Untersinnliche Welt

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Die untersinnliche Welt als Spiegelung der übersinnlichen Welt (GA 130, S. 104)

Die untersinnliche, unterphysische oder auch untermaterielle Welt, die sich als eigenständige Unter-Natur unter der sinnlich wahrnehmbaren Natur verbirgt, ist das Reich der Widersachermächte. Dazu gehört das dunkle unterirdischen Reich Ahrimans und der Asuras, aber auch das lichte Reich Luzifers. Die untersinnliche oder untermaterielle Welt liegt der physischen, genauer gesagt der stofflichen Materie als eigentliche ahrimanisch-geistige Realität zugrunde. Ihr gegenüber steht die übersinnliche Welt als Lebensraum der höheren geistigen Hierarchien. Die sinnliche Welt bildet gewissermaßen die schmale Grenze zwischen der untersinnlichen und der übersinnlichen Welt; sie kann gleichsam auch als luziferische Spiegelung der übersinnlichen Welt an der untersinnlichen Welt aufgefasst werden.

Zu den Kräften der untersinnlichen Welt zählen nach Rudolf Steiner die Elektrizität, der Magnetismus und nicht näher charakterisierte furchtbare Vernichtungskräfte, die auch als die sogenannte dritte Kraft[1] bezeichnet werden. Elektrizität entsteht, wenn die Kräfte des Lichtäthers in die untersinnliche Spiegelung der Astralwelt gestoßen werden, die das Reich Luzifers ist. Der Magnetismus tritt in Erscheinung, wenn die Klangätherkräfte in das unterphysische niedere Devachan hinuntergedrückt werden, das von Ahriman beherrscht wird. Die dritte Kraft entsteht dadurch, dass der Lebensäther bis in das Reich der Asuras hinabgestoßen wird, das die unterphysische Spiegelung des oberen Devachans ist. Damit ergeben sich folgende untersinnliche bzw. unterphysische Weltbereiche:

Untersinnliche Weltbereiche Ätherkräfte Untersinnliche Kräfte Widersacher
unterphysische Astralwelt Lichtäther Elektrizität Luzifer
unterphysisches niederes Devachan Klangäther Magnetismus Ahriman
unterphysisches oberes Devachan Lebensäther Dritte Kraft Asuras

„In der Welt sind eine Anzahl Substanzen, die verbindbar und trennbar sind. Was wir Chemismus nennen, ist hineinprojiziert in die physische Welt aus der Welt des Devachan, der Sphärenharmonie. So daß in der Verbindung zweier Stoffe nach ihren Atomgewichten wir die Abschattung haben zweier Töne der Sphärenharmonie. Die chemische Verwandtschaft zweier Stoffe in der physischen Welt ist eine Abschattung aus der Welt der Sphärenharmonie. Die Zahlenverhältnisse der Chemie sind wirklich die Ausdrücke für die Zahlenverhältnisse der Sphärenharmonie. Diese letztere ist stumm geworden durch die Verdichtung der Materie. Würde man die Stoffe tatsächlich bis zur ätherischen Verdünnung bringen und die Atomzahlen als innerlich formendes Prinzip wahrnehmen können, so würde man die Sphärenharmonie hören. Man hat die physische, die astralische Welt, das untere Devachan und das obere Devachan. Wenn man nun einen Körper noch weiter hinunterdrückt als zur physischen Welt, dann kommt man in die unterphysische Welt, in die unterastralische Welt, das untere oder schlechte Unterdevachan und das untere oder schlechte Oberdevachan. Die schlechte Astralwelt ist das Gebiet des Luzifer, das schlechte untere Devachan ist das Gebiet des Ahriman und das schlechte obere Devachan ist das Gebiet der Asuras. Wenn man den Chemismus noch weiter hinunterstößt als unter den physischen Plan, in die schlechte untere devachanische Welt, entsteht Magnetismus, und wenn man das Licht ins Untermaterielle stößt, also um eine Stufe tiefer als die materielle Welt, entsteht die Elektrizität. Wenn wir das, was lebt in der Sphärenharmonie, noch weiter hinabstoßen bis zu den Asuras, dann gibt es eine noch furchtbarere Kraft, die nicht mehr lange wird geheim gehalten werden können. Man muß nur wünschen, daß wenn diese Kraft kommt, die wir uns viel, viel stärker vorstellen müssen als die stärksten elektrischen Entladungen, und die jedenfalls kommen wird - dann muß man wünschen, daß, bevor diese Kraft der Menschheit durch einen Erfinder gegeben wird, die Menschen nichts Unmoralisches mehr an sich haben werden!“ (Lit.:GA 130, S. 102f)

