Orakel von Delphi und Kristallstrukturanalyse: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Themis Aigeus Antikensammlung Berlin F2538 n2.jpg|mini|hochkant=1.3|[[Themis (Mythologie)|Themis]] in der Rolle der Pythia prophezeit dem [[Wikipedia:Aigeus|Aigeus]] einen Sohn. [[Wikipedia:Attische Vasenmalerei|Attisch-]][[Wikipedia:Rotfigurige Vasenmalerei|rotfigurige]] [[Wikipedia:Kylix (Gefäß)|Kylix]] des [[Wikipedia:Kodros-Maler|Kodros-Maler]]s, um 435 v. Chr., gefunden in [[Wikipedia:Vulci|Vulci]], heute in der [[Wikipedia:Antikensammlung Berlin|Antikensammlung Berlin]].]]
[[Datei:DNA-X-Ray-Wilkins.jpg|mini|left|Abb. 1: Eine der ersten Aufnahmen der unter der Leitung von [[Wikipedia:Maurice Wilkins|Maurice Wilkins]] durchgeführten [[Röntgenstrukturanalyse]] der [[Wikipedia:DNA|DNA]], für die ihm 1962 zusammen mit [[Wikipedia:James Watson|James Watson]] und [[Wikipedia:Francis Crick|Francis Crick]] der [[Wikipedia:Nobelpreis für Physiologie oder Medizin|Nobelpreis für Physiologie oder Medizin]] verliehen wurde.]]
[[Datei:X-ray spectrometer, 1912. (9660569929).jpg|mini|Der Röntgenspektrograf von W. L. Bragg, 1912. [[Wikipedia:Science Museum London|Science Museum London]].]]
[[Datei:Freezed XRD.jpg|mini|Modernes Röntgenstrahlen-Diffraktometer bei der Arbeit]]
[[Datei:Tyrosin.png|mini|Die Struktur von Proteinen wird durch Röntgenstrukturanalalyse aufgeklärt, indem die Aminosäuresequenz in die ermittelte Elektronenverteilung (weißes Gitter) so eingepasst wird, bis es plausibel scheint, dass die vorgeschlagene Struktur die gemessene Elektronenverteilung erzeugen kann.]]
[[Datei:DNA orbit animated.gif|mini|hochkant=1|Strukturmodell einer DNA-Helix in B-Konformation. Die [[Stickstoff]] (blau) enthaltenden [[Wikipedia:Nukleinbasen|Nukleinbasen]] liegen waagrecht zwischen zwei Rückgratsträngen, welche sehr reich an [[Sauerstoff]] (rot) sind. [[Kohlenstoff]]atome sind grün dargestellt.]]


Das '''Orakel von Delphi''' war eine [[Weissagung]]sstätte des [[Wikipedia:Antikes Griechenland|antiken Griechenlands]]. Sie befand sich am Hang des [[Wikipedia:Parnass|Parnass]] bei der Stadt [[Wikipedia:Delphi|Delphi]] in der Landschaft [[Wikipedia:Phokis|Phokis]]. Die Kultstätte von Delphi mit dem Orakel war die wichtigste der [[Wikipedia:Hellenen|hellenischen]] Welt und bestand bis in die [[Wikipedia:Spätantike|Spätantike]]. Delphi galt lange Zeit sogar als Mittelpunkt der Welt, der symbolisch durch den [[Omphalos]] markiert wurde.
Die '''Kristallstrukturanalyse''' ist ein [[physik]]alisches Verfahren, um die innere [[Struktur]] eines [[Kristall]]s [[Empirie|empirisch]] zu ermitteln. Sie bedient sich dabei der [[Beugung (Physik)|Beugung]] geeigneter kurzwelliger [[Strahlung]] am [[Kristallgitter]]. Meist wird dabei [[Röntgenstrahlung]] verwendet, weshalb man dann auch von '''Röntgenstrukturanalyse''' spricht.  


== Mythologie ==
Die Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen wurde [[Wikipedia:1912|1912]] von [[Wikipedia:Max von Laue|Max von Laue]] ([[1879]]-1960) gemeinsam mit [[Wikipedia:Walter Friedrich (Biophysiker)|Walter Friedrich]] und [[Wikipedia:Paul Knipping|Paul Knipping]] entdeckt, womit sie zugleich nachwiesen, dass sich Röntgenstrahlung wie eine [[Welle]] ausbreitet. Außerdem ergaben sich aus den Beugungsmustern erstmals konkrete Aufschlüsse über die [[Kristallstruktur]]. 1914 erhielt Max von Laue für seine bahnbrechende Arbeit den [[Wikipedia:Nobelpreis für Physik|Nobelpreis für Physik]].
[[Datei:Columns of the Temple of Apollo at Delphi, Greece.jpeg|mini|hochkant=1.3|Tempel des Apollon in Delphi]]


Dem [[Mythos]] zufolge ließ [[Zeus]] zwei Adler von je einem Ende der Welt fliegen, die sich in Delphi trafen. Seither galt dieser Ort als Mittelpunkt der Welt.
Angeregt durch Laues Arbeiten untersuchte [[Wikipedia:William Lawrence Bragg|William Lawrence Bragg]] von 1912 bis 1914 zusammen mit seinem Vater verschiedene Kristalle Röntgenstrahlen und fand 1912 die [[Wikipedia:Bragg-Gleichung|Bragg-Gleichung]], aus der sich die Winkel <math>\sin(\theta)</math> (Glanz- oder Bragg-Winkel) der Beugungsmaxima <math>n</math>-ter Ordnung der am Kristallgitter mit der Gitterdistanz <math>d</math> reflektierten Röntgenstrahlung mit der [[Wellenlänge]] <math>\lambda</math> errechnen lassen. Gemeinsam mit seinem Vater wurde ihm dafür 1915 der Nobelpreis für Physik verliehen.


Die Erdmutter [[Gaia (Mythologie)|Gaia]] vereinigte sich mit dem Schlamm, der nach dem Ende des [[Goldenes Zeitalter|Goldenen Zeitalters]] von der Welt übrig blieb, und gebar die geflügelte Schlange [[Python (Mythologie)|Python]] (oft auch als „Drache“ bezeichnet). Python hatte hellseherische Fähigkeiten und lebte an dem Ort, der später Delphi heißen sollte. Nach verschiedenen Varianten der Sage war Python weiblich oder männlich.
<center><math> n \lambda = 2d \, \sin(\theta)</math></center>


[[Hera]], die Frau des Zeus, war eine Enkelin Gaias. Gaia prophezeite ihrer eifersüchtigen Enkelin, dass [[Leto (Mythologie)|Leto]], ihre Nebenbuhlerin und eine der Geliebten des Zeus, dereinst Zwillinge gebären würde, die größer und stärker als alle ihre Kinder sein würden. So schickte sie Python los, um Leto zu verschlingen, noch bevor diese ihre Kinder zur Welt bringen konnte. Diese Intrige wurde von Zeus verhindert, und Leto gebar [[Artemis]] und [[Apollon]].
Zur Analyse wird der Kristall drehbar montiert und kann dadurch unter verschiedensten Winkeln bestrahlt werden. Aus der Winkelverteilung der Beugungsmaxima in dem daraus resultierenden Beugungsmuster kann die [[Kristallstruktur]] bzw. die Verteilung der [[Wikipedia:Elektronendichte|Elektronendichte]] in der [[Elementarzelle]] mittels [[Fourier-Transformation]] berechnet werden. [[Einkristall]]e, die ein durchgehend einheitliches, homogenes Kristallgitter bilden, aber oft nur schwer in ausreichender Größe gezüchtet werden können, sind für die Strukturanalyse am besten geeignet. Leichter herzustellende polykristalline Aggregate können heutzutage auch verwendet werden, liefern aber weniger detailreiche Bilder.  


