine Veränderung manipuliert werden konnte.[3]

Frühwerk

Anfang der 1960er Jahre hatte sich Serra bereits mit den für die Kunst neuen Medien Film und Video beschäftigt. Während eines einjährigen Reisestipendiums der Yale-Universität in Paris erweiterte er 1964 seine Kenntnisse auf diesem Gebiet. Im Sommer 1965 heiratete er seine Kommilitonin, die Künstlerin Nancy Graves. Er begegnete in Paris dem US-amerikanischen Musiker und Komponisten Philip Glass. Ende der 60er Jahre entdeckte Serra den Werkstoff Metall für sein künstlerisches Schaffen. Er goss 1968 auf eine unkonventionelle Art die Ecken des New Yorker Whitney-Museums mit geschmolzenem Blei aus, um die erhaltenen Formen anschließend im selben Haus auszustellen.

Darauf folgte, dank eines Fulbright-Stipendiums, ein Jahr in Florenz. Im Mai 1966 hatte er seine erste Einzelausstellung Animal Habitats in der Galeria La Salita in Rom. Es folgten Reisen nach Spanien und Nordafrika.

Serra zog nach New York und arbeitete mit Robert Fiore, Steve Reich und Philip Glass, aber auch als Möbelpacker, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. In dieser Zeit machte er Bekanntschaft mit anderen Künstlern wie Eva Hesse, Donald Judd, Robert Smithson and Carl Andre. Er schuf eine Reihe von Werken aus Gummi und Neonröhren sowie sogenannte Scatter Pieces.

Seit den frühen siebziger Jahren setzt sich Richard Serra intensiv mit den Möglichkeiten der Druckgrafik auseinander; neben den Skulpturen sind sie wesentlicher Bestandteil seines Werkes.

1968 entstand seine Serie Hands, später arbeitete er mit Nancy Holt in Boomerang (1974) und mit seiner Partnerin dieser Zeit, Joan Jonas, an Paul Revere (1971), bei deren Performances er häufig mitwirkte. 1968 hatte Serra eine Einzelausstellung in der Galerie Rolf Ricke in Köln. Ende der 1960er versuchte er sich mit den künstlerischen Formen des Films zu perfektionieren. Er suchte eine Analogie zwischen den Schnitten in seinen Skulpturen und dem Schnitt im Film. In dieser Zeit begann auch die Zusammenarbeit mit Leo Castelli.

Häufig besuchte er die Anthology Film Archives in New York und setzte sich intensiv mit den künstlerischen Formen des historischen sowie des aktuellen Films auseinander. Begeistert war er u. a. auch von Andy Warhols Chelsea Girls, das ihm den Weg zum Filmemacher erleichterte, und von Bruce Connors, Ron Rice’ und Jack Smiths Filmen unprätentiöser Art.

In seinem Frühwerk arbeitete Richard Serra überwiegend mit Materialien wie Blei und Gummi. Bedeutend ist seine Werkgruppe der Splashings oder Castings, in der er durch das Schleudern flüssigen Bleis in einen Winkel zwischen Wand und Boden Formen erstellte.

Nach einem Aufenthalt in Japan 1970 setzte er sich intensiv mit der Geometrie der Plätze und der Anlage als Ganzes auseinander. In Tokyo entstand das Werk To Encircle Base Plate Hexagram, darauf folgte 1972 die Spoleto-Circles, ein liegendes Stahlkreis-Objekt und ein in den Boden eingelassener Kreisplan.

Spätwerk

Terminal in Bochum, 1977, nach Restaurierung, am Tag der Neuenthüllung 26. April 2014

Serras erste begehbare Großplastiken im öffentlichen Raum, in denen die Wahrnehmung der Kunst von unmittelbaren körperlichen Erfahrungen begleitet wird, entstanden Anfang der 1970er Jahre. Dazu gehört z. B. die Installation Circuit, die auf der documenta 5 1972 in Kassel zu sehen war und sich heute (2012) in der Kunstsammlung der Ruhr-Universität in Bochum befindet.

Mit Clara Weyergraf, die er 1981 heiratete, drehte Serra den Film Steelmill/Stahlwerk in der Henrichshütte in Hattingen.

1977 konzipierte er für die documenta 6 in Kassel das Werk Terminal, vier trapezförmige Platten aus wetterfestem Stahl (COR-TEN-Stahl). Während dieser Ausstellung war das Werk vor dem Fridericianum, dem zentralen Ausstellungsgebäude, aufgestellt und wurde somit zum „Wahrzeichen“ dieser Documenta.