Inwieweit die von Steiner erwähnte dritte Kraft mit den Kernkräften oder der Gravitation zu identifizieren ist, konnte aus anthroposophischer Sicht bislang nicht eindeutig geklärt werden, ebensowenig wie die genaue Beziehung der drei von Steiner genannten Kräfte zu den vier derzeit bekannten Grundkräften der Physik.

In seinen Anthroposophischen Leitsätzen, die Rudolf Steiner noch kurz vor seinem Tod niederschrieb, heißt es im letzten Aufsatz „Von der Natur zur Unter-Natur“:

„Der Mensch brauchte die Beziehung zu dem bloß Irdischen für seine Bewußtseinsseelenentwickelung. Da kam denn in der neuesten Zeit die Tendenz zustande, überall auch im Tun das zu verwirklichen, in das sich der Mensch einleben muß. Er trifft, indem er sich in das bloß Irdische einlebt, das Ahrimanische. Er muß sich mit seinem eigenen Wesen in das rechte Verhältnis zu diesem Ahrimanischen bringen.

Aber es entzieht sich ihm in dem bisherigen Verlauf des technischen Zeitalters noch die Möglichkeit, auch gegenüber der ahrimanischen Kultur das rechte Verhältnis zu finden. Der Mensch muß die Stärke, die innere Erkenntniskraft finden, um von Ahriman in der technischen Kultur nicht überwältigt zu werden. Die Unter-Natur muß als solche begriffen werden. Sie kann es nur, wenn der Mensch in der geistigen Erkenntnis mindestens gerade so weit hinaufsteigt zur außerirdischen Über-Natur, wie er in der Technik in die Unter-Natur heruntergestiegen ist. Das Zeitalter braucht eine über die Natur gehende Erkenntnis, weil es innerlich mit einem gefährlich wirkenden Lebensinhalt fertig werden muß, der unter die Natur heruntergesunken ist. Es soll hier natürlich nicht etwa davon gesprochen werden, daß man zu früheren Kulturzuständen wieder zurückkehren soll, sondern davon, daß der Mensch den Weg finde, die neuen Kulturverhältnisse in ein rechtes Verhältnis zu sich und zum Kosmos zu bringen.

Heute fühlen noch die wenigsten, welche bedeutsamen geistigen Aufgaben sich da für den Menschen herausbilden. Die Elektrizität, die nach ihrer Entdeckung als die Seele des natürlichen Daseins gepriesen wurde, sie muß erkannt werden in ihrer Kraft, von der Natur in die Unter-Natur hinabzuleiten. Es darf der Mensch nur nicht mitgleiten. In der Zeit, in der es eine von der eigentlichen Natur unabhängige Technik noch nicht gab, fand der Mensch den Geist in der Naturanschauung. Die sich unabhängig machende Technik ließ den Menschen auf das Mechanistisch-Materielle als das für ihn nun wissenschaftlich werdende hinstarren. In diesem ist nun alles Göttlich-Geistige, das mit dem Ursprünge der Menschheitsentwickelung zusammenhängt, abwesend. Das rein Ahrimanische beherrscht diese Sphäre.

In einer Geistwissenschaft wird nun die andere Sphäre geschaffen, in der ein Ahrimanisches gar nicht vorhanden ist. Und gerade durch das erkennende Aufnehmen derjenigen Geistigkeit, zu der die ahrimanischen Mächte keinen Zutritt haben, wird der Mensch gestärkt, um in der Welt Ahriman gegenüberzutreten.“ (Lit.:GA 26, S. 257f)