[[Datei:Tholos Athena Pronaia.JPG|mini|hochkant=1.3|[[Wikipedia:Tholos|Tholos]] im Heiligtum der Athena Pronaia in Delphi]]
Grundsätzlich kann aus der Verteilung der Elektronen auch die [[Raum|räumlich]]-[[Geometrie|geometrische]] Anordnung der [[Atom]]e bzw. die [[Molekularstruktur]] auch hochkomplexer [[Molekül]]e, z.B. vieler biologisch aktiver [[Protein]]e, erschlossen werden. Das vermutlich bekannteste Beispiele dafür ist die am 25. April 1953 von [[Wikipedia:James Watson|James Watson]] und [[Wikipedia:Francis Crick|Francis Crick]] in ihrem berühmten, kaum mehr als eine Seite langen Artikel ''[[Wikipedia:Molecular Structure of Nucleic Acids: A Structure for Deoxyribose Nucleic Acid|Molecular Structure of Nucleic Acids: A Structure for Deoxyribose Nucleic Acid]]''.<ref name="WatsonCrick1953">J. D. Watson, F. H. Crick: [http://www.nature.com/physics/looking-back/crick/index.html ''Molecular structure of nucleic acids. A structure for deoxyribose nucleic acid.''] In: ''[[Wikipedia:Nature|Nature]].'' Band 171, Nr. 4356, 1953, S. 737–738. PMID 13054692 [http://www.nature.com/nature/dna50/watsoncrick.pdf (Volltext, PDF; 368&nbsp;kB)]</ref> in der Zeitschrift [[Wikipedia:Nature|Nature]] veröffentlichte [[Wikipedia:Desoxyribonukleinsäure|DNA]]-Struktur, zu deren Bestimmung sie sich hauptsächlich auf die Röntgenbeugungsdaten von [[Wikipedia:Maurice Wilkins|Maurice Wilkins]] und [[Wikipedia:Rosalind Franklin|Rosalind Franklin]] stützten. In einem kreativ suchenden Prozess bauten sie immer wieder neue Strukturmodelle, die zu den Beugungsmustern passten, bis sie schließlich auf die geniale [[Idee]] der berühmten [[Wikipedia:Doppelhelix|Doppelhelix]] stießen, für die ihnen 1962 zusammen mit Wilkins der [[Wikipedia:Nobelpreis für Physiologie oder Medizin|Nobelpreis für Physiologie oder Medizin]] verliehen wurde.


Eine der ersten Taten Apollons war die Rache an Python für den Anschlag auf seine Mutter. Er stellte sich gegen Python bei Delphi und tötete den Drachen. Durch das vergossene Blut Pythons übertrugen sich dessen hellseherischen Fähigkeiten auf den Ort. So wurde Delphi der Kontrolle Gaias entrissen und befand sich fortan unter dem Schutze Apollons.
Wilkins schrieb dazu in seinem Nobelpreis-Vortrag:


== Geschichte ==
{{LZ|Diese Forschung wurde von Randall geleitet, der
bei W. L. Bragg studiert und mit Röntgenbeugung gearbeitet hatte.
Fast sofort erhielt Gosling sehr ermutigende Beugungsbilder
(siehe Abb. 1). Ein Grund für diesen Erfolg war, dass wir die Fasern feucht hielten. Wir
erinnerten uns, dass, um detaillierte Röntgenmuster von Proteinen zu erhalten, Bernal
Proteinkristalle in ihrer Mutterlauge gehalten hatte. Es schien wahrscheinlich, dass die
Konfiguration aller Arten von wasserlöslichen biologischen Makromolekülen
abhängig von ihrer wässrigen Umgebung sein würden. Wir erhielten gute Beugungsmuster
mit DNA von Signer und Schwander, die Singer nach
London zu einem Faraday Society Meeting über Nukleinsäuren mitgebracht und großzügig
verteilt hatte, so dass alle Arbeiter mit ihren verschiedenen Techniken daran arbeiten konnten.<ref>Im englischen Original:<br>
„This research was directed by Randall, who
had been trained under W. L. Bragg and had worked with X-ray diffraction.
Almost immediately, Gosling obtained very encouraging diffraction patterns
(see Fig. 1). One reason for this success was that we kept the fibres moist. We
remembered that, to obtain detailed X-ray patterns from proteins, Bernal
had kept protein crystals in their mother liquor. It seemed likely that the
configuration of all kinds of water-soluble biological macromolecules would
depend on their aqueous environment. We obtained good diffraction patterns
with DNA made by Signer and Schwander which Singer brought to
London to a Faraday Society meeting on nucleic acids and which he generously
distributed so that all workers, using their various techniques, could
study it.“<br>(Wilkins: ''Nobel Lecture'', December 11, 1962 [https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates/1962/wilkins-lecture.pdf pdf])</ref>|Wilkins, S. 757}}


Der Kult in Delphi, das bis zum fünften Jahrhundert v. Chr. ''Pytho'' hieß, galt laut mythologischem Bericht zunächst der Erdgöttin [[Gaia (Mythologie)|Gaia]] und erst später dem [[Apollon]]. Der genaue Zeitpunkt der Übernahme des Heiligtums durch Apollon ist nicht mehr feststellbar, doch bereits bei [[Wikipedia:Homer|Homer]] wird von einem Apollonkult in Delphi gesprochen. Funde zeigen einen Aufstieg des Heiligtums ab dem achten Jahrhundert v. Chr.
Man muss dabei allerdings bedenken, dass die gewonnenen Erkenntnisse nur im Rahmen ihrer makroskopischen Umgebung gültig sind und streng genommen nicht auf freie Moleküle in [[Flüssigkeit]]en oder [[Gas]]en übertragen werden können. Darauf hatte schon [[Rudolf Steiner]] hingewiesen:


Auf die kultische Verehrung der Gaia ist es zurückzuführen<!-- Wer sagt das? -->, dass Apollon nicht durch einen [[Priester]], sondern durch die [[Pythia]] sprach. Diese saß auf einem [[Wikipedia:Dreifuß|Dreifuß]] über einer Erdspalte. Der Überlieferung nach stiegen aus dieser Erdspalte Dämpfe, die die Pythia in einen Trancezustand versetzten. Das Ende des Delphischen Orakels kam durch den christlichen Kaiser [[Wikipedia:Theodosius I.|Theodosius I.]], der 391 n. Chr. alle Orakelstätten durch ein [[Wikipedia:Edikt|Edikt]] aufhob.
{{GZ|Spiritisten berufen sich darauf, daß sie Geister fotografiert haben. Das Fotografieren ist ein äußerer Vorgang, und ich will mich hier nicht weiter darüber verbreiten, ob man Geister fotografieren kann oder nicht. Aber mit nicht mehr Recht als die Spiritisten behaupten, daß sie Geister fotografiert haben, berufen sich heute gewisse Physiker darauf, daß sie die Konfiguration der Atome fotografiert haben. Gewiß, man kann Kristalle mit Röntgenstrahlen bewerfen, man kann diese Röntgenstrahlen zur Reflexion, die reflektierten Strahlen zur Interferenz bringen und dann fotografieren, und man kann behaupten, man fotografiere die Konfiguration der Atome. Die wesentliche Frage ist nur: Fotografiert man hier wirklich die atomistischen Agenzien oder fotografiert man gewisse Wirkungen, die vom Makrokosmischen herkommen und die sich nur an den Punkten zeigen, an denen man glaubt, daß die Atome vorhanden sind? Es kommt überall darauf an, daß man Denk- und Vorstellungsarten findet, die in der richtigen Weise von den Erscheinungen zu dem Wesen der Dinge zu gehen vermögen.|73a|43}}


