Titurel

Aus AnthroWiki
Mosaik von Wolfram von Eschenbach von 1903 im U-Bahnhof Richard-Wagner-Platz, Berlin, ursprünglich im Hotel "Bayernhof" (Potsdamer Straße), 1975 verlegt.

Titurel ist, auch nach dem von Wolfram von Eschenbach erhaltenen Titurel-Fragment, der Stammvater der Gralshüter, übergibt aber schon zu Beginn der Erzählung die Gralsherrschaft seinem Sohn Frimutel und tritt dann nicht mehr in Erscheinung. Die Fragmente Wolframs erzählen in Strophenform die Liebesgeschichte von Sigune und Schionatulander, deren tragisches Ende dann in Wolframs Parzival zu finden ist. Der um 1270 von Albrecht von Scharfenberg verfasste „Jüngere Titurel“ bringt mit über 6300 siebenzeiligen Strophen („Titurelstrophe“) eine umfangreiche Erweiterung des Themas und verküpft es bereits mit der Lohengrin-Sage und dem Priesterkönig Johannes. Albrecht dichtete das Epos in der Maske Wolframs und gibt sich erst in der 5883. Strophe als „Albrecht“ zu erkennen[1].

Nach Rudolf Steiner war Titurel ein hoher Eingeweihter und hat auch die Legende von Flor und Blancheflor inspiriert, die bedeutsam für die Rosenkreuzer-Einweihung ist. Die durch Titurel eingeweihten Geistesschüler wurden in gewissem Sinn alle «Parzival» genannt.

„Die Sage vom heiligen Gral besagt, daß die Schale mit dem gesammelten Blut von Golgatha von Engeln nach Europa gebracht wird. Titurel nimmt diese Schale in Empfang. Er erhält sie schwebend über den europäischen Landen, und erst nach Jahrhunderten ließ sich Titurel mit ihr aus geistigen Höhen auf die Erde herab und gründete auf dem Berg des Heils (Montsalvatsch) die Mysterienstätte des heiligen Gral. Das konnte er erst, nachdem einige Menschen reif waren dafür, das Geheimnis des Grals zu empfangen. Ein jeder, der zu dieser Einweihung reif war, wurde genannt ein Parzival.

Karl der Große, der aus dem Orient herkam - er war die Wiederverkörperung eines hohen indischen Adepten -, war ein Werkzeug der geistigen Individualität, die durch den Namen Titurel symbolisiert wird. Flore und Blanscheflur, Rose und Lilie genannt, werden in geistiger Beziehung Eltern Karls des Großen genannt. Sie standen wirkend über diesem Mysterium.[2]

Ein «Parzival» hatte durch lange Meditationen und Konzentrationen seine Seele von allen irdischen Wünschen und Selbstsuchten gereinigt. Er war ein Katharer und kam als solcher zu König Titurel. Indem er alle Kräfte, die er durch die langen Übungen erlangt hatte, anstrengte, gelang es ihm, sein höheres Ich herauszuheben. Er stand sich selbst gegenüber.“ (Lit.:GA 266a, S. 506f)

„Titurel, so sagte man, habe ihn aus den Wolken, wo ihn die Engel schwebend gehalten haben -während Arabismus und rein äußere Tatsachenerzählungen herrschten -, Titurel habe ihn heruntergebracht, den Heiligen Gral, auf die Erdensphäre. Aber das materialistische Zeitalter fing nicht an, nach ihm zu fragen. Einsame Menschen, vereinzelte Menschen, Menschen in der «Dumpfheit», nicht gerade in der Weisheit, wie der Parzival, waren es, welche Wege antraten zu dem Heiligen Gral, aber sie verstanden es im Grunde genommen auch nicht richtig, die entsprechende Frage zu stellen. Und voran ging schon dem geistigen Materialismusweg, der dann in dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts begann, der andere Materialismusweg, der im Grunde genommen schon in der Wendung nach dem Osten hinüber war, nach dem physischen Jerusalem. Und diese Tragik erlebte die moderne Menschheit, die eben durch diese Tragik hindurchgehen mußte und muß, um sich in dieser Tragik innerlich zu ergreifen und so recht zu Fragenden zu werden. Diese Tragik mußte und muß die moderne Menschheit erleben, daß das Licht, das ihr einstmals aus dem Osten gekommen war, nicht erkannt wurde als spirituelles Licht, daß das spirituelle Licht zurückgeschoben worden ist und dafür gesucht worden ist das physische Land, die physische Materialität des Orients. Den physischen Orient fing man an im Mittelalter zu suchen, nachdem man im Ausgang des Altertums den spirituellen Orient zurückgestellt hatte.

Das ist die europäische Situation, und in dieser europäischen Situation ist auch unsere heutige noch. Denn noch sind wir, wenn wir den wahren innersten Ruf der Menschheit verstehen, Sucher nach dem Heiligen Gral und müßten es sein, Sucher nach dem Heiligen Gral.“ (Lit.:GA 204, S. 90)

„Das Christentum ist hervorgegangen aus dem allerstärksten Völkergemisch, den Galiläern, aus denen, die ganz fremd draußen stehen, außerhalb aller Blutsgemeinschaft. Der Heiland ist derjenige, der mit seinem Reiche ganz und gar nicht mehr fußt auf der alten Blutsgemeinschaft, der jenes Reich begründet, das jenseits aller Blutsgemeinschaft liegt. Das sublimierte Blut, das Blut, das geläutert ist, sprießt aus dem Opfertode, dem Reinigungsprozeß, hervor. Das Blut, das Wünsche und Begierden erzeugt, das muß rinnen, geopfert werden, hinfließen.