„Man spricht gewöhnlich so, wenn man von dem materiellen Dasein und von dem übersinnlichen Dasein spricht, als ob sich ausbreitete in der Welt das materielle Dasein, und dann sei irgendwo dahinter oder darüber das übersinnliche Dasein, das man durch die Sinne nicht wahrnimmt. Wenn man so die Sache vorstellt, daß man einfach einerseits das sinnlich-physische Dasein hat, andrerseits das übersinnliche Dasein, wird man niemals den Menschen begreifen. Es gibt keine Möglichkeit, den Menschen wirklich zu erfassen, wenn man nur von dem Gegensätze ausgeht: Sinnliches und Übersinnliches. Es handelt sich vielmehr um das Folgende. Um uns herum breitet sich die Sinneswelt aus und die Welt, in der wir arbeiten, die Welt, in der auch unser soziales Leben liegt; die breiten sich um uns herum aus. Wollen wir einmal schematisch diese ausgebreitete Welt durch diese Linie darstellen (siehe Zeichnung waagrechte Linie). Ein vollständiges Bild von dem, was eigentlich in der Welt vorliegt, bekommen Sie nur, wenn Sie sich vorstellen: über dieser Linie liegen Kräfte, übersinnliche Kräfte (rote Pfeile). Diese übersinnlichen Kräfte nimmt man nicht mit den gewöhnlichen Sinnen und auch nicht mit dem Verstände, der an die gewöhnlichen Sinne gebunden ist, wahr. Man nimmt nur dasjenige wahr, was im Bereiche dieser Linie liegt.

Zeichnung aus GA 191, S. 35
Zeichnung aus GA 191, S. 35

Aber es gibt auch unter dieser Linie Kräfte. Wir sprechen eigentlich nur dann vollständig von dem Nichtsinnlichen, von dem Geistigen, wenn wir von übersinnlichen und von untersinnlichen Kräften sprechen. Also wir müssen uns vorstellen, daß außerdem hier (orange Pfeile) die untersinnlichen Kräfte liegen.

Also, wir haben die Sinneswelt, die übersinnlichen Kräfte und die untersinnlichen Kräfte. Der Mensch selbst, wenn er leiblich vor Ihnen steht, wohin gehört er? Dasjenige, was leiblich vor Ihnen steht, das gehört ganz in diese Linie herein. Aber in das, was in die Linie hereingeht beim Menschen, wirken auf der einen Seite übersinnliche, auf der anderen Seite untersinnliche Kräfte. Der Mensch ist die Resultante zwischen übersinnlichen und untersinnlichen Kräften. Welche Kräfte der Menschennatur sind nun übersinnliche, welche Kräfte der Menschennatur sind untersinnliche? Übersinnlich sind alle mit dem Erkennen zusammenhängenden Kräfte; alles das, was wir aufbringen für das Erkennen, ist übersinnlich. Und es sind das dieselben Kräfte, die auch unseren Kopf formen, unser Haupt formen. So daß wir sagen können: Die übersinnlichen Kräfte sind die Erkenntniskräfte.

Nun wirken in den Menschen hinein auch die untersinnlichen Kräfte. Was sind denn das für Kräfte? Das sind die Willenskräfte. Alle Willenskräfte, alles Willensartige in der Menschennatur ist untersinnlich.

Nun werden Sie ja naheliegend haben die Frage: Ja, woher kommen denn diese untersinnlichen Kräfte, diese Willenskräfte? - Das sind dieselben Kräfte wie die Kräfte des Planeten, also hier für uns die Kräfte der Erde. In der Tat, in unseren Menschen wirken fortwährend herein die Kräfte der Erde. Und das, was zusammenhängt mit diesen Kräften des Planeten, mit diesen Kräften der Erde, das sind die Kräfte, die willensartiger Natur sind. Die Kräfte, die erkenntnisartiger Natur sind, die kommen uns aus der Peripherie der Welt, die ergießen sich gleichsam von außen, von außerhalb des Planeten auf uns herab. Die Kräfte, die willensartiger Natur sind, dringen in uns ein von dem Planeten aus. So leben in uns die Kräfte unseres eigenen Erdenplaneten. In dem Augenblick, wo wir mit der Geburt ins Dasein treten, sind in uns wirksam die Kräfte des Erdenplaneten.“ (Lit.:GA 191, S. 35ff)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Die Bezeichnung „Dritte Kraft“ ergibt sich sinngemäß aus den Angaben Rudolf Steiners, wurde aber von ihm namentlich so nicht gebraucht.