Göttliche Komödie/Paradiso und Orakel von Delphi: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Bild:Dante_Bueste.jpg|thumb|250px|[[Wikipedia:Büste|Büste]] Dantes]]
[[Datei:Themis Aigeus Antikensammlung Berlin F2538 n2.jpg|mini|hochkant=1.3|[[Themis (Mythologie)|Themis]] in der Rolle der Pythia prophezeit dem [[Wikipedia:Aigeus|Aigeus]] einen Sohn. [[Wikipedia:Attische Vasenmalerei|Attisch-]][[Wikipedia:Rotfigurige Vasenmalerei|rotfigurige]] [[Wikipedia:Kylix (Gefäß)|Kylix]] des [[Wikipedia:Kodros-Maler|Kodros-Maler]]s, um 435 v. Chr., gefunden in [[Wikipedia:Vulci|Vulci]], heute in der [[Wikipedia:Antikensammlung Berlin|Antikensammlung Berlin]].]]
==Paradiso==
===Übersicht===
[[File:Dante and Beatrice (Osterely).jpg|thumb|250px|Carl Wilhelm Friederich Oesterly: Dante und Beatrice]]
[[File:Christiansen Dante and Beatrice in Paradise 1893.jpg|thumb|250px|Poul S. Christiansen, Dante und Beatrice im Paradies, 1835]]
<table align="center"><tr><td>
<div>1&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>Anruf an Apollon. </i>Aufstieg durch die Feuersph&auml;re zur Mondsph&auml;re.</div><div>2&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>[[Mondsph&auml;re]]. Belehrung &uuml;ber die finsteren Stellen auf der Mondfl&auml;che.</i></div><div>3&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Niedrigste Form der Seligkeit. Piccarda. Gel&uuml;bde.</div><div>4&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Zusammenhang der Seelen mit den Sternen (Plato) &uuml;ber gebrochene Gel&uuml;bde.</div><div>5&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>[[Merkursph&auml;re]]</i> Die Ehrgeizigen im edelen Sinne.</div><div>6&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Kaiser Justinian. <i>Geschichte Roms.</i></div><div><i>7&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; </i>Lehre der Erl&ouml;sung <i>,Nella Fiamma d'Amor'.</i></div><div>8&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>[[Venussph&auml;re]] </i>Diejenigen die viel geliebt haben. Karl Martell.</div><div>9&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Cunizza; Folco von Marseille (Minnes&auml;nger).</div><div>10&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>[[Sonnensph&auml;re]]. Kreis von Lichtern: die Weisen. S. Thomas von Aquino Reigen.</i></div><div>11&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>Lobrede &uuml;ber S. Franziscus von Assisi durch S. Thomas.</i></div><div>12&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>Zweiter Lichtkreis. S. Bonaventura lobt und preist S. Dominicas.</i></div><div>13&nbsp;&nbsp;&nbsp; Reigen der 24 Lichter. Thomas belehrt Dante &uuml;ber Adam und Christus, </div><div>&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; &uuml;ber die Sch&ouml;pfung.</div><div>14&nbsp;&nbsp;&nbsp; K&ouml;nig Salomon spricht &uuml;ber den Auferstehungsleib. </div><div>&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Dritter Lichtkreis. Aufstieg zur <i>[[Marssph&auml;re]]; </i>Kreuz der Märtyrerseelen.</div><div>15&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>Dantes Vorfahr Cacciaguida.</i></div><div>16&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>Cacciaguidas Bild der alten Stadt Florenz.</i></div><div>17&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>Prophetie Cacciaguidas &uuml;ber Dantes Schicksal.</i></div><div>18&nbsp;&nbsp;&nbsp; Aufstieg zur <i>[[Jupitersph&auml;re]]. </i>Gerechte F&uuml;rsten.</div><div>19&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>Der Adler der gerechten Seelen. Gerechtigkeit Gottes.</i></div><div>20&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>G&ouml;ttlicher Gnade; Trajanus. Ripheus.</i></div><div>21&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>[[Saturnsph&auml;re]] </i>Die kontemplativen Seelen. Himmelleiter. Schallender Ruf.</div><div>22&nbsp;&nbsp;&nbsp; Erkl&auml;rung des Rufes: Erniedrigung des Bonifacius VIII durch Frankreich. </div><div>&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; S. Benedictus. </div><div><i>&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; [[Tierkreis|Sph&auml;re der Fixsterne]]. </i>Dante in seinem Sternbild: Zwillinge.</div><div>23&nbsp;&nbsp;&nbsp; Erscheinung Christi und Mariae.</div><div>24&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>Petrus. Frage &uuml;ber den Glauben. Dantes Credo.</i></div><div>25&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>Jacobus Frage &uuml;ber die Hoffnung. </i>Johannes. Dante erblindet.</div><div>26&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>Johannes Frage &uuml;ber die Liebe. </i>Dante wird wieder sehend. Gespr&auml;ch mit Adam.</div><div>27&nbsp;&nbsp;&nbsp; Bu&szlig;rede Petri gegen die Entartung der Kirche. <i>[[Primum Mobile]].</i></div><div>28&nbsp;&nbsp;&nbsp; Im [[Kristallhimmel]]. Die Engelswelt und Körperwelt in ihrer Beziehung; die Intelligenzen.</div><div>&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Belehrung: über die [[Engelshierarchie]] in neun Kreisen.</div><div>29&nbsp;&nbsp;&nbsp; Beatrices Belehrung &uuml;ber die Engel.</div><div>30&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>[[Empyreum]]. </i>Au&szlig;erhalb des Raumes und der Zeit. Das Lichtmeer. </div><div><i>&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Die Himmelsrose. </i>Sessel der seligen Geister.</div><div>31&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>Himmelsrose. Beatrice nimmt ihren Sessel ein. </i><i>S. Bernardus von Clairvaux. </i></div><div><i>&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Dantes Danksagung.</i></div><div>32&nbsp;&nbsp;&nbsp; Erkl&auml;rung der Einteilung der Himmelsrose.</div><div>33&nbsp;&nbsp;&nbsp; <i>S. Bernardus' Gebet an Maria. Die drei Zirkel. </i><i>Antlitz Gottes: Visio Dei.</i></div><div><i>&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Dante f&uuml;hlt seinen Willen und seine Sehnsucht aufgenommen in die Liebe, </i></div><div><i>&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; die das All bewegt.</i></div>
</td></tr></table>


=== Sonnensphäre ===
Das '''Orakel von Delphi''' war eine [[Weissagung]]sstätte des [[Wikipedia:Antikes Griechenland|antiken Griechenlands]]. Sie befand sich am Hang des [[Wikipedia:Parnass|Parnass]] bei der Stadt [[Wikipedia:Delphi|Delphi]] in der Landschaft [[Wikipedia:Phokis|Phokis]]. Die Kultstätte von Delphi mit dem Orakel war die wichtigste der [[Wikipedia:Hellenen|hellenischen]] Welt und bestand bis in die [[Wikipedia:Spätantike|Spätantike]]. Delphi galt lange Zeit sogar als Mittelpunkt der Welt, der symbolisch durch den [[Omphalos]] markiert wurde.
==== Der Auferstehungsleib ====
[[Datei:Dantes Himmelsspirale.jpg|thumb|250px|Dantes Himmelsspirale. Illustration zu [[Dante]]s [[Divina Commedia]] von [[Wikipedia:William Blake|William Blake]].]]
Die Liebeskraft des Christus ist es, die die düsteren Kräfte, die uns am geistigen Aufstieg im nachtodlichen Leben hindern würden, aus unseren Wesensgliedern herausreißt – und das war auch schon in vorchristlicher Zeit seit dem Sündenfall so. Diese finsteren und kalten Seelenkräfte sind es, die sich vor allem in den Erdentiefen sammeln bzw. als düstere Decke über die Erde breiten und von denen Dante in den Gesängen des Infernos und des Purgatorios spricht. Diese Kräfte sind es aber auch, die unserer Hüllennatur ihre undurchdringliche Festigkeit verleihen - allerdings auf verfehlte Weise, denn sie materialisieren unsere Hüllen zu einem sterblichen stofflichen Körper, der immer wieder dem Zerfall anheim gegeben wird, weil er sich spröde den gestaltenden geistigen Kräften widersetzt und unter deren Ansturm notwendig zerbricht. Im geistigen Leben nach dem Tode fehlen uns daher wesentliche Teile unserer Hüllennatur. Vom Astralleib fällt alles ab, was mit irdisch egoistischen Begierden durchsetzt ist. Vom Ätherleib, der der Träger des Gedächtnisses und u.a. auch der menschlichen Temperamente ist, können wir nur einen schwachen Auszug in das geistige Dasein mitnehmen. Und der physische Leib, der am meisten von der "Verstofflichung" befallen ist, wird mit dem Tode fast völlig abgestreift. Dabei ist daran zu erinnern, dass physischer Leib und stofflicher Leib nicht gleichbedeutend sind. Der physische Leib ist die nur übersinnlich erfahrbare Formgestalt des Menschen, von Rudolf Steiner auch als Phantomleib bezeichnet, die nur dadurch sinnlich sichtbar wird, dass sie sich mit irdischer Stofflichkeit erfüllt. Alles irdisch Stoffliche verfällt dem Grab, und das ist für das nachtodliche Leben kein Verlust. Aber wir verlieren eben auch wesentliche Teile unserer physischen Formgestalt – und das ist eine entscheidende Einbuße, denn gerade diese Formgestalt gibt uns jene feste Grenze, ohne die wir unser Selbstbewusstsein nicht weiterentwickeln können. Das einmal im irdischen Dasein erworbene Ichbewusstsein geht zwar nicht verloren, aber es kann im Leben nach dem Tod wegen des mangelnden Grenzerlebnisses nicht weiterentwickelt werden. Das geht erst wieder im nächsten Erdenleben. Damit der Mensch einmal aus dem Kreislauf der Wiedergeburten herauskommen und dauerhaft in ein geistigeres Leben übertreten kann, muss erstens seine Ich-Kraft gestärkt werden und zweitens seine Hüllennatur vor dem Verfall gerettet werden. Alle Verfehlungen, die wir im irdischen Leben begannen haben, schwächen unsere Ich-Kraft. In einem neuen Erdenleben können wir aber diese Fehler im Zuge des Schicksalsgeschehens selbst ausgleichen. Unsere Hüllen hingegen können wir nicht alleine aus eigener Kraft vor dem Sturz in die Finsternis bewahren. Dazu bedarf es der lichten Auferstehungskraft des Christus, die sich durch das Mysterium von Golgatha mit der Erdensphäre verbunden hat. Nur wenn wir uns mit dieser lichten Auferstehungskraft durchdringen, werden wir fähig, das strahlende Licht der geistigen Welt zu ertragen, ohne dass unser Ichbewusstsein durch ihren Glanz so überstrahlt wird, dass wir uns selbst vergessen und verlieren. In seiner Schilderung der geistigen Sonnensphäre weist Dante darauf sehr deutlich hin. Beatrice, die jetzt seine Führerin durch die geistige Welt ist, bittet die im Lichte strahlenden Geister, Dantes diesbezügliche unausgesprochene Frage zu beantworten:


<center>
== Mythologie ==
{|
[[Datei:Columns of the Temple of Apollo at Delphi, Greece.jpeg|mini|hochkant=1.3|Tempel des Apollon in Delphi]]
|-
| <poem>{{Zeile|10}} „Ihm thut es Noth, obwohl er’s euch nicht kund
In Worten giebt, noch läßt im Innern lesen,
Zu spähn nach einer andern Wahrheit Grund.
{{Zeile|13}} Sagt ihm, ob dieses Licht, das euer Wesen
So schön umblüht, euch ewig bleiben wird
Im selben Glanze, wie’s bis jetzt gewesen;
{{Zeile|16}} Und, bleibt’s, so sagt, damit er nimmer irrt,
Wie, wenn ihr werdet wieder sichtbar werden,<ref>17. ''Wenn ihr werdet wieder sichtbar werden'', wenn euch nach dem Weltgerichte euer Körper wieder bekleiden wird. Er setzt nämlich voraus, daß, da den Seligen mit ihrem Körper auch alle Organe desselben wieder werden verliehen werden, das Licht, welches jetzt ihre Seelen umgiebt, für ihre Augen zu blendend sein werde.</ref>
Es euren Blick nicht blendet und verwirrt.“
                                      (Paradiso 14,10-18)</poem>
|}
</center>


Worauf aus dem Chor der Geister die Antwort tönt:
Dem [[Mythos]] zufolge ließ [[Zeus]] zwei Adler von je einem Ende der Welt fliegen, die sich in Delphi trafen. Seither galt dieser Ort als Mittelpunkt der Welt.


