17. Jahrhundert

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Das 17. Jahrhundert begann am 1. Januar 1601 und endete am 31. Dezember 1700. In Europa wurden ca. 22 Kriege geführt und die religiösen und dynastischen Spannungen erreichten im Dreißigjährigen Krieg ihren Höhepunkt. Diese lang anhaltende Kriegskatastrophe betraf nahezu den gesamten Kontinent, verwüstete und entvölkerte ganze Landstriche. Der „Westfälische Friede“ hatte eine Glaubensspaltung zur Folge und die mittelalterliche Feudalordnung löste sich weiter auf. Die Nationalstaaten wurden souverän und die deutsche Kleinstaaterei nahm ihren Anfang. Die zweite türkische Belagerung von Wien konnte nach der Bildung einer großen militärischen Koalition durch das „Christliche Abendland“ im Frieden von Karlowitz beendet werden. Der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. wandte sich von der religiösen Toleranz ab. Die Renaissance wurde durch die Philosophie der Aufklärung fortgesetzt. Erfindungen und Entdeckungen durch Galilei, Newton, Descartes und Leibniz konnten Veränderungen bewirken und soziale Gegensätze verschärften sich.

Epochensetzungen

Im deutschen Sprachraum etablierte sich in der Kunst- und Literaturgeschichte im 20. Jahrhundert eine Perspektive auf das Barock als Stilideal des 17. Jahrhunderts. England und den Niederlanden wird dabei zugestanden, diese Phase kaum ausgeprägt zu haben, hier habe die Aufklärung Mitte des 17. Jahrhunderts bereits begonnen. Das Wort Barock hatte im 17. Jahrhundert keine Bedeutung. Ein Epochenverzug zwischen den Niederlanden und England hier und dem (noch barocken) Kontinent da, ließ sich im 17. Jahrhundert noch viel weniger behaupten. Das europäische Kommunikationsnetz und der intensive Kulturaustausch gestattete europaweit das Gefühl, im selben Jahrhundert zu leben.

Statt vom Barock zu sprechen, sprach man von nationalen Geschmäckern. In der Musik wurden Opern im französischen und im italienischen Stil komponiert; der deutsche Stil wurde demgegenüber als „gemischter“ gehandelt. Mit Lust am „Curieusen“ kamen in dieselben Opern und Ballette jederzeit nach Bedarf „türkische“ oder „polnische“ Tanzsätze, die nur entfernt mit Musik Polens und der Türkei zu tun hatten, jedoch angenehm fremd im Spektrum anmuteten. Französischer und italienischer Geschmack bestimmte ebenso die Architektur. In der Malerei prägte neben diesen beiden Stilen der niederländische Stil mit seinen Landschafts- und Architekturbildern sowie der Genremalerei den internationalen Kunstmarkt.

Man strebte Kunstfertigkeit, Eleganz, Neuheit an – das 17. Jahrhundert brachte im selben Streben keine Literatur-, Kunst- oder Musikgeschichte auf, mit der sich die Gegenwart in immer neuen Schüben von einer laufend neu geschaffenen Vergangenheit abgegrenzt hätte. Es gab aus europäischer Sicht nur eine einzige Moderne, die sich bis 1650 in Orientierung an die Antike vom Mittelalter abgrenzte. Diese Abgrenzung wurde mit der „Querelle des Anciens et des Modernes“ Ende des 17. Jahrhunderts komplexer: Die Moderne grenzte sich nun zunehmend auch von der Antike ab, die in einzelnen Werken (wie etwa den Epen Homers) nun unerträglich roh erschien. Man strebte nach vollendeten Kunstwerken, nicht nach einem permanenten Wechsel der Epochen und produzierte in dieser Situation keine eigene Epocheneinschätzung, der unser heutiger Begriff des Barock entsprechen könnte. Unsere (in der Essenz meist negativen) Attribute des Barocken (Schwulst, hohles Pathos etc.) hätte man auf alle Fälle als nicht auf das eigene Streben nach Moderne zutreffend abgelehnt.

Gleichzeitigkeit ließ sich in der Abgrenzung des Mittelalters von der Antike definieren. Positiv manifestierte sie sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Europa als eigene Europamode (siehe das Stichwort Galant). Sie wurde getragen vom europäischen Ideal der französischen „Galante Conduite“, die sich ab den 1640ern ausbreitete und im höfischen Umgang das strengere „spanische“ Zeremoniell ablöste. Natürlichkeit, Eleganz, Wendigkeit sprachen für die neue Mode, die unter dem Wort des Galanten insbesondere in Deutschland einen Stilbegriff fand, der bis in die 1720er fortlaufen sollte.

