Staatsphilosophie

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Die Staatstheorie oder Staatsphilosophie behandelt mögliche Definitionen, Entstehung, Formen, Aufgaben und Ziele des Staates sowie dessen institutionelle, soziale, ethische und juristische Bedingungen und Grenzen. Als Teilgebiet der Politischen Philosophie und Konkretion der Allgemeinen Staatslehre berühren Staatstheorien deshalb oftmals Fragestellungen, die mehrere Einzelwissenschaften gleichzeitig betreffen, darunter: die Philosophie, die Theologie, die Politikwissenschaft, die Rechtswissenschaft, die Soziologie und die Volkswirtschaftslehre.

Überblick

Eine Staatstheorie kann von sehr verschiedenen Ansätzen ausgehen:

  • von historischen oder vorhandenen Staatssystemen, die sie beschreibt, legitimiert oder kritisiert,
  • vom Ideal einer politischen Ordnung, etwa einer Staatsutopie,
  • von ökonomischen oder politisch-sozialen Machtstrukturen,
  • von einer Idee der „Sittlichkeit“ (Ethik), daraus abgeleitet u. a. die Menschenrechte und die Gewaltenteilung,
  • von einer vorgegebenen, sei es „göttlichen“, naturgesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Ordnung.

Je nach Epoche und Theorieansatz können Akteure der Staatstheorie sein:

Diese Subjekte sind zugleich auch Objekte der Staatstheorien, sofern Freiheit und Ordnung im Konstrukt des Staates auf irgendeine Weise miteinander ausgeglichen werden (sollen): z. B. als Machtstaat, Rechtsstaat, „Wohlfahrtsstaat“, "Sozialstaat" oder „Klassenlose Gesellschaft“. Gegenstand der Reflexion sind ebenso die Abgrenzung und Zuordnung verschiedener Staatsaufgaben und Staatsgewalten – z. B. Legislative, Exekutive und Judikative – wie der mögliche und wirkliche „Interessenausgleich“ verschiedener Gruppen, die im Staat zusammengefasst existieren.

Man kann Staatstheorien historisch verschiedenen Gesellschaftsformen zuordnen und sie daraus ableiten. Sie reagierten je nach Epoche auf unterschiedliche Bedürfnisse und partikulare oder allgemeine Interessen. Eine Möglichkeit, ihre Vielfalt begrifflich zu ordnen, ist die Frage nach dem ihnen zugrunde liegenden „Menschenbild“ (vgl. Philosophische Anthropologie): Wird der Mensch als prinzipiell „gut“ gedacht, liegt eine Staatstheorie nahe, welche auf möglichst weitgehende demokratische Teilhabe, soziale Gleichheit und Herrschaftsminderung ausgerichtet ist. Wird der Mensch hingegen als prinzipiell gewalttätig, machtstrebend, „böse“ oder wegen seiner prinzipiellen Unbestimmtheit potenziell „gefährlich“ gesehen, liegt eine Staatstheorie nahe, die eine freiheitsbegrenzende Machtausübung staatlicher Autorität legitimiert.

Auch in ihrer Herangehensweise unterscheiden sich die Ansätze: Eine Rechtstheorie geht z. B. eher normativ und deduktiv vor, während eine soziologische Theorie zuvor die Interessengruppen empirisch und deskriptiv analysiert.

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Siehe auch

Literatur

Klassische Werke

Weitere Literatur

  • Andreas Anter, Wilhelm Bleek: Staatskonzepte: Die Theorien der bundesdeutschen Politikwissenschaft. Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2013, ISBN 978-3-593-39895-2.
  • Lars Bretthauer, Alexander Gallas, John Kannankulam, Ingo Stützle (Hrsg.): Poulantzas lesen. Zur Aktualität marxistischer Staatstheorie. VSA, Hamburg 2006, ISBN 3-89965-177-4 (Einleitung)
  • Alex Talbot Coram: State, Anarchy, Collective Decisions – Some Applications of Game Theory to Political Economy. 2001 (Staat vs. Anarchie aus spieltheoretischer Sicht).
  • Alex Demirović: Nicos Poulantzas: Aktualität und Probleme materialistischer Staatstheorie. Westfälisches Dampfboot, Münster 2007, ISBN 978-3-89691-622-8 (Rezension von B. Opratko)
  • Joachim Hirsch: Materialistische Staatstheorie. Transformationsprozesse des kapitalistischen Staatensystems. VSA-Verlag, Hamburg 2005, ISBN 3-89965-144-8.
  • Joachim Hirsch: Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus. Berlin/Rotterdam 1995, ISBN 3-89408-049-3.
  • Walter Kreck: Grundfragen christlicher Ethik. Kaiser, München 1975, ISBN 3-459-01019-3.
  • Martin Kriele: Einführung in die Staatslehre. Die geschichtlichen Legitimitätsgrundlagen des demokratischen Verfassungsstaates. 6., überarbeitet und erweiterte Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2003, ISBN 3-17-018163-7.
  • Birgit Sauer: Staat, Demokratie und Geschlecht – aktuelle Debatten. In: gender…politik…online. August 2003 (PDF; 420 KB)
  • Rüdiger Voigt, Ulrich Weiß (Hrsg.): Handbuch Staatsdenker. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-515-09511-2.
  • Rüdiger Voigt (Hrsg.): Staatsdenken. Zum Stand der Staatstheorie heute. Nomos, Baden-Baden 2016, ISBN 978-3-8487-0958-8.
  • Jens Wissel & Stefanie Wöhl (Hrsg.): Staatstheorie vor neuen Herausforderungen. Analyse und Kritik. Westfälisches Dampfboot, Münster 2008, ISBN 978-3-89691-747-8 (Rezension von I. Küpeli)
  • Staatstheorie. Politischer Überbau, Ideologie, autoritärer Etatismus. VSA-Verlag, Hamburg 1978, ISBN 3-87975-161-7.
  • Reinhold Zippelius: Geschichte der Staatsideen. 10. Auflage. Beck, München, 2003, ISBN 3-406-49494-3.

Weblinks

 Wiktionary: Staatsphilosophie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


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