<center>
Die Erdmutter [[Gaia (Mythologie)|Gaia]] vereinigte sich mit dem Schlamm, der nach dem Ende des [[Goldenes Zeitalter|Goldenen Zeitalters]] von der Welt übrig blieb, und gebar die geflügelte Schlange [[Python (Mythologie)|Python]] (oft auch als „Drache“ bezeichnet). Python hatte hellseherische Fähigkeiten und lebte an dem Ort, der später Delphi heißen sollte. Nach verschiedenen Varianten der Sage war Python weiblich oder männlich.
{|
|-
| <poem>{{Zeile|37}} „So lang die Lust im himmlischen Gefilde,
So lange währt auch unsre Lieb’ und thut
Sich kund um uns in diesem Glanzgebilde.
{{Zeile|40}} Und ''seine Klarheit, sie entspricht der Glut'',
''Die Glut dem Schau''’n, und dies wird mehr uns frommen,
Je mehr auf uns ''die freie Gnade'' ruht.
{{Zeile|43}} Wenn wir den heil’gen Leib neu angenommen,
Wird unser Sein in höhern Gnaden stehn,
''Je mehr es wieder ganz ist und vollkommen''.
{{Zeile|46}} Drum wird sich das freiwill’ge Licht erhöhn,
Das wir vom höchsten Gut aus Huld empfangen,
Licht, welches uns befähigt, Ihn zu sehn,
{{Zeile|49}} Und höher wird zum Schau’n der Blick gelangen,
Höher die Glut sein, die dem Schau’n entglüht,
Höher der Strahl, der von ihr ausgegangen.
{{Zeile|52}} Doch wie die Kohle, der die Flamm’ entsprüht,
Sie an lebend’gem Schimmer überwindet
Und bleibt erkennbar, wie auch jene glüht;
{{Zeile|55}} So wird der Glanz, der jetzt schon uns umwindet,
Dereinst besiegt von unsres Fleisches Schein,
Wenn Gott es seiner Grabeshaft entbindet.
{{Zeile|58}} Nicht wird uns dann so heller Glanz zur Pein,
Denn stark, um alle Wonnen zu genießen,
Wird jedes Werkzeug unsers Körpers sein.“
                                      (Paradiso 14,37-60)</poem>
|}
</center>


=== Die Engelhierarchien ===
[[Hera]], die Frau des Zeus, war eine Enkelin Gaias. Gaia prophezeite ihrer eifersüchtigen Enkelin, dass [[Leto (Mythologie)|Leto]], ihre Nebenbuhlerin und eine der Geliebten des Zeus, dereinst Zwillinge gebären würde, die größer und stärker als alle ihre Kinder sein würden. So schickte sie Python los, um Leto zu verschlingen, noch bevor diese ihre Kinder zur Welt bringen konnte. Diese Intrige wurde von Zeus verhindert, und Leto gebar [[Artemis]] und [[Apollon]].
[[Bild:Dore_paradisio34.jpg|thumb|250px|Gustave Doré, Illustration zu Dantes Paradiso]]
[[File:Un punto vidi che raggiava.jpg|mini|250px|[[Wikipedia:John Flaxman|John Flaxman]]: ''Un punto vidi che raggiava'' (Mir strahlt’ ein Punkt, so glanzentglüht und scharf...)]]
Im 28. Gesang wird Dantes Blick für die geistigen [[Hierarchien]] eröffnet:


<center><table width="800px"><tr><td valign="top">
[[Datei:Tholos Athena Pronaia.JPG|mini|hochkant=1.3|[[Wikipedia:Tholos|Tholos]] im Heiligtum der Athena Pronaia in Delphi]]
<poem>{{Zeile|13}} Ich sah jetzt ''das'' mir in die Augen dringen,
Als ich die Blicke suchend rückwärts warf,
''Was'' die erspähn, die diesen Kreis erringen.
{{Zeile|16}} Mir strahlt’ ein Punkt, so glanzentglüht und scharf,<ref>[16. ''Ein Punkt'', Gott, als die untheilbare Einheit.]</ref>
Daß nie ein Auge, das er mit dem hellen
Glutschein bestrahlt, ihm offen trotzen darf.
{{Zeile|19}} Ließ sich zu ihm das kleinste Sternlein stellen,<ref>19. Allegorisch kann das heißen: Alles, was sich Gott nähert, wird groß und erhaben, sei es auch im Raume noch so klein; denn ihm nähert man sich nur durch Glauben und durch das Gesetz der Ordnung, in welchem alle Dinge gottähnlich werden. (S. Ges. 1 V. 103.)</ref>
Ein Mond erschien’ es, könnt’ es seinem Licht,
So nah’, wie Stern dem Stern, sich beigesellen.
{{Zeile|22}} So weit, als Sonn’ und Mond ein Hof umflicht,
Vom eignen Glanz der beiden Stern’ entsprungen,
Wenn sich in dichtem Dunst ihr Schimmer bricht,
{{Zeile|25}} War um den Punkt ein Kreis, so schnell geschwungen<ref>[25–78. Auch hier sei zum leichteren Verständniß ''Sinn'' und ''Gedankenfolge der folgenden schwierigen'' Stelle zum Voraus markirt. Um zu der letzten der fortlaufenden Belehrungen des Paradieses über die Engel, ihre Hierarchie und Wirksamkeit, ihre Schöpfung und ihren Fall, zu kommen, schickt der Dichter eine Gegenüberstellung der neun Engelskreise und der neun irdischen Himmelskreise voraus. – Diese höchst sinnvolle ''Parallele der Geisterwelt und der Sinnenwelt'' bewegt sich um folgende Vergleichungs-,  bezhdl. Divergenz-Punkte: Die (ptolemäische) Ordnung der neun Himmel hat ihr ''Urbild'' in den neun Engelskreisen, V. 56. Von letzteren und ihrem göttlichen Mittelpunkt hängen jene, sammt der ganzen Natur, ab V. 41 ff. Denn ''sie'' sind, wie wir schon aus Ges. 2, 112–144, Ges. 8, 34 und Hölle 7, 74 wissen, die Intelligenzen, die Beweger jener. ''Dieses Urbild des Abbilds sieht nun D. hier'' V. ''25–39''. Und zwar gerade hier im Krystallhimmal, weil, wie wir ebenfalls wissen, von ''diesem aus'' die Wirksamkeit der Intelligenzen sich entfaltet. ''Aber'' D. ''entdeckt auch einen Widerspruch zwischen beiden'' V. 43–57. Denn sie verhalten sich in ihrer Stufenfolge nach Bewegung und Kraft gerade umgekehrt zu einander. ''Dort'' ist der geistige Mittelpunkt Gott und je ''kleiner'' und ''näher'', desto schneller und lichter sind die Kreise. ''Hier'' ist der körperliche Mittelpunkt die Erde und je ''größer'' und ''ferner'' von ihr, desto schneller und lichter sind die Kreise. ''Dieser (scheinbare) Widerspruch wird ihm jedoch gelöst durch Beatrice'' V. 58–78. Er beruht auf einem naturnothwendigen Weltgesetz, welches D. nicht weiter beweist: Die Körperwelt ist räumlich und hat im Raum zu wirken. Darum sind auch ihre unsichtbaren Kräfte an räumliche Verhältnisse geknüpft (V. 64–66) und die edelste Kraft, die „zum größten Heile“ wirken soll, strebt am Meisten nach Raum, muß also den größten Raum, gleichmäßig vertheilt, erfüllen (V. 67–69). Daher der schnellste und größte neunte Himmel, in welchem wir uns jetzt befinden, das <tt>primum mobile</tt>, eben zugleich der gotterfüllteste ist (V. 70) und in seiner Weise dem kleinsten und gottesnächsten Engelskreise entspricht (V. 71. 72). Denn bei letzteren, der körperlosen Welt, herrscht das intensive, wie dort das extensive Princip (V. 73–75). Und so besteht also kein Widerspruch, sondern ein bewundernswerthes Ineinandergreifen, vermöge dessen der größte und wichtigste Körperkreis <tt>primum mobile</tt> von dem kleinsten und gotteskräftigsten Engelkreis, der nächste kleinere (Fixstern-) Himmel von dem nächsten größeren Engelskreis – und so weiter – bewegt wird (V. 76–78).]</ref>
In reger Glut, daß er auch überwand
Den schnellsten Kreis, der rings die Welt umschlungen.
{{Zeile|28}} Und dieser war vom zweiten rings umspannt,
Um den der dritte dann, der vierte wallten,
Die dann der fünfte, dann der sechst’ umwand.
{{Zeile|31}} Drauf sah man sich den siebenten gestalten,
So weit, daß Iris halber Kreis, auch ganz,<ref>[32. D. h. der, zum ganzen Kreis vollendete, Regenbogen.]</ref>
Doch viel zu enge wär’, ihn zu enthalten.
{{Zeile|34}} Dann wand der achte sich, der neunte Kranz,
Und jeder war langsamer’n Schwungs, je weiter
Er ferne stand von jenem ''einen'' Glanz.
{{Zeile|37}} Und jedes’ Licht ist reiner ''mehr'' und heiter,
Je ''minder'' fern er ist von ''seiner'' Spur,
Und in der reinen Glut je eingeweihter.
{{Zeile|40}} Sie, die mich sehend, meinen Wunsch erfuhr,
Sprach ungefragt: „''Von diesem Punkte hangen''
''Die Himmel ab, die sämmtliche Natur''.
{{Zeile|43}} Sieh jenen Kreis, der ihn ''zunächst'' umfangen;
Das, was ihn treibt, daß er so eilig fliegt,
''Es ist der heil’gen Liebe Glutverlangen''.“<ref>[45. „Die Liebe,“ die Sehnsucht, sich dem Einen, Göttlichen zu verbinden, ist die Urbewegerin von allem. Dies ist hinlänglich bekannt aus dem ganzen Paradies. Vgl. übrigens zu Ges. 27, 106–120 und gegenwärtigen Ges. V. 100. 101.]</ref>
{{Zeile|46}} Und ich zu Ihr: „„Wäre ''die Welt'' gefügt
Nach dem Gesetz, das herrscht ''in diesen'' Kreisen,
So hätte völlig mir dein Wort genügt.
{{Zeile|49}} Doch in der Welt, ''der sichtbaren'', beweisen,
Die Schwingungen je größre Göttlichkeit,
Je ''ferner'' sie vom Mittelpunkte kreisen.
{{Zeile|52}} Drum soll in dieser ''Engels-Herrlichkeit'',
Im Tempel, den nur Lieb’ und Licht umschränken,
Ich ruhig sein, von jedem Wunsch befreit,
{{Zeile|55}} So sprich: Wie kommt’s – ich kann mir’s nicht erdenken –
Daß Abbild sich und Urbild nicht entspricht
Und andere Gesetze beide lenken?““
{{Zeile|58}} „Genügt dein Finger solchem Knoten nicht,
So ist’s kein Wunder; weil ihn zu entstricken
Niemand versuchte, ward er fest und dicht.“
{{Zeile|61}} Sie sprach’s, und dann: „Nimm, um dich zu erquicken,
Das, was ich dir verkünden werd’; allein
Betracht’ es ganz genau mit scharfen Blicken.
{{Zeile|64}} Ein Körperkreis muß weiter, enger sein,
Je wie die Kraft, die sich durch seine Theile
Gleichmäßig ausdehnt, groß ist oder klein.
{{Zeile|67}} Die größre Güte wirkt zu größerm Heile,
Und größres Heil füllt größeres Gebiet,
Ward jeder Gegend gleiche Kraft zu Theile.
{{Zeile|70}} Der Kreis drum, der das Weltall mit sich zieht,
In seinem Schwung, entspricht in seiner Weise
Dem, der am meisten liebt, am tiefsten sieht.
{{Zeile|73}} Darum, wenn du dein Maß dem ''innern Preise'',
Und nicht dem ''äußern Umfang'' angelegt,
Von dem, was dort erscheint, wie runde Kreise,</poem></td><td valign="top"><poem>
{{Zeile|76}} So wirst du, zur Bewunderung erregt,
Das Mehr und Minder sich entsprechen sehn
In jedem Kreis, und dem, was ihn bewegt.“ –
{{Zeile|79}} Wie rein das Blau erglänzt aus Aethershöhen,
Wenn Boreas Luft aus jener Backe stößt,<ref>[80 ff. Der klärende Nordost.]</ref>
Aus der gelinder seine Hauche wehen,
{{Zeile|82}} So, daß vom Dunst gereinigt und gelöst,
Der ihn getrübt, in seinen weiten Auen
Der Himmel lächelnd jeden Reiz entblößt;
{{Zeile|85}} So ward mir jetzt beim Worte meiner Frauen,<ref>85. ''Meiner Frauen'', für: meiner Herrin. Man möge jene Form, die ohnehin nicht ungewöhnlich ist, z. B. das Kloster unserer lieben Frauen, zu gut halten.</ref>
Denn dieses ließ die Wahrheit mich so klar,
Wie einen Stern am reinen Himmel schauen.
{{Zeile|88}} Und als ihr heil’ges Wort beendet war,
Da stellten anders nicht, als siedend Eisen,
Sich jene Kreise, Funkend sprühend, dar.
{{Zeile|91}} Die Funken folgten den entflammten Kreisen
In größrer Meng’, als durch Verdoppelung
Schachfelder sich vertausendfacht erweisen.<ref>[93. Man kennt die Geschichte, wornach der Erfinder des Schachspiels von seinem Fürsten so viele Getreidekörner zum Lohn forderte, als herauskämen, wenn man auf das erste Feld des Bretts ein Korn und auf jedes weitere immer doppelt soviele legen würde, als auf das vorangegangene. Der König lachte ob der Kleinigkeit, bis ihm der Andere nachwies, daß die ungeheuerste Zahl von vielen Billionen und mehr herauskomme.]</ref>
{{Zeile|94}} Dem festen Punkt, der sie ohn’ Aenderung
Dort, wo er sie erhält, auch wird erhalten,
Scholl Lobgesang aus dieser Kreise Schwung.
{{Zeile|97}} „Zwei Kreise sieh dem Punkt zunächst sich halten,“<ref>[97. Die Hierarchie der Engel im Einzelnen, wie sie im Folgenden dargestellt wird, ist, nächst den Stellen Ephes. 1, 21, Col. 1, 16, dem Pseudo-Dionysius (Areopagita), V. 115 ff., speziell seinem Buch <tt>„de coelesti hierarchia“</tt> entnommen.]</ref>
Sie sprach’s, stets wissend, was mein Geist ersinnt,
„Und ''Seraphim'' und ''Cherubim'' drin walten.
{{Zeile|100}} Sie folgen ihren Fesseln so geschwind,<ref>[100 ff. Vgl. zu 45. „Ihre Fesseln,“ die Bande der ''Liebe'', die sie ewig in Gottes Nähe fesselt, aber auch ewig umschwingt, um sich Ihm immer näher zu verbinden – was sie nach dem Maß ihres Schauens erreichen. Denn, V. 109 ff., je mehr wir Gott erkennen, desto mehr lieben wir ihn. – Darum ist ja durch’s ganze Paradies das „Schauen Gottes“ die Seligkeit, die der Mensch erringen soll, wie sie der Engel schon hat. Und gleichwie unter den seligen Seelen Stufen des Schauens sind – vgl. Vorbem. S. 398 und zu Parad. 3, 49; 4, 19 – so unter den seligen Engeln.]</ref>
So viel sie können, Ihm sich anzuschließen,
Und können’s, wie sie hoch im Schauen sind.
{{Zeile|103}} Die Gluten drauf, die diese rings umfließen,
Die ''Throne'' sind’s, von Gottes Angesicht
Benannt, weil sie die erste Dreizahl schließen.
{{Zeile|106}} So groß ist Aller Wonn’, als ihr Gesicht,
Tief in die ew’ge Wahrheit eingedrungen,
Die alle Geister stillt mit ihrem Licht.
{{Zeile|109}} Durch Schau’n wird also Seligkeit errungen,
Nicht durch die Liebe, denn sie folgt erst dann,
Wenn sie dem Schau’n, wie ihrem Quell, entsprungen.
{{Zeile|112}} Und das Verdienst, das durch die Gnade man
Und Willensgüt’ erwirbt, ist Maß dem Schauen.
So steiget man von Grad zu Grad hinan.
{{Zeile|115}} Die andre Dreizahl, die in diesen Auen
Des ew’gen Lenzes blüht, und welcher nie
Das Laub entfällt bei nächt’gen Widders Grauen,<ref>117. Im Frühlinge geht die Sonne im Widder auf und unter, bewegt sich also mit ihm durch den Himmel und macht ihn unsichtbar. Im Herbste dagegen ist er des Nachts über dem Horizonte. Der Sinn ist: in der Wonne, die hier blüht, ist kein Wechsel.</ref>
{{Zeile|118}} Singt ewig in dreifacher Melodie
Hosiannasang in dreien sel’gen Schaaren,
Und also Eins aus Dreien bilden sie.
{{Zeile|121}} ''Herrschaften'' sind’s, die erst sich offenbaren,
Sodann die ''Kräfte'' sind im zweiten Kranz,
Im dritten sind die ''Mächte'' zu gewahren.
{{Zeile|124}} Die ''Fürstenthümer'' sieh zunächst im Tanz,
Dann die ''Erzengel'' ihre Lieb’ erproben;
Den letzten Kreis füllt ''Engelsfeier'' ganz.<ref>126. ''Engelsfeier'', im Ital.: <tt>angelici ludi</tt>, die untergeordnetsten, durch keine besondere Benennung ausgezeichneten Engel.</ref>
{{Zeile|127}} Die Ordnungen ''schau''’n ''allesammt nach oben'';<ref>[127 ff. Vgl. oben zu V. 25–76, Ges. 27, zu V. 106–120, Ges. 2, 112–144.]</ref>
''Nach unten wirken sie'', was lebt mit sich
Zu Gott erhebend und zu ihm erhoben;
{{Zeile|130}} Und Dionysius rang so brünstiglich,
Damit sein Blick die Ordnungen betrachte,
Daß er sie nannt’ und unterschied wie ich.
{{Zeile|133}} Wahr ist es, daß Gregorius anders dachte,<ref>133. Der heilige Gregor ordnete die Engel etwas anders, indem er an die Stelle der ''Throne'' die ''Mächte'' u. s. w. setzte.</ref>
Doch er belächelte dann seinen Wahn,
Sobald er erst in diesem Reich erwachte.
{{Zeile|136}} Hat solch Geheimniß kund ein Mensch gethan,
So staune nicht; von Ihm, der Alles schaute,
Hatt’ er davon auf Erden Kund’ empfahn,
{{Zeile|139}} Der sonst auch viel vom Himmel ihm vertraute.“
                                  (Paradiso 28)</poem>
</td></tr></table></center>


