Selbstorganisation

Aus AnthroWiki

Als Selbstorganisation wird das spontane Auftreten stabiler, sich dynamisch erhaltender geordneter Strukturen in Systemen bezeichnet, bei denen die strukturbildenden Faktoren durch die Elemente des Systems selbst bestimmt werden. Im physikalischen Sinn tritt Selbstorganisation bei entsprechender Energiezufuhr häufig in offenen Systemen fern vom thermodynamischen Gleichgewicht auf. Die nicht-zufällige dynamische Ordnung der Systemelemente entsteht durch die Zufuhr hochwertiger Energie bei höherer Temperatur und bei gleichzeitiger Abfuhr niederwertiger Energie bei niederer Temperatur, wodurch Entropie und damit Unordnung im weitesten Sinn aus dem System exportiert wird. Selbstorganisation ist eine Eigenschaft komplexer, dynamischer Systeme, die in der Synergetik – der Theorie vom Zusammenwirken der Elemente – untersucht werden. Bei diesem oft spontanen Entstehen von Ordnungsmustern aus der Systemdynamik heraus, spricht man von Emergenz, bzw. von emergenten Phänomenen. Ein einfaches Beispiel ist die spontane Bildung von Konvektionszellen in erhitzten Flüssigkeiten (Bénard-Experiment). Derartige Strukturen wurden von Ilya Prigogine, der für seine Theorie der Nichtgleichgewichtsthermodynamik 1977 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, auch als dissipative Strukturen bezeichnet.

Selbstorganisation tritt insbesondere auch in lebenden Systemen in Erscheinung. Tatsächlich hat den Begriff ursprünglich Immanuel Kant in seiner Kritik der Urteilskraft geprägt, um damit den Unterschied von lebendigen Systemen zu toten, mechanischen Zusammenfügungen deutlich zu machen.

„Ein organisiertes Wesen ist also nicht bloß Maschine: denn die hat lediglich bewegende Kraft; sondern sie besitzt in sich bildende Kraft, und zwar eine solche, die sie den Materien mitteilt, welche sie nicht haben (sie organisiert): also eine sich fortpflanzende bildende Kraft, welche durch das Bewegungsvermögen allein (den Mechanism) nicht erklärt werden kann. Man sagt von der Natur und ihrem Vermögen in organisierten Produkten bei weitem zu wenig, wenn man dieses ein Analogen der Kunst nennt; denn da denkt man sich den Künstler (ein vernünftiges Wesen) außer ihr. Sie organisiert sich vielmehr selbst, und in jeder Spezies ihrer organisierten Produkte, zwar nach einerlei Exemplar im Ganzen, aber doch auch mit schicklichen Abweichungen, die die Selbsterhaltung nach den Umständen erfordert.“

Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft, § 65. Dinge, als Naturzwecke, sind organisierte Wesen [1]

Für das Soziale wird die Bezeichnung auch für Selbstverwaltung verwendet, im systemtheoretischen Kontext auch für selbstreferenzielle Systembildung (Autopoiesis).

Siehe auch

Literatur

  • Konrad Sandhoff, Wolfgang Donner: Vom Urknall zum Bewusstsein - Selbstorganisation der Materie, Thieme-Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3131481917
  • Elisabeth Göbel: Theorie und Gestaltung der Selbstorganisation. Duncker und Humblot, Berlin 1998, ISBN 3-428-09434-4.
  • Andreas Dietrich: Selbstorganisation: Management aus ganzheitlicher Perspektive. Dt.Univ. – Verl., Gabler, Wiesbaden 2001, ISBN 3-8244-7406-9.
  • Rüdiger H. Jung: Self-organization In: Helmut K. Anheier, Stefan Toepler, Regina List (Hrsg.): International Encyclopedia of Civil Society. Springer Science + Business Media LLC, New York 2010, ISBN 978-0-387-93996-4, S. 1364–1370.
  • Wolfgang Krohn, Günter Küppers: Selbstorganisation: Aspekte einer wissenschaftlichen Revolution. Vieweg, Wiesbaden 1990, ISBN 3-528-06371-8.
  • Niklas Luhmann: Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie. Suhrkamp, Frankfurt 1987, ISBN 3-518-28266-2.
  • Rainer Paslack: Urgeschichte der Selbstorganisation: zur Archäologie eines wissenschaftlichen Paradigmas. Vieweg, Braunschweig 1991.
  • Karl Schattenhofer: Selbstorganisation und Gruppe: Entwicklungs- und Steuerungsprozesse in Gruppen VS Verlag für Sozialwissenschaften, 1992, ISBN 3-531-12349-1.
Dieser Artikel basiert (teilweise) auf dem Artikel Selbstorganisation aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike. In Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.