Noch weitaus weniger ließen die politischen Ereignisse Sonderwege zu. Der Dreißigjährige Krieg, in der Zeit der „große deutsche Krieg“ genannt, war ein internationales Ereignis, das Machtinteressen von Schweden bis Frankreich involvierte. Die Konflikte mit dem expandierenden Osmanischen Reich zwangen Europa zu einer Wahrnehmung internationaler Ereignisse. Schließlich entwickelten sich Beziehungsgeflechte auf dem Gebiet der Religion, die gerade Südost-Europa neu einbanden: Protestantische Kleingruppen erhielten in Polen, Ungarn und Siebenbürgen zeitweilig lokalen Schutz und hatten Einfluss auf die politischen Ereignisse (so begünstigten Initiativen protestantischer Gruppen in Ungarn den Vorstoß des Osmanischen Reichs auf die habsburgischen Lande in den frühen 1680ern). Ein sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts rapide ausbreitendes Zeitungswesen sorgte für einen zunehmend einheitlichen Informationsstand in Europa.

Man wahrt europäische Perspektiven in rückblickenden historischen Darstellungen in Anbetracht dieser Umstände präziser, wenn man Stilideale und Moden unter den Begrifflichkeiten der Zeit erfasst und ansonsten vom 17. Jahrhundert spricht. In der internationalen Forschung setzte sich als größerer Rahmen hierfür der Begriff der Frühen Neuzeit durch, die vom Mittelalter bis in die Französische Revolution reicht und damit den größeren Zeitraum 1500–1800 abdeckt, über den nun beliebig differenziert gesprochen werden kann – deutsch mit einem Interesse am Barock, von dem sich die Aufklärung abgrenzen kann oder internationaler mit Erörterungen von Entwicklungen, die sich in der Zeit bereits benennen ließen.

Wirtschaftliche und politische Entwicklungen

Europa

Spaniens Macht als die Nation, die Südamerika entdeckte und ausbeutete, brach bereits im Lauf des 16. Jahrhunderts in sich zusammen. Der Import von Gold nach Europa stattete die reiche Schicht Spaniens mit Geld aus, das mit fortlaufendem Goldimport jedoch stets an Wert verlor. Spanien nahm geschützt durch den eigenen Reichtum gleichzeitig nicht am Aufbau der Infrastruktur teil, die im Lauf des 19. Jahrhunderts Europas Industrienationen ermöglichen sollte. Die spanische Flotte, Garantin der Vormacht, entwickelte sich nicht zur Weltmacht, die den Vorsprung der Finanzmacht verteidigen konnte – hier fehlte eine Verbindung von Staatsmacht und Wirtschaft. Weitaus effektiver wurden die Flotten der Niederlande und Großbritanniens für engere Kooperationen zwischen privatwirtschaftlichen Handelsorganisationen (Niederländische Ostindien-Kompanie und Britische Ostindien-Kompanie) und dem Staat genutzt.

Die Niederlande wurden die große Wirtschaftsmacht des mittleren 17. Jahrhunderts, Großbritannien übernahm diese Position in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts. Wirtschaftskraft lag, wie sich im 17. Jahrhundert herausstellte, weniger im Geldbesitz als in der Fähigkeit aus Warenhandel und Finanzverkehr Mehrwerte schaffen zu können. Die Niederlande demonstrierten dies als Staatsverband, der über keine Rohstoffe verfügte und in der landwirtschaftlichen Produktion unbedeutend blieb. Amsterdam gewann als wichtigster europäischer Handelsplatz zentrale Bedeutung. Finanzielle Transfers bewegten theoretisch große Mengen an Edelmetall, mit denen die Zahlungen geschahen. Tatsächlich wurde an der Börse über ein Wechselsystem weitgehend bargeldlos gehandelt. Geld blieb als finanzielle Deckung der Warentransfers an den Orten, die miteinander handelten. Gegeneinander verrechnet wurden im Wechselgeschäft, das die Börsen abwickelten, effektiv Warenlieferungen. Je größer die Warenlieferungen, die in einer Handelsstadt in verschiedene Richtungen angeboten wurden, desto größer wurde ihr Gewicht als Ort, an dem die Handelsleistungen provisorisch gegeneinander verrechnet werden konnten – das ist verkürzt erklärt das System, das im 17. Jahrhundert Amsterdams Börse zum größten Finanzumschlagplatz machte. Im frühen 18. Jahrhundert übernahm London als Metropole des Welthandels diese Position: Mit einem größeren Warenumsatz, der in London zwischen Handelsorten in aller Welt verhandelt wurde, korrelierte der größere bargeldlose Finanztransfer, der den Warentransfer deckte.