Die durchlichte Liebeswärme, die der Christus in die Erdenwelt ergossen hat, entreißt den Widersachen die geraubten Teile unserer Wesenshüllen, die durch die "Sünde" korrumpiert sind. Der Christus hat diese Sünden, die substantiell die den Widersachern verfallenen Teile unserer Wesenshüllen sind, auf sich genommen und geheilt. Das ist die eigentliche Bedeutung der Worte Johannes des Täufers: "Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!" (Joh 1,29) Die von den Sünden gereinigte, von Liebeskraft durchdrungene Hüllennatur hält dem geistigen Licht bis in die höchsten Höhen stand. Die Begnadung durch das höchste Geistige kann dann der Mensch ertragen, und sich selbst als eigenständiges Bild des Göttlichen erfassen:
Eine der ersten Taten Apollons war die Rache an Python für den Anschlag auf seine Mutter. Er stellte sich gegen Python bei Delphi und tötete den Drachen. Durch das vergossene Blut Pythons übertrugen sich dessen hellseherischen Fähigkeiten auf den Ort. So wurde Delphi der Kontrolle Gaias entrissen und befand sich fortan unter dem Schutze Apollons.


[[File:Dell' alto lume parvemi a.jpg|miniatur|250px|[[Wikipedia:John Flaxman|John Flaxman]]: '' De l'alto lume parvemi tre giri, <br>Di tre colori e d'una continenza...'' (Im tiefsten Schooß vom lichten Strahlenschein<br>Schienen drei Kreise schimmernd mir zu sehen ...) Paradiso 33]]
== Geschichte ==


<center>
Der Kult in Delphi, das bis zum fünften Jahrhundert v. Chr. ''Pytho'' hieß, galt laut mythologischem Bericht zunächst der Erdgöttin [[Gaia (Mythologie)|Gaia]] und erst später dem [[Apollon]]. Der genaue Zeitpunkt der Übernahme des Heiligtums durch Apollon ist nicht mehr feststellbar, doch bereits bei [[Wikipedia:Homer|Homer]] wird von einem Apollonkult in Delphi gesprochen. Funde zeigen einen Aufstieg des Heiligtums ab dem achten Jahrhundert v. Chr.
{| width="800px" |
|-
| valign="top"| <poem>
{{Zeile|115}} Im tiefsten Schooß vom lichten Strahlenschein
Schienen ''drei Kreise'' schimmernd mir zu sehen,
''Drei''farbig und an Umfang ''eins'' zu sein.
{{Zeile|118}} Wie Iris von der Iris glänzt, so ''zween''
Im Wiederschein; der ''dritt’'', als Gluth und Licht
Schien’ er ''gleichförmig beiden'' zu entwehen.
{{Zeile|121}} Für meine ''Vorstellung'' des Worts Bericht,<ref>[121–123. Wie schon ähnlich V. 68, 74, 90, erinnert hier D. nochmals daran, daß sein Ausdruck der Darstellung seiner ''Gedanken'', seiner ''Vorstellung'' des Geschauten nicht genüge, noch viel weniger seiner vollen Schau selber, gegen welche die zurückgebliebene Vorstellung selbst arm und winzig sei.]</ref>
Er ist zu arm! Und nehm’ ich, was beschieden
Mir war zu seh’n, wie arm ist ''diese'' nicht!
{{Zeile|124}} O ew’ges Licht, du, in dir selbst im Frieden,<ref>[124–144. Hier erfolgt weiterhin die Enthüllung des letzten und tiefsten Geheimnisses innerhalb der Trinität: ''der Menschwerdung''. D. recapitulirt zuerst das Verhältniß der drei Personen V. 124–126: Der Vater ist das in und auf sich selbst ruhende Licht; sich selbst erkennend zeugt er den Sohn; der sich Erkennende und Erkannte, Sohn und Vater, sich selbst in Liebe lächelnd, lassen den Geist hervorgehen. – Dante wendet sich nun insbesondere gegen den mittleren Kreis und sieht diesem in dessen eigener Farbe das Menschenantlitz aufgeprägt, 127–132. Dies ist das Bild der Menschwerdung, zugleich aber auch der ''ursprünglichen'', unauslöschlichen, durch den Sohn wieder ''erneuten Gottebenbildlichkeit des Menschen''. Wie der Geometer die Quadratur des Zirkels sucht, so will nun D. ermessen, ''warum'' das Menschenbild dem zweiten Kreise, dem Sohn, zukomme {{Seite|619}} und ''wie'' darin die Vereinigung von Göttlichem und Menschlichem zu Stande komme, V. 133–138. Aber so wenig der Geometer je durch all’ sein Forschen jene Aufgabe löst, so wenig der Menschengeist dies Problem, 133, 139. Da plötzlich wird sein Geist von einem unmittelbar der Gottheit entströmenden ''Offenbarungsblitz'', einer höheren Intuition durchdrungen (d. h. zugleich für die Erde: nur der ''Glaube'' versteht das Mysterium), unter deren Eindruck das Ersehnte kommt. Nämlich, während die Phantasie zu jeder Wiedergabe und Darstellung dieses Vorgangs unzulänglich ist, fühlt er sein ''Wollen'' und jedes daraus hervorgehende ''Verlangen'' selbst in jene volle, freie ''geheimnißvolle Lebenseinigung mit Gott'' hineingezogen, welche – das letzte und höchste Ziel de Seligkeit und S. 397 des Gedichtes – zugleich vollkommenes Wirken, Erkennen und Genießen ist und in welcher sich dem Dichter also eben jenes Räthsel V. 136 ff. auf eine unaussprechliche Weise löst.]</ref>
Allein dich kennend, und, von dir erkannt,
Dir selber lächelnd und mit dir zufrieden,
{{Zeile|127}} Als zu ''dem'' Kreis, den ich in dir erfand
Wie ''wiederscheinend'' Licht, die Aug’ ich wandte,
Und ihn verfolgend mit den Blicken stand:</poem>
|valign="top"| <poem>
{{Zeile|130}} Da schien’s, gemalt in seiner Mitt’ erkannte,
Mit eigner Farb’, ich unser Ebenbild,
Drob ich nach ihm die Blicke gierig spannte.
{{Zeile|133}} Wie eifrig strebend, aber nie gestillt,
Der Geometer forscht, den Kreis zu messen,
Und nie den Grundsatz findet, welcher gilt;
{{Zeile|136}} ''So'' ich beim neuen Schau’n – ich wollt’ ermessen,
Wie sich das Bild ''dem'' Kreise ein’ und ''wie''
Die Züge mit dem Licht zusammenflössen.
{{Zeile|139}} Doch dies erflog der eigne Fittich nie. –
Da ward mein Geist von einem Blitz durchdrungen,
Der, was die Seel’ ersehnt hatt’, ihr verlieh.
{{Zeile|142}} Hier war die Macht der Phantasie bezwungen,
Schon aber folgten ''Will’'' und ''Wünschen'' gerne,
Gleichwie ein Rad, gleichmäßig umgeschwungen,<ref>[144. ''Räder'' nennt D. oftmals die Sterne (28, 46 u. a. im Original) mit Rücksicht auf ihr Kreisen durch die ''ewige Liebe''. Diese ist ja die, vom <tt>Primum mobile</tt> aus, alle Himmelskreise umschwingende Kraft V. 145, welcher nun auch Dante’s Geist freiwillig folgt, wodurch er in ''die Einheit mit der ganzen göttlichen Weltordnung zurückgekehrt ist;'' vgl. 1, 103 ff.]</ref>
{{Zeile|145}} ''Der Liebe, die beweget Sonn’ und Sterne''.<ref>[145. Mit dem Wort „''Sterne''“ schließt Dante ''jeden'' Theil seines Gedichts, um dessen letztes Ziel anzudeuten. – Und wer wäre auch, der sich nicht zur Sonnen- und Sternenhöhe erhabenster Ideale und himmlischer Ahnungen entrückt fühlte durch dies „Wunderlied des Mittelalters“, welches selbst ''in seiner Dreitheilung ein Symbol der göttl. Dreieinigkeit'' und der ''ganzen Weltentwicklung'' ist: der Gerechtigkeit des Vaters in der „Hölle“, der Weisheit des Sohnes durch die Welterlösung im „Fegfeuer“, der ersten Liebe des Geistes durch die Weltvollendung im „Paradies?“]</ref>