[[Datei:Delphi Apollo Temple.jpg|thumb|hochkant=1.3|Hauptheiligtum für Apollon in Delphi]]
[[Eugen Kolisko]] ergänzt:


== Ablauf des Orakels ==
{{LZ|Es ist z.B. etwas ganz anderes, wenn man etwa die ''[[Wikipedia:Max von Laue|Laueschen]]'' Kristallgitter
für eine Abbildung einer räumlichen molekularen, unter gewöhnlichen
Verhältnissen unsichtbaren Struktur der Kristalle hält oder für ein
Bild, das durch Zusammenwirken des Röntgenlichtes mit der das ganze
Kristall dynamisch durchsetzenden Gestaltung entsteht, die nicht materiell
zu sein braucht. Man fasst dann das vorliegende ''Phänomen'' als entstehend
auf aus dem Zusammenwirken von chemischer Struktur mit dem
Licht. Das atomistische Bild wird nicht als präformierter Tatbestand
gedacht, sondern im Versuch durch dynamisches Zusammenwirken entstehend.|Kolisko, S. 91f.}}


Das Orakel von Delphi gab zunächst nur einmal im Jahr am Geburtstag des Apollon Auskunft, dem siebten Tag des Monats [[Wikipedia:Bysios|Bysios]], später am siebten Tag jedes Monats im Sommer. Im Winter legte es für drei Monate eine Pause ein. Nach griechischer Vorstellung hielt sich der Gott in dieser Zeit bei den [[Hyperboreer]]n auf, einem sagenumwobenen Volk im Norden. Das Orakel wurde währenddessen von [[Dionysos]] regiert.
Tatsächlich darf man sich die Moleküle [[an sich]] nicht im naiven Sinn als aus Atomen ''zusammengesetzte'' [[Objekt]]e mit einer eindeutig definierten räumlichen [[Form]] vorstellen, so nützlich dieses Konzept auch als ''Näherungslösung'' für viele praktische Probleme sein mag, solange man sich ihrer Grenzen bewusst bleibt. Die moderne [[Quantentheorie]] spricht hier eine eindeutige Sprache, weshalb der [[Chemiker]] [[Hans Primas]] auch nachdrücklich betont:


Bevor das Orakel sprach, bedurfte es eines [[Omen]]s: Ein [[Hoherpriester|Oberpriester]] besprengte eine junge Ziege mit eiskaltem Wasser. Blieb sie ruhig, fiel das Orakel für diesen Tag aus, und die Ratsuchenden mussten einen Monat später wiederkommen. Zuckte die Ziege zusammen, wurde sie als [[Opfertier]] geschlachtet und auf dem [[Altar]] verbrannt. Nun konnten die Weissagungen beginnen: Begleitet von zwei Priestern begab sich die Pythia zur heiligen [[Kastalische Quelle|Quelle Kastalia]], wo sie nackt ein Bad nahm, um kultisch rein zu sein. Aus einer zweiten Quelle, der Kassiotis, trank sie dann einige Schlucke des heiligen Wassers. Begleitet von zwei Oberpriestern und den Mitgliedern des Fünfmännerrates ging die Pythia anschließend in den Apollontempel. Sie wurde nun vor den Altar der [[Hestia]] geführt, wo&nbsp;– nach einigen Theorien&nbsp;– aus einer Erdspalte die berauschenden Dämpfe aufstiegen, so dass sie ihre Weissagungen in einer Art [[Trance]] gemacht hätte.
{{LZ|Moleküle, Atome, Elektronen,
Quarks oder Strings sind aber keine Bausteine der Materie, sie sind nicht
Ge-fundenes, sondern Er-fundenes, das heisst Konstruktionen derer, welche
die materielle Realität erforschen. Von dem ursprünglichen Begriff der Materie
ist in der heutigen Physik nichts übriggeblieben.|Primas 1992, S. 50}}


Umstritten ist, wieweit die Aussagen der Pythia von den Priestern interpretiert und formuliert wurden und inwieweit diese auch von Informanten gewonnene Erkenntnisse in ihre Deutung miteinbezogen. [[Wikipedia:Joseph Eddy Fontenrose|Joseph Fontenrose]] kam zu dem Ergebnis, dass die Pythia direkt zu den Fragestellern gesprochen hat.<ref name=fontenrose0>Fontenrose 1978, S. 288.</ref> Allerdings wurden nur die begüterten Klienten individuell beraten und bekamen ausführliche, wenn auch oft rätselhafte Antworten. Die Ärmeren mussten mit einem Binärorakel (Ja-Nein-Orakel) vorliebnehmen. Sie durften deshalb auch nur solche Fragen stellen, die sich mit Ja oder Nein beantworten ließen. Die Pythia griff dann in einen Behälter mit weißen und schwarzen Bohnen und nahm eine von ihnen heraus: Weiß bedeutete ''Ja,'' schwarz ''Nein''.
Dass man einem Molekül aus quantenmechanischer Sicht keine definierte [[Gestalt]] zuschreiben kann, betonte auch ''Richard Guy Woolley'' in seinem Artikel «''Must a molecule have shape?''»:


== Erklärungsansätze ==
{{LZ|Die Quantenmechanik kann ziemlich genau vorhersagen, wie sich die Energie eines Moleküls ändern kann, aber sie sagt streng genommen nichts über die Form eines Moleküls. Das ist eine erstaunliche Aussage für einen Chemiker, weil es die räumlichen Beziehungen der chemisch gebundenen Atomen sind, die am wichtigsten sind für das Verständnis dafür, wie Moleküle mit anderen reagieren. Chemiker, Physiker und Molekularbiologen sollten sich daher überlegen, wie sie die Quantenmechanik nutzen und was sie mit Atomen und Molekülen eigentlich meinen.|Richard Guy Woolley in ''New Scientist'', 22. Oktober 1988, S. 53<ref>Im englischen Original:<br>„Quantum mechanics can predict fairly accurately the way
the energy of a molecule may change, but strictly speaking it
says nothing about the shape of a molecule. This is an astonishing
statement for a chemist because it is the spatial
relationships of chemically bonded atoms that is most
important in understanding how molecules react with each
other. Chemists, physicists and molecular biologists should
reconsider now how they use quantum mechanics, and what
they mean by atoms and molecules.“</ref>}}


Frühere [[Geologie|geologische]] Untersuchungen ließen es zunächst zweifelhaft erscheinen, dass in Delphi echte Gase aus einer Erdspalte austraten.<ref>[[Wikipedia:Veit Rosenberger|Veit Rosenberger]]: ''Griechische Orakel. Eine Kulturgeschichte'', Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001, S. 53.</ref> Es wurde daher angenommen, dass der Mythos aus einem spirituellen Hauch [[physik]]alische Gase gemacht habe. 2001 publizierte Forschungen des amerikanischen Geologen Jelle de Boer konnten aber nach umfangreichen Laboranalysen belegen, dass das in Delphi austretende Gas [[Wikipedia:Ethen|Ethylen]] die [[Trance]] der Priesterin bewirkt haben könnte.<ref>Jelle Z. de Boer: ''The geological origins of the oracle at Delphi, Greece''. In: ''Geological Society, London, Special Publications'' 171, 2000, S. 399–412 ([https://www.rosicrucian.org/publications/digest/digest2_2008/Web%20version/WS_01_Hale-DeBoer/zSource/deBoerHale_original.pdf PDF]).</ref>
== Siehe auch ==