Die Niederlande deckten ihre Kraft als seefahrende Handelsmacht durch eine Militärmacht, die die Handelsinteressen weltweit sicherte – die Initiative blieb dabei zersplittert in der Hand von Handelsgesellschaften und Städten, die gemeinsam den Gulden durch das 17. und 18. Jahrhundert mit einem stabilen Wert von 9,6 g Feinsilber zur sichersten europäischen Währung machten. Niederländische Münzen eroberten den Levantehandel zwischen Venedig und der Türkei dank dieser Stabilität.

England hatte bis in die 1660er kaum eine Möglichkeit mit den Niederlanden zu konkurrieren. Der Bürgerkrieg verhinderte in den Jahren 1640 bis 1660 eine Bündelung der Kräfte zwischen Londons Wirtschaftsmacht und der englischen Krone. Die 1660er brachten Großbritannien zunächst nur eine unsichere Stabilität – erst die Glorious Revolution von 1688 besserte die Lage. In ihren Folgen war diese zweite Revolution Großbritanniens für die Niederlande verheerender als die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Nationen in den 1670ern im Kampf um die Vormacht zur See. Die Glorious Revolution führte zur vorübergehenden Einigung der Nationen unter der Krone Wilhelms III. von Oranien, Wilhelm entschied sich als König von größtem Einfluss in seiner Heimat für militärische Aktionen der Niederlande und Großbritanniens gegen Frankreich – für Auseinandersetzungen, in denen Großbritannien sich als die Macht herauskristallisierte, die in Europa das Gleichgewicht der Mächte bestimmen konnte.

Zu den Faktoren, die Ende des 17. Jahrhunderts Amsterdam gegenüber London an Macht als Finanzumschlagplatz verlieren ließen, gehörten neben der politischen Stabilisierung auch die der englischen Währung. Die international stabile Münze war bis hierhin der niederländische Silbergulden. Die Währung mit Zukunft wurde das britische Pfund Sterling, das nach einer Entwertung des kursierenden Silbergeldes gegenüber dem kursierenden Gold (und nach konsequentem Abfluss des international gehandelten Silbers) gegenüber dem Gold stabilisiert wurde. Großbritannien führte in dieser Krise effektiv die Golddeckung der eigenen Währung ein – ein zukunftsweisender Schritt. Zu einem weiteren Faktor, der London gewinnen ließ, gehörte mehr noch der nun massiv wachsende Handel mit den Kolonien und Indien. Großbritannien besiedelte Nordamerika mit Flüchtlingsströmen – eine neue Situation gegenüber der auf Plantagen gestützten Ausbeutung der Kolonien, die Spanien aufgebaut hatte und gegenüber dem internationalen Handel mit eigenen Handelsstützpunkten, den die niederländischen Handelsgesellschaften betrieben.

Mitteleuropa und Skandinavien gewannen in den kriegerischen Auseinandersetzungen des Jahrhunderts nicht die Position, aus der sich eine wirtschaftliche Konsolidierung erzielen ließ. Nachteilig war für die deutschen Territorien dabei insbesondere die Binnenlage und die politische Zersplitterung. Lediglich Hamburg konnte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vom Seehandel erheblich profitieren – Hamburg dominierte den skandinavischen Handel und den Handel mit Zucker in Nordeuropa – fungierte jedoch nicht London vergleichbar als Hauptstadt. Leipzig gewann in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter den deutschen Städten gegenüber Nürnberg und Augsburg Gewicht durch die Messen, über die ein größeres Volumen des kontinentalen Ost-West-Handels abgewickelt wurde – eine politische Macht im deutschen Sprachraum kam Leipzig dabei ebenso wenig wie Hamburg zu.

Eine Veränderung dieser Lage sollte sich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und im 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung ergeben, die Wirtschaftsstandorte mit fossilen Energiereserven – Kohlevorkommen – interessant machte und das sich einigende deutsche Reich als kontinentalen Wirtschaftsstandort an Bedeutung gewinnen ließ.