                              Ende.
Auf die kultische Verehrung der Gaia ist es zurückzuführen<!-- Wer sagt das? -->, dass Apollon nicht durch einen [[Priester]], sondern durch die [[Pythia]] sprach. Diese saß auf einem [[Wikipedia:Dreifuß|Dreifuß]] über einer Erdspalte. Der Überlieferung nach stiegen aus dieser Erdspalte Dämpfe, die die Pythia in einen Trancezustand versetzten. Das Ende des Delphischen Orakels kam durch den christlichen Kaiser [[Wikipedia:Theodosius I.|Theodosius I.]], der 391 n. Chr. alle Orakelstätten durch ein [[Wikipedia:Edikt|Edikt]] aufhob.
                                                (Paradiso 33)</poem>
|}
</center>


Den Aufstieg durch die himmlischen Sphären fasst Rudolf Steiner so zusammen:
[[Datei:Delphi Apollo Temple.jpg|thumb|hochkant=1.3|Hauptheiligtum für Apollon in Delphi]]


<div style="margin-left:20px">
== Ablauf des Orakels ==
"Ihr, Beatrice, werden zuerst die Wesen des Mondes entgegengeführt,
die ihr geistliches Gelübde gebrochen haben. Sie hatten das
Gelübde, nur dem Geistigen zu dienen, gebrochen und waren wieder
der Sinnlichkeit verfallen. Merkur war noch für die alte griechische
Theosophie dasjenige Wesen, das mitgewirkt hat, als der alte
Atlantier sich zu dem Begriff des Ich aufgeschwungen hat. Die ersten
Atlantier hatten noch nicht das Ich-Bewußtsein. Die Wesenheit,
in deren Zeichen das Persönliche steht, ist der Gott Merkur,
Hermes. Der Mensch kommt zum Persönlichen, indem er zur Ichheit,
zum Egoismus herunterfällt. Das hat uns zugleich zu den Menschen
gemacht, die nach dem Besitz streben. Daher ist der Merkur
auch der Gott der Kaufleute.


Auf dem Jupiter findet Dante die Fürsten, die Gerechtigkeit geübt
Das Orakel von Delphi gab zunächst nur einmal im Jahr am Geburtstag des Apollon Auskunft, dem siebten Tag des Monats [[Wikipedia:Bysios|Bysios]], später am siebten Tag jedes Monats im Sommer. Im Winter legte es für drei Monate eine Pause ein. Nach griechischer Vorstellung hielt sich der Gott in dieser Zeit bei den [[Hyperboreer]]n auf, einem sagenumwobenen Volk im Norden. Das Orakel wurde währenddessen von [[Dionysos]] regiert.
haben. Auf der Sonne geht etwas sehr Wichtiges vor. Auf der
Sonne wird Dante der eigentliche Charakter des Ewigen gezeigt;
wie es aufzufassen ist, wenn man einen Tag erlebt, den man den
Jüngsten Tag nennt. Der Jüngste Tag verändert die Verhältnisse. Da
treten uns zwei Menschen entgegen: Thomas von Aquino und der
König Salomo. Thomas von Aquino stellt das Leben im Sinne des
Christentums, des Neuen Testamentes dar, und König Salomo ist
der Lehrer des Alten Testamentes.


In dem Priestertum sah der Christ den körperlichen Ausdruck
Bevor das Orakel sprach, bedurfte es eines [[Omen]]s: Ein [[Hoherpriester|Oberpriester]] besprengte eine junge Ziege mit eiskaltem Wasser. Blieb sie ruhig, fiel das Orakel für diesen Tag aus, und die Ratsuchenden mussten einen Monat später wiederkommen. Zuckte die Ziege zusammen, wurde sie als [[Opfertier]] geschlachtet und auf dem [[Altar]] verbrannt. Nun konnten die Weissagungen beginnen: Begleitet von zwei Priestern begab sich die Pythia zur heiligen [[Kastalische Quelle|Quelle Kastalia]], wo sie nackt ein Bad nahm, um kultisch rein zu sein. Aus einer zweiten Quelle, der Kassiotis, trank sie dann einige Schlucke des heiligen Wassers. Begleitet von zwei Oberpriestern und den Mitgliedern des Fünfmännerrates ging die Pythia anschließend in den Apollontempel. Sie wurde nun vor den Altar der [[Hestia]] geführt, wo&nbsp;– nach einigen Theorien&nbsp;– aus einer Erdspalte die berauschenden Dämpfe aufstiegen, so dass sie ihre Weissagungen in einer Art [[Trance]] gemacht hätte.
dessen, was ihm der Christus in der geistigen Entwickelung war.
Nach dem Erdenleben ist der Christus entrückt und hält seinen
Triumphzug in den Fixsternhimmel. Wer hier seinen geistigen Embryo
so zubereitet hat, daß er geistig schauen kann, vermag Christus
in dem Fixsternhimmel zu sehen. Der tiefsteingeweihte Jünger,
Johannes, tritt als der Lehrer dieser Anschauung auf. Nur Christus
und Maria konnten ihren Leib in den Fixsternhimmel mit hinaufnehmen.
Eine Meisterindividualität hat auch den Körper ganz in
der Hand. So wie der heutige Kulturmensch lernt, mit seinen sittlichen
Ideen über die Leidenschaften Herr zu sein, so wahr lernt der
Mensch auf höherer Stufe den physischen Leib beherrschen. Jesus
und Maria hatten den physischen Leib so geheiligt, daß sie ihn in
die höchsten Regionen mitnehmen konnten.


Dann übernimmt der heilige Bernhard die Führung in die höheren
Umstritten ist, wieweit die Aussagen der Pythia von den Priestern interpretiert und formuliert wurden und inwieweit diese auch von Informanten gewonnene Erkenntnisse in ihre Deutung miteinbezogen. [[Wikipedia:Joseph Eddy Fontenrose|Joseph Fontenrose]] kam zu dem Ergebnis, dass die Pythia direkt zu den Fragestellern gesprochen hat.<ref name=fontenrose0>Fontenrose 1978, S. 288.</ref> Allerdings wurden nur die begüterten Klienten individuell beraten und bekamen ausführliche, wenn auch oft rätselhafte Antworten. Die Ärmeren mussten mit einem Binärorakel (Ja-Nein-Orakel) vorliebnehmen. Sie durften deshalb auch nur solche Fragen stellen, die sich mit Ja oder Nein beantworten ließen. Die Pythia griff dann in einen Behälter mit weißen und schwarzen Bohnen und nahm eine von ihnen heraus: Weiß bedeutete ''Ja,'' schwarz ''Nein''.
Gebiete, wo er die Gottesanschauung, die Versenkung in das
göttliche Selbst erhält. Da wächst Dante über das Kirchlich-Christliche
hinaus. Er sieht die drei Kreise, die dreifache Urwesenheit der
Welt, Vater, Sohn und Geist Die indische Religion nennt sie
Brahma, Vishnu, Shiva. Hier stellt sich die Dreifaltigkeit des Universums
dar, wo Dante sich zur rein geistigen Anschauung, zur Kontemplation
aufschwingt.


Am Schluß wird dargestellt, wie wir in Gott leben, weben und
== Erklärungsansätze ==
sind, aber uns nicht vermessen können, Gott zu verstehen. Nur das
ahnende Gewißwerden der menschlichen Erkenntnis von Gott wird
am Ende dargestellt. Für Dante war sein Gedicht das Schauspiel der
Welt, von der andern Seite gesehen." {{Lit|{{G|97|35f}}}}
</div>


== Anmerkungen ==
Frühere [[Geologie|geologische]] Untersuchungen ließen es zunächst zweifelhaft erscheinen, dass in Delphi echte Gase aus einer Erdspalte austraten.<ref>[[Wikipedia:Veit Rosenberger|Veit Rosenberger]]: ''Griechische Orakel. Eine Kulturgeschichte'', Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001, S. 53.</ref> Es wurde daher angenommen, dass der Mythos aus einem spirituellen Hauch [[physik]]alische Gase gemacht habe. 2001 publizierte Forschungen des amerikanischen Geologen Jelle de Boer konnten aber nach umfangreichen Laboranalysen belegen, dass das in Delphi austretende Gas [[Wikipedia:Ethen|Ethylen]] die [[Trance]] der Priesterin bewirkt haben könnte.<ref>Jelle Z. de Boer: ''The geological origins of the oracle at Delphi, Greece''. In: ''Geological Society, London, Special Publications'' 171, 2000, S. 399–412 ([https://www.rosicrucian.org/publications/digest/digest2_2008/Web%20version/WS_01_Hale-DeBoer/zSource/deBoerHale_original.pdf PDF]).</ref>


<references/>
Italienische Geologen um Giuseppe Etiope widersprachen jedoch 2006 de Boers These, da nach ihren Ergebnissen das Ethylen keine neurotoxischen Konzentrationen erreicht haben könne. Nach ihrer Ansicht erklärt sich die Trance der Priesterin durch den hohen Methan- und Kohlendioxid-Anteil der aus dem Gestein aufsteigenden Gase; dieser habe bei der Pythia zu einem Sauerstoffmangel und zu Halluzinationen geführt.<ref>[http://www.livescience.com/4277-theory-oracle-delphi-high.html].</ref> De Boer hält jedoch weiter an seiner These fest. Dass heute in Delphi keine großen Ethylenkonzentrationen mehr erreicht werden, erklärt er damit, dass sich die Austrittswege durch Erdverschiebung oder [[Wikipedia:Sinter|Versinterung]] geschlossen hätten.
<references group="BN" />
<references group="WS" />


==Literatur==
Unstreitig ist festzuhalten, dass Delphi als eines der größten panhellenischen Heiligtümer regelmäßig Reisende aus dem gesamten Mittelmeerraum empfing. Anfragen an das Orakel, die beispielsweise von Seiten einer Polis oder eines [[Wikipedia:Oikistes|Oikistes]] kommen konnten, enthüllten deren vertrauliche politischen Absichten oder konnten Aufschluss geben über Koloniepläne. Die delphische Priesterschaft verfügte damit wie kaum eine andere Personengruppe über Informationen, konnte dazwischen Zusammenhänge herstellen und sicherlich auch auf diese Weise Vorhersagen treffen, die durch Trancezustände allein nicht zu erklären sind.
#Dante Alighieri: ''Die Göttliche Komödie, Übersetzung von Hans Werner Sokop in Original-Terzinen mit Erläuterungen. 100 Bilder von Fritz Karl Wachtmann.'', Akad. Druck- und Verlagsanstalt, Graz 2014, ISBN 978-3-201-01994-1
#Leonardo Olschki, Bernd Payer (Übers.): ''Der Mythos vom Filz'', University of California, Berkeley und Los Angeles 1949
#Willem Frederik Veltman: ''Dantes Weltmission'', J. Ch. Mellinger Verlag, Stuttgart 1979, ISBN 9783880690066
#Rudolf Steiner: ''Metamorphosen des Seelenlebens - Pfade der Seelenerlebnisse'', Zweiter Teil, [[GA 59]] (1984), Berlin, 12. Mai 1910, Die Mission der Kunst, siehe auch TB 603 (1983), S 175 ff.
#Rudolf Steiner: ''Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft'', [[GA 96]] (1989), Berlin, Ostermontag, 16. April 1906
#Rudolf Steiner: ''Das christliche Mysterium'', [[GA 97]] (1998), ISBN 3-7274-0970-3 {{Vorträge|097}}
#Rudolf Steiner: ''Mitteleuropa zwischen Ost und West'', [[GA 174a]] (1982), ISBN 3-7274-1741-2 {{Vorträge|174a}}
#Rudolf Steiner: ''Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge'', Sechster Band, [[GA 240]] (1986), Arnheim, 18. Juli 1924
#Rudolf Steiner: ''Vom Leben des Menschen und der Erde. Über das Wesen des Christentums'', [[GA 349]] (1980), ISBN 3-7274-3490-2 {{Vorträge|349}}


{{GA}}
== Berühmte delphische Orakelsprüche ==


==Weblinks==
Nachfolgend sind die berühmtesten (angeblichen) delphischen Orakelsprüche zusammengestellt. Da das Orakel von Delphi bereits in der Antike sagenumwoben war, werden einige seiner Weissagungen (und zwar gerade die bekanntesten) in der modernen Geschichtswissenschaft als legendarisch bzw. unecht (fiktiv) beurteilt. Dies gilt insbesondere für all jene Sprüche, die über ein bloßes „Ja“ und „Nein“ hinausgegangen sein sollen. Im Anschluss an die einzelnen berühmten Orakel wird hier ihre Quelle, ihre historische Beurteilung sowie die Belegstelle im maßgeblichen Werk von Joseph Fontenrose (1978) genannt: Sie alle gelten in der heutigen Forschung als eindeutig oder zumindest höchstwahrscheinlich frei erfunden.


