Turan

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Topographie Zentralasiens, links oben Turan

Turan (persisch توران, DMG Tūrān), wörtlich „[Land des] Tūr“, eines Sohnes des sechsten mythischen Urkönigs Fereydūn[1], bezeichnet, ähnlich wie Transoxanien oder Turkestan („Land der Türken“), ein nicht näher umrissenes zentralasiatisches Gebiet oder Land nordöstlich des Iran, das auch das Tiefland von Turan mit umfasst, das - abgesehen von vereinzelten Hochebenen - durchschnittlich etwa 300 m über dem Meeresspiegel liegt und zu rund 80% aus Salz- und Sandwüsten besteht. Im Osten grenzt es an das Kaspische Meer, im Westen an die zentralasiatischen Hochgebirge und im Norden an den Ural und die Kasachische Schwelle. Von der spärlichen Vegetation aus kleineren Kräuterpflanzen und Sträuchern ernähren sich vornehmlich Schaf- und Kamelherden. Die wichtigsten Flüsse sind der Amu-Darja und der Syrdarja, der in den Nördlichen Aralsee mündet.

Der Begriff „Turan“ stammt aus der iranischen Mythologie und steht u. a. im Schāhnāme für das Land der Nicht-Iraner (Aniran) jenseits des Oxus, dem heutigen Amudarja. Vor diesem Hintergrund wurde Turan später auch als Urheimat aller Turkvölker betrachtet.

Turan in der persischen Mythologie

Lage Zentralasiens
Turkestan und dessen Anteil an den heutigen zentralasiatischen Staaten.[2]
Kampfszene zwischen den Truppen Irans und Turans unter Kai-Chosrau und Afrasiyab (timuridische Schahnama-Illustration von 1430)
Ungefähre Lage Transoxaniens in Zentralasien

Nach der Sage teilte Schah Fereydun die Welt unter seinen drei Söhnen Iradsch, Salam und Tur auf: Iradsch erhielt mit Iran das Herzstück des Reiches, Salam den Westen mit Kleinasien. Tur bekam alles Land jenseits des Oxus (heute Amudarja), das fortan Turan hieß:

Dann gab an Tur er Turan hin,
Und macht’ ihn zum Herrn von Turk und Tschin.

Firdosi’s Königsbuch[3]

Die avestische Figur „Afrāsiyāb“ (persisch افراسياب; avestisch Fraŋrasyan; mittelpersisch Frāsiyāv), Sohn von Paschang, gilt als der bekannteste der Könige von Tūrān.[1]

Als „Turaner“ (Tūrīya) wurden ursprünglich, d. h. im Avesta, iranischsprachige Nomaden der Steppe, wie etwa die Skythen und Saken, bezeichnet. Der Kampf zwischen Iran als Land der Noblen/Edlen und Turan als Land der Mächtigen ist ein bedeutender Teil der iranischen Mythologie. Im Zuge des Einstroms türkischer Nomaden ins südliche Zentralasien und ins Iranische Hochland sowie der Gründung türkischer Reiche in diesem Gebiet (siehe Göktürken) wurde der Begriff zu einem Synonym für das Siedlungsgebiet der Turkvölker. Im Mittelalter wurde Turan in Firdausis Schāhnāme und anderer persischer Literatur mit Gebieten gleichgesetzt, die von turksprachigen Stämmen bewohnt waren.[4]

Die Wurzeln dieser mythologischen Überlieferungen liegen nach Rudolf Steiner bereits in der Urpersischen Zeit (5067 - 2907 v. Chr.). Turan wurde demnach damals von Nomadenvölkern, den Turaniern, durchstreift, die noch über ein dekatentes atavistisches Hellsehen verfügten.

