Empfängnis

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Die Empfängnis und der damit verbundene Zeugungsakt - bei den Tieren Begattung (Kopulation, Kopula, Paarung) genannt - war, ebenso wie die Geburt, noch bis in die spätatlantische Zeit fest an bestimmte Jahreszeiten gebunden. Die Empfängnis fand im Frühjahr statt, die Geburt zur Winterzeit. Erst durch den Einfluss luziferischer Wesenheiten wurde der Mensch aus diesem Naturrhythmus herausgelöst und damit eine wesentliche Grundlage für die menschliche Freiheit und das Ich-Bewusstsein geschaffen.

In der atlantischen Zeit und vereinzelt auch noch bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. lief der Zeugungsakt unbewusst ab oder wurde allenfalls imaginativ wahrgenommen, so dass man hier von einer Form der unbefleckten Empfängnis sprechen darf. Dann wurde der Zeugungsakt zuerst vom Mann und sehr viel später auch von der Frau bewusst erlebt und dadurch auch von sinnlichen Begierden begleitet.

„Für die alte Atlantis gilt zum Beispiel durchaus das, daß bei dem, was die Zeugung war, niemals bei den Menschen, also den Menschenvorfahren, ein Bewußtsein des Aktes vorhanden sein konnte. Es war gerade die Zeugung stets vollzogen worden in vollständiger Bewußtlosigkeit, höchstens in der späteren Zeit der Atlantis begann dasjenige, was geschehen war, erlebt zu werden in der Imagination, die aber im wesentlichen subjektiv gefärbt war. Im Bilde erhalten sich aber alle diese Dinge atavistisch, nur muß man sie nicht grob anfassen, sondern man muß sich darüber klar sein, daß diese Dinge außerordentlich zart angefaßt werden müssen. Derjenige also, der das Matthäus-Evangelium geschrieben hat, der lehnte es ab, daß zu dieser Zeit irgendwie Zeugungsgefühle in Maria eingeflossen waren, und er lehnte es auch ab, daß sie bei Joseph vorhanden waren. Diejenigen, die nicht wissen, daß solche Dinge eine selbstverständliche Möglichkeit waren bis ins vierte Jahrhundert der nachchristlichen Zeitrechnung und daß es dann erst damit aufgehört hat, die können eben diese Sache auch nach ihrer äußeren Bedeutung nicht verstehen. Wir haben es also durchaus zu tun mit einer reinen, unbefleckten, weil unbewußten Zeugung. Das ist nicht ein Auskunftsmittel, sondern ich sagte Ihnen schon, man mag schockiert sein darüber oder nicht, aber es ist eben so. In der Atlantis war es selbstverständlich, daß man niemals anders sprach, als daß die Menschenkinder von den Göttern gesendet werden, und das ragt durchaus noch herein in die nachatlantische Zeit und lebt in Sagen und Mythen fort. Ich rate Ihnen, studieren Sie nur einmal die Hertha-Sage in ihrer ganzen tiefen Bedeutung. Es ist etwas ungeheuer Bedeutsames, wie diese Hertha-Sage in einer gewissen Weise zusammenhängt mit der ganzen seelischen Entwickelung der Menschheit nach dieser Richtung hin. Es wird dargestellt, wie die Hertha erscheint zu einer gewissen Jahreszeit, [...], wie aber die Sklaven, die dabei dienen, sogleich ins Meer geworfen werden, getötet werden müssen. Der Mann wurde sich früher bewußt des Zeugungsaktes als die Frau, und diejenigen, die sich dessen bewußt geworden waren in diesem Zeitalter - darauf wird in dieser Sage hingedeutet -, die mußten sogar getötet werden.“ (Lit.:GA 343a, S. 543f)

Heute, im Zeitalter der Bewusstseinsseele, kann das nicht mehr so sein. Die sinnlichen Begierdekräfte müssen heute auf andere Weise überwunden werden. In alten Zeiten geschah das dadurch, dass man den ganzen Zeugungsvorgang auf die physisch-ätherische Ebene herunterführte. Gerade dadurch konnten auch die Vererbungskräfte sehr gut wirken. Heute muss der Vorgang auf die Ebene des Ich und der damit verbundenen Liebekraft hinaufgehoben werden. Das Geistige, das durch das Ich strömt, gewinnt dann die Überhand über die reinen Vererbungskräfte.

