Atmosphäre (Ästhetik)

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Als Atmosphäre wird namentlich in der Phänomenologie und Ästhetik eine Art von objektiver Stimmung bezeichnet, die den Raum, z.B. ein Zimmer oder auch eine ganze Landschaft erfüllt und sich weniger durch die einzelnen Gegenstände und Personen selbst, sondern vor allem durch ihr Zusammenwirken zu einem fühlbaren, charakteristischen Gesamtbild erzeugt. Jede Landschaft, jede Stadt, jede Wohnung, jedes Zimmer, jede Menschenversammlung hat, objektiv betrachtet, eine charakteristische Stimmung, die dem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen wird.

Wie klar und deutlich die Atmosphäre wahrgenommen wird, hängt aber zugleich auch stark von der subjektiven Empfindungsfähigkeit ab. Die subjektiven und objektiven Anteile der Stimmung voneinander zu klar zu trennen, erfordert einige Übung in seelischer Beobachtung, denn man man muss dabei ganz von der eigenen Befindlichkeit und von jeder persönlichen Sympathie und Antipathie, die sich oft sehr stark geltend machen, absehen können. Der deutsche Philosoph Wikipedia:Gernot Böhme schreibt dazu:

„Atmosphären haben also als gestimmte Räume etwas quasi Objektives. Ob es sehr geschickt ist, dieses Gefühle zu nennen, sei dahingestellt. Wenn man aber von quasi objektiven Gefühlen spricht, so ist deutlich, daß sie von dem unterschieden sind, was man empfindet. Die Melancholie mag atmosphärisch in der Luft liegen, aber wenn ich melancholisch bin, dann im Sinne meiner affektiven Betroffenheit durch Melancholie. Nenne ich letzteres meine Melancholie, dann ist sie eine subjektive Tatsache im Sinne von Hermann Schmitz[1], während die quasi objektive Melancholie, die atmosphärisch in der Luft liegt, etwas ist, das viele Menschen spüren können, und zwar sogar so, daß sie trotz der Subjektivität des Spürens sich über den Charakter dessen, was sie spüren, verständigen können.“

Gernot Böhme: Aisthetik, S. 49

Literatur

  1. Gernot Böhme: Atmosphäre: Essays zur neuen Ästhetik. Suhrkamp Verlag 2013, ISBN 978-3518126646
  2. Gernot Böhme: Aisthetik: Vorlesungen über Ästhetik als allgemeine Wahrnehmungslehre, Wilhelm Fink Verlag, München 2001, ISBN 978-3770536009
  3. Hermann Schmitz: System der Philosophie, Band 3, Teil 4, Bouvier Verlag, Bonn 1977
  4. Hermann Schmitz: Atmosphären, Verlag Karl Alber 2014, ISBN 978-3495486740
  1. »Eine Tatsache ist ein Sachverhalt, der in einem Satzausspruch angemessen beschrieben werden kann. Eine Tatsache ist subjektiv, wenn zu ihrer angemessenen Beschreibung strikt ichbezogene Ausdrücke ... erforderlich sind.« (Schmitz 1977, 372) Schmitz Standardbeispiel für letzteres ist der Satz Ich bin traurig.