Göttliche Komödie/Paradiso

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Büste Dantes

Paradiso

Übersicht

Carl Wilhelm Friederich Oesterly: Dante und Beatrice
Poul S. Christiansen, Dante und Beatrice im Paradies, 1835
1       Anruf an Apollon. Aufstieg durch die Feuersphäre zur Mondsphäre.
2      Mondsphäre. Belehrung über die finsteren Stellen auf der Mondfläche.
3      Niedrigste Form der Seligkeit. Piccarda. Gelübde.
4      Zusammenhang der Seelen mit den Sternen (Plato) über gebrochene Gelübde.
5      Merkursphäre Die Ehrgeizigen im edelen Sinne.
6      Kaiser Justinian. Geschichte Roms.
7      Lehre der Erlösung ,Nella Fiamma d'Amor'.
8      Venussphäre Diejenigen die viel geliebt haben. Karl Martell.
9      Cunizza; Folco von Marseille (Minnesänger).
10    Sonnensphäre. Kreis von Lichtern: die Weisen. S. Thomas von Aquino Reigen.
11    Lobrede über S. Franziscus von Assisi durch S. Thomas.
12    Zweiter Lichtkreis. S. Bonaventura lobt und preist S. Dominicas.
13    Reigen der 24 Lichter. Thomas belehrt Dante über Adam und Christus,
       über die Schöpfung.
14    König Salomon spricht über den Auferstehungsleib.
        Dritter Lichtkreis. Aufstieg zur Marssphäre; Kreuz der Märtyrerseelen.
15    Dantes Vorfahr Cacciaguida.
16    Cacciaguidas Bild der alten Stadt Florenz.
17    Prophetie Cacciaguidas über Dantes Schicksal.
18    Aufstieg zur Jupitersphäre. Gerechte Fürsten.
19    Der Adler der gerechten Seelen. Gerechtigkeit Gottes.
20    Göttlicher Gnade; Trajanus. Ripheus.
21    Saturnsphäre Die kontemplativen Seelen. Himmelleiter. Schallender Ruf.
22    Erklärung des Rufes: Erniedrigung des Bonifacius VIII durch Frankreich.
       S. Benedictus.
       Sphäre der Fixsterne. Dante in seinem Sternbild: Zwillinge.
23    Erscheinung Christi und Mariae.
24    Petrus. Frage über den Glauben. Dantes Credo.
25    Jacobus Frage über die Hoffnung. Johannes. Dante erblindet.
26    Johannes Frage über die Liebe. Dante wird wieder sehend. Gespräch mit Adam.
27    Bußrede Petri gegen die Entartung der Kirche. Primum Mobile.
28    Im Kristallhimmel. Die Engelswelt und Körperwelt in ihrer Beziehung; die Intelligenzen.
       Belehrung: über die Engelshierarchie in neun Kreisen.
29    Beatrices Belehrung über die Engel.
30    Empyreum. Außerhalb des Raumes und der Zeit. Das Lichtmeer.
        Die Himmelsrose. Sessel der seligen Geister.
31    Himmelsrose. Beatrice nimmt ihren Sessel ein. S. Bernardus von Clairvaux.
        Dantes Danksagung.
32    Erklärung der Einteilung der Himmelsrose.
33    S. Bernardus' Gebet an Maria. Die drei Zirkel. Antlitz Gottes: Visio Dei.
       Dante fühlt seinen Willen und seine Sehnsucht aufgenommen in die Liebe,
      die das All bewegt.
Dantes Himmelsspirale. Illustration zu Dantes Divina Commedia von William Blake.