Italienische Geologen um Giuseppe Etiope widersprachen jedoch 2006 de Boers These, da nach ihren Ergebnissen das Ethylen keine neurotoxischen Konzentrationen erreicht haben könne. Nach ihrer Ansicht erklärt sich die Trance der Priesterin durch den hohen Methan- und Kohlendioxid-Anteil der aus dem Gestein aufsteigenden Gase; dieser habe bei der Pythia zu einem Sauerstoffmangel und zu Halluzinationen geführt.<ref>[http://www.livescience.com/4277-theory-oracle-delphi-high.html].</ref> De Boer hält jedoch weiter an seiner These fest. Dass heute in Delphi keine großen Ethylenkonzentrationen mehr erreicht werden, erklärt er damit, dass sich die Austrittswege durch Erdverschiebung oder [[Wikipedia:Sinter|Versinterung]] geschlossen hätten.
* {{WikipediaDE|Kristallstrukturanalyse}}


Unstreitig ist festzuhalten, dass Delphi als eines der größten panhellenischen Heiligtümer regelmäßig Reisende aus dem gesamten Mittelmeerraum empfing. Anfragen an das Orakel, die beispielsweise von Seiten einer Polis oder eines [[Wikipedia:Oikistes|Oikistes]] kommen konnten, enthüllten deren vertrauliche politischen Absichten oder konnten Aufschluss geben über Koloniepläne. Die delphische Priesterschaft verfügte damit wie kaum eine andere Personengruppe über Informationen, konnte dazwischen Zusammenhänge herstellen und sicherlich auch auf diese Weise Vorhersagen treffen, die durch Trancezustände allein nicht zu erklären sind.
== Literatur ==
 
== Berühmte delphische Orakelsprüche ==
 
Nachfolgend sind die berühmtesten (angeblichen) delphischen Orakelsprüche zusammengestellt. Da das Orakel von Delphi bereits in der Antike sagenumwoben war, werden einige seiner Weissagungen (und zwar gerade die bekanntesten) in der modernen Geschichtswissenschaft als legendarisch bzw. unecht (fiktiv) beurteilt. Dies gilt insbesondere für all jene Sprüche, die über ein bloßes „Ja“ und „Nein“ hinausgegangen sein sollen. Im Anschluss an die einzelnen berühmten Orakel wird hier ihre Quelle, ihre historische Beurteilung sowie die Belegstelle im maßgeblichen Werk von Joseph Fontenrose (1978) genannt: Sie alle gelten in der heutigen Forschung als eindeutig oder zumindest höchstwahrscheinlich frei erfunden.
 
=== Ödipus ===
 
Dem Mythos zufolge prophezeite das Orakel von Delphi dem König von [[Wikipedia:Theben (Böotien)|Theben]], Laios, dass sein Sohn ihn dereinst töten und seine Frau heiraten werde. Darauf ließ er dem Neugeborenen die Füße durchstechen und zusammenbinden und ihn von einem Hirten im Gebirge aussetzen. Doch der Hirte übergab das verstoßene Kind dem Königspaar von Korinth, welches es adoptierte und nach seinen geschwollenen Füßen [[Wikipedia:Ödipus|Ödipus]] nannte. So wuchs Ödipus in [[Wikipedia:Korinth|Korinth]] auf, ohne von seiner Herkunft zu wissen. Als ihm ein Orakel verkündete, dass er seinen Vater töten werde, verließ er aus Sorge um seinen vermeintlich biologischen Vater Korinth und machte sich auf den Weg nach Theben.
 
Unterwegs begegnete er an einer Wegekreuzung dem mit kleinem Gefolge reisenden Laios; dieser hielt Ödipus für einen Räuber und wollte ihn nicht durchlassen, woraufhin Ödipus ihn und die meisten seiner Gefolgsleute erschlug. Somit erfüllte sich eine der zwei Prophezeiungen. Anschließend gelang es Ödipus, das [[Rätsel der Sphinx]] zu lösen und so Theben von der [[Sphinx]] zu befreien. Zur Belohnung wurde er als Nachfolger des Laios zum König von Theben ernannt und bekam [[Iokaste]], seine Mutter, zur Frau. Somit erfüllte sich die zweite Prophezeiung.
 
Von ihrer Verwandtschaft nicht wissend, hatten die beiden in der Folgezeit vier Kinder miteinander. Als nach einigen glücklichen Jahren in Theben eine Seuche ausbrach, verkündete das Orakel von Delphi, der Mörder des Laios müsse gefunden werden. Ödipus untersuchte den Fall und fand heraus, dass er selbst der gesuchte Mörder war und seine eigene Mutter geheiratet hatte. Darauf erhängte sich Iokaste und Ödipus blendete sich.


: Quelle: Zahlreiche antike Zeugnisse, z. B. [[Sophokles]], ''Oidipus Tyrannos''.<br>
* Maurice Wilkins: ''The molecular configuration of nucleic acids'', Nobel Lecture, December 11, 1962
: Historische Beurteilung: Legendarisch.<ref name=fontenrose1>Fontenrose 1978, S. 362 f., L 17–L 19.</ref>
* Werner Massa: ''Kristallstrukturbestimmung'', Vieweg + Teubner Verlag, 6. Auflage, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-8348-0649-9
* [[Hans Primas]]: ''Chemistry, Quantum Mechanics and Reductionism: Perspectives in Theoretical Chemistry'', Springer Verlag 1983, ISBN 978-3540128380
* Hans Primas: ''Umdenken in der Naturwissenschaft'' in: ''Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich'' (1992) 137/l, S. 41-62 (genehmigter Nachdruck aus «GAIA; Ecological Perspectives in Science, Humanities and Economics» (1992) 1, l, 5-15 [http://www.ngzh.ch/archiv/1992_137/137_1/137_5.pdf pdf]
* Richard Guy Woolley: ''Must a molecule have shape?'' in: ''New Scientist'', 22. Oktober 1988, p. 53-57 [https://www.researchgate.net/profile/Richard_Woolley4/publication/314751850_Must_a_molecule_have_shape/links/58c5699045851538eb8af944/Must-a-molecule-have-shape.pdf?origin=publication_detail pdf]
* [[Eugen Kolisko]], Martin Rozumek (Hrsg.): ''Hypothesenfreie Chemie. «Hypothesenfreie Chemie» im Sinne der Geisteswissenschaft, der Atomismusstreit 1922/23 und Rudolf Steiners Stellung zum Atomismus'', Verlag am Goetheanum, Dornach 2012, ISBN 978-3-7235-1480-1
* Rudolf Steiner: ''Fachwissenschaften und Anthroposophie'', [[GA 73a]] (2005), ISBN 3-7274-0735-2 {{Vorträge|073a}}


=== Gyges ===
{{GA}}


Der lydische König [[Wikipedia:Gyges|Gyges]] von Sardes ließ sich vom Orakel von Delphi seine Herrschaft bestätigen, nachdem er um 685 v. Chr. seinen Vorgänger [[Wikipedia:Kandaules|Kandaules]] ermordet hatte. Dafür bedankte sich Gyges mit großzügigen Goldgeschenken für das Orakel. Doch laut [[Wikipedia:Herodot|Herodot]] soll ihm die Pythia auch gesagt haben, dass Kandaules in der fünften Generation nach ihm, Gyges, gerächt werde. So geschah es tatsächlich, denn der fünfte König nach Gyges in seiner so genannten [[Wikipedia:Mermnaden-Dynastie|Mermnaden-Dynastie]], Krösus mit Namen, war der zugleich letzte: denn Krösus verspielte seine Herrschaft mit seinem gescheiterten Perserfeldzug (siehe dazu den nächsten Abschnitt „Krösus“).
== Einzelnachweise ==