{{Commonscat|The Divine Comedy|Göttliche Komödie}}
=== Ödipus ===
{{Wikisource|Göttliche Komödie (Streckfuß 1876)|Göttliche Komödie (deutsche Übersetzung von Carl Streckfuß)}}
{{Wikisource|it:Divina Commedia|Divina Commedia (italienischer Originaltext)}}
{{Wikisource|Dantes Werke|Dantes Werke (Hrsg. Albert Ritter)}}
* {{PGIW|8085}}
*[http://www.bautz.de/bbkl/d/dante_alighieri.shtml Dante Alighieri] - Kurzbiografie
*[http://gutenberg.spiegel.de/dante/komoedie/komoedie.htm Die Göttliche Komödie] - Der gesamte Text in deutscher Übertragung.
*[http://ftp.rudolf-steiner.org/ftp/index.php?dirname=F:/www/ftp/bibliothek/Philosophie/Dante Die Göttliche Komödie] - Download des gesamten Textes in deutscher Übertragung als WORD- und PDF-Datei, dazu eine Inhaltsübersicht und ein schematischer Überblick.
* [http://www.dantealighieri.dk/ Übersetzungen von Bachenschwanz, Graul, Meinhard, Jagemann, Hasenclever]
* {{Zeno-Werk|Literatur/M/Dante+Alighieri/Epos/Die+Göttliche+Komödie|Die Göttliche Komödie übersetzt von Karl Witte}}
* [http://www.divinecomedy.org/divine_comedy.html ELF-Projekt, Italienischer Originaltext und zwei englische Übersetzungen (von Henry Wadsworth Longfellow und Henry Francis Cary)]
* [http://librivox.org/die-gottliche-komodie-die-holle-by-dante-alighieri/ Die göttliche Komödie – Die Hölle] [http://librivox.org/die-gottliche-komodie-das-fegefeuer-by-dante-alighieri/ Das Fegefeuer] [http://librivox.org/die-gottliche-komodie-das-paradies-by-dante-alighieri/ Das Paradies] als Hörbuch bei [[Wikipedia:LibriVox|LibriVox]]
* [http://www.klassiker-der-weltliteratur.de/goettliche_komoedie.htm Zusammenfassung des Inhalts]
* [http://www.kuenstlerleben-in-rom.de/html/dante_und_koch.html Illustrationen Dantes Göttlicher Komödie von Joseph Anton Koch]
* [http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=4384 Carl Vogel von Vogelstein: Die Hauptmomente aus Goethe's ''Faust'', Dante's ''Divina Commedia'' und Virgil's ''Aeneis'', 1861]
* [http://www.minix.ch/filz/docs/Der_Mythos_vom_Filz.pdf Leonardo Olschki: ''Der Mythos vom Filz''] - zu den Begriffen «Veltro» und «Feltro»
* [http://danteworlds.laits.utexas.edu Danteworlds] - an integrated multimedia journey combining artistic images, textual commentary, and audio recordings through the three realms of the afterlife (Inferno, Purgatory, Paradise) presented in Dante's Divine Comedy (englisch).


[[Kategorie:Dichtung]] [[Kategorie:Dante]] [[Kategorie:Göttliche Komödie]][[Kategorie:Kunst]]
Dem Mythos zufolge prophezeite das Orakel von Delphi dem König von [[Wikipedia:Theben (Böotien)|Theben]], Laios, dass sein Sohn ihn dereinst töten und seine Frau heiraten werde. Darauf ließ er dem Neugeborenen die Füße durchstechen und zusammenbinden und ihn von einem Hirten im Gebirge aussetzen. Doch der Hirte übergab das verstoßene Kind dem Königspaar von Korinth, welches es adoptierte und nach seinen geschwollenen Füßen [[Wikipedia:Ödipus|Ödipus]] nannte. So wuchs Ödipus in [[Wikipedia:Korinth|Korinth]] auf, ohne von seiner Herkunft zu wissen. Als ihm ein Orakel verkündete, dass er seinen Vater töten werde, verließ er aus Sorge um seinen vermeintlich biologischen Vater Korinth und machte sich auf den Weg nach Theben.
 
Unterwegs begegnete er an einer Wegekreuzung dem mit kleinem Gefolge reisenden Laios; dieser hielt Ödipus für einen Räuber und wollte ihn nicht durchlassen, woraufhin Ödipus ihn und die meisten seiner Gefolgsleute erschlug. Somit erfüllte sich eine der zwei Prophezeiungen. Anschließend gelang es Ödipus, das [[Rätsel der Sphinx]] zu lösen und so Theben von der [[Sphinx]] zu befreien. Zur Belohnung wurde er als Nachfolger des Laios zum König von Theben ernannt und bekam [[Iokaste]], seine Mutter, zur Frau. Somit erfüllte sich die zweite Prophezeiung.
 
Von ihrer Verwandtschaft nicht wissend, hatten die beiden in der Folgezeit vier Kinder miteinander. Als nach einigen glücklichen Jahren in Theben eine Seuche ausbrach, verkündete das Orakel von Delphi, der Mörder des Laios müsse gefunden werden. Ödipus untersuchte den Fall und fand heraus, dass er selbst der gesuchte Mörder war und seine eigene Mutter geheiratet hatte. Darauf erhängte sich Iokaste und Ödipus blendete sich.
 
: Quelle: Zahlreiche antike Zeugnisse, z. B. [[Sophokles]], ''Oidipus Tyrannos''.<br>
: Historische Beurteilung: Legendarisch.<ref name=fontenrose1>Fontenrose 1978, S. 362 f., L 17–L 19.</ref>
 
=== Gyges ===
 
Der lydische König [[Wikipedia:Gyges|Gyges]] von Sardes ließ sich vom Orakel von Delphi seine Herrschaft bestätigen, nachdem er um 685 v. Chr. seinen Vorgänger [[Wikipedia:Kandaules|Kandaules]] ermordet hatte. Dafür bedankte sich Gyges mit großzügigen Goldgeschenken für das Orakel. Doch laut [[Wikipedia:Herodot|Herodot]] soll ihm die Pythia auch gesagt haben, dass Kandaules in der fünften Generation nach ihm, Gyges, gerächt werde. So geschah es tatsächlich, denn der fünfte König nach Gyges in seiner so genannten [[Wikipedia:Mermnaden-Dynastie|Mermnaden-Dynastie]], Krösus mit Namen, war der zugleich letzte: denn Krösus verspielte seine Herrschaft mit seinem gescheiterten Perserfeldzug (siehe dazu den nächsten Abschnitt „Krösus“).
 
: Quelle: Herodot, Historien 1, 13, 2.<br>
: Historische Beurteilung: unecht; die genaue Zahl der herrschenden Generationen in der Familie des Gyges wäre wohl kaum vorhersehbar gewesen.<ref name=fontenrose2>Fontenrose 1978, S. 300, Q 96.</ref>
 
Außerdem soll sich der sehr reiche Gyges für den glücklichsten Menschen der Welt gehalten haben. Dies konnte ihm das Orakel von Delphi auf Nachfrage jedoch nicht bestätigen, sondern antwortete, dass Agelaos, ein unbekannter und armer Dorfbewohner in Psophis, viel glücklicher sei.
 
: Quelle: [[Plinius der Ältere|Plinius]], Naturalis historia 7, 46, 151. <br />
: Historische Beurteilung: Unecht.<ref name=fontenrose3>Fontenrose 1978, S. 301, Q 97.</ref>
 
=== Krösus ===
 
[[Wikipedia:Krösus|Krösus]], der sprichwörtlich reiche letzte König von [[Wikipedia:Lydien|Lydien]], wollte die Zuverlässigkeit von sieben Orakeln prüfen (neben Delphi z. B. das Orakel von [[Wikipedia:Dodona|Dodona]] oder von [[Orakel von Siwa|Siwa]]). Boten sollten am hundertsten Tag nach ihrer Abreise jedes der Orakel befragen, was Krösus gerade tue. Wie [[Wikipedia:Herodot|Herodot]] berichtet, gab nur die Pythia die richtige Antwort, und das auch noch wie zumeist in einem wohlgesetzten Vers im [[Hexameter]], folgend in der entsprechenden Übersetzung:
 
: ''„Duft von Schildkröte ward mir bewusst, dem gepanzerten Tiere,/Die in ehernem Kessel gekocht wird, und Stücke von Lammfleisch,/Erz ist darunter gelegt, und Erz wird ruh'n auf dem Kessel.“''
 
Tatsächlich hatte Krösus, um etwas schwer Vorhersehbares zu tun, an diesem Tag ein Lamm und eine Schildkröte in einem abgedeckten metallenen Gefäß gekocht.
 
: Quelle: Herodot, Historien 1, 47, 3. <br />
: Historische Beurteilung: unecht; Delphi zu testen hätte zugleich Apollo selbst herauszufordern bedeutet, und dies hätte wohl kein antiker Grieche bzw. [[Lyder]] gewagt.<ref name=fontenrose4>Fontenrose 1978, S. 301 f., Q 99, vgl. S. 113.</ref>
 
Übel hereingefallen ist Krösus dann allerdings mit dem Orakel, das er ersuchte, bevor er [[Wikipedia:546 v. Chr.|546 v. Chr.]] gegen den [[Wikipedia:Perserreich|Perserkönig]] [[Kyros II.]] aufbrach, und das als griechischer Hexameter lautete: ''Kroisos Halyn diabas megalen archen katalysei,'' oder in lateinischer Übersetzung: ''Croesus Halyn penetrans magnam pervertet opum vim,'' in deutscher [[Prosa]]: ''Wenn Krösus den Halys'' (heute: [[Wikipedia:Kizilirmak|Kizilirmak]]) ''überschreitet, wird er ein großes Reich zerstören.'' Krösus bezog diese Weissagung auf das Perserreich, es war aber sein eigenes.
 
: Quelle: Herodot, Historien 1, 53, 3 (indirekt); [[Aristoteles]], Rhetorik 1407a (als Hexameter) u. a.; lateinische Übersetzung: [[Wikipedia:Marcus Tullius Cicero|Cicero]], De divinatione 2, 56, 115. <br />
: Historische Beurteilung: Unecht. Die Anrede des Fragestellers (Krösus) in der dritten Person statt in direkter Du-Form ist für Delphi ungewöhnlich. Außerdem verrät der Spruch Wissen, das man nur im Nachhinein haben konnte, denn der Perserfeldzug des Krösus hätte auch enden können, ohne eines der beiden Reiche zu zerstören.<ref name=fontenrose5>Fontenrose 1978, S. 302, Q 100, vgl. S. 113 f.</ref>
 
=== Themistokles ===
[[Datei:schatzhaus athener.jpg|mini|hochkant=1.3|Das [[Wikipedia:Schatzhaus der Athener|Schatzhaus der Athener]] in Delphi]]
 
Die Athener erhielten 480 v. Chr. vom Delphischen Orakel die Weisung, ihre Stadt zu verlassen und mit hölzernen Mauern zu verteidigen. [[Themistokles]] deutete dies richtig auf Schiffe und konnte so die Perser in der [[Schlacht von Salamis|Seeschlacht von Salamis]] besiegen.
 
: Quelle: Herodot, Historien 7, 141, 3-4 u. a. <br />
: Historische Beurteilung: Höchst zweifelhaft, zumindest in der bei Herodot überlieferten, auffällig langen Form.<ref name=fontenrose6>Fontenrose 1978, S. 316 f., Q 147, vgl. S. 124–128.</ref>
 
=== Chairephon/Sokrates ===
 
Berühmt ist auch die Antwort, die der Athener [[Wikipedia:Chairephon|Chairephon]] auf die Frage erhielt, ob es einen weiseren Menschen als [[Sokrates]] gebe. Das delphische Orakel entschied, dass kein Mensch weiser als Sokrates sei. Dieser erklärte diese Antwort damit, dass er sich stets bewusst sei, dass er sich nichts wirklich gewiss sei, und genau dies sei die Voraussetzung für die Erlangung von Weisheit. Viele nennen deshalb Sokrates neben den [[Sieben Weise von Griechenland|Sieben Weisen]] als achten Weisen von Delphi.
 
: Quelle: [[Platon]], Apologie des Sokrates 21a-c; [[Xenophon]], Apologie des Sokrates 14 u. a. <br />
: Historische Beurteilung: Von vielen Wissenschaftlern als fromme Fiktion der sokratischen Schule angezweifelt.<ref name=fontenrose7>Fontenrose 1978, S. 245 f., H 3.</ref>
 
=== Alexander der Große ===
 
[[Alexander der Große]] soll 335 v. Chr. in Delphi im Hinblick auf seinen geplanten Perserfeldzug um Rat gebeten haben, doch Pythia vertröstete ihn: Das Orakel finde nur zu den von den Göttern bestimmten Zeiten statt. Wütend und unwillig zu warten, soll er Pythia mit Gewalt an den Haaren in den Tempel gezerrt haben. Daraufhin soll sie lediglich gerufen haben: „Lass ab von mir, du bist doch unüberwindlich, Junge!“ Darauf soll Alexander gesagt haben: „Jetzt habe ich meine Antwort!“, und Pythia losgelassen haben.
 