Frankreich konnte im Lauf des 17. Jahrhunderts als militärisch geschützter großer Flächenstaat politische Macht gewinnen, Macht der französischen Krone, die Gewinne aus dem Staat zog und in den Aufbau einer Armee investierte, die unter Ludwig XIV. zur europäischen Bedrohung wurde. Im Welthandel erwies sich Frankreich mit dieser Struktur den Niederlanden und Großbritannien zunehmend unterlegen.

Politische Entwicklungen: Europa

Konfessionalisierung politischer Auseinandersetzungen

Die Reformation hinterließ dem 17. Jahrhundert eine konfessionell gegliederte Landkarte. Luther hatte früh weltliche Herrschaft für den Schutz der neuen Konfession gewonnen. Für weltliche Herrschaften lag wenig später im Bekenntnis zur neuen Religion die Chance, mit dem Religionswechsel gegenüber dem mehrheitlich katholischen Reichsverband auf Distanz zu gehen. Eine Schwächung des Kaisertums war im deutschsprachigen Raum die Folge. Die neue Religion selbst spaltete sich unverzüglich in Lutheraner, Reformierte und dissidente Gruppen, die sich weigerten, Bündnisse der neuen Religion mit weltlicher Macht anzuerkennen. Nord- und Mitteldeutschland wurden mit der Reformation lutherisch, die Schweiz und die heutigen Niederlande wurden reformiert, die Spanischen Niederlande, das heutige Belgien, blieben katholisch. England führte unter Heinrich VIII. die Reformation ein, das Ziel war hier stärker als auf dem Kontinent eine Union weltlicher und kirchlicher Macht. Heinrich VIII. wurde Oberhaupt der von ihm begründeten Anglikanischen Kirche. Skandinavien wurde lutherisch. Polen blieb katholisch, gewährte aber im Verlauf gerade Gruppen des Widerstands gegen eine Verbindung weltlicher Herrschaft mit den protestantischen Konfessionen, wie den Socinianern politischen Schutz. Das heutige Rumänien gewährte dissidenten protestantischen Bewegungen weiteren Schutz.

Die Aufteilung der europäischen Landkarte unter den Konfessionen schuf im 16. Jahrhundert ein neues Allianzengeflecht. Die Konflikte zwischen den konfessionell orientierten Gebieten eskalierten mit der Wende ins 17. Jahrhundert aus mehreren Gründen: Jedes Territorium Europas verfügte zu Beginn des 17. Jahrhunderts über eine vom Staat legitimierte religiöse Orientierung und über konfessionelle Minderheiten – die in ausländischen Staaten Verbündete hatten. Grundsätzlich ungeklärt war der Status der konfessionellen Minderheiten. Sie organisierten sich zum Teil in geheimen Zirkeln, offen betrieben sie Widerstand gegen staatliche Politik, wo immer diese die Mehrheitsreligion privilegierte. Zweitens luden sich im Reichsgebiet die seit dem Mittelalter bestehenden Konflikte zwischen Kaiserhaus und Fürstentümern auf, konfessionelle Blöcke standen nun dem Kaiserhaus gegenüber, das seiner Entmachtung mutmaßlich nur in einem Konfessionskampf begegnen konnte. Böhmen geriet hier in das Zentrum der Auseinandersetzungen, an denen sich der Dreißigjährige Krieg entzünden sollte. Eine dritte Konfliktsituation bestand in den Niederlanden mit dem andauernden Krieg zwischen den Spanischen Niederlanden und der Republik. Hier standen Spanien und Frankreich als katholische Staaten im Hintergrund, während die freien Niederlande eine zunehmende Macht als führende Wirtschaftsnation und Seemacht beanspruchten.

Der Dreißigjährige Krieg, 1618–1648

Auseinandersetzungen um die konfessionelle Orientierung der Territorien im Heiligen Römischen Reich und die vom Kaiserhaus betriebene Gegenreformation eskalierten 1618 im Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs. Er führte in Mitteleuropa zu einer politischen und wirtschaftlichen Katastrophe. Der deutschsprachige Raum geriet in den Brennpunkt europäischer Interessen. Schweden unterstützte im Dreißigjährigen Krieg offiziell die deutschen Protestanten, Frankreich nahm im Verlauf des Krieges eigene Machtinteressen als katholische Nation wahr. Söldnertruppen aus ganz Europa kämpften auf Seiten der verschiedenen Heerführer, die erhebliche eigene Macht gewannen.