: Quelle: Herodot, Historien 1, 13, 2.<br>
: Historische Beurteilung: unecht; die genaue Zahl der herrschenden Generationen in der Familie des Gyges wäre wohl kaum vorhersehbar gewesen.<ref name=fontenrose2>Fontenrose 1978, S. 300, Q 96.</ref>
Außerdem soll sich der sehr reiche Gyges für den glücklichsten Menschen der Welt gehalten haben. Dies konnte ihm das Orakel von Delphi auf Nachfrage jedoch nicht bestätigen, sondern antwortete, dass Agelaos, ein unbekannter und armer Dorfbewohner in Psophis, viel glücklicher sei.
: Quelle: [[Plinius der Ältere|Plinius]], Naturalis historia 7, 46, 151. <br />
: Historische Beurteilung: Unecht.<ref name=fontenrose3>Fontenrose 1978, S. 301, Q 97.</ref>
=== Krösus ===
[[Wikipedia:Krösus|Krösus]], der sprichwörtlich reiche letzte König von [[Wikipedia:Lydien|Lydien]], wollte die Zuverlässigkeit von sieben Orakeln prüfen (neben Delphi z. B. das Orakel von [[Wikipedia:Dodona|Dodona]] oder von [[Orakel von Siwa|Siwa]]). Boten sollten am hundertsten Tag nach ihrer Abreise jedes der Orakel befragen, was Krösus gerade tue. Wie [[Wikipedia:Herodot|Herodot]] berichtet, gab nur die Pythia die richtige Antwort, und das auch noch wie zumeist in einem wohlgesetzten Vers im [[Hexameter]], folgend in der entsprechenden Übersetzung:
: ''„Duft von Schildkröte ward mir bewusst, dem gepanzerten Tiere,/Die in ehernem Kessel gekocht wird, und Stücke von Lammfleisch,/Erz ist darunter gelegt, und Erz wird ruh'n auf dem Kessel.“''
Tatsächlich hatte Krösus, um etwas schwer Vorhersehbares zu tun, an diesem Tag ein Lamm und eine Schildkröte in einem abgedeckten metallenen Gefäß gekocht.
: Quelle: Herodot, Historien 1, 47, 3. <br />
: Historische Beurteilung: unecht; Delphi zu testen hätte zugleich Apollo selbst herauszufordern bedeutet, und dies hätte wohl kein antiker Grieche bzw. [[Lyder]] gewagt.<ref name=fontenrose4>Fontenrose 1978, S. 301 f., Q 99, vgl. S. 113.</ref>
Übel hereingefallen ist Krösus dann allerdings mit dem Orakel, das er ersuchte, bevor er [[Wikipedia:546 v. Chr.|546 v. Chr.]] gegen den [[Wikipedia:Perserreich|Perserkönig]] [[Kyros II.]] aufbrach, und das als griechischer Hexameter lautete: ''Kroisos Halyn diabas megalen archen katalysei,'' oder in lateinischer Übersetzung: ''Croesus Halyn penetrans magnam pervertet opum vim,'' in deutscher [[Prosa]]: ''Wenn Krösus den Halys'' (heute: [[Wikipedia:Kizilirmak|Kizilirmak]]) ''überschreitet, wird er ein großes Reich zerstören.'' Krösus bezog diese Weissagung auf das Perserreich, es war aber sein eigenes.
: Quelle: Herodot, Historien 1, 53, 3 (indirekt); [[Aristoteles]], Rhetorik 1407a (als Hexameter) u. a.; lateinische Übersetzung: [[Wikipedia:Marcus Tullius Cicero|Cicero]], De divinatione 2, 56, 115. <br />
: Historische Beurteilung: Unecht. Die Anrede des Fragestellers (Krösus) in der dritten Person statt in direkter Du-Form ist für Delphi ungewöhnlich. Außerdem verrät der Spruch Wissen, das man nur im Nachhinein haben konnte, denn der Perserfeldzug des Krösus hätte auch enden können, ohne eines der beiden Reiche zu zerstören.<ref name=fontenrose5>Fontenrose 1978, S. 302, Q 100, vgl. S. 113 f.</ref>
=== Themistokles ===
[[Datei:schatzhaus athener.jpg|mini|hochkant=1.3|Das [[Wikipedia:Schatzhaus der Athener|Schatzhaus der Athener]] in Delphi]]
Die Athener erhielten 480 v. Chr. vom Delphischen Orakel die Weisung, ihre Stadt zu verlassen und mit hölzernen Mauern zu verteidigen. [[Themistokles]] deutete dies richtig auf Schiffe und konnte so die Perser in der [[Schlacht von Salamis|Seeschlacht von Salamis]] besiegen.
: Quelle: Herodot, Historien 7, 141, 3-4 u. a. <br />
: Historische Beurteilung: Höchst zweifelhaft, zumindest in der bei Herodot überlieferten, auffällig langen Form.<ref name=fontenrose6>Fontenrose 1978, S. 316 f., Q 147, vgl. S. 124–128.</ref>
=== Chairephon/Sokrates ===
Berühmt ist auch die Antwort, die der Athener [[Wikipedia:Chairephon|Chairephon]] auf die Frage erhielt, ob es einen weiseren Menschen als [[Sokrates]] gebe. Das delphische Orakel entschied, dass kein Mensch weiser als Sokrates sei. Dieser erklärte diese Antwort damit, dass er sich stets bewusst sei, dass er sich nichts wirklich gewiss sei, und genau dies sei die Voraussetzung für die Erlangung von Weisheit. Viele nennen deshalb Sokrates neben den [[Sieben Weise von Griechenland|Sieben Weisen]] als achten Weisen von Delphi.
: Quelle: [[Platon]], Apologie des Sokrates 21a-c; [[Xenophon]], Apologie des Sokrates 14 u. a. <br />
: Historische Beurteilung: Von vielen Wissenschaftlern als fromme Fiktion der sokratischen Schule angezweifelt.<ref name=fontenrose7>Fontenrose 1978, S. 245 f., H 3.</ref>
=== Alexander der Große ===
[[Alexander der Große]] soll 335 v. Chr. in Delphi im Hinblick auf seinen geplanten Perserfeldzug um Rat gebeten haben, doch Pythia vertröstete ihn: Das Orakel finde nur zu den von den Göttern bestimmten Zeiten statt. Wütend und unwillig zu warten, soll er Pythia mit Gewalt an den Haaren in den Tempel gezerrt haben. Daraufhin soll sie lediglich gerufen haben: „Lass ab von mir, du bist doch unüberwindlich, Junge!“ Darauf soll Alexander gesagt haben: „Jetzt habe ich meine Antwort!“, und Pythia losgelassen haben.
: Quelle: [[Wikipedia:Plutarch|Plutarch]], Alexandervita 14,4; [[Wikipedia:Diodor|Diodor]], Bibliotheke 17,93,4 u. a. <br />
: Historische Beurteilung: Legendarisch. Die Anrede Alexanders mit dem griechischen Vokativ „pai“ (Junge, Jüngling, Sohn) verweist auf eine ältere Fassung der Legende, nach der Alexander von Zeus bzw. Amun in einem [[Orakel von Siwa#Bekannte Orakelsprüche|Orakelspruch von Siwa]] als sein Sohn bezeichnet wurde.<ref name=fontenrose8>Fontenrose 1978, S. 338 f., Q 216.</ref>
=== Pyrrhos ===
[[Wikipedia:Pyrrhos I.|Pyrrhos]] konnte die [[Wikipedia:Römische Republik|Römer]] 280/[[279 v. Chr.]] zweimal nur unter sehr großen eigenen Verlusten besiegen (daher der sprichwörtliche [[Wikipedia:Pyrrhussieg|Pyrrhussieg]]). Vor dieser Unternehmung soll er das delphische Orakel um Rat gefragt und folgende doppeldeutige lateinische [[Hexameter]] von der Pythia erhalten haben:
: ''„Aio te, Æacida, Romanos vincere posse. / Ibis redibis nunquam per bella peribis.“''
Pyrrhus deutete dies (die nachfolgende deutsche Übersetzung in Prosa):
: ''„Ich sage, [[Aeacide]] (Nachkomme des [[Aiakos]], des Großvaters des [[Achilleus|Achilles]]), du kannst die Römer besiegen. Du wirst gehen und zurückkehren und niemals in Kriegen umkommen.“''
Grammatisch können die Sätze jedoch auch bedeuten (doppeldeutiger Subjekts- bzw. Objektsakkusativ im [[Accusativus cum infinitivo|AcI]], doppeldeutige Stellung von ''nunquam''):
: ''„Ich sage, dass die Römer dich, Aeacide, besiegen können. Du wirst gehen und niemals zurückkehren; in Kriegen wirst du umkommen.“''
Und so trat es ein. Pyrrhus musste sich aus [[Italien]] zurückziehen und fiel 272 v. Chr. im Straßenkampf in [[Argos (Stadt)|Argos]].
: Quelle: Cicero, De divinatione 2,56,116 nach [[Ennius]]. <br />
: Historische Beurteilung: Zweifellos unecht. Die lateinischen Verse wurden erst von Ennius gedichtet, ein griechisches Original ist nirgends überliefert, obwohl das Orakel von Delphi nur griechische Antworten gab. Offenbar wollte Ennius für Pyrrhus ein Orakel erfinden, das in seiner Zwiespältigkeit dem (oben geschilderten) Orakel für Krösus entsprach.<ref name=fontenrose9>Fontenrose 1978, S. 343 f., Q 230.</ref>
=== Die Spende des armen Bauern ===
Mit dem Orakel von Delphi verbindet sich auch eine Geschichte, die der biblischen Geschichte vom „Scherflein der Witwe“ (Mk 12,41–44) inhaltlich verwandt ist: Ein reicher Kaufmann aus [[Wikipedia:Magnesia|Magnesia]] wollte wissen, ob er die größten Opferspenden dargebracht habe, und erfuhr, dass der arme Bauer Klearchos aus [[Wikipedia:Methydrion|Methydrion]] in [[Wikipedia:Arkadien|Arkadien]] durch seine regelmäßigen bescheidenen Gaben weit Größeres geleistet habe.
: Quelle: [[Wikipedia:Theopomp|Theopomp]], Fragment 314. <br />
: Historische Beurteilung: Legendarisch.<ref name=fontenrose10>Fontenrose 1978, S. 377, L 58.</ref>
=== Julian ===
Das [[Letztes Orakel von Delphi|letzte Orakel]] erteilte die Pythia angeblich 362 n. Chr. dem Arzt [[Wikipedia:Oreibasios|Oreibasios]], der es im Auftrag des heidnischen Kaisers [[Julian (Kaiser)|Julian]] aufsuchte. Er wollte wissen, ob das Orakel in einer sich dem [[Christentum]] zuwendenden Welt noch Zukunft habe, worauf Pythia geantwortet haben soll:
: ''„Künde dem Kaiser, das schöngefügte Haus ist gefallen. [[Phoibos Apollon]] besitzt keine Zuflucht mehr, der heilige Lorbeer verwelkt, seine Quellen schweigen für immer, verstummt ist das Murmeln des Wassers.“''
: Quelle: [[Wikipedia:Philostorgios|Philostorgios]], Kirchengeschichte. <br />
: Historische Beurteilung: Unecht, christliche Fiktion. Eine solche Bankrotterklärung hätte sich das Orakel von Delphi schwerlich selbst ausgestellt, solange es noch existierte. Überdies gibt es Hinweise darauf, dass das Orakel noch eine Weile nach Julian fortbestand.<ref name=fontenrose11>Fontenrose 1978, S. 353, Q 263.</ref>
== Philosophie ==
[[Datei:DelphicSibylByMichelangelo.jpg|right|thumb|hochkant=1.3|Delphische [[Sibylle (Prophetin)|Sibylle]] (Ausschnitt aus einem Fresko von [[Wikipedia:Michelangelo|Michelangelo]] in der [[Wikipedia:Sixtinische Kapelle|Sixtinischen Kapelle]], 1510)]]
Der Überlieferung zufolge sollen am Eingang des Tempels von Delphi die Inschriften „Erkenne dich selbst“ ([[gnôthi seautón]], γνῶθι σεαυτόν) und „nichts im Übermaß“ (μηδὲν ἄγαν, medèn ágan), angebracht gewesen sein. Insbesondere die erste, bekanntere Aufforderung deutet die eigentliche Absicht des Kultes bzw. der verehrten Gottheit an, nämlich die Auflösung individueller Probleme und Fragestellungen durch die Auseinandersetzung mit der eigenen inneren Persönlichkeit. Die Erkenntnis der „Innenwelt“ diente damit als Zugang zur Problemlösung in der „Außenwelt“.
Die zweite Inschrift (medèn ágan, „Nichts im Übermaß“, „Alles in Maßen“) mahnt zur Bescheidenheit im eigenen Tun. Das rechte Maß steht für eine Grundfigur antiken griechischen Denkens, die neben der platonischen Seinslehre bis zur aristotelischen Tugendethik auch die Musik, die Mathematik, Medizin und viele andere gesellschaftlichen Bereiche erfasste.
Die Existenz dieser Inschriften ist nicht durch archäologische Funde, sondern aus schriftlichen Überlieferungen bekannt. So lässt z. B. [[Platon]] im ''[[Phaidros]]'' und vor allem im ''[[Wikipedia:Symposion (Platon)|Symposion]]'' den griechischen Philosophen [[Sokrates]] über die Bedeutung dieser Inschriften referieren.
Weit weniger bekannt ist, dass nach einer Überlieferung des [[Charmides]] sowie dem etwa 500 Jahre jüngeren Bericht [[Plutarch]]s zu diesen beiden Weisheiten noch eine dritte, „Du bist“ (''eî''), gehört. Inwieweit diese das Portal zierte, ist ungewiss. Nach Plutarchs Erzählung war sie vermutlich eher eine gesprochene Antwort der Besucher des Tempels auf die Inschriften. Durch ihre später gewonnene Bedeutung kann sie jedoch legitim als „dritte apollonische Weisheit“ gelten.
Während später der selbstreflexive Teil von „gnôthi seautón“ in den Vordergrund trat, war „gnôthi seautón“ im Ursprung möglicherweise als Begrüßungswort des [[Apollon]] an die Besucher gedacht. Plutarch schreibt dazu: ''„Beim Eintreten spricht der Gott sozusagen jeden von uns mit seinem ,Erkenne dich selbst‘ an, was zumindest so gut ist wie ,Heil!‘.“'' Als Antwort darauf erwiderte der Besucher dem Gott „Du bist“:
: ''„Wir antworten dem Gott mit ,eî‘ [„Du bist“], indem wir ihm die Benennung übertragen, die wahr ist und in sich keine Lüge birgt und zu ihm allein gehört und zu keinem anderen, nämlich die des Seins […]“''
Somit richtete sich „Du bist“ ursprünglich nicht an einen selbst, war also im Ursprung kein Bestandteil einer [[Selbstreflexion]], sondern vielmehr einer Huldigung, die dem Gott Apollon, beziehungsweise der Göttlichkeit im Allgemeinen galt. Erst später wurde der Ausspruch als Ausdruck der Erkenntnis und Anerkenntnis der eigenen [[Existenz]] des Gläubigen umgedeutet.
Diese und andere Weisheiten, die in Delphi durch Architektur und Ritual gelehrt und gelebt wurden, waren in der ganzen antiken Welt berühmt. Um 200 v. Chr. reiste so ein gewisser Kletarchos aus dem heutigen Afghanistan (siehe [[Ai Khanoum]]) bis nach Delphi, um dort Abschriften von den Sprüchen zu machen und dann in seine Heimatstadt zu bringen, wo er sie inschriftlich verewigen ließ.
== Quellenangaben ==
<references />
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== Literatur ==
[[Kategorie:Physik]] [[Kategorie:Chemie]]
 