Was man durch die Empfängnis bekommt, ist nur der sterbliche Leib. Alles andere kommt aus den geistigen Welten:

„Was gibt denn der Empfängnisakt dem Menschen? Was hat der Mensch vom Empfängnisakt? Was der Mensch empfängt - wie die Geisteswissenschaft zeigen kann -, ist die Möglichkeit, ein sterbliches Wesen zu sein; die Möglichkeit zu sterben erhält er durch den Empfängnisakt. Nehmen Sie das, was in meinen verschiedenen Büchern beschrieben ist: Sie werden erkennen, daß das, was ich jetzt sage, die notwendige Tatsachenfolge ist. Schon indem der Mensch empfangen wird, wird ihm das ein gegliedert, was hier auf der Erde sein Sterben möglich macht. Das ganze Leben zwischen Geburt und Tod ist eine Entwickelung zum Tode hin, und eingeimpft wird der Tod in das Empfangene. Was der Mensch als Mensch, als Lebewesen ist, das wird nicht bei der Empfängnis irgendwie erzeugt, sondern einzig und allein wird diesem sonst Unsterblichen das eingeimpft, was die Möglichkeit zu sterben enthält. Eltern können dem Kinde nur den Tod geben - so würde es extrem ausgedrückt heißen -, nur die Möglichkeit, hier auf der Erde einen sterblichen Leib zu tragen. Was an diesem Leibe lebt, das muß durch das kommen, was aus der geistigen Welt herunterkommt. Daß dieser ganze Organismus, der ganze Mechanismus, mit dem der Mensch umkleidet wird und den er mit dem Keim des Todes durch das Empfangenwerden erhält, überhauptlebensfähig ist, das geschieht durch das, was aus der geistigen Welt herunterkommt.“ (Lit.:GA 181, S. 419f)

Zusammenhang zwischen Erkenntnisakt und Zeugungsakt

Dass der Zeugungsakt eng mit dem Erkenntnisakt zusammenhängt, weiß schon die Bibel an vielen Stellen zu berichten. Tatsächlich geht es in ja in beiden Fällen darum, ein wesenhaft Geistiges im irdischen Dasein zu empfangen. Rudolf Steiner hat diesen Zusammenhang öfters besprochen.

„Nicht umsonst wird in der Bibel gesagt: «Und Adam erkannte sein Weib» für die Tatsache, daß es befruchtet ist, weil das Bewußtsein von einem geistigen Befruchten dem zugrunde gelegt wird. Erkennen heißt : mit irgend etwas befruchtet sein. Selbsterkenntnis heißt nichts anderes, als befruchtet werden mit dem göttlichen Selbst. Erkenne dich selbst, heißt: Lasse dich befruchten mit dem göttlichen Selbst, das die Welt durchzieht.“ (Lit.:GA 96, S. 312)

Im Kern geht es immer darum, dass wirkliche Erkenntnis, namentlich wirklich Selbsterkenntnis, unfruchtbar bleibt, wenn dabei nicht eine wirkliche geistige Befruchtung stattfindet. Sich bloß grüblerisch in sich selbst zu versenken, bleibt immer fruchtlos. So heißt es etwa in seinen Vorträgen über das Johannesevangelium (GA 103):

„Der Begriff «Erkenntnis» hatte in den Zeiten, als man die geistigen Dinge noch realer auffaßte, einen viel tieferen, realeren Sinn als heute. Lesen Sie in der Bibel, was es heißt: «Adam erkannte sein Weib» (1 Mose 4,1 EU u. 4,25 EU), oder dieser oder jener der Patriarchen «erkannte sein Weib». Sie brauchen nicht weit zu gehen, um es dahin zu verstehen, daß damit gemeint ist die Befruchtung; und wenn man den Spruch «Erkenne dich selbst» im Griechischen betrachtet, heißt es nicht: Gaffe in dein Inneres hinein, sondern: Befruchte dein Selbst mit dem, was aus der geistigen Welt dir zuströmt! Erkenne dich selbst! heißt: Befruchte dich selbst mit dem Inhalte der geistigen Welt!“ (Lit.:GA 103, S. 200)

