Vril

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Edward Bulwer-Lytton, Porträt von Henry William Pickersgill
Edward Bulwer-Lytton: Vril oder eine Menschheit der Zukunft, deutsche Übersezung von Günther Wachsmuth (1922)
Titelbild der aktuellen Ausgabe von G. Wachsmuths Übersetzung (7. Auflage, 2010)

Vril (abgeleitet vermutlich von lat. virilis „männlich“, „kraftvoll“[1][2]) ist eine geheimnisvolle psychophysische Vitalkraft, auch Vril-Kraft genannt, die Edward Bulwer-Lytton (1803–1873) in seinem 1871 zunächst anonym bei Blackwood and Sons (Edinburgh/London) veröffentlichten Roman The Coming Race („Das kommende Geschlecht“) beschrieben hat. Später wurde das Buch auch unter dem Titel „Vril, the Power of the Coming Race“ publiziert.

Bulwer-Lytton schildert in seinem Roman das eigentümliche antediluvianische Geschlecht der Vril-Ya, die durch eine Naturkatastrophe vom Rest der Menschheit abgeschnitten wurden und seitdem in einem weitläufigen unterirdischen Höhlensystem leben, einer Welt ohne Sonne, die aber, erleuchtet von unzähligen Lampen, doch „so hell und warm wie eine italienische Landschaft zur Mittagszeit“ war. Durch eugenische Maßnahmen sind die Vril-Ya allen anderen Rassen überlegen und können durch die Vril-Kräfte alle tote und lebendige Materie unmittelbar beherrschen - zu heilsamen, aber auch zu zerstörerischen Zwecken. Dem Erzähler in Bulwer-Lyttons Roman gelingt schließlich die Flucht und er warnt eindringlich vor der Gefahr, die entstünde, wenn die Vril-Ya jemals an die Oberfläche zurückkehrten. Bulwer-Lyttons Schilderungen wurden später auch im Sinne der nationalsozialistsichen Rassenideologie missdeutet (vgl. dazu auch z.B. die sog. Vril-Gesellschaft).

Die Theosophin Helena Petrovna Blavatsky hat darauf hingewiesen, dass die Vril-Kraft tatsächlich schon von den alten Atlantiern benutzt wurde und nun in erneuerter Form wiedererweckt werden soll. John Worrell Keely habe versucht, diese Kraft, die die Atlantier Mash-mak genannt hätten und die eine furchtbare „siderische Kraft“ sei, in dem von ihm konstruierten Keely-Motor nutzbar zu machen, was aber letztlich misslungen sei. In ihrer «Geheimlehre» schreibt sie:

"Wenn die Frage gestellt wird, warum es Herrn Keely nicht erlaubt. wurde, eine gewisse Grenze zu überschreiten, so ist die Antwort leicht. Es war deshalb, weil das, was er unbewußt entdeckt hat, die furchtbare siderische Kraft ist, welche den Atlantiern bekannt war und von ihnen Mash-mak genannt wurde, und von den ârischen Rishis in ihrer Astra Vidyâ mit einem Namen bezeichnet wurde, den zu veröffentlichen wir nicht für gut finden. Sie ist die Vril von Bulwer Lyttons Zukünftiger Rasse und den zukünftigen Rassen unserer Menschheit. Der Name Vril mag eine Erdichtung sein; die Kraft selbst ist eine Thatsache, an der man in Indien ebenso wenig zweifelt, als an der Existenz der Rishis, da sie in allen geheimen Büchern erwähnt wird." (Lit.: Helena P. Blavatsky: Geheimlehre, Band I, S 613) [1]

William Scott-Elliot berichtete 1896 in The Story of Atlantis, dass sich die Atlantier dieser Kraft bedient hätten, um ihre Luftschiffe anzutreiben.

Auch Rudolf Steiner hat sich in seinen frühen theosophisch-anthroposophischen Vorträgen über die Vril-Kraft geäußert, die eigentlich die pflanzliche Wachstumskraft sei, und auf ihre künftige Bedeutung für das soziale Leben und auf den Zusammenhang mit dem Heiligen Gral hingewiesen. Es sei die selbe Kraft, die die Atlantier «Tao» genannt hätten:

"Die Chinesen sind ein Rest der atlantischen Rasse der Mongolen. Wenn wir bei den Chinesen das Wort TAO hören, so ist das für uns etwas schwer Verständliches. Die damaligen Mongolen hatten einen Monotheismus ausgebildet, der bis zur psychischen Greifbarkeit, bis zum Fühlen des Geistigen ging, und wenn der alte Chinese, der alte Mongole, das Wort TAO aussprach, so fühlte er das beim Aussprechen. TAO ist nicht «der Weg», wie das gewöhnlich übersetzt wird, es ist die Grundkraft, durch die der Atlantier noch die Pflanzen verwandeln konnte, durch die er seine merkwürdigen Luftschiffe in Bewegung setzen konnte. Diese Grundkraft, die man auch «Vril» nennt, hat der Atlantier überall genutzt, und er nannte sie seinen Gott. Er fühlte diese Kraft in sich, sie war ihm «der Weg und das Ziel»." (Lit.: GA 92, S. 18f)