: Quelle: [[Wikipedia:Plutarch|Plutarch]], Alexandervita 14,4; [[Wikipedia:Diodor|Diodor]], Bibliotheke 17,93,4 u. a. <br />
: Historische Beurteilung: Legendarisch. Die Anrede Alexanders mit dem griechischen Vokativ „pai“ (Junge, Jüngling, Sohn) verweist auf eine ältere Fassung der Legende, nach der Alexander von Zeus bzw. Amun in einem [[Orakel von Siwa#Bekannte Orakelsprüche|Orakelspruch von Siwa]] als sein Sohn bezeichnet wurde.<ref name=fontenrose8>Fontenrose 1978, S. 338 f., Q 216.</ref>
 
=== Pyrrhos ===
 
[[Wikipedia:Pyrrhos I.|Pyrrhos]] konnte die [[Wikipedia:Römische Republik|Römer]] 280/[[279 v. Chr.]] zweimal nur unter sehr großen eigenen Verlusten besiegen (daher der sprichwörtliche [[Wikipedia:Pyrrhussieg|Pyrrhussieg]]). Vor dieser Unternehmung soll er das delphische Orakel um Rat gefragt und folgende doppeldeutige lateinische [[Hexameter]] von der Pythia erhalten haben:
 
: ''„Aio te, Æacida, Romanos vincere posse. / Ibis redibis nunquam per bella peribis.“''
 
Pyrrhus deutete dies (die nachfolgende deutsche Übersetzung in Prosa):
 
: ''„Ich sage, [[Aeacide]] (Nachkomme des [[Aiakos]], des Großvaters des [[Achilleus|Achilles]]), du kannst die Römer besiegen. Du wirst gehen und zurückkehren und niemals in Kriegen umkommen.“''
 
Grammatisch können die Sätze jedoch auch bedeuten (doppeldeutiger Subjekts- bzw. Objektsakkusativ im [[Accusativus cum infinitivo|AcI]], doppeldeutige Stellung von ''nunquam''):
 
: ''„Ich sage, dass die Römer dich, Aeacide, besiegen können. Du wirst gehen und niemals zurückkehren; in Kriegen wirst du umkommen.“''
 
Und so trat es ein. Pyrrhus musste sich aus [[Italien]] zurückziehen und fiel 272 v. Chr. im Straßenkampf in [[Argos (Stadt)|Argos]].
 
: Quelle: Cicero, De divinatione 2,56,116 nach [[Ennius]]. <br />
: Historische Beurteilung: Zweifellos unecht. Die lateinischen Verse wurden erst von Ennius gedichtet, ein griechisches Original ist nirgends überliefert, obwohl das Orakel von Delphi nur griechische Antworten gab. Offenbar wollte Ennius für Pyrrhus ein Orakel erfinden, das in seiner Zwiespältigkeit dem (oben geschilderten) Orakel für Krösus entsprach.<ref name=fontenrose9>Fontenrose 1978, S. 343 f., Q 230.</ref>
 
=== Die Spende des armen Bauern ===
 
Mit dem Orakel von Delphi verbindet sich auch eine Geschichte, die der biblischen Geschichte vom „Scherflein der Witwe“ (Mk 12,41–44) inhaltlich verwandt ist: Ein reicher Kaufmann aus [[Wikipedia:Magnesia|Magnesia]] wollte wissen, ob er die größten Opferspenden dargebracht habe, und erfuhr, dass der arme Bauer Klearchos aus [[Wikipedia:Methydrion|Methydrion]] in [[Wikipedia:Arkadien|Arkadien]] durch seine regelmäßigen bescheidenen Gaben weit Größeres geleistet habe.
 
: Quelle: [[Wikipedia:Theopomp|Theopomp]], Fragment 314. <br />
: Historische Beurteilung: Legendarisch.<ref name=fontenrose10>Fontenrose 1978, S. 377, L 58.</ref>
 
=== Julian ===
 
Das [[Letztes Orakel von Delphi|letzte Orakel]] erteilte die Pythia angeblich 362 n. Chr. dem Arzt [[Wikipedia:Oreibasios|Oreibasios]], der es im Auftrag des heidnischen Kaisers [[Julian (Kaiser)|Julian]] aufsuchte. Er wollte wissen, ob das Orakel in einer sich dem [[Christentum]] zuwendenden Welt noch Zukunft habe, worauf Pythia geantwortet haben soll:
 
: ''„Künde dem Kaiser, das schöngefügte Haus ist gefallen. [[Phoibos Apollon]] besitzt keine Zuflucht mehr, der heilige Lorbeer verwelkt, seine Quellen schweigen für immer, verstummt ist das Murmeln des Wassers.“''
 
: Quelle: [[Wikipedia:Philostorgios|Philostorgios]], Kirchengeschichte. <br />
: Historische Beurteilung: Unecht, christliche Fiktion. Eine solche Bankrotterklärung hätte sich das Orakel von Delphi schwerlich selbst ausgestellt, solange es noch existierte. Überdies gibt es Hinweise darauf, dass das Orakel noch eine Weile nach Julian fortbestand.<ref name=fontenrose11>Fontenrose 1978, S. 353, Q 263.</ref>
 
== Philosophie ==
[[Datei:DelphicSibylByMichelangelo.jpg|right|thumb|hochkant=1.3|Delphische [[Sibylle (Prophetin)|Sibylle]] (Ausschnitt aus einem Fresko von [[Wikipedia:Michelangelo|Michelangelo]] in der [[Wikipedia:Sixtinische Kapelle|Sixtinischen Kapelle]], 1510)]]
 
Der Überlieferung zufolge sollen am Eingang des Tempels von Delphi die Inschriften „Erkenne dich selbst“ ([[gnôthi seautón]], γνῶθι σεαυτόν) und „nichts im Übermaß“ (μηδὲν ἄγαν, medèn ágan), angebracht gewesen sein. Insbesondere die erste, bekanntere Aufforderung deutet die eigentliche Absicht des Kultes bzw. der verehrten Gottheit an, nämlich die Auflösung individueller Probleme und Fragestellungen durch die Auseinandersetzung mit der eigenen inneren Persönlichkeit. Die Erkenntnis der „Innenwelt“ diente damit als Zugang zur Problemlösung in der „Außenwelt“.
 
Die zweite Inschrift (medèn ágan, „Nichts im Übermaß“, „Alles in Maßen“) mahnt zur Bescheidenheit im eigenen Tun. Das rechte Maß steht für eine Grundfigur antiken griechischen Denkens, die neben der platonischen Seinslehre bis zur aristotelischen Tugendethik auch die Musik, die Mathematik, Medizin und viele andere gesellschaftlichen Bereiche erfasste.
 
Die Existenz dieser Inschriften ist nicht durch archäologische Funde, sondern aus schriftlichen Überlieferungen bekannt. So lässt z. B. [[Platon]] im ''[[Phaidros]]'' und vor allem im ''[[Wikipedia:Symposion (Platon)|Symposion]]'' den griechischen Philosophen [[Sokrates]] über die Bedeutung dieser Inschriften referieren.
 
Weit weniger bekannt ist, dass nach einer Überlieferung des [[Charmides]] sowie dem etwa 500 Jahre jüngeren Bericht [[Plutarch]]s zu diesen beiden Weisheiten noch eine dritte, „Du bist“ (''eî''), gehört. Inwieweit diese das Portal zierte, ist ungewiss. Nach Plutarchs Erzählung war sie vermutlich eher eine gesprochene Antwort der Besucher des Tempels auf die Inschriften. Durch ihre später gewonnene Bedeutung kann sie jedoch legitim als „dritte apollonische Weisheit“ gelten.
 
Während später der selbstreflexive Teil von „gnôthi seautón“ in den Vordergrund trat, war „gnôthi seautón“ im Ursprung möglicherweise als Begrüßungswort des [[Apollon]] an die Besucher gedacht. Plutarch schreibt dazu: ''„Beim Eintreten spricht der Gott sozusagen jeden von uns mit seinem ,Erkenne dich selbst‘ an, was zumindest so gut ist wie ,Heil!‘.“'' Als Antwort darauf erwiderte der Besucher dem Gott „Du bist“:
 
: ''„Wir antworten dem Gott mit ,eî‘ [„Du bist“], indem wir ihm die Benennung übertragen, die wahr ist und in sich keine Lüge birgt und zu ihm allein gehört und zu keinem anderen, nämlich die des Seins […]“''
 
Somit richtete sich „Du bist“ ursprünglich nicht an einen selbst, war also im Ursprung kein Bestandteil einer [[Selbstreflexion]], sondern vielmehr einer Huldigung, die dem Gott Apollon, beziehungsweise der Göttlichkeit im Allgemeinen galt. Erst später wurde der Ausspruch als Ausdruck der Erkenntnis und Anerkenntnis der eigenen [[Existenz]] des Gläubigen umgedeutet.
 
Diese und andere Weisheiten, die in Delphi durch Architektur und Ritual gelehrt und gelebt wurden, waren in der ganzen antiken Welt berühmt. Um 200 v. Chr. reiste so ein gewisser Kletarchos aus dem heutigen Afghanistan (siehe [[Ai Khanoum]]) bis nach Delphi, um dort Abschriften von den Sprüchen zu machen und dann in seine Heimatstadt zu bringen, wo er sie inschriftlich verewigen ließ.
 
== Quellenangaben ==
<references />
 
== Literatur ==
 
* Hugh Bowden: ''Classical Athens and the Delphic oracle. Divination and democracy''. Cambridge University Press, Cambridge 2005, ISBN 0-521-53081-4.
* Thomas Dempsey: ''The Delphic oracle. Its early history, influence and fall''. Blom, New York 1972 (Nachdruck der Ausgabe Oxford 1918).
* [[Wikipedia:Joseph Eddy Fontenrose|Joseph Fontenrose]]: ''The Delphic Oracle. Its Responses and Operations. With a Catalogue of Responses''. University of California Press, Berkeley, Calif. 1978, ISBN 0-520-03360-4.
* [[Wikipedia:Marion Giebel|Marion Giebel]]: ''Das Orakel von Delphi. Geschichte und Texte''. Reclam, Ditzingen 2001, ISBN 3-15-018122-4 (griechisch/deutsch).
* [[Wikipedia:Michael Maaß|Michael Maaß]]: ''Das antike Delphi. Orakel, Schätze und Monumente''. Theiß, Stuttgart 1997, ISBN 3-8062-1321-6.
* Michael Maaß: ''Das antike Delphi''. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-53631-1.
* Evi Melas: ''Delphi. Die Orakelstätte des Apollon''. Du Mont, Köln 1990, ISBN 3-7701-2577-0.
* Herbert W. Parke, Donald E. Wormell: ''The Delphic Oracle''. Blackwell, Oxford 1966:
** Bd. 1 ''The history''.
** Bd. 2 ''The oracular responses''.
* [[Wikipedia:Wolfgang Schadewaldt|Wolfgang Schadewaldt]]: ''Der Gott von Delphi und die Humanitätsidee''. Insel-Verlag, Frankfurt/M. 1990, ISBN 3-458-32991-9 (Nachdruck der Ausgabe Frankfurt/M. 1975).
* [[Wikipedia:Josef Wiesehöfer|Josef Wiesehöfer]]: ''Die Geheimnisse der Pythia. Orakel und das Wissen der reisenden Weisen,'' in: [[Wikipedia:Karl-Joachim Hölkeskamp|Karl-Joachim Hölkeskamp]], [[Wikipedia:Elke Stein-Hölkeskamp|Elke Stein-Hölkeskamp]] (Hrsg.): ''Erinnerungsorte der Antike. Die griechische Welt''. C. H. Beck, München 2010, S. 336–352.
 
== Weblinks ==
 
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[[Kategorie:Mysterien]]
[[Kategorie:Orakel]]
 
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Version vom 24. August 2016, 14:21 Uhr

Themis in der Rolle der Pythia prophezeit dem Aigeus einen Sohn. Attisch-rotfigurige Kylix des Kodros-Malers, um 435 v. Chr., gefunden in Vulci, heute in der Antikensammlung Berlin.

Das Orakel von Delphi war eine Weissagungsstätte des antiken Griechenlands. Sie befand sich am Hang des Parnass bei der Stadt Delphi in der Landschaft Phokis. Die Kultstätte von Delphi mit dem Orakel war die wichtigste der hellenischen Welt und bestand bis in die Spätantike. Delphi galt lange Zeit sogar als Mittelpunkt der Welt, der symbolisch durch den Omphalos markiert wurde.

Mythologie

Tempel des Apollon in Delphi

Dem Mythos zufolge ließ Zeus zwei Adler von je einem Ende der Welt fliegen, die sich in Delphi trafen. Seither galt dieser Ort als Mittelpunkt der Welt.