Die Kriegsführung nahm im Verlauf unkontrollierte Züge an: Städte wurden belagert und geplündert – die belagernden Armeen mussten aus dem Umland ernährt werden. Marodierende Söldnertruppen mussten sich selbst ernähren und taten dies ungezügelt mit Einsatz von Gewalt gegen die Landbevölkerung.

Mitteleuropa erlitt im Verlauf der dreißig Jahre von 1618 bis 1648 einen Bevölkerungsrückgang und einen Einbruch der landwirtschaftlichen Produktivität.

Der Westfälische Friede beendete 1648 die militärischen Auseinandersetzungen mit einer Bestätigung der Kompromissformel, die bereits ein Jahrhundert zuvor gefunden worden war: Die einzelnen Territorien erhalten die Macht, über die Religion im eigenen Land bestimmen zu können.

Der Englische Bürgerkrieg, 1641–1660

Eine eigene Konfliktsituation religiös-staatlicher Dimension wird in Großbritannien ab den 1640ern ausgetragen. Die Macht der regierenden Stuarts insbesondere auf dem Gebiet der Religion findet hier nur geteilte Anerkennung. Es entsteht eine Spaltung zwischen Anhängern des Königs (Royalists) und Anhängern des Parlaments (Roundheads). Beide Strömungen sprechen (ab den 1680ern gefolgt von den Tories und Whigs) bis in das 18. Jahrhundert ein breites Spektrum an Strömungen im konfessionell politischen Kampf an: Die einen mit Parteigängern, die (heimlich) die Rekatholisierung befürworten, sowie mit Gruppen, die explizit für eine Stärkung der Anglikanischen Kirche in ihren hohen Würden eintreten; die anderen mit Angeboten einer Stärkung bürgerlicher Rechte, deren Schutz das Parlament übernehmen soll. Sie rekrutieren sich in den 1640ern vor allem aus dem puritanischen Lager. 1649 wird in einer revolutionären Erhebung des Parlaments Karl I. hingerichtet. Sein Sohn Karl II. begibt sich in französischen Schutz, während in England die Gewaltherrschaft Cromwells anbricht, die 1660 endet, als sich zeigt, dass das neue Regime nicht in der Lage ist, eine Kontinuität der Herrschaft über Cromwells Tod hinaus herzustellen. Karl II. wird im Akte der „Restauration“ ins Land zurückgeholt und König gegenüber einem Parlament, dem er erhebliche Macht einräumen muss.

Frankreich wird unter Ludwig XIV. zur Großmacht, 1661–1715

Die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts ist vom Anwachsen französischer Macht bestimmt: Frankreich greift die Niederlande an, diese sind auf der anderen Seite in eine Auseinandersetzung mit England um die Seeherrschaft involviert. Es gelingt Frankreich im Verlauf der Auseinandersetzungen nicht, die Niederlande einzunehmen, auch die Tatsache, dass man Karl II. Schutz gewährte und damit über gute Beziehungen nach England verfügt bleibt im Kräftespiel folgenlos. Ludwig XIV. wurde auch Sonnenkönig genannt. Er bestieg 1643 den Thron und regierte 72 Jahre lang.

Der Türkische Angriff auf Wien, 1683

In Ausnutzung der Destabilisierung, die protestantische Gruppen im Balkangebiet und dem heutigen Ungarn der katholisch-habsburgischen Macht bereiten, riskiert das Osmanische Reich – heimlich von Frankreich unterstützt – in den frühen 1680ern einen Angriff auf Österreich, der aber in einem militärischen Debakel endet. Die Belagerung Wiens scheitert 1683, nachdem Truppen Polens, verschiedener Reichsterritorien und der Republik Venedig der Stadt zu Hilfe kommen. Namentlich Bayern, nach Bündniswechsel unter dem neuen Kurfürsten seit 1679 in Allianz mit Wien (statt Frankreich), engagiert sich an der „Befreiung“ Ungarns und des Balkans in den Kriegszügen der 1680er, die bis Belgrad und Temesvar gehen und den Grundstein für den späteren habsburgischen Vielvölkerstaat legen.