Die Liebeskraft des Christus ist es, die die düsteren Kräfte, die uns am geistigen Aufstieg im nachtodlichen Leben hindern würden, aus unseren Wesensgliedern herausreißt – und das war auch schon in vorchristlicher Zeit seit dem Sündenfall so. Diese finsteren und kalten Seelenkräfte sind es, die sich vor allem in den Erdentiefen sammeln bzw. als düstere Decke über die Erde breiten und von denen Dante in den Gesängen des Infernos und des Purgatorios spricht. Diese Kräfte sind es aber auch, die unserer Hüllennatur ihre undurchdringliche Festigkeit verleihen - allerdings auf verfehlte Weise, denn sie materialisieren unsere Hüllen zu einem sterblichen stofflichen Körper, der immer wieder dem Zerfall anheim gegeben wird, weil er sich spröde den gestaltenden geistigen Kräften widersetzt und unter deren Ansturm notwendig zerbricht. Im geistigen Leben nach dem Tode fehlen uns daher wesentliche Teile unserer Hüllennatur. Vom Astralleib fällt alles ab, was mit irdisch egoistischen Begierden durchsetzt ist. Vom Ätherleib, der der Träger des Gedächtnisses und u.a. auch der menschlichen Temperamente ist, können wir nur einen schwachen Auszug in das geistige Dasein mitnehmen. Und der physische Leib, der am meisten von der "Verstofflichung" befallen ist, wird mit dem Tode fast völlig abgestreift. Dabei ist daran zu erinnern, dass physischer Leib und stofflicher Leib nicht gleichbedeutend sind. Der physische Leib ist die nur übersinnlich erfahrbare Formgestalt des Menschen, von Rudolf Steiner auch als Phantomleib bezeichnet, die nur dadurch sinnlich sichtbar wird, dass sie sich mit irdischer Stofflichkeit erfüllt. Alles irdisch Stoffliche verfällt dem Grab, und das ist für das nachtodliche Leben kein Verlust. Aber wir verlieren eben auch wesentliche Teile unserer physischen Formgestalt – und das ist eine entscheidende Einbuße, denn gerade diese Formgestalt gibt uns jene feste Grenze, ohne die wir unser Selbstbewusstsein nicht weiterentwickeln können. Das einmal im irdischen Dasein erworbene Ichbewusstsein geht zwar nicht verloren, aber es kann im Leben nach dem Tod wegen des mangelnden Grenzerlebnisses nicht weiterentwickelt werden. Das geht erst wieder im nächsten Erdenleben. Damit der Mensch einmal aus dem Kreislauf der Wiedergeburten herauskommen und dauerhaft in ein geistigeres Leben übertreten kann, muss erstens seine Ich-Kraft gestärkt werden und zweitens seine Hüllennatur vor dem Verfall gerettet werden. Alle Verfehlungen, die wir im irdischen Leben begannen haben, schwächen unsere Ich-Kraft. In einem neuen Erdenleben können wir aber diese Fehler im Zuge des Schicksalsgeschehens selbst ausgleichen. Unsere Hüllen hingegen können wir nicht alleine aus eigener Kraft vor dem Sturz in die Finsternis bewahren. Dazu bedarf es der lichten Auferstehungskraft des Christus, die sich durch das Mysterium von Golgatha mit der Erdensphäre verbunden hat. Nur wenn wir uns mit dieser lichten Auferstehungskraft durchdringen, werden wir fähig, das strahlende Licht der geistigen Welt zu ertragen, ohne dass unser Ichbewusstsein durch ihren Glanz so überstrahlt wird, dass wir uns selbst vergessen und verlieren. In seiner Schilderung der geistigen Sonnensphäre weist Dante darauf sehr deutlich hin. Beatrice, die jetzt seine Führerin durch die geistige Welt ist, bittet die im Lichte strahlenden Geister, Dantes diesbezügliche unausgesprochene Frage zu beantworten:

10 „Ihm thut es Noth, obwohl er’s euch nicht kund
In Worten giebt, noch läßt im Innern lesen,
Zu spähn nach einer andern Wahrheit Grund.
13 Sagt ihm, ob dieses Licht, das euer Wesen
So schön umblüht, euch ewig bleiben wird
Im selben Glanze, wie’s bis jetzt gewesen;
16 Und, bleibt’s, so sagt, damit er nimmer irrt,
Wie, wenn ihr werdet wieder sichtbar werden,[1]
Es euren Blick nicht blendet und verwirrt.“
                                      (Paradiso 14,10-18)

