Thyroxin

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Thyroxin (T4, 3,3',5,5'-Tetraiod-L-thyronin, von altgriech. θυρεοειδής, thyreoeides ‚schildartig‘) ist ein Hormon, das in der Schilddrüse bei Säugetieren gebildet wird.

Thyroxin ist eine nicht-proteinogene α-Aminosäure mit der Summenformel C15H11I4NO4. Thyroxin ist das Prohormon zu Trijodthyronin, kurz T3 (drei Jodatome im Molekül). Diese Schilddrüsenhormone sind essentiell für den Energiestoffwechsel sowie wichtige Partner für viele andere Hormone wie z. B. Insulin, Glukagon, Somatotropes Hormon und Adrenalin. Das übergeordnete Regelhormon ist das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH).[1]

Thyroxin ist chiral. Der Naturstoff ist L-Thyroxin [Synonym: (S)-Thyroxin]. Wenn im folgenden Text und in der wissenschaftlichen Literatur „Thyroxin“ ohne weiteren Namenszusatz (Präfix) aufgeführt wird, ist stets L-Thyroxin gemeint.

Geschichte, Isolierung und Synthese

Edward Calvin Kendall isolierte 1919 erstmals Thyroxin aus getrockneten Schilddrüsenpräparaten.[2] Charles Robert Harington charakterisierte und synthetisierte es erstmals 1926.[3][4][5] Im gleichen Jahr wurde Thyroxin von Georg Friedrich Henning zur Behandlung von Schilddrüsenleiden unter dem Namen „Thyroxin Henning“ auf den Markt gebracht.

Chemische Eigenschaften

Das Thyroxin-Molekül enthält vier Jod-Atome (Tetraiodthyronin), daher auch die Bezeichnung T4. Thyroxin hat im Körper – an Thyroxin-bindendes Globulin gebunden – eine Halbwertszeit von etwa acht Tagen.

T4: Thyroxin
T3: 3,3′,5-Triiod-L-thyronin
rT3: 3,3′,5′-Triiod-L-thyronin
3,3′T2: 3,3′-Diiod-L-thyronin

Analytik

Zum Nachweis von Thyroxin im Serum und zur Therapiekontrolle stehen enzymimmunologische und radioimmunologische Verfahren zur Verfügung.[6][7] Auch die Kopplung der HPLC mit der Massenspektrometrie findet für spezielle analytische Fragestellungen Verwendung.[8][9]

Therapeutische Anwendung

Thyroxin wird zur Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) gebraucht. Patienten mit dieser Krankheit brauchen in der Regel einen lebenslangen Hormonersatz. Dabei wird Thyroxin als Tablette nüchtern mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück eingenommen, um die Aufnahme des tendenziell schlecht resorbierbaren Hormons im Darm zu optimieren. Die Dosis liegt beim Menschen meist zwischen 12,5 µg und 200 µg pro Tag. Für die Behandlung des schweren hypothyreoten Komas gibt es auch eine intravenöse Form von Thyroxin.

Neben seiner Anwendung bei der Hypothyreose kann man Thyroxin in Ergänzung einer ausreichenden Jodversorgung zur Behandlung eines Kropfes (Struma) einsetzen. Ferner dient die Thyroxingabe zur Suppression des thyreotropen Regelkreises – entweder diagnostisch bei der Suppressionsszintigrafie oder therapeutisch bei resezierten bösartigen Schilddrüsentumoren zur Verhinderung von Rezidiven. Bei der Hyperthyreose ist die Gabe von Thyroxin kontraindiziert, außer bei speziellen, selten verwendeten Behandlungsstrategien (block and replace).

Thyroxin wird missbräuchlich auch als Schlankheitspille eingesetzt. Für diese Indikation besteht weder eine Zulassung noch ein Wirknachweis. Zwar kann die Gabe von Schilddrüsenhormon den Energieumsatz erhöhen, dieses kann aber über eine erhöhte Nahrungsaufnahme ausgeglichen werden. Zudem begünstigen Schilddrüsenhormone bei Überdosierung eine Insulinresistenz, das Herz-Kreislauf-System wird stärker beansprucht, insbesondere bei Frauen nach der Menopause steigt das Osteoporoserisiko.[10] Todesfälle nach Überdosierung sind bekannt.[11][12]

Thyroxin und Triiodthyronin haben ferner einen Stellenwert in der Wirkungsverstärkung und Phasenprophylaxe zur Behandlung von Depressionen.

Bei einer Einnahme von Thyroxin beziehungsweise Thyronin sollte der Thyreotropin-Wert (TSH) regelmäßig überwacht werden. Dies gilt insbesondere in der Einstellungsphase sowie bei Dosisänderungen.