Das heilige Gefäß mit dem geläuterten Blut wurde nach Europa zu den Tempeleisen auf dem Berge Montsalvatsch gebracht. Titurel, der Ahnherr, hat den Gral empfangen, vorher war er ersehnt worden. Jetzt war die Überwindung des Blutes vor sich gegangen. Es war das rein Physische des Blutes durch das Geistige überwunden worden.

Nur wenn man das Blut nicht bloß, wie der Materialist, als aus chemischen Bestandteilen zusammengesetzt ansieht, kann man verstehen, was sich auf Golgatha vollzogen hat. Es ist im höchsten Grade bemerkenswert, daß Richard Wagner nur dadurch die fromme Stimmung zum «Parsifal» finden konnte, daß er wußte: Es handelte sich nicht allein um den Tod des Erlösers, sondern um das Blut, das gereinigt war, das etwas anderes war als das gewöhnliche Blut. Er spricht selbst von dem Zusammenhang des Erlöserblutes mit der ganzen Menschheit: «Fanden wir nun dem Blute der sogenannten weißen Rasse die Fähigkeit des bewußten Leidens in besonderem Grade zu eigen, so müssen wir jetzt im Blute des Heilands den Inbegriff des bewußt wollenden Leidens selbst erkennen, das als göttliches Mitleiden durch die ganze menschliche Gattung, als Urquell derselben, sich ergießt.»[3]

Ferner sagt Richard Wagner: «Das Blut in den Adern des Erlösers dürfte so der äußersten Anstrengung des Erlösung wollenden Willens zur Rettung des in seinen edelsten Rassen erliegenden menschlichen Geschlechtes, als göttliches Sublimat der Gattung selbst entflossen sein.»[3]

Weil der Erlöser aus der größten Völkermischung hervorgegangen ist, war sein Blut das Sublimat alles Menschenblutes, das Menschenblut in der gereinigten Gestalt.“ (Lit.:GA 97, S. 265f)

„Die heilige Jaspisschale des Grales, derer sich Christus bediente, als er das Brot brach, in die Joseph von Arimathia das Blut aus der Jesuswunde aufgefangen hat, die also das Geheimnis von Golgatha barg, wurde - so lautet die Legende - von Engeln in Verwahrung genommen, bis sie sie nach Erbauung der Gralsburg durch Titurel auf die vorbereiteten Menschen niedersenken konnten. Geistwesen bargen die Welt-Bilder, in denen die Geheimnisse von Golgatha lebten. Sie senkten, weil das nicht möglich war, nicht den Bild-Inhalt, wohl aber den Gefühlsgehalt in Menschengemüter, als die Zeit dazu gekommen war. Nur Anregung, aber eben kräftigste Anregung, kann dieses Einpflanzen des Gefühls-Inhaltes alter Erkenntnis sein, daß in unserem Zeitalter sich aus der Bewußtseinsseele im Lichte von Michaels Wirksamkeit ein neues volles Verständnis des Mysteriums von Golgatha entwickele. Anthroposophie strebt dieses neue Verständnis an.“ (Lit.:GA 26, S. 211)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Es ist mittlerweile umstritten, ob der sonst ganz unbekannte Albrecht von Scharfenberg tatsächlich der Verfasser des „Jüngeren Titurel“ ist; der Dichter wird daher meist nur mehr als „Albrecht“ genannt.
  2. Eine andere Aufzeichnung vermerkt hier: «Sie standen wirkend den Mysterien vor, in die Parzival später eindrang.»
  3. 3,0 3,1 Die gesamte relevante Passage lautet:

    „Das Blut des Heilands, von seinem Haupte, aus seinen Wunden am Kreuze fließend, - wer wollte frevelnd fragen, ob es der weißen, oder welcher Rasse sonst angehörte? Wenn wir es göttlich nennen, so dürfte seinem Quelle ahnungsvoll einzig in Dem, was wir als Einheit der menschlichen Gattung ausmachend bezeichneten, zu nahen sein, nämlich in der Fähigkeit zu bewußtem Leiden. Diese Fähigkeit müssen wir als letzte Stufe betrachten, welche die Natur in der aufsteigenden Reihe ihrer Bildungen erreichte; von hier an bringt sie keine neuen höheren Gattungen mehr hervor, denn in dieser, des bewußten Leidens fähigen, Gattung erreicht sie selbst ihre einzige Freiheit durch Aufhebung des rastlos sich selbst widerstreitenden Willens. Der unerforschliche Urgrund dieses Willens, wie er in Zeit und Raum unmöglich aufzuweisen ist, wird uns nur in jener Aufhebung kund, wo er als Wollen der Erlösung göttlich erscheint. Fanden wir nun dem Blute der sogenannten weißen Race die Fähigkeit des bewußten Leidens in besonderem Grade zu eigen, so müssen wir jetzt im Blute des Heilands den Inbegriff des bewußt wollenden Leidens selbst erkennen, das als göttliches Mitleiden durch die ganze menschliche Gattung, als Urquell derselben, sich ergießt.“

    Heldentum und Christentum: in: Richard Wagner, «Gesammelte Schriften und Dichtungen» in 10 Bänden, herausgegeben von Wolfgang Golther, Leipzig o. J., 10. Band, S. 280f