Worauf aus dem Chor der Geister die Antwort tönt:

37 „So lang die Lust im himmlischen Gefilde,
So lange währt auch unsre Lieb’ und thut
Sich kund um uns in diesem Glanzgebilde.
40 Und seine Klarheit, sie entspricht der Glut,
Die Glut dem Schau’n, und dies wird mehr uns frommen,
Je mehr auf uns die freie Gnade ruht.
43 Wenn wir den heil’gen Leib neu angenommen,
Wird unser Sein in höhern Gnaden stehn,
Je mehr es wieder ganz ist und vollkommen.
46 Drum wird sich das freiwill’ge Licht erhöhn,
Das wir vom höchsten Gut aus Huld empfangen,
Licht, welches uns befähigt, Ihn zu sehn,
49 Und höher wird zum Schau’n der Blick gelangen,
Höher die Glut sein, die dem Schau’n entglüht,
Höher der Strahl, der von ihr ausgegangen.
52 Doch wie die Kohle, der die Flamm’ entsprüht,
Sie an lebend’gem Schimmer überwindet
Und bleibt erkennbar, wie auch jene glüht;
55 So wird der Glanz, der jetzt schon uns umwindet,
Dereinst besiegt von unsres Fleisches Schein,
Wenn Gott es seiner Grabeshaft entbindet.
58 Nicht wird uns dann so heller Glanz zur Pein,
Denn stark, um alle Wonnen zu genießen,
Wird jedes Werkzeug unsers Körpers sein.“
                                       (Paradiso 14,37-60)

Die Engelhierarchien

Gustave Doré, Illustration zu Dantes Paradiso
John Flaxman: Un punto vidi che raggiava (Mir strahlt’ ein Punkt, so glanzentglüht und scharf...)

Im 28. Gesang wird Dantes Blick für die geistigen Hierarchien eröffnet:

13 Ich sah jetzt das mir in die Augen dringen,
Als ich die Blicke suchend rückwärts warf,
Was die erspähn, die diesen Kreis erringen.
16 Mir strahlt’ ein Punkt, so glanzentglüht und scharf,[2]
Daß nie ein Auge, das er mit dem hellen
Glutschein bestrahlt, ihm offen trotzen darf.
19 Ließ sich zu ihm das kleinste Sternlein stellen,[3]
Ein Mond erschien’ es, könnt’ es seinem Licht,
So nah’, wie Stern dem Stern, sich beigesellen.
22 So weit, als Sonn’ und Mond ein Hof umflicht,
Vom eignen Glanz der beiden Stern’ entsprungen,
Wenn sich in dichtem Dunst ihr Schimmer bricht,
25 War um den Punkt ein Kreis, so schnell geschwungen[4]
In reger Glut, daß er auch überwand
Den schnellsten Kreis, der rings die Welt umschlungen.
28 Und dieser war vom zweiten rings umspannt,
Um den der dritte dann, der vierte wallten,
Die dann der fünfte, dann der sechst’ umwand.
31 Drauf sah man sich den siebenten gestalten,
So weit, daß Iris halber Kreis, auch ganz,[5]
Doch viel zu enge wär’, ihn zu enthalten.
34 Dann wand der achte sich, der neunte Kranz,
Und jeder war langsamer’n Schwungs, je weiter
Er ferne stand von jenem einen Glanz.
37 Und jedes’ Licht ist reiner mehr und heiter,
Je minder fern er ist von seiner Spur,
Und in der reinen Glut je eingeweihter.
40 Sie, die mich sehend, meinen Wunsch erfuhr,
Sprach ungefragt: „Von diesem Punkte hangen
Die Himmel ab, die sämmtliche Natur.
43 Sieh jenen Kreis, der ihn zunächst umfangen;
Das, was ihn treibt, daß er so eilig fliegt,
Es ist der heil’gen Liebe Glutverlangen.“[6]
46 Und ich zu Ihr: „„Wäre die Welt gefügt
Nach dem Gesetz, das herrscht in diesen Kreisen,
So hätte völlig mir dein Wort genügt.
49 Doch in der Welt, der sichtbaren, beweisen,
Die Schwingungen je größre Göttlichkeit,
Je ferner sie vom Mittelpunkte kreisen.
52 Drum soll in dieser Engels-Herrlichkeit,
Im Tempel, den nur Lieb’ und Licht umschränken,
Ich ruhig sein, von jedem Wunsch befreit,
55 So sprich: Wie kommt’s – ich kann mir’s nicht erdenken –
Daß Abbild sich und Urbild nicht entspricht
Und andere Gesetze beide lenken?““
58 „Genügt dein Finger solchem Knoten nicht,
So ist’s kein Wunder; weil ihn zu entstricken
Niemand versuchte, ward er fest und dicht.“
61 Sie sprach’s, und dann: „Nimm, um dich zu erquicken,
Das, was ich dir verkünden werd’; allein
Betracht’ es ganz genau mit scharfen Blicken.
64 Ein Körperkreis muß weiter, enger sein,
Je wie die Kraft, die sich durch seine Theile
Gleichmäßig ausdehnt, groß ist oder klein.
67 Die größre Güte wirkt zu größerm Heile,
Und größres Heil füllt größeres Gebiet,
Ward jeder Gegend gleiche Kraft zu Theile.
70 Der Kreis drum, der das Weltall mit sich zieht,
In seinem Schwung, entspricht in seiner Weise
Dem, der am meisten liebt, am tiefsten sieht.
73 Darum, wenn du dein Maß dem innern Preise,
Und nicht dem äußern Umfang angelegt,
Von dem, was dort erscheint, wie runde Kreise,