Nach langen Verhandlungen und begleitet von heftigen Protesten wurde Terminal[4] 1979 von der Stadt Bochum erworben und schließlich an dem von Richard Serra favorisierten Standort, einer Verkehrsinsel am Bochumer Hauptbahnhof, installiert. Die CDU machte im Landtagswahlkampf eine Kampagne gegen die Aufstellung in Bochum. Der damalige Kandidat Kurt Biedenkopf hielt direkt vor der Plastik eine Rede, in der er deren Abriss ankündigte.[5]

Im selben Jahr erhielt Serra im Rahmen des „Art in Architecture Program“[6] der U.S. General Services Administration den Auftrag für eine ortsspezifische Skulptur auf dem „Federal Plaza“ in New York. Das Werk Tilted Arc, eine 37 Meter lange und 3 Meter hohe, etwas geneigte Stahlwand, die sowohl die Sicht als auch die Überquerung des Platzes teilweise blockiert bzw. verhindert, sodass sich vorbeilaufende Menschen damit formal und optisch auseinandersetzen müssen, wurde 1981 fertiggestellt. Insbesondere durch die anwohnende Bevölkerung wurden kontroverse Diskussionen bis hin zu Protestaktionen ausgelöst, was 1989 dazu führte, dass die große Stahlskulptur wieder entfernt werden musste.[7]

1993 nahm Serra mit einem Objekt in der Synagoge Stommeln an der jährlich wechselnden Gestaltung der ehemaligen Synagoge teil.

Im Jahr 2005 entstand die raumgreifende begehbare Installation The Matter of Time aus acht gigantischen und tonnenschweren Stahlskulpturen für das Guggenheim Museum Bilbao, bestehend aus begehbaren Spiralen, Ellipsen und Schlangenformen. Das Werk ist einer der größten bildhauerischen Aufträge und wohl auch eines der teuersten, die bislang in der Geschichte der Moderne für einen konkreten Raum entwickelt wurden.[8]

Mit der bislang letzten Arbeit Blade Runners beschreitet Serra ein neues Kapitel in seinem Werk. „Waren seine Platten bisher konvex oder konkav geformt, biegen sie sich nun in gegenläufige Kurven.“[9]

Siehe auch

Literatur

  • Richard Serra: The Matter of Time. Steidl, Göttingen 2006, ISBN 3-86521-137-2.
  • Silke von Berswordt-Wallrabe: Richard Serra: Druckgrafik 1972–2007, Richter, Düsseldorf, ISBN 978-3-937572-85-7.
  • Kunibert Bering: Richard Serra. Skulptur, Zeichnung, Film. Reimer, 1998, ISBN 3-496-01188-2.
  • Barbara Oettl: Schwere Kunst nach Mass. Betrachterfunktionen bei ausgewählten Blei- und Stahlskulpturen im Werk von Richard Serra. LIT Verlag Dr. Wilhelm Hopf, 2000, ISBN 3-8258-5027-7.
  • Klaus-Werner Richter: Richard Serra, Props. Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg 1994. ISBN 3-89279-999-7.
  • Eckhard Schneider (Hrsg.): Drawings – Work Comes Out of Work. Mit Beiträgen von James Lawrence und Richard Shiff. Gestaltung: Peter Dorén. Dorén und Köster, Berlin 2008.

Weblinks

Commons: Richard Seerra - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema

Beispiele und Rezeption

Video

Foto

Interview

Biografie

Weiterführende Informationen

Galerie mit Arbeiten von Richard Serra

Einzelnachweise

  1. m-Bochum Kunstvermittlung Archivierte Kopie (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive)
  2. Biography Richard Serra der Guggenheim Collection Archivierte Kopie (Memento vom 14. Oktober 2008 im Internet Archive)
  3. 3,0 3,1 Maria Anna Tappeiner: Richard Serra – Sehen ist Denken. Westdeutscher Rundfunk (WDR), 2005 [1]
  4. m-Bochum – Kunstvermittlung, Photographien und Werkbeschreibung Archivierte Kopie (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive)
  5. taz vom 3. Juli 2001, S. 16, 141 Z. (TAZ-Bericht), Manfred Schneckenburger [2]
  6. GSA, Art in Architecture Program http://www.gsa.gov/Portal/gsa/ep/contentView.do?contentType=GSA_OVERVIEW&contentId=8146&noc=T (Memento vom 22. September 2008 im Internet Archive)
  7. pbs.org, Richard Serra’s Tilted Arc 1981 [3]
  8. 3sat.de, Kulturzeit, Maria Tappeiner, Stahlkolosse in Bilbao – Richard Serras begehbare Installation aus monumentalen Skulpturen 8. Juni 2005 [4]
  9. arte.tv.de, Vom Blech zur Skulptur – Leichter Stahl vom Bildhauer Richard Serra, 2009, Regie Martina Müller Archivierte Kopie (Memento vom 16. März 2010 im Internet Archive)


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