In der mündlichen Fragenbeantwortung zum einem Mitgliedervortrag, der am 21. Oktober 1907 in Berlin gehalten wurde, heißt es:

„Das Wort «Adam erkannte sein Weib» ist durchaus wahr: Befruchte dich selbst mit dem Geistigen, – das ist Erkenntnis. Das Wort «Erkenne dich selbst» ist wesentlich Anderes als das, was in der Trivialtheosophie beliebt ist. Das Vertiefen ins Innere ist steril, wenn nicht die Befruchtung von den geistigen Welten ausgeht. Dieses Sichselbstbebrüten ist ein Unfug in der Theosophie.“ (Lit.:GA 244, S. 190)

Wirkliche Selbsterkenntnis erfordert aber auch, dass man sich seiner dunklen Seiten, d. h. seiner karmischen Verfehlung bewusst wird. Dazu bedarf es auch der Begegnung mit dem Hüter der Schwelle:

„Bei dem aber, der auf dem Wege der okkulten Entwickelung ist, ist es notwendig, daß er in einem bestimmten Zeitpunkt seinen gewöhnlichen astralischen Leib sieht mit allen Marken seines unausgeglichenen Karmas, und er muß durch Mittel, die man dazu hat, sein unausgetragenes Karma auszugleichen suchen. Dies ist die wahre Begegnung mit dem Hüter der Schwelle. Es soll dies alles nicht gesagt sein, um gruseln zu machen, sondern um Ihnen einen Begriff zu geben, was man im wahren Sinne des Wortes Selbsterkenntnis nennt. Diese ist zweifach: Erstens ist es die Erkenntnis dessen, was das wahre Selbst auszutragen hat. Zweitens ist es die Erkenntnis des höheren Selbstes. Aber da ist Erkenntnis etwas ganz anderes. Sie können in der Bibel lesen: Adam erkannte sein Weib. - Das ist ein Ausdruck für die Befruchtung. Erkenne dich selbst, heißt: befruchte dich mit der Weisheit in dir, betrachte die Seele als weibliches Organ und befruchte dich. Willst du die Selbsterkenntnis haben, so suche in dir, dort wirst du erkennen alle deine Fehler; willst du dein höheres Selbst erkennen, dann suche außerhalb von dir, denn da ist Welterkenntnis Selbsterkenntnis. In der Sonne ist alles, denn alles ist Sonne. Wir müssen von uns loskommen. Man sagt mir: Du erzählst uns von der Entwickelung und dergleichen; wir aber wollen Erhebung der Seele, der Gefühle. - Der so spricht, ist sich selbst feind. Nicht dadurch, daß wir in uns hineingaffen, sondern dadurch, daß wir die Welt in allen Stücken, Stück für Stück, kennenlernen, werden wir selbstlos und können wir die Selbst- und Gotteserkenntnis finden.“ (Lit.:GA 98, S. 37f)

Steiner hat auch darauf hingewiesen, welchem Irrtum die Psychoanalyse unterliegt, wenn sie einseitig praktisch alles auf die Sexualität zurückführen will:

„Im Zusammenhang mit dieser grotesken Tatsache, daß der Ursprung der Weltanschauung in der Psycho-Sexualität gesucht wird, werde ich Ihnen eine andere nennen, eine Tatsache, die uns allen heilig ist. Das ist die Tatsache, daß das hebräische Wort, das an der Stelle der Bibel steht, wo die Paradieses-Erzählung vorgebracht wird, doch gut übersetzt ist in unsere Sprache, wenn es heißt: «Und Adam erkannte sein Weib.» Da haben Sie die Erkenntnis, den Erkenntnisbegriff auch in die Nähe der Sexualität gebracht. Aber wie? Genau in der entgegengesetzten Art! Dahinter verbirgt sich ein tiefes Mysterium. Wenn die Menschen auf umgekehrtem Weg zu den Dingen kommen werden, die wahr sind, aber die nur angeschaut werden dürfen vom Gesichtspunkte des Geistigen, wenn sie nicht auf Abwege führen sollen, dann wird erst wiederum ein Licht darüber aufgehen.“ (Lit.:GA 169, S. 118)

Siehe auch

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.