76 So wirst du, zur Bewunderung erregt,
Das Mehr und Minder sich entsprechen sehn
In jedem Kreis, und dem, was ihn bewegt.“ –
79 Wie rein das Blau erglänzt aus Aethershöhen,
Wenn Boreas Luft aus jener Backe stößt,[7]
Aus der gelinder seine Hauche wehen,
82 So, daß vom Dunst gereinigt und gelöst,
Der ihn getrübt, in seinen weiten Auen
Der Himmel lächelnd jeden Reiz entblößt;
85 So ward mir jetzt beim Worte meiner Frauen,[8]
Denn dieses ließ die Wahrheit mich so klar,
Wie einen Stern am reinen Himmel schauen.
88 Und als ihr heil’ges Wort beendet war,
Da stellten anders nicht, als siedend Eisen,
Sich jene Kreise, Funkend sprühend, dar.
91 Die Funken folgten den entflammten Kreisen
In größrer Meng’, als durch Verdoppelung
Schachfelder sich vertausendfacht erweisen.[9]
94 Dem festen Punkt, der sie ohn’ Aenderung
Dort, wo er sie erhält, auch wird erhalten,
Scholl Lobgesang aus dieser Kreise Schwung.
97 „Zwei Kreise sieh dem Punkt zunächst sich halten,“[10]
Sie sprach’s, stets wissend, was mein Geist ersinnt,
„Und Seraphim und Cherubim drin walten.
100 Sie folgen ihren Fesseln so geschwind,[11]
So viel sie können, Ihm sich anzuschließen,
Und können’s, wie sie hoch im Schauen sind.
103 Die Gluten drauf, die diese rings umfließen,
Die Throne sind’s, von Gottes Angesicht
Benannt, weil sie die erste Dreizahl schließen.
106 So groß ist Aller Wonn’, als ihr Gesicht,
Tief in die ew’ge Wahrheit eingedrungen,
Die alle Geister stillt mit ihrem Licht.
109 Durch Schau’n wird also Seligkeit errungen,
Nicht durch die Liebe, denn sie folgt erst dann,
Wenn sie dem Schau’n, wie ihrem Quell, entsprungen.
112 Und das Verdienst, das durch die Gnade man
Und Willensgüt’ erwirbt, ist Maß dem Schauen.
So steiget man von Grad zu Grad hinan.
115 Die andre Dreizahl, die in diesen Auen
Des ew’gen Lenzes blüht, und welcher nie
Das Laub entfällt bei nächt’gen Widders Grauen,[12]
118 Singt ewig in dreifacher Melodie
Hosiannasang in dreien sel’gen Schaaren,
Und also Eins aus Dreien bilden sie.
121 Herrschaften sind’s, die erst sich offenbaren,
Sodann die Kräfte sind im zweiten Kranz,
Im dritten sind die Mächte zu gewahren.
124 Die Fürstenthümer sieh zunächst im Tanz,
Dann die Erzengel ihre Lieb’ erproben;
Den letzten Kreis füllt Engelsfeier ganz.[13]
127 Die Ordnungen schau’n allesammt nach oben;[14]
Nach unten wirken sie, was lebt mit sich
Zu Gott erhebend und zu ihm erhoben;
130 Und Dionysius rang so brünstiglich,
Damit sein Blick die Ordnungen betrachte,
Daß er sie nannt’ und unterschied wie ich.
133 Wahr ist es, daß Gregorius anders dachte,[15]
Doch er belächelte dann seinen Wahn,
Sobald er erst in diesem Reich erwachte.
136 Hat solch Geheimniß kund ein Mensch gethan,
So staune nicht; von Ihm, der Alles schaute,
Hatt’ er davon auf Erden Kund’ empfahn,
139 Der sonst auch viel vom Himmel ihm vertraute.“
                                  (Paradiso 28)