Die Erdmutter Gaia vereinigte sich mit dem Schlamm, der nach dem Ende des Goldenen Zeitalters von der Welt übrig blieb, und gebar die geflügelte Schlange Python (oft auch als „Drache“ bezeichnet). Python hatte hellseherische Fähigkeiten und lebte an dem Ort, der später Delphi heißen sollte. Nach verschiedenen Varianten der Sage war Python weiblich oder männlich.

Hera, die Frau des Zeus, war eine Enkelin Gaias. Gaia prophezeite ihrer eifersüchtigen Enkelin, dass Leto, ihre Nebenbuhlerin und eine der Geliebten des Zeus, dereinst Zwillinge gebären würde, die größer und stärker als alle ihre Kinder sein würden. So schickte sie Python los, um Leto zu verschlingen, noch bevor diese ihre Kinder zur Welt bringen konnte. Diese Intrige wurde von Zeus verhindert, und Leto gebar Artemis und Apollon.

Tholos im Heiligtum der Athena Pronaia in Delphi

Eine der ersten Taten Apollons war die Rache an Python für den Anschlag auf seine Mutter. Er stellte sich gegen Python bei Delphi und tötete den Drachen. Durch das vergossene Blut Pythons übertrugen sich dessen hellseherischen Fähigkeiten auf den Ort. So wurde Delphi der Kontrolle Gaias entrissen und befand sich fortan unter dem Schutze Apollons.

Geschichte

Der Kult in Delphi, das bis zum fünften Jahrhundert v. Chr. Pytho hieß, galt laut mythologischem Bericht zunächst der Erdgöttin Gaia und erst später dem Apollon. Der genaue Zeitpunkt der Übernahme des Heiligtums durch Apollon ist nicht mehr feststellbar, doch bereits bei Homer wird von einem Apollonkult in Delphi gesprochen. Funde zeigen einen Aufstieg des Heiligtums ab dem achten Jahrhundert v. Chr.

Auf die kultische Verehrung der Gaia ist es zurückzuführen, dass Apollon nicht durch einen Priester, sondern durch die Pythia sprach. Diese saß auf einem Dreifuß über einer Erdspalte. Der Überlieferung nach stiegen aus dieser Erdspalte Dämpfe, die die Pythia in einen Trancezustand versetzten. Das Ende des Delphischen Orakels kam durch den christlichen Kaiser Theodosius I., der 391 n. Chr. alle Orakelstätten durch ein Edikt aufhob.

Hauptheiligtum für Apollon in Delphi

Ablauf des Orakels

Das Orakel von Delphi gab zunächst nur einmal im Jahr am Geburtstag des Apollon Auskunft, dem siebten Tag des Monats Bysios, später am siebten Tag jedes Monats im Sommer. Im Winter legte es für drei Monate eine Pause ein. Nach griechischer Vorstellung hielt sich der Gott in dieser Zeit bei den Hyperboreern auf, einem sagenumwobenen Volk im Norden. Das Orakel wurde währenddessen von Dionysos regiert.

Bevor das Orakel sprach, bedurfte es eines Omens: Ein Oberpriester besprengte eine junge Ziege mit eiskaltem Wasser. Blieb sie ruhig, fiel das Orakel für diesen Tag aus, und die Ratsuchenden mussten einen Monat später wiederkommen. Zuckte die Ziege zusammen, wurde sie als Opfertier geschlachtet und auf dem Altar verbrannt. Nun konnten die Weissagungen beginnen: Begleitet von zwei Priestern begab sich die Pythia zur heiligen Quelle Kastalia, wo sie nackt ein Bad nahm, um kultisch rein zu sein. Aus einer zweiten Quelle, der Kassiotis, trank sie dann einige Schlucke des heiligen Wassers. Begleitet von zwei Oberpriestern und den Mitgliedern des Fünfmännerrates ging die Pythia anschließend in den Apollontempel. Sie wurde nun vor den Altar der Hestia geführt, wo – nach einigen Theorien – aus einer Erdspalte die berauschenden Dämpfe aufstiegen, so dass sie ihre Weissagungen in einer Art Trance gemacht hätte.

Umstritten ist, wieweit die Aussagen der Pythia von den Priestern interpretiert und formuliert wurden und inwieweit diese auch von Informanten gewonnene Erkenntnisse in ihre Deutung miteinbezogen. Joseph Fontenrose kam zu dem Ergebnis, dass die Pythia direkt zu den Fragestellern gesprochen hat.[1] Allerdings wurden nur die begüterten Klienten individuell beraten und bekamen ausführliche, wenn auch oft rätselhafte Antworten. Die Ärmeren mussten mit einem Binärorakel (Ja-Nein-Orakel) vorliebnehmen. Sie durften deshalb auch nur solche Fragen stellen, die sich mit Ja oder Nein beantworten ließen. Die Pythia griff dann in einen Behälter mit weißen und schwarzen Bohnen und nahm eine von ihnen heraus: Weiß bedeutete Ja, schwarz Nein.

Erklärungsansätze

Frühere geologische Untersuchungen ließen es zunächst zweifelhaft erscheinen, dass in Delphi echte Gase aus einer Erdspalte austraten.[2] Es wurde daher angenommen, dass der Mythos aus einem spirituellen Hauch physikalische Gase gemacht habe. 2001 publizierte Forschungen des amerikanischen Geologen Jelle de Boer konnten aber nach umfangreichen Laboranalysen belegen, dass das in Delphi austretende Gas Ethylen die Trance der Priesterin bewirkt haben könnte.[3]

Italienische Geologen um Giuseppe Etiope widersprachen jedoch 2006 de Boers These, da nach ihren Ergebnissen das Ethylen keine neurotoxischen Konzentrationen erreicht haben könne. Nach ihrer Ansicht erklärt sich die Trance der Priesterin durch den hohen Methan- und Kohlendioxid-Anteil der aus dem Gestein aufsteigenden Gase; dieser habe bei der Pythia zu einem Sauerstoffmangel und zu Halluzinationen geführt.[4] De Boer hält jedoch weiter an seiner These fest. Dass heute in Delphi keine großen Ethylenkonzentrationen mehr erreicht werden, erklärt er damit, dass sich die Austrittswege durch Erdverschiebung oder Versinterung geschlossen hätten.

Unstreitig ist festzuhalten, dass Delphi als eines der größten panhellenischen Heiligtümer regelmäßig Reisende aus dem gesamten Mittelmeerraum empfing. Anfragen an das Orakel, die beispielsweise von Seiten einer Polis oder eines Oikistes kommen konnten, enthüllten deren vertrauliche politischen Absichten oder konnten Aufschluss geben über Koloniepläne. Die delphische Priesterschaft verfügte damit wie kaum eine andere Personengruppe über Informationen, konnte dazwischen Zusammenhänge herstellen und sicherlich auch auf diese Weise Vorhersagen treffen, die durch Trancezustände allein nicht zu erklären sind.

Berühmte delphische Orakelsprüche

Nachfolgend sind die berühmtesten (angeblichen) delphischen Orakelsprüche zusammengestellt. Da das Orakel von Delphi bereits in der Antike sagenumwoben war, werden einige seiner Weissagungen (und zwar gerade die bekanntesten) in der modernen Geschichtswissenschaft als legendarisch bzw. unecht (fiktiv) beurteilt. Dies gilt insbesondere für all jene Sprüche, die über ein bloßes „Ja“ und „Nein“ hinausgegangen sein sollen. Im Anschluss an die einzelnen berühmten Orakel wird hier ihre Quelle, ihre historische Beurteilung sowie die Belegstelle im maßgeblichen Werk von Joseph Fontenrose (1978) genannt: Sie alle gelten in der heutigen Forschung als eindeutig oder zumindest höchstwahrscheinlich frei erfunden.

Ödipus

Dem Mythos zufolge prophezeite das Orakel von Delphi dem König von Theben, Laios, dass sein Sohn ihn dereinst töten und seine Frau heiraten werde. Darauf ließ er dem Neugeborenen die Füße durchstechen und zusammenbinden und ihn von einem Hirten im Gebirge aussetzen. Doch der Hirte übergab das verstoßene Kind dem Königspaar von Korinth, welches es adoptierte und nach seinen geschwollenen Füßen Ödipus nannte. So wuchs Ödipus in Korinth auf, ohne von seiner Herkunft zu wissen. Als ihm ein Orakel verkündete, dass er seinen Vater töten werde, verließ er aus Sorge um seinen vermeintlich biologischen Vater Korinth und machte sich auf den Weg nach Theben.

Unterwegs begegnete er an einer Wegekreuzung dem mit kleinem Gefolge reisenden Laios; dieser hielt Ödipus für einen Räuber und wollte ihn nicht durchlassen, woraufhin Ödipus ihn und die meisten seiner Gefolgsleute erschlug. Somit erfüllte sich eine der zwei Prophezeiungen. Anschließend gelang es Ödipus, das Rätsel der Sphinx zu lösen und so Theben von der Sphinx zu befreien. Zur Belohnung wurde er als Nachfolger des Laios zum König von Theben ernannt und bekam Iokaste, seine Mutter, zur Frau. Somit erfüllte sich die zweite Prophezeiung.

Von ihrer Verwandtschaft nicht wissend, hatten die beiden in der Folgezeit vier Kinder miteinander. Als nach einigen glücklichen Jahren in Theben eine Seuche ausbrach, verkündete das Orakel von Delphi, der Mörder des Laios müsse gefunden werden. Ödipus untersuchte den Fall und fand heraus, dass er selbst der gesuchte Mörder war und seine eigene Mutter geheiratet hatte. Darauf erhängte sich Iokaste und Ödipus blendete sich.

Quelle: Zahlreiche antike Zeugnisse, z. B. Sophokles, Oidipus Tyrannos.
Historische Beurteilung: Legendarisch.[5]

Gyges

Der lydische König Gyges von Sardes ließ sich vom Orakel von Delphi seine Herrschaft bestätigen, nachdem er um 685 v. Chr. seinen Vorgänger Kandaules ermordet hatte. Dafür bedankte sich Gyges mit großzügigen Goldgeschenken für das Orakel. Doch laut Herodot soll ihm die Pythia auch gesagt haben, dass Kandaules in der fünften Generation nach ihm, Gyges, gerächt werde. So geschah es tatsächlich, denn der fünfte König nach Gyges in seiner so genannten Mermnaden-Dynastie, Krösus mit Namen, war der zugleich letzte: denn Krösus verspielte seine Herrschaft mit seinem gescheiterten Perserfeldzug (siehe dazu den nächsten Abschnitt „Krösus“).

Quelle: Herodot, Historien 1, 13, 2.
Historische Beurteilung: unecht; die genaue Zahl der herrschenden Generationen in der Familie des Gyges wäre wohl kaum vorhersehbar gewesen.[6]

Außerdem soll sich der sehr reiche Gyges für den glücklichsten Menschen der Welt gehalten haben. Dies konnte ihm das Orakel von Delphi auf Nachfrage jedoch nicht bestätigen, sondern antwortete, dass Agelaos, ein unbekannter und armer Dorfbewohner in Psophis, viel glücklicher sei.

Quelle: Plinius, Naturalis historia 7, 46, 151.
Historische Beurteilung: Unecht.[7]

Krösus

Krösus, der sprichwörtlich reiche letzte König von Lydien, wollte die Zuverlässigkeit von sieben Orakeln prüfen (neben Delphi z. B. das Orakel von Dodona oder von Siwa). Boten sollten am hundertsten Tag nach ihrer Abreise jedes der Orakel befragen, was Krösus gerade tue. Wie Herodot berichtet, gab nur die Pythia die richtige Antwort, und das auch noch wie zumeist in einem wohlgesetzten Vers im Hexameter, folgend in der entsprechenden Übersetzung:

„Duft von Schildkröte ward mir bewusst, dem gepanzerten Tiere,/Die in ehernem Kessel gekocht wird, und Stücke von Lammfleisch,/Erz ist darunter gelegt, und Erz wird ruh'n auf dem Kessel.“

Tatsächlich hatte Krösus, um etwas schwer Vorhersehbares zu tun, an diesem Tag ein Lamm und eine Schildkröte in einem abgedeckten metallenen Gefäß gekocht.

Quelle: Herodot, Historien 1, 47, 3.
Historische Beurteilung: unecht; Delphi zu testen hätte zugleich Apollo selbst herauszufordern bedeutet, und dies hätte wohl kein antiker Grieche bzw. Lyder gewagt.[8]

Übel hereingefallen ist Krösus dann allerdings mit dem Orakel, das er ersuchte, bevor er 546 v. Chr. gegen den Perserkönig Kyros II. aufbrach, und das als griechischer Hexameter lautete: Kroisos Halyn diabas megalen archen katalysei, oder in lateinischer Übersetzung: Croesus Halyn penetrans magnam pervertet opum vim, in deutscher Prosa: Wenn Krösus den Halys (heute: Kizilirmak) überschreitet, wird er ein großes Reich zerstören. Krösus bezog diese Weissagung auf das Perserreich, es war aber sein eigenes.