* Hugh Bowden: ''Classical Athens and the Delphic oracle. Divination and democracy''. Cambridge University Press, Cambridge 2005, ISBN 0-521-53081-4.
* Thomas Dempsey: ''The Delphic oracle. Its early history, influence and fall''. Blom, New York 1972 (Nachdruck der Ausgabe Oxford 1918).
* [[Wikipedia:Joseph Eddy Fontenrose|Joseph Fontenrose]]: ''The Delphic Oracle. Its Responses and Operations. With a Catalogue of Responses''. University of California Press, Berkeley, Calif. 1978, ISBN 0-520-03360-4.
* [[Wikipedia:Marion Giebel|Marion Giebel]]: ''Das Orakel von Delphi. Geschichte und Texte''. Reclam, Ditzingen 2001, ISBN 3-15-018122-4 (griechisch/deutsch).
* [[Wikipedia:Michael Maaß|Michael Maaß]]: ''Das antike Delphi. Orakel, Schätze und Monumente''. Theiß, Stuttgart 1997, ISBN 3-8062-1321-6.
* Michael Maaß: ''Das antike Delphi''. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-53631-1.
* Evi Melas: ''Delphi. Die Orakelstätte des Apollon''. Du Mont, Köln 1990, ISBN 3-7701-2577-0.
* Herbert W. Parke, Donald E. Wormell: ''The Delphic Oracle''. Blackwell, Oxford 1966:
** Bd. 1 ''The history''.
** Bd. 2 ''The oracular responses''.
* [[Wikipedia:Wolfgang Schadewaldt|Wolfgang Schadewaldt]]: ''Der Gott von Delphi und die Humanitätsidee''. Insel-Verlag, Frankfurt/M. 1990, ISBN 3-458-32991-9 (Nachdruck der Ausgabe Frankfurt/M. 1975).
* [[Wikipedia:Josef Wiesehöfer|Josef Wiesehöfer]]: ''Die Geheimnisse der Pythia. Orakel und das Wissen der reisenden Weisen,'' in: [[Wikipedia:Karl-Joachim Hölkeskamp|Karl-Joachim Hölkeskamp]], [[Wikipedia:Elke Stein-Hölkeskamp|Elke Stein-Hölkeskamp]] (Hrsg.): ''Erinnerungsorte der Antike. Die griechische Welt''. C. H. Beck, München 2010, S. 336–352.
 