"Vollständig verstehen, auch äußerlich, kann man das, was ostwärts und südwärts vom Kaspisee sich abspielte, nur dann, wenn man es vergleicht mit dem, was mehr nördlich davon vorging, also in Gegenden, die an das heutige Sibirien, an das heutige Rußland angrenzen, sogar bis nach Europa hinein sich erstrecken. Da waren Menschen, welche sich in hohem Grade das alte Hellsehen bewahrt hatten, und bei denen sich in gewisser Beziehung die Waage hielten die Möglichkeit des alten geistigen Wahrnehmens und die des sinnlichen Anschauens, des neuen Verstandesdenkens. Bei ihnen war in weitesten Kreisen noch ein Hineinschauen in die geistige Welt vorhanden. Wenn man den Charakter dieses Hineinschauens in die geistige Welt, das allerdings schon auf eine niedere Stufe heruntergestiegen war und bei diesen Völkerschaften im wesentlichen - wie wir heute sagen würden - ein niederes astralisches Hellsehen war, in Betracht zieht, so ergibt sich für die Gesamtentwickelung der Menschheit eine bestimmte Folge daraus. Wer mit dieser Art von Hellsehen begabt ist, wird ein ganz bestimmter Mensch. Der Mensch erhält da eine gewisse Charakteranlage. Das zeigt sich besonders bei diesen Völkermassen, die im Volkscharakter dieses niedere Hellsehen hatten. Ein solcher Mensch hat im wesentlichen den Drang, von der Naturumgebung zu fordern, was er zu seinem Lebensunterhalt braucht, und möglichst wenig zu tun, um es der Natur zu entreißen. Schließlich weiß er ja, so wahr wie der heutige Sinnenmensch weiß, daß es Pflanzen, Tiere und so weiter gibt, daß es göttlich-geistige Wesenheiten gibt, die in alledem darinnenstecken; denn er sieht sie. Er weiß auch, daß sie die mächtigen Wesen sind, die hinter den physischen Wesenheiten stehen. Aber er kennt sie auch so genau, daß er von ihnen fordert, sie sollen ihm ohne viel Arbeit das Dasein fristen, in das sie ihn hineingestellt haben. Man könnte vieles anführen, was äußerlicher Ausdruck ist für die Stimmung und Gesinnung dieser astralisch hellsehenden Menschen. Nur eines soll jetzt dafür angeführt werden.

In dieser Zeit, die jetzt für uns zu betrachten wichtig ist, waren alle diese Völkerschaften, die mit einem in der Dekadenz begriffenen Hellsehen begabt waren, Nomadenvölker, die, ohne seßhaft zu sein, ohne feste Wohnsitze zu gründen, als Hirten herumstreiften, keinen Fleck besonders lieb hatten, auch das, was die Erde ihnen bot, nicht besonders pflegten, und auch gern bereit waren zu zerstören, was um sie herum war, wenn sie etwas brauchten zu ihrem Lebensunterhalt. Aber etwas zu leisten, um das Kulturniveau zu erhöhen, um die Erde umzugestalten, dazu waren diese Völker nicht aufgelegt.

So entstand der große, der wichtige Gegensatz, der vielleicht zu dem Allerwichtigsten der nachatlantischen Entwickelung gehört: der Gegensatz zwischen diesen mehr nördlichen Völkern und den iranischen Völkern. Bei den Iraniern entwickelte sich die Sehnsucht, einzugreifen in das Geschehen rings um sie herum, seßhaft zu werden, was man als Mensch und als Menschheit hat, durch Arbeit sich zu erringen, das heißt also wirklich durch die menschlichen Geisteskräfte die Natur umzugestalten. Das war gerade in diesem Winkel der größte Drang der Menschen. Und unmittelbar daran stieß nach Norden jenes Volk, das hineinschaute in die geistige Welt, das sozusagen auf «du und du» war mit den geistigen Wesenheiten, das aber nicht gern arbeitete, das nicht seßhaft war und gar kein Interesse daran hatte, die Kulturarbeit in der physischen Welt vorwärts zu bringen.

Das ist der größte Gegensatz vielleicht, der sich äußerlich in der Geschichte der nachatlantischen Zeiten gebildet hat, und der rein eine Folge ist der verschiedenen Arten der Seelenentwickelung. Es ist der Gegensatz, den man in der äußeren Geschichte auch kennt: der große Gegensatz zwischen Iran und Turan. Aber man kennt nicht die Ursachen. Hier haben wir jetzt die Gründe.

Im Norden, nach Sibirien hinein: Turan, jenes Völkergemenge, das in hohem Grade mit den Erbstücken eines niederen astralischen Hellsehens begabt war, das infolge dieses Lebens in der geistigen Welt keine Neigung und keinen Sinn hatte, eine äußere Kultur zu begründen, sondern - weil diese Menschen mehr passiver Art waren und sogar zu ihren Priestern vielfach niedere Magier und Zauberer hatten - sich namentlich da, wo es auf das Geistige ankam, mit niederer Zauberei, ja zum Teil sogar mit schwarzer Magie beschäftigte. Im Süden davon: Iran, jene Gegenden, in denen frühzeitig der Drang entstand, mit den primitivsten Mitteln dasjenige, was in der Sinnes weit uns gegeben ist, durch menschliche Geisteskraft umzugestalten, so daß auf diese Weise äußere Kulturen entstehen können.