Quelle: Herodot, Historien 1, 53, 3 (indirekt); Aristoteles, Rhetorik 1407a (als Hexameter) u. a.; lateinische Übersetzung: Cicero, De divinatione 2, 56, 115.
Historische Beurteilung: Unecht. Die Anrede des Fragestellers (Krösus) in der dritten Person statt in direkter Du-Form ist für Delphi ungewöhnlich. Außerdem verrät der Spruch Wissen, das man nur im Nachhinein haben konnte, denn der Perserfeldzug des Krösus hätte auch enden können, ohne eines der beiden Reiche zu zerstören.[9]

Themistokles

Datei:Schatzhaus athener.jpg
Das Schatzhaus der Athener in Delphi

Die Athener erhielten 480 v. Chr. vom Delphischen Orakel die Weisung, ihre Stadt zu verlassen und mit hölzernen Mauern zu verteidigen. Themistokles deutete dies richtig auf Schiffe und konnte so die Perser in der Seeschlacht von Salamis besiegen.

Quelle: Herodot, Historien 7, 141, 3-4 u. a.
Historische Beurteilung: Höchst zweifelhaft, zumindest in der bei Herodot überlieferten, auffällig langen Form.[10]

Chairephon/Sokrates

Berühmt ist auch die Antwort, die der Athener Chairephon auf die Frage erhielt, ob es einen weiseren Menschen als Sokrates gebe. Das delphische Orakel entschied, dass kein Mensch weiser als Sokrates sei. Dieser erklärte diese Antwort damit, dass er sich stets bewusst sei, dass er sich nichts wirklich gewiss sei, und genau dies sei die Voraussetzung für die Erlangung von Weisheit. Viele nennen deshalb Sokrates neben den Sieben Weisen als achten Weisen von Delphi.

Quelle: Platon, Apologie des Sokrates 21a-c; Xenophon, Apologie des Sokrates 14 u. a.
Historische Beurteilung: Von vielen Wissenschaftlern als fromme Fiktion der sokratischen Schule angezweifelt.[11]

Alexander der Große

Alexander der Große soll 335 v. Chr. in Delphi im Hinblick auf seinen geplanten Perserfeldzug um Rat gebeten haben, doch Pythia vertröstete ihn: Das Orakel finde nur zu den von den Göttern bestimmten Zeiten statt. Wütend und unwillig zu warten, soll er Pythia mit Gewalt an den Haaren in den Tempel gezerrt haben. Daraufhin soll sie lediglich gerufen haben: „Lass ab von mir, du bist doch unüberwindlich, Junge!“ Darauf soll Alexander gesagt haben: „Jetzt habe ich meine Antwort!“, und Pythia losgelassen haben.

Quelle: Plutarch, Alexandervita 14,4; Diodor, Bibliotheke 17,93,4 u. a.
Historische Beurteilung: Legendarisch. Die Anrede Alexanders mit dem griechischen Vokativ „pai“ (Junge, Jüngling, Sohn) verweist auf eine ältere Fassung der Legende, nach der Alexander von Zeus bzw. Amun in einem Orakelspruch von Siwa als sein Sohn bezeichnet wurde.[12]

Pyrrhos

Pyrrhos konnte die Römer 280/279 v. Chr. zweimal nur unter sehr großen eigenen Verlusten besiegen (daher der sprichwörtliche Pyrrhussieg). Vor dieser Unternehmung soll er das delphische Orakel um Rat gefragt und folgende doppeldeutige lateinische Hexameter von der Pythia erhalten haben:

„Aio te, Æacida, Romanos vincere posse. / Ibis redibis nunquam per bella peribis.“

Pyrrhus deutete dies (die nachfolgende deutsche Übersetzung in Prosa):

„Ich sage, Aeacide (Nachkomme des Aiakos, des Großvaters des Achilles), du kannst die Römer besiegen. Du wirst gehen und zurückkehren und niemals in Kriegen umkommen.“

Grammatisch können die Sätze jedoch auch bedeuten (doppeldeutiger Subjekts- bzw. Objektsakkusativ im AcI, doppeldeutige Stellung von nunquam):

„Ich sage, dass die Römer dich, Aeacide, besiegen können. Du wirst gehen und niemals zurückkehren; in Kriegen wirst du umkommen.“

Und so trat es ein. Pyrrhus musste sich aus Italien zurückziehen und fiel 272 v. Chr. im Straßenkampf in Argos.

Quelle: Cicero, De divinatione 2,56,116 nach Ennius.
Historische Beurteilung: Zweifellos unecht. Die lateinischen Verse wurden erst von Ennius gedichtet, ein griechisches Original ist nirgends überliefert, obwohl das Orakel von Delphi nur griechische Antworten gab. Offenbar wollte Ennius für Pyrrhus ein Orakel erfinden, das in seiner Zwiespältigkeit dem (oben geschilderten) Orakel für Krösus entsprach.[13]

Die Spende des armen Bauern

Mit dem Orakel von Delphi verbindet sich auch eine Geschichte, die der biblischen Geschichte vom „Scherflein der Witwe“ (Mk 12,41–44) inhaltlich verwandt ist: Ein reicher Kaufmann aus Magnesia wollte wissen, ob er die größten Opferspenden dargebracht habe, und erfuhr, dass der arme Bauer Klearchos aus Methydrion in Arkadien durch seine regelmäßigen bescheidenen Gaben weit Größeres geleistet habe.

Quelle: Theopomp, Fragment 314.
Historische Beurteilung: Legendarisch.[14]

Julian

Das letzte Orakel erteilte die Pythia angeblich 362 n. Chr. dem Arzt Oreibasios, der es im Auftrag des heidnischen Kaisers Julian aufsuchte. Er wollte wissen, ob das Orakel in einer sich dem Christentum zuwendenden Welt noch Zukunft habe, worauf Pythia geantwortet haben soll:

„Künde dem Kaiser, das schöngefügte Haus ist gefallen. Phoibos Apollon besitzt keine Zuflucht mehr, der heilige Lorbeer verwelkt, seine Quellen schweigen für immer, verstummt ist das Murmeln des Wassers.“
Quelle: Philostorgios, Kirchengeschichte.
Historische Beurteilung: Unecht, christliche Fiktion. Eine solche Bankrotterklärung hätte sich das Orakel von Delphi schwerlich selbst ausgestellt, solange es noch existierte. Überdies gibt es Hinweise darauf, dass das Orakel noch eine Weile nach Julian fortbestand.[15]

Philosophie

Delphische Sibylle (Ausschnitt aus einem Fresko von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle, 1510)

Der Überlieferung zufolge sollen am Eingang des Tempels von Delphi die Inschriften „Erkenne dich selbst“ (gnôthi seautón, γνῶθι σεαυτόν) und „nichts im Übermaß“ (μηδὲν ἄγαν, medèn ágan), angebracht gewesen sein. Insbesondere die erste, bekanntere Aufforderung deutet die eigentliche Absicht des Kultes bzw. der verehrten Gottheit an, nämlich die Auflösung individueller Probleme und Fragestellungen durch die Auseinandersetzung mit der eigenen inneren Persönlichkeit. Die Erkenntnis der „Innenwelt“ diente damit als Zugang zur Problemlösung in der „Außenwelt“.

Die zweite Inschrift (medèn ágan, „Nichts im Übermaß“, „Alles in Maßen“) mahnt zur Bescheidenheit im eigenen Tun. Das rechte Maß steht für eine Grundfigur antiken griechischen Denkens, die neben der platonischen Seinslehre bis zur aristotelischen Tugendethik auch die Musik, die Mathematik, Medizin und viele andere gesellschaftlichen Bereiche erfasste.

Die Existenz dieser Inschriften ist nicht durch archäologische Funde, sondern aus schriftlichen Überlieferungen bekannt. So lässt z. B. Platon im Phaidros und vor allem im Symposion den griechischen Philosophen Sokrates über die Bedeutung dieser Inschriften referieren.

Weit weniger bekannt ist, dass nach einer Überlieferung des Charmides sowie dem etwa 500 Jahre jüngeren Bericht Plutarchs zu diesen beiden Weisheiten noch eine dritte, „Du bist“ (), gehört. Inwieweit diese das Portal zierte, ist ungewiss. Nach Plutarchs Erzählung war sie vermutlich eher eine gesprochene Antwort der Besucher des Tempels auf die Inschriften. Durch ihre später gewonnene Bedeutung kann sie jedoch legitim als „dritte apollonische Weisheit“ gelten.

Während später der selbstreflexive Teil von „gnôthi seautón“ in den Vordergrund trat, war „gnôthi seautón“ im Ursprung möglicherweise als Begrüßungswort des Apollon an die Besucher gedacht. Plutarch schreibt dazu: „Beim Eintreten spricht der Gott sozusagen jeden von uns mit seinem ,Erkenne dich selbst‘ an, was zumindest so gut ist wie ,Heil!‘.“ Als Antwort darauf erwiderte der Besucher dem Gott „Du bist“:

„Wir antworten dem Gott mit ,eî‘ [„Du bist“], indem wir ihm die Benennung übertragen, die wahr ist und in sich keine Lüge birgt und zu ihm allein gehört und zu keinem anderen, nämlich die des Seins […]“

Somit richtete sich „Du bist“ ursprünglich nicht an einen selbst, war also im Ursprung kein Bestandteil einer Selbstreflexion, sondern vielmehr einer Huldigung, die dem Gott Apollon, beziehungsweise der Göttlichkeit im Allgemeinen galt. Erst später wurde der Ausspruch als Ausdruck der Erkenntnis und Anerkenntnis der eigenen Existenz des Gläubigen umgedeutet.

Diese und andere Weisheiten, die in Delphi durch Architektur und Ritual gelehrt und gelebt wurden, waren in der ganzen antiken Welt berühmt. Um 200 v. Chr. reiste so ein gewisser Kletarchos aus dem heutigen Afghanistan (siehe Ai Khanoum) bis nach Delphi, um dort Abschriften von den Sprüchen zu machen und dann in seine Heimatstadt zu bringen, wo er sie inschriftlich verewigen ließ.

Quellenangaben

  1. Fontenrose 1978, S. 288.
  2. Veit Rosenberger: Griechische Orakel. Eine Kulturgeschichte, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001, S. 53.
  3. Jelle Z. de Boer: The geological origins of the oracle at Delphi, Greece. In: Geological Society, London, Special Publications 171, 2000, S. 399–412 (PDF).
  4. [1].
  5. Fontenrose 1978, S. 362 f., L 17–L 19.
  6. Fontenrose 1978, S. 300, Q 96.
  7. Fontenrose 1978, S. 301, Q 97.
  8. Fontenrose 1978, S. 301 f., Q 99, vgl. S. 113.
  9. Fontenrose 1978, S. 302, Q 100, vgl. S. 113 f.
  10. Fontenrose 1978, S. 316 f., Q 147, vgl. S. 124–128.
  11. Fontenrose 1978, S. 245 f., H 3.
  12. Fontenrose 1978, S. 338 f., Q 216.
  13. Fontenrose 1978, S. 343 f., Q 230.
  14. Fontenrose 1978, S. 377, L 58.
  15. Fontenrose 1978, S. 353, Q 263.

Literatur

  • Hugh Bowden: Classical Athens and the Delphic oracle. Divination and democracy. Cambridge University Press, Cambridge 2005, ISBN 0-521-53081-4.
  • Thomas Dempsey: The Delphic oracle. Its early history, influence and fall. Blom, New York 1972 (Nachdruck der Ausgabe Oxford 1918).
  • Joseph Fontenrose: The Delphic Oracle. Its Responses and Operations. With a Catalogue of Responses. University of California Press, Berkeley, Calif. 1978, ISBN 0-520-03360-4.
  • Marion Giebel: Das Orakel von Delphi. Geschichte und Texte. Reclam, Ditzingen 2001, ISBN 3-15-018122-4 (griechisch/deutsch).
  • Michael Maaß: Das antike Delphi. Orakel, Schätze und Monumente. Theiß, Stuttgart 1997, ISBN 3-8062-1321-6.
  • Michael Maaß: Das antike Delphi. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-53631-1.
  • Evi Melas: Delphi. Die Orakelstätte des Apollon. Du Mont, Köln 1990, ISBN 3-7701-2577-0.
  • Herbert W. Parke, Donald E. Wormell: The Delphic Oracle. Blackwell, Oxford 1966:
    • Bd. 1 The history.
    • Bd. 2 The oracular responses.
  • Wolfgang Schadewaldt: Der Gott von Delphi und die Humanitätsidee. Insel-Verlag, Frankfurt/M. 1990, ISBN 3-458-32991-9 (Nachdruck der Ausgabe Frankfurt/M. 1975).
  • Josef Wiesehöfer: Die Geheimnisse der Pythia. Orakel und das Wissen der reisenden Weisen, in: Karl-Joachim Hölkeskamp, Elke Stein-Hölkeskamp (Hrsg.): Erinnerungsorte der Antike. Die griechische Welt. C. H. Beck, München 2010, S. 336–352.

Weblinks

Commons: Delphi - Weitere Bilder oder Audiodateien zum Thema
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