Die Glorious Revolution und die Große Allianz gegen Frankreich, 1688–1712

Eine geschlossene neue politische Situation richtet sich in den 1680ern ein: England erlebt 1688 eine zweite Revolution, der Nachfolger Karls II. wird, da er eine Rückführung der Nation in den Katholizismus befürchten lässt, abgesetzt und mit militärischer, vom Parlament organisierter Gewalt aus dem Land vertrieben. Sein Rückzug verläuft über Irland nach Frankreich. Die Regentschaft wird Wilhelm III. (verheiratet mit einer englischen Erbin) zugesprochen, dem Regenten, der in den 1670ern den Widerstand der Niederlande gegen Frankreich organisierte. Als Frankreich 1689 die Pfalz angreift, tritt Wilhelm III. maßgeblich für das Bündnis der ihm unterstehenden Machtbereiche der Niederlande und Englands mit dem Reich ein. Eine europäische Allianz gegen Frankreich mit Dauer bis 1698 ist die Folge. Im Spanischen Erbfolgekrieg wird sie 1701–1712 ihre zweite Auflage finden.

Eine zweite gesamteuropäische Konfliktsituation bahnt sich Ende des 17. Jahrhunderts zwischen Schweden und Russland an, die ab dem Jahr 1700 in den Großen Nordischen Krieg mündet (1700–1721).

Zusammenfassung

Die großen und kleineren Konfliktszenarien des 17. Jahrhunderts mögen auf den ersten Blick unübersichtlich erscheinen. Eigene Übersichtlichkeit gewinnen sie in einigen grundlegenden Entwicklungen:

  • Die Aufteilung der europäischen Landkarte nach Nationen, die religiöse und kulturelle Identität gewinnen, findet mit den bis 1648 geführten Kriegen ihre Bestätigung und im Westfälischen Frieden ihre offizielle Anerkennung.
  • Die beiden englischen Revolutionen wie die kontinentaleuropäischen Konflikte führen im Lauf des 17. Jahrhunderts zu einer Konsolidierung weltlicher Macht, die sich im Verlauf unabhängig von der Legitimation durch die Kirche manifestiert. Die weltliche Regentschaft bestimmt die Religion und sie schützt die Religion im eigenen Territorium, dies wird im Verlauf Grundsatz neuer Staatsverfassungen.
  • In allen Ländern Europas entsteht ein neues Gefühl gegenüber weltlicher Macht: Sie privilegiert Gruppen und sie schafft Gruppen, die als offizielle Minderheiten Rechte beanspruchen. Der Ruf nach bürgerlichen Freiheiten wird im Lauf des 17. Jahrhunderts als Ruf nach Freiheit der Konfession manifest. Die Frage, welches Recht der Staat gegenüber dem Bürger hat, wird die große Frage der nächsten drei Jahrhunderte. Ihre Lösung ist ein Staat, der sich als Garant bürgerlicher Rechte definiert und dabei Macht als alle seine Bürger gleichmäßig schützender Nationalstaat im 19. Jahrhundert gewinnt.
  • Frankreich wird im 17. Jahrhundert zur großen Macht in Europa, die jedoch ihre Herrschaftsinteressen nicht durchsetzen kann.
  • Die Niederlande erleben im 17. Jahrhundert ein goldenes Zeitalter: Amsterdam wird der Welthandelsplatz, bevor diese Position mit dem Wechsel ins 18. Jahrhundert an London übergeht.
  • England etabliert in den beiden Revolutionen ein neues politisches System der weltlichen Parlamentsmacht gegenüber der Monarchie. Die Glorious Revolution macht denkbar, was nach der ersten Revolution und der Enthauptung Karls I. undenkbar schien: Dass ein Parlament friedlich bestimmen kann, welcher Regent die Macht im Interesse der jetzt unabhängigen Bürger ausübt.
  • Im Verlauf der militärischen Auseinandersetzungen entsteht schließlich ein Konsens über Sitten, nach denen Krieg bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs zu führen ist: Unter Wahrung der menschlichen Ressourcen, zivilisiert von Heeren, die von Generälen geführt werden, ohne das Land im selben Moment zu verwüsten. Europa bleibt von Kriegen gezeichnet, doch erlebt es diese Ende des 17. Jahrhunderts neu als Leistungen einer politisch kontrollierten europäischen Zivilisation.

Zu weiteren Theman siehe auch

Siehe auch

Literatur

  • Geoffrey Parker, Lesley M. Smith (Hrsg.): The general crisis of the seventeenth century. 2. Auflage, London 1997, ISBN 0-415-16518-0.

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