Die durchlichte Liebeswärme, die der Christus in die Erdenwelt ergossen hat, entreißt den Widersachen die geraubten Teile unserer Wesenshüllen, die durch die "Sünde" korrumpiert sind. Der Christus hat diese Sünden, die substantiell die den Widersachern verfallenen Teile unserer Wesenshüllen sind, auf sich genommen und geheilt. Das ist die eigentliche Bedeutung der Worte Johannes des Täufers: "Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!" (Joh 1,29) Die von den Sünden gereinigte, von Liebeskraft durchdrungene Hüllennatur hält dem geistigen Licht bis in die höchsten Höhen stand. Die Begnadung durch das höchste Geistige kann dann der Mensch ertragen, und sich selbst als eigenständiges Bild des Göttlichen erfassen:

John Flaxman: De l'alto lume parvemi tre giri,
Di tre colori e d'una continenza...
(Im tiefsten Schooß vom lichten Strahlenschein
Schienen drei Kreise schimmernd mir zu sehen ...) Paradiso 33

115 Im tiefsten Schooß vom lichten Strahlenschein
Schienen drei Kreise schimmernd mir zu sehen,
Dreifarbig und an Umfang eins zu sein.
118 Wie Iris von der Iris glänzt, so zween
Im Wiederschein; der dritt’, als Gluth und Licht
Schien’ er gleichförmig beiden zu entwehen.
121 Für meine Vorstellung des Worts Bericht,[16]
Er ist zu arm! Und nehm’ ich, was beschieden
Mir war zu seh’n, wie arm ist diese nicht!
124 O ew’ges Licht, du, in dir selbst im Frieden,[17]
Allein dich kennend, und, von dir erkannt,
Dir selber lächelnd und mit dir zufrieden,
127 Als zu dem Kreis, den ich in dir erfand
Wie wiederscheinend Licht, die Aug’ ich wandte,
Und ihn verfolgend mit den Blicken stand:

130 Da schien’s, gemalt in seiner Mitt’ erkannte,
Mit eigner Farb’, ich unser Ebenbild,
Drob ich nach ihm die Blicke gierig spannte.
133 Wie eifrig strebend, aber nie gestillt,
Der Geometer forscht, den Kreis zu messen,
Und nie den Grundsatz findet, welcher gilt;
136 So ich beim neuen Schau’n – ich wollt’ ermessen,
Wie sich das Bild dem Kreise ein’ und wie
Die Züge mit dem Licht zusammenflössen.
139 Doch dies erflog der eigne Fittich nie. –
Da ward mein Geist von einem Blitz durchdrungen,
Der, was die Seel’ ersehnt hatt’, ihr verlieh.
142 Hier war die Macht der Phantasie bezwungen,
Schon aber folgten Will’ und Wünschen gerne,
Gleichwie ein Rad, gleichmäßig umgeschwungen,[18]
145 Der Liebe, die beweget Sonn’ und Sterne.[19]

                               Ende.
                                                (Paradiso 33)

Den Aufstieg durch die himmlischen Sphären fasst Rudolf Steiner so zusammen:

"Ihr, Beatrice, werden zuerst die Wesen des Mondes entgegengeführt, die ihr geistliches Gelübde gebrochen haben. Sie hatten das Gelübde, nur dem Geistigen zu dienen, gebrochen und waren wieder der Sinnlichkeit verfallen. Merkur war noch für die alte griechische Theosophie dasjenige Wesen, das mitgewirkt hat, als der alte Atlantier sich zu dem Begriff des Ich aufgeschwungen hat. Die ersten Atlantier hatten noch nicht das Ich-Bewußtsein. Die Wesenheit, in deren Zeichen das Persönliche steht, ist der Gott Merkur, Hermes. Der Mensch kommt zum Persönlichen, indem er zur Ichheit, zum Egoismus herunterfällt. Das hat uns zugleich zu den Menschen gemacht, die nach dem Besitz streben. Daher ist der Merkur auch der Gott der Kaufleute.

Auf dem Jupiter findet Dante die Fürsten, die Gerechtigkeit geübt haben. Auf der Sonne geht etwas sehr Wichtiges vor. Auf der Sonne wird Dante der eigentliche Charakter des Ewigen gezeigt; wie es aufzufassen ist, wenn man einen Tag erlebt, den man den Jüngsten Tag nennt. Der Jüngste Tag verändert die Verhältnisse. Da treten uns zwei Menschen entgegen: Thomas von Aquino und der König Salomo. Thomas von Aquino stellt das Leben im Sinne des Christentums, des Neuen Testamentes dar, und König Salomo ist der Lehrer des Alten Testamentes.

In dem Priestertum sah der Christ den körperlichen Ausdruck dessen, was ihm der Christus in der geistigen Entwickelung war. Nach dem Erdenleben ist der Christus entrückt und hält seinen Triumphzug in den Fixsternhimmel. Wer hier seinen geistigen Embryo so zubereitet hat, daß er geistig schauen kann, vermag Christus in dem Fixsternhimmel zu sehen. Der tiefsteingeweihte Jünger, Johannes, tritt als der Lehrer dieser Anschauung auf. Nur Christus und Maria konnten ihren Leib in den Fixsternhimmel mit hinaufnehmen. Eine Meisterindividualität hat auch den Körper ganz in der Hand. So wie der heutige Kulturmensch lernt, mit seinen sittlichen Ideen über die Leidenschaften Herr zu sein, so wahr lernt der Mensch auf höherer Stufe den physischen Leib beherrschen. Jesus und Maria hatten den physischen Leib so geheiligt, daß sie ihn in die höchsten Regionen mitnehmen konnten.

Dann übernimmt der heilige Bernhard die Führung in die höheren Gebiete, wo er die Gottesanschauung, die Versenkung in das göttliche Selbst erhält. Da wächst Dante über das Kirchlich-Christliche hinaus. Er sieht die drei Kreise, die dreifache Urwesenheit der Welt, Vater, Sohn und Geist Die indische Religion nennt sie Brahma, Vishnu, Shiva. Hier stellt sich die Dreifaltigkeit des Universums dar, wo Dante sich zur rein geistigen Anschauung, zur Kontemplation aufschwingt.