== Weblinks ==
 
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[[Kategorie:Mysterien]]
[[Kategorie:Orakel]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 15. April 2018, 15:13 Uhr

Abb. 1: Eine der ersten Aufnahmen der unter der Leitung von Maurice Wilkins durchgeführten Röntgenstrukturanalyse der DNA, für die ihm 1962 zusammen mit James Watson und Francis Crick der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin verliehen wurde.
Der Röntgenspektrograf von W. L. Bragg, 1912. Science Museum London.
Modernes Röntgenstrahlen-Diffraktometer bei der Arbeit
Die Struktur von Proteinen wird durch Röntgenstrukturanalalyse aufgeklärt, indem die Aminosäuresequenz in die ermittelte Elektronenverteilung (weißes Gitter) so eingepasst wird, bis es plausibel scheint, dass die vorgeschlagene Struktur die gemessene Elektronenverteilung erzeugen kann.
Strukturmodell einer DNA-Helix in B-Konformation. Die Stickstoff (blau) enthaltenden Nukleinbasen liegen waagrecht zwischen zwei Rückgratsträngen, welche sehr reich an Sauerstoff (rot) sind. Kohlenstoffatome sind grün dargestellt.

Die Kristallstrukturanalyse ist ein physikalisches Verfahren, um die innere Struktur eines Kristalls empirisch zu ermitteln. Sie bedient sich dabei der Beugung geeigneter kurzwelliger Strahlung am Kristallgitter. Meist wird dabei Röntgenstrahlung verwendet, weshalb man dann auch von Röntgenstrukturanalyse spricht.

Die Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen wurde 1912 von Max von Laue (1879-1960) gemeinsam mit Walter Friedrich und Paul Knipping entdeckt, womit sie zugleich nachwiesen, dass sich Röntgenstrahlung wie eine Welle ausbreitet. Außerdem ergaben sich aus den Beugungsmustern erstmals konkrete Aufschlüsse über die Kristallstruktur. 1914 erhielt Max von Laue für seine bahnbrechende Arbeit den Nobelpreis für Physik.

Angeregt durch Laues Arbeiten untersuchte William Lawrence Bragg von 1912 bis 1914 zusammen mit seinem Vater verschiedene Kristalle Röntgenstrahlen und fand 1912 die Bragg-Gleichung, aus der sich die Winkel (Glanz- oder Bragg-Winkel) der Beugungsmaxima -ter Ordnung der am Kristallgitter mit der Gitterdistanz reflektierten Röntgenstrahlung mit der Wellenlänge errechnen lassen. Gemeinsam mit seinem Vater wurde ihm dafür 1915 der Nobelpreis für Physik verliehen.

Zur Analyse wird der Kristall drehbar montiert und kann dadurch unter verschiedensten Winkeln bestrahlt werden. Aus der Winkelverteilung der Beugungsmaxima in dem daraus resultierenden Beugungsmuster kann die Kristallstruktur bzw. die Verteilung der Elektronendichte in der Elementarzelle mittels Fourier-Transformation berechnet werden. Einkristalle, die ein durchgehend einheitliches, homogenes Kristallgitter bilden, aber oft nur schwer in ausreichender Größe gezüchtet werden können, sind für die Strukturanalyse am besten geeignet. Leichter herzustellende polykristalline Aggregate können heutzutage auch verwendet werden, liefern aber weniger detailreiche Bilder.

Grundsätzlich kann aus der Verteilung der Elektronen auch die räumlich-geometrische Anordnung der Atome bzw. die Molekularstruktur auch hochkomplexer Moleküle, z.B. vieler biologisch aktiver Proteine, erschlossen werden. Das vermutlich bekannteste Beispiele dafür ist die am 25. April 1953 von James Watson und Francis Crick in ihrem berühmten, kaum mehr als eine Seite langen Artikel Molecular Structure of Nucleic Acids: A Structure for Deoxyribose Nucleic Acid.[1] in der Zeitschrift Nature veröffentlichte DNA-Struktur, zu deren Bestimmung sie sich hauptsächlich auf die Röntgenbeugungsdaten von Maurice Wilkins und Rosalind Franklin stützten. In einem kreativ suchenden Prozess bauten sie immer wieder neue Strukturmodelle, die zu den Beugungsmustern passten, bis sie schließlich auf die geniale Idee der berühmten Doppelhelix stießen, für die ihnen 1962 zusammen mit Wilkins der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin verliehen wurde.