Das ist der große Gegensatz zwischen Iran und Turan. In einer schönen Weise wird mythisch, legendenhaft angedeutet, wie der nach dieser Kulturseite vorgeschrittenste Teil der Menschen von Norden herunterzog bis in die Gegend, die wir als die iranische angesprochen haben. Und wenn uns in der Legende von Dschemshid, jenem Könige, der seine Völker von Norden heruntergeführt hat nach Iran, erzählt wird: er bekam von jenem Gotte, der nach und nach anerkannt werden wird, den er Ahura Mazdao nannte, einen goldenen Dolch, mit dem er seine Mission auf der Erde erfüllen sollte - dann müssen wir uns klar sein, daß mit dem goldenen Dolch des Königs Dschemshid, der seine Völker herausentwickelte aus der trägen Masse der Turanier, dasjenige gegeben war, was das an die äußeren Menschenkräfte gebundene Weisheitsstreben ist, jenes Weisheitsstreben, welches die vorher in Dekadenz gekommenen Kräfte wieder heraufentwickelt und sie durchdringt und durchwebt mit dem, was der Mensch auf dem physischen Plan an Geisteskraft erringen kann. Dieser goldene Dolch hat als Pflug die Erde umgegraben, hat aus der Erde Ackerland gemacht, hat die ersten primitivsten Erfindungen der Menschheit gebracht. Er hat fortgewirkt und wirkt bis heute in alledem, auf das die Menschen als ihre Kulturerrungenschaften stolz sind. Das ist etwas Bedeutsames, daß der König Dschemshid, der herunterzog aus Turan in die iranischen Gebiete, von Ahura Mazdao diesen goldenen Dolch erhielt, der den Menschen die Kraft gibt, sich die äußere sinnliche Welt zu erarbeiten.

Dieselbe Wesenheit, von der dieser goldene Dolch stammt, ist auch der große Inspirator jenes Führers der iranischen Bevölkerung, den wir als Zarathustra oder Zoroaster, Zerdutsch kennen. Und Zarathustra war es, der in uralten Zeiten - bald nach der atlantischen Katastrophe - mit den Gütern, die er aus den heiligen Mysterien heraustragen konnte, jenes Volk durchdrang, das den Drang hatte, die äußere Kultur mit menschlicher Geisteskraft zu durchweben. Dazu sollte Zarathustra diesen Völkern, die nicht mehr die alte atlantische Fähigkeit hatten, hineinzuschauen in die geistige Welt, neue Aussichten und neue Hoffnungen auf die geistige Welt geben. So eröffnete Zarathustra jenen Weg, den wir öfter besprochen haben, auf dem die Völker einsehen sollten, daß in dem äußeren Sonnenlichtleib nur gegeben ist der äußere Leib eines hohen geistigen Wesens, welches er, im Gegensatz zu der kleinen menschlichen Aura, die «Große Aura», Ahura Mazdao nannte. Er wollte damit andeuten, daß dieses zwar jetzt noch weit entfernte Wesen einstmals heruntersteigen würde auf die Erde, um innerhalb der Menschheitsgeschichte sich substantiell mit der Erde zu vereinigen und im Menschheitswerden weiter zu wirken. Damit wurde für diese Menschen von Zarathustra auf dieselbe Wesenheit hingewiesen, die später in der Geschichte als der Christus lebte." (Lit.: GA 123, S. 24ff)

Sonstiges

Der Name Turan lebt auch in dem weiblichen Vornamen und literarischen Sujet Turan Docht (Turans Tochter) weiter.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Ehsan Yarshater: AFRĀSĪĀB. In: Encyclopædia Iranica. Bd 1. Roudlege, New York 1989, 2009. ISBN 0-7100-9099-4
  2. Anmerkung: Das dunkle Gebiet innerhalb der gestrichelten Linie stellt das historisch anerkannte Gebiet von Turkestan dar. Das hellere Gebiet innerhalb der gepunkteten Linie symbolisiert das „größere Turkestan“, dem die Gebiete der Altai- und Sajanregion zugeschlagen werden. Diese Praxis gilt jedoch als umstritten.
  3. Friedrich Rückert: Firdosi’s Königsbuch (Schahname) Sage I-XIII. Reimer, Berlin 1890, 2010, S. 86 (Repr.). ISBN 3-86931-356-0
  4. „Turan was one of the nomadic Iranian tribes mentioned in the Avesta. However, in Firdousi’s poem, and in the later Iranian tradition generally, the term Turan is perceived as denoting lands inhabited by Turkic speaking tribes.“ In: I.M. Diakonoff: The Paths of History. University Press, Cambridge 1999, S. 100. ISBN 0-521-64348-1

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Das Matthäus-Evangelium, GA 123 (1988), ISBN 3-7274-1230-5 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
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