Am Schluß wird dargestellt, wie wir in Gott leben, weben und sind, aber uns nicht vermessen können, Gott zu verstehen. Nur das ahnende Gewißwerden der menschlichen Erkenntnis von Gott wird am Ende dargestellt. Für Dante war sein Gedicht das Schauspiel der Welt, von der andern Seite gesehen." (Lit.: GA 97, S. 35f)

Anmerkungen

  1. 17. Wenn ihr werdet wieder sichtbar werden, wenn euch nach dem Weltgerichte euer Körper wieder bekleiden wird. Er setzt nämlich voraus, daß, da den Seligen mit ihrem Körper auch alle Organe desselben wieder werden verliehen werden, das Licht, welches jetzt ihre Seelen umgiebt, für ihre Augen zu blendend sein werde.
  2. [16. Ein Punkt, Gott, als die untheilbare Einheit.]
  3. 19. Allegorisch kann das heißen: Alles, was sich Gott nähert, wird groß und erhaben, sei es auch im Raume noch so klein; denn ihm nähert man sich nur durch Glauben und durch das Gesetz der Ordnung, in welchem alle Dinge gottähnlich werden. (S. Ges. 1 V. 103.)
  4. [25–78. Auch hier sei zum leichteren Verständniß Sinn und Gedankenfolge der folgenden schwierigen Stelle zum Voraus markirt. Um zu der letzten der fortlaufenden Belehrungen des Paradieses über die Engel, ihre Hierarchie und Wirksamkeit, ihre Schöpfung und ihren Fall, zu kommen, schickt der Dichter eine Gegenüberstellung der neun Engelskreise und der neun irdischen Himmelskreise voraus. – Diese höchst sinnvolle Parallele der Geisterwelt und der Sinnenwelt bewegt sich um folgende Vergleichungs-, bezhdl. Divergenz-Punkte: Die (ptolemäische) Ordnung der neun Himmel hat ihr Urbild in den neun Engelskreisen, V. 56. Von letzteren und ihrem göttlichen Mittelpunkt hängen jene, sammt der ganzen Natur, ab V. 41 ff. Denn sie sind, wie wir schon aus Ges. 2, 112–144, Ges. 8, 34 und Hölle 7, 74 wissen, die Intelligenzen, die Beweger jener. Dieses Urbild des Abbilds sieht nun D. hier V. 25–39. Und zwar gerade hier im Krystallhimmal, weil, wie wir ebenfalls wissen, von diesem aus die Wirksamkeit der Intelligenzen sich entfaltet. Aber D. entdeckt auch einen Widerspruch zwischen beiden V. 43–57. Denn sie verhalten sich in ihrer Stufenfolge nach Bewegung und Kraft gerade umgekehrt zu einander. Dort ist der geistige Mittelpunkt Gott und je kleiner und näher, desto schneller und lichter sind die Kreise. Hier ist der körperliche Mittelpunkt die Erde und je größer und ferner von ihr, desto schneller und lichter sind die Kreise. Dieser (scheinbare) Widerspruch wird ihm jedoch gelöst durch Beatrice V. 58–78. Er beruht auf einem naturnothwendigen Weltgesetz, welches D. nicht weiter beweist: Die Körperwelt ist räumlich und hat im Raum zu wirken. Darum sind auch ihre unsichtbaren Kräfte an räumliche Verhältnisse geknüpft (V. 64–66) und die edelste Kraft, die „zum größten Heile“ wirken soll, strebt am Meisten nach Raum, muß also den größten Raum, gleichmäßig vertheilt, erfüllen (V. 67–69). Daher der schnellste und größte neunte Himmel, in welchem wir uns jetzt befinden, das primum mobile, eben zugleich der gotterfüllteste ist (V. 70) und in seiner Weise dem kleinsten und gottesnächsten Engelskreise entspricht (V. 71. 72). Denn bei letzteren, der körperlosen Welt, herrscht das intensive, wie dort das extensive Princip (V. 73–75). Und so besteht also kein Widerspruch, sondern ein bewundernswerthes Ineinandergreifen, vermöge dessen der größte und wichtigste Körperkreis primum mobile von dem kleinsten und gotteskräftigsten Engelkreis, der nächste kleinere (Fixstern-) Himmel von dem nächsten größeren Engelskreis – und so weiter – bewegt wird (V. 76–78).]