Diese Kraft, die auch mit der von Steiner später erwähnten sog. „Dritten Kraft[3] zusammenhängt, und auf der Beherrschung des Lebensäthers beruht, könne künftig aber nur durch eine entsprechende geistige Entwicklung, die im Sinne des echten Rosenkreuzertums die bewusste Verbindung mit der Christus-Kraft sucht, wiedererweckt werden. Auf Wunsch Rudolf Steiners übersetzte Günther Wachsmuth 1922 Bulwers Roman unter dem Titel „Vril oder eine Menschheit der Zukunft“ ins Deutsche, da darin «richtig geschaute» Bilder der Menschenvergangenheit und der Entwicklungsmöglichkeiten unserer Gegenwart und Zukunft zu sehen seien:

"Nach dem Ersten Weltkriege forderte mich Rudolf Steiner auf, dieses Werk Bulwers ins Deutsche zu übersetzen. Als ich ihm damals erwiderte, daß die Inhalte doch recht phantastische seien, entgegnete er, dies sei nur scheinbar und zeitbedingt, in Wirklichkeit habe Bulwer im inneren Bilde richtig geschaut, was in der Evolution potentiell veranlagt sei, insbesondere durch die zukünftige Entdeckung bisher unbekannter Naturkräfte. Die Bilderwelt in Bulwers Werk sei teils als Rückschau in verlorengegangene Fähigkeiten des Menschen in frühester Vorzeit der «atlantischen Epoche», insbesondere aber als Vorschau in künftige Evolutionsphasen ein sehr wesentlicher Beitrag." (Lit.: Bulwer-Lytton/Wachsmuth, S 6)

Über die soziale Bedeutung von Vril und über den Zusammenhang mit der Freimaurerei als «königliche Kunst» sagte Steiner:

"Der Sozialismus kann nicht mehr durch unlebendige Kräfte bemeistert werden. Die Ideen der Französischen Revolution, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit waren die letzten Ideen, die aus dem Unlebendigen flossen. Unfruchtbar, dem Sterben geweiht ist alles dasjenige, was noch in demselben Geleise bleibt. Denn das heute in der Welt bestehende große Übel, das ungeheure Elend, das mit so furchtbarer Gewalt zum Ausdruck kommt in dem, was man die soziale Frage nennt, kann nicht mehr mit dem Unlebendigen gemeistert werden. Dazu bedarf es einer königlichen Kunst; und diese königliche Kunst ist es, die inauguriert worden ist in dem Symbol des Heiligen Gral.

Der Mensch muß durch diese königliche Kunst etwas in seine Hand bekommen, was ähnlich ist derjenigen Kraft, die in der Pflanze sproßt, derjenigen Kraft, die der Magier verwendet, wenn er die Pflanze, die vor ihm steht, schneller wachsen macht. In ähnlicher Weise muß von dieser Kraft ein Teil verwendet werden zum sozialen Heil. Diese Kraft, die beschrieben worden ist von solchen, die etwas von den rosenkreuzerischen Geheimnissen wissen, wie zum Beispiel von Bulwer in seinem Zukunftsroman «Vril», ist gegenwärtig aber noch in elementarem Keimzustande. Sie wird in der Freimaurerei der Zukunft der eigentliche Inhalt der höheren Grade sein. Die königliche Kunst wird in der Zukunft eine soziale Kunst sein." (Lit.: GA 93, S. 281)

In einer Fragenbeantwortung zu einem Vortrag in Leipzig vom 13. Oktober 1906 gab Rudolf Steiner weitere Hinweise:

"Alles, was es früher in der Welt gab, kommt wieder. Der Vril-Kraft liegt etwas Besonderes zugrunde. Jetzt kann der Mensch eigentlich nur die Kräfte der mineralischen Natur benutzen. Schwerkraft ist mineralisch, Elektrizität ist ebenfalls mineralisch. Den Betrieb von Eisenbahnen verdanken wir der Steinkohle. Was aber der Mensch noch nicht zu benützen versteht, das ist die pflanzliche Kraft. Die Kraft, die in einem Getreidefeld die Halme herauswachsen läßt, ist noch eine latente Kraft, und diese wird der Mensch ebenso in seinen Dienst zwingen wie die Kraft der Steinkohle. Das ist Vril. Es ist dieselbe Kraft, die die Fakire noch benützen. Sie leben im Atavismus - Ahnenzustandsmerkmal." (Lit.: GA 97, S. 298f)

In den Notizen von unbekannter Hand zu einem von Rudolf Steiner in Berlin am 2. Januar 1906 gehaltenen Vortrag, der aber nur mangelhaft festgehalten wurde, heißt es:

menschl.
Kraft

göttl.
Kraft

Hexagramm
Hexagramm
«Dies Dreieck ist das Symbol des Heiligen Gral und auch das Symbol der Erweckung der Meisterschaft im Lebendigen. Das ist die Christuskraft, die beschrieben ist als Vril im Zanoni. Sie ist jetzt im elementaren Keimzustand und sie wird das sein, was die königliche Kunst in Zukunft als eigentlichen Inhalt für die Hochgrade enthalten wird. Der Mensch muß sie sich ganz allein, ohne viel zu fragen, erringen.» (Lit.: GA 93, S. 346)

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. Goodrick-Clarke, 2002, S. 113; Goodrick-Clarke bezieht sich auf die Neutrumform virile
  2. Günther Jürgensmeier: Anmerkungen. In: Edward Bulwer-Lytton: Das kommende Geschlecht. dtv, München, 1999, S. 224–250, hier: S. 228
  3. Die Dritte Kraft ist der in das unterphysische obere Devachan herabgestoßene Lebensäther und steht unter dem Einfluss der Asuras (Lit.: GA 130, S. 102ff).