Wilkins schrieb dazu in seinem Nobelpreis-Vortrag:

„Diese Forschung wurde von Randall geleitet, der bei W. L. Bragg studiert und mit Röntgenbeugung gearbeitet hatte. Fast sofort erhielt Gosling sehr ermutigende Beugungsbilder (siehe Abb. 1). Ein Grund für diesen Erfolg war, dass wir die Fasern feucht hielten. Wir erinnerten uns, dass, um detaillierte Röntgenmuster von Proteinen zu erhalten, Bernal Proteinkristalle in ihrer Mutterlauge gehalten hatte. Es schien wahrscheinlich, dass die Konfiguration aller Arten von wasserlöslichen biologischen Makromolekülen abhängig von ihrer wässrigen Umgebung sein würden. Wir erhielten gute Beugungsmuster mit DNA von Signer und Schwander, die Singer nach London zu einem Faraday Society Meeting über Nukleinsäuren mitgebracht und großzügig verteilt hatte, so dass alle Arbeiter mit ihren verschiedenen Techniken daran arbeiten konnten.[2]“ (Lit.: Wilkins, S. 757)

Man muss dabei allerdings bedenken, dass die gewonnenen Erkenntnisse nur im Rahmen ihrer makroskopischen Umgebung gültig sind und streng genommen nicht auf freie Moleküle in Flüssigkeiten oder Gasen übertragen werden können. Darauf hatte schon Rudolf Steiner hingewiesen:

„Spiritisten berufen sich darauf, daß sie Geister fotografiert haben. Das Fotografieren ist ein äußerer Vorgang, und ich will mich hier nicht weiter darüber verbreiten, ob man Geister fotografieren kann oder nicht. Aber mit nicht mehr Recht als die Spiritisten behaupten, daß sie Geister fotografiert haben, berufen sich heute gewisse Physiker darauf, daß sie die Konfiguration der Atome fotografiert haben. Gewiß, man kann Kristalle mit Röntgenstrahlen bewerfen, man kann diese Röntgenstrahlen zur Reflexion, die reflektierten Strahlen zur Interferenz bringen und dann fotografieren, und man kann behaupten, man fotografiere die Konfiguration der Atome. Die wesentliche Frage ist nur: Fotografiert man hier wirklich die atomistischen Agenzien oder fotografiert man gewisse Wirkungen, die vom Makrokosmischen herkommen und die sich nur an den Punkten zeigen, an denen man glaubt, daß die Atome vorhanden sind? Es kommt überall darauf an, daß man Denk- und Vorstellungsarten findet, die in der richtigen Weise von den Erscheinungen zu dem Wesen der Dinge zu gehen vermögen.“ (Lit.:GA 73a, S. 43)

Eugen Kolisko ergänzt:

„Es ist z.B. etwas ganz anderes, wenn man etwa die Laueschen Kristallgitter für eine Abbildung einer räumlichen molekularen, unter gewöhnlichen Verhältnissen unsichtbaren Struktur der Kristalle hält oder für ein Bild, das durch Zusammenwirken des Röntgenlichtes mit der das ganze Kristall dynamisch durchsetzenden Gestaltung entsteht, die nicht materiell zu sein braucht. Man fasst dann das vorliegende Phänomen als entstehend auf aus dem Zusammenwirken von chemischer Struktur mit dem Licht. Das atomistische Bild wird nicht als präformierter Tatbestand gedacht, sondern im Versuch durch dynamisches Zusammenwirken entstehend.“ (Lit.: Kolisko, S. 91f.)

Tatsächlich darf man sich die Moleküle an sich nicht im naiven Sinn als aus Atomen zusammengesetzte Objekte mit einer eindeutig definierten räumlichen Form vorstellen, so nützlich dieses Konzept auch als Näherungslösung für viele praktische Probleme sein mag, solange man sich ihrer Grenzen bewusst bleibt. Die moderne Quantentheorie spricht hier eine eindeutige Sprache, weshalb der Chemiker Hans Primas auch nachdrücklich betont:

„Moleküle, Atome, Elektronen, Quarks oder Strings sind aber keine Bausteine der Materie, sie sind nicht Ge-fundenes, sondern Er-fundenes, das heisst Konstruktionen derer, welche die materielle Realität erforschen. Von dem ursprünglichen Begriff der Materie ist in der heutigen Physik nichts übriggeblieben.“ (Lit.: Primas 1992, S. 50)

Dass man einem Molekül aus quantenmechanischer Sicht keine definierte Gestalt zuschreiben kann, betonte auch Richard Guy Woolley in seinem Artikel «Must a molecule have shape?»:

„Die Quantenmechanik kann ziemlich genau vorhersagen, wie sich die Energie eines Moleküls ändern kann, aber sie sagt streng genommen nichts über die Form eines Moleküls. Das ist eine erstaunliche Aussage für einen Chemiker, weil es die räumlichen Beziehungen der chemisch gebundenen Atomen sind, die am wichtigsten sind für das Verständnis dafür, wie Moleküle mit anderen reagieren. Chemiker, Physiker und Molekularbiologen sollten sich daher überlegen, wie sie die Quantenmechanik nutzen und was sie mit Atomen und Molekülen eigentlich meinen.“ (Lit.: Richard Guy Woolley in New Scientist, 22. Oktober 1988, S. 53[3])

Siehe auch

Literatur

  • Maurice Wilkins: The molecular configuration of nucleic acids, Nobel Lecture, December 11, 1962
  • Werner Massa: Kristallstrukturbestimmung, Vieweg + Teubner Verlag, 6. Auflage, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-8348-0649-9
  • Hans Primas: Chemistry, Quantum Mechanics and Reductionism: Perspectives in Theoretical Chemistry, Springer Verlag 1983, ISBN 978-3540128380
  • Hans Primas: Umdenken in der Naturwissenschaft in: Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (1992) 137/l, S. 41-62 (genehmigter Nachdruck aus «GAIA; Ecological Perspectives in Science, Humanities and Economics» (1992) 1, l, 5-15 pdf
  • Richard Guy Woolley: Must a molecule have shape? in: New Scientist, 22. Oktober 1988, p. 53-57 pdf
  • Eugen Kolisko, Martin Rozumek (Hrsg.): Hypothesenfreie Chemie. «Hypothesenfreie Chemie» im Sinne der Geisteswissenschaft, der Atomismusstreit 1922/23 und Rudolf Steiners Stellung zum Atomismus, Verlag am Goetheanum, Dornach 2012, ISBN 978-3-7235-1480-1
  • Rudolf Steiner: Fachwissenschaften und Anthroposophie, GA 73a (2005), ISBN 3-7274-0735-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

Einzelnachweise

  1. J. D. Watson, F. H. Crick: Molecular structure of nucleic acids. A structure for deoxyribose nucleic acid. In: Nature. Band 171, Nr. 4356, 1953, S. 737–738. PMID 13054692 (Volltext, PDF; 368 kB)
  2. Im englischen Original:
    „This research was directed by Randall, who had been trained under W. L. Bragg and had worked with X-ray diffraction. Almost immediately, Gosling obtained very encouraging diffraction patterns (see Fig. 1). One reason for this success was that we kept the fibres moist. We remembered that, to obtain detailed X-ray patterns from proteins, Bernal had kept protein crystals in their mother liquor. It seemed likely that the configuration of all kinds of water-soluble biological macromolecules would depend on their aqueous environment. We obtained good diffraction patterns with DNA made by Signer and Schwander which Singer brought to London to a Faraday Society meeting on nucleic acids and which he generously distributed so that all workers, using their various techniques, could study it.“
    (Wilkins: Nobel Lecture, December 11, 1962 pdf)
  3. Im englischen Original:
    „Quantum mechanics can predict fairly accurately the way the energy of a molecule may change, but strictly speaking it says nothing about the shape of a molecule. This is an astonishing statement for a chemist because it is the spatial relationships of chemically bonded atoms that is most important in understanding how molecules react with each other. Chemists, physicists and molecular biologists should reconsider now how they use quantum mechanics, and what they mean by atoms and molecules.“