Tattva

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Die Tattvas (skrt. तत्त्व = Dasheit, Prinzip, Wirklichkeit) sind nach indischer Lehre die grundlegenden Daseinsfaktoren, aus denen alles Sein aufgebaut ist. Die Anzahl der Daseinsfaktoren variiert in den verschiedenen philosophischen Systemen. Die Philosophie des Samkhya geht von 25 Daseinsfakoren aus, der Shivaismus zählt 36 Faktoren auf. Die “Indischen Materialisten“ lassen nur 4 bzw. 5 Tattvas gelten, die den vier Elementen bzw. den fünf Hauptströmungen der Ätherwelt entsprechen.

Tattva in der Lehre des Samkhya

In der Lehre des Sankhya wird von zwei Grundprinzipen ausgegangen, welche die Welt gestalten. Dies sind die rein geistigen, bewussten, unwandelbaren Seelen (Purusha) und die unbewusse, aktive Urnatur (Prakriti). Aus der Prakriti sollen in einem Prozess der “Entfaltung“ alle weiteren Daseinsfaktoren entstehen. Zusammen mit dem Purusha und der Prakriti ergeben sich so eine Aufzählung von 25 tattvas (Daseinsfakoren) aus denen der Gestaltungsprozess der Welt erklärt wird. Diese 25 tattvas sind:

Sanskrit Transliteration IAST Bedeutung Daseinsgruppe Daseinsfaktor
पुरुष puruṣa Seele, Bewusstsein eins
प्रकृति prakṛti aktive Urnatur zwei
बुद्धि buddhi Intelligenz drei
अहंकार ahaṃkāra Ich-Bewusstsein vier
मनस् manas sinnengebundenes Denken fünf
शृनोति śṛnoti hören Erkenntnisvermögen (buddhîndriya) sechs
त्वच् tvac berühren Erkenntnisvermögen (buddhîndriya) sieben
चक्षण cakṣaṇa sehen Erkenntnisvermögen (buddhîndriya) acht
रस rasa schmecken Erkenntnisvermögen (buddhîndriya) neun
घ्राण ghrāṇa riechen Erkenntnisvermögen (buddhîndriya) zehn
वाच् vāc sprechen Handlungsfähigkeit (karmendriya) elf
पाणि pāṇi greifen Handlungsfähigkeit (karmendriya) zwölf
पाद pāda Gehbewegung Handlungsfähigkeit (karmendriya) dreizehn
पायु pāyu Ausscheidung Handlungsfähigkeit (karmendriya) vierzehn
उपस्थ upastha Zeugung Handlungsfähigkeit (karmendriya) fünfzehn
शब्द śabda Klang subtiles Element (tanmātra) sechzehn
स्पर्श sparśa Berührung subtiles Element (tanmātra) siebzehn
रूप rūpa Form subtiles Element (tanmātra) achtzehn
रस rasa Geschmack subtiles Element (tanmātra) neunzehn
गन्ध gandha Geruch subtiles Element (tanmātra) zwanzig
आकाश ākāśa Raum, Äther grobstoffliches Element (mahābhūta) einundzwanzig
वयु vayu Luft grobstoffliches Element (mahābhūta) zweiundzwanzig
तेजस् tejas Feuer grobstoffliches Element (mahābhūta) dreiundzwanzig
अप् ap Wasser grobstoffliches Element (mahābhūta) vierundzwanzig
पृथिवी pṛthivī Erde grobstoffliches Element (mahābhūta) fünfundzwanzig

Die fünf untersten Tattvas (21 bis 25) bilden die als Pentagramm organisierten fünf Hauptströmungen des menschlichen Ätherleibs (Lit.: GA 266a, S. 173ff)

Tattva in der Lehre des Shivaismus

Der Shivaismus bedient sich der 25 Prinzipien des Sankhya und versieht sie mit einem Überbau von 11 weiteren, deren Urgrund Shiva ist.

Diese werden in drei Gruppen unterteilt:

  • Shuddha Tattvas

Die ersten fünf Tattvas sind als shuddha oder 'reine' Tattvas. Sie sind auch bekannt als Tattvas universaler Erfahrung.

  • Shuddha-ashuddha oder Shuddha-shuddah Tattvas

Die nächsten sieben Tattvas (6–12) sind als shuddha-ashuddha oder 'Rein-Unrein'- Tattvas oder als Shuddhashuddha Tattvas mit den fünf Kanchukas (Kalā, Vidyā, Rāga, Kāla, Niyati) bekannt. Sie sind die Tattvas der begrenzten oder individuellen Erfahrung.

  • Ashuddha tattvas

Die weiteren 24 Tattvas (13–36) sind bekannt als ashuddha or 'Unrein'- Tattvas. Deren erste ist Prakriti, und sie beinhalten die Tattvas der mentalen Tätigkeit, der sinnlichen Erfahrung und der Materie.

Tattva in der Lehre der Materialisten

Die Lehre der Indischen Materialisten, die auch als Charvakas[1] bezeichnet werden, nehmen eine Vielheit von ewig existierenden Elementen an, die durch Vermischung alles hervorbringen. Als Grundlage gelten die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft (die Mahābhūta) und eventuell als fünftes Element Akasha, wie etwa schon im Vaisheshika des Kanada, der auch die indische Atomlehre begründete. Diese fünf Tattvas entsprechen nach Rudolf Steiner den fünf Hauptströmungen der Ätherwelt bzw. des menschlichen Ätherleibs.

"In der uns umgebenden Welt, überall auf der Erde sind wir stets von fünf Ätherströmungen umgeben. Die Ätherströmungen werden folgendermaßen im Sinne der Rosenkreuzer-Schulen bezeichnet: Erde-Äther, Wasser-Äther, Feuer-Äther, Luft-Äther und Gedanken-Äther. Die entsprechenden indischen Bezeichnungen lauten: Prithivi Tattwa, Apas Tattwa, Tejas oder Agni Tattwa, Vaju Tattwa und Akasha Tattwa. So wie nun in der uns umgebenden Natur diese Ätherströmungen stets vorhanden sind, so sind auch im Menschen in einer ganz bestimmten Art und Weise diese Ätherströmungen in Tätigkeit, und zwar geht der ErdeÄther vom Kopfe aus zum rechten Fuß, von da aus der WasserÄther zur linken Hand, dann von der linken Hand aus der Feuer-Äther zur rechten Hand, von da aus der Luft-Äther zum linken Fuße, und von dort aus der Gedanken-Äther zum Kopfe zurück. Dadurch entsteht folgende Figur:

Dieses ist das Pentagramm der Okkultisten, das heilige Fünfeck, «das Zeichen des Menschen». Seine Spitze ist nach oben gerichtet, und es wird dadurch angedeutet, daß das Geistige aus der Höhe dem Menschen entgegenströmt [...]

Im Folgenden sind einige noch besonders bemerkenswerte Eigenschaften und Beziehungen der Ätherströmungen tabellarisch aufgeführt. Wir finden da die Querschnitte der fünf verschiedenen Strömungen, ihre Beziehungen zu dem Geschmack, zur Farbe etc. " (Lit.: GA 266a, S. 183f)

Tabelle aus GA 266a, S 185
Tabelle aus GA 266a, S 185

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Die Barhaspati Sutras, die die Grundlage der Schule bilden, wurden vermutlich in der Maurya-Periode zwischen 320 und 180 v. Chr. geschrieben, sind aber nur in einzelnen Zitatfragmenten erhalten.
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