Thyroxinpräparate unterschiedlicher Hersteller können sich in ihrer Bioverfügbarkeit erheblich unterscheiden, weshalb ein Wechsel des Handelspräparats nicht empfehlenswert ist, wenn das bisherige Präparat vertragen wird.[13][14]

Umfangreiche Untersuchungen zur Pharmakoepidemiologie von Thyroxinpräparaten wurden vom Robert Koch-Institut vorgelegt.[15] Thyroxin gehört zu den fünf weltweit am häufigsten verordneten Medikamenten.[16]

Handelsnamen

in alphabetischer Reihenfolge

Monopräparate

Als Tabletten:

Berlthyrox (D), Eferox (D), Eltroxin (CH), Euthyrox (A, CH, D), Eutirox (D), L-Thyrox (D), L-Thyroxin (D), Levothyroxin (A, D), Prothyreo (D), Tirosint (CH), Thyrex (A)

Als Tropfen:

Eferox (D), L-Thyroxin (D), Levothyroxin (D)

Kombinationspräparate

Mit Triiodthyronin:

Novothyral (A, CH, D), Prothyrid (D), Thyreocomb (D)

Mit Kaliumiodid:

Eferox Jod (D), Jodthyrox (D, A), L-Thyrox Jod (D), L-Thyroxin Jod (D), Thyronajod (D)

Siehe auch

Literatur

  • Hans Beyer, Wolfgang Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie. 20. Auflage. S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1984, ISBN 3-7776-0406-2.
  • Hans-Dieter Jakubke, Hans Jeschkeit: Aminosäuren, Peptide, Proteine. Verlag Chemie, Weinheim 1982, ISBN 3-527-25892-2.

Einzelnachweise

  1. S. Silbernagl, A. Despopoulos: Taschenatlas der Physiologie. 4. Auflage. Thieme-Verlag, 1991.
  2.  E. C. Kendall: Isolation of the iodine compound which occurs in the thyroid. In: The Journal of Biological Chemistry. 39, 1919, S. 125-147 (http://www.jbc.org/content/39/1/125.full.pdf+html).
  3. Charles Robert Harington: Chemistry of Thyroxine. I. Isolation of Thyroxine from the Thyroid Gland. In: Biochem. J. 20 (2), 1926, S. 293–299. PMID 16743658; PMC 1251713 (freier Volltext).
  4. Charles Robert Harington: Chemistry of Thyroxine. II. Constitution and Synthesis of Desiodo-Thyroxine. In: Biochem. J. 20 (2), 1926, S. 300–313. PMID 16743659; PMC 1251714 (freier Volltext).
  5. Charles Robert Harington, George Barger: Chemistry of Thyroxine. III. Constitution and Synthesis of Thyroxine. In: Biochem. J. 21 (1), 1927, S. 169–183. PMID 16743801; PMC 1251886 (freier Volltext).
  6. T. L. Williams, J. Archer: Validation of an automated enzyme immunoassay for the measurement of serum total thyroxine in cats. In: Vet Clin Pathol. 45(1), Mar 2016, S. 148–153. PMID 26840919
  7. L. A. Kaplan, I. W. Chen, N. Gau, J. Fearn, H. Maxon, C. Volle, E. A. Stein: Evaluation and comparison of radio-, fluorescence, and enzyme-linked immunoassays for serum thyroxine. In: Clin Biochem. 14(4), Aug 1981, S. 182–186. PMID 7028316
  8. S. Yong, Y. Chen, T. K. Lee, H. K. Lee: Determination of total thyroxine in human serum by hollow fiber liquid-phase microextraction and liquid chromatography-tandem mass spectrometry. In: Talanta. 126, Aug 2014, S. 163–169. PMID 24881548
  9. S. L. La'ulu, K. J. Rasmussen, J. A. Straseski: Pediatric Reference Intervals for Free Thyroxine and Free Triiodothyronine by Equilibrium Dialysis-Liquid Chromatography-Tandem Mass Spectrometry. In: J Clin Res Pediatr Endocrinol. 8(1), 5. Mar 2016, S. 26–31. PMID 26758817
  10. Y. J. Ko, J. Y. Kim, J. Lee, H. J. Song, J. Y. Kim, N. K. Choi, B. J. Park: Levothyroxine dose and fracture risk according to the osteoporosis status in elderly women. In: J Prev Med Public Health. 47(1), Jan 2014, S. 36–46. PMID 24570805
  11.  S. Bhasin, W. Wallace, J. B. Lawrence, M. Lesch: Sudden death associated with thyroid hormone abuse. In: Am. J. Med.. 71, Nr. 5, 1981, S. 887–890, PMID 7304660.
  12.  B. Hartung, M. Schott, T. Daldrup, S. Ritz-Timme: Lethal thyroid storm after uncontrolled intake of liothyronine in order to lose weight. In: Int. J. Legal Med.. 124, Nr. 6, 2010, S. 637–640, doi:10.1007/s00414-010-0423-y, PMID 20145940.
  13. US Food and Drug Administration's Decision Regarding Bioequivalence of Levothyroxine Sodium. In: Thyroid. 14 (7), 2004, S. 486–486; doi:10.1089/1050725041517138.
  14. Arne Krehan, Manuela Dittmar, Andre Hoppen, Klaus Lichtwald, George J. Kahaly: Randomisierte, doppelblinde Crossover-Studie zur Bioverfügbarkeit von Levothyroxin. In: Medizinische Klinik. 97 (9), 2002, S. 522–527. doi:10.1007/s00063-002-1190-4.
  15. Hans-Ulrich Melchert, Bernd Görsch, Wulf Thierfelder: Schilddrüsenhormone und Schilddrüsenmedikation bei Probanden in den Nationalen Gesundheitssurveys. Robert-Koch-Institut, Berlin 2002, ISBN 3-89606-138-0.
  16.  G. Löffler, P. E. Petridas: Biochemie und Pathobiochemie. 9. Auflage. Springer-Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-642-17972-3, S. 514.
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