  5. [32. D. h. der, zum ganzen Kreis vollendete, Regenbogen.]
  6. [45. „Die Liebe,“ die Sehnsucht, sich dem Einen, Göttlichen zu verbinden, ist die Urbewegerin von allem. Dies ist hinlänglich bekannt aus dem ganzen Paradies. Vgl. übrigens zu Ges. 27, 106–120 und gegenwärtigen Ges. V. 100. 101.]
  7. [80 ff. Der klärende Nordost.]
  8. 85. Meiner Frauen, für: meiner Herrin. Man möge jene Form, die ohnehin nicht ungewöhnlich ist, z. B. das Kloster unserer lieben Frauen, zu gut halten.
  9. [93. Man kennt die Geschichte, wornach der Erfinder des Schachspiels von seinem Fürsten so viele Getreidekörner zum Lohn forderte, als herauskämen, wenn man auf das erste Feld des Bretts ein Korn und auf jedes weitere immer doppelt soviele legen würde, als auf das vorangegangene. Der König lachte ob der Kleinigkeit, bis ihm der Andere nachwies, daß die ungeheuerste Zahl von vielen Billionen und mehr herauskomme.]
  10. [97. Die Hierarchie der Engel im Einzelnen, wie sie im Folgenden dargestellt wird, ist, nächst den Stellen Ephes. 1, 21, Col. 1, 16, dem Pseudo-Dionysius (Areopagita), V. 115 ff., speziell seinem Buch „de coelesti hierarchia“ entnommen.]
  11. [100 ff. Vgl. zu 45. „Ihre Fesseln,“ die Bande der Liebe, die sie ewig in Gottes Nähe fesselt, aber auch ewig umschwingt, um sich Ihm immer näher zu verbinden – was sie nach dem Maß ihres Schauens erreichen. Denn, V. 109 ff., je mehr wir Gott erkennen, desto mehr lieben wir ihn. – Darum ist ja durch’s ganze Paradies das „Schauen Gottes“ die Seligkeit, die der Mensch erringen soll, wie sie der Engel schon hat. Und gleichwie unter den seligen Seelen Stufen des Schauens sind – vgl. Vorbem. S. 398 und zu Parad. 3, 49; 4, 19 – so unter den seligen Engeln.]
  12. 117. Im Frühlinge geht die Sonne im Widder auf und unter, bewegt sich also mit ihm durch den Himmel und macht ihn unsichtbar. Im Herbste dagegen ist er des Nachts über dem Horizonte. Der Sinn ist: in der Wonne, die hier blüht, ist kein Wechsel.
  13. 126. Engelsfeier, im Ital.: angelici ludi, die untergeordnetsten, durch keine besondere Benennung ausgezeichneten Engel.
  14. [127 ff. Vgl. oben zu V. 25–76, Ges. 27, zu V. 106–120, Ges. 2, 112–144.]
  15. 133. Der heilige Gregor ordnete die Engel etwas anders, indem er an die Stelle der Throne die Mächte u. s. w. setzte.
  16. [121–123. Wie schon ähnlich V. 68, 74, 90, erinnert hier D. nochmals daran, daß sein Ausdruck der Darstellung seiner Gedanken, seiner Vorstellung des Geschauten nicht genüge, noch viel weniger seiner vollen Schau selber, gegen welche die zurückgebliebene Vorstellung selbst arm und winzig sei.]
  17. [124–144. Hier erfolgt weiterhin die Enthüllung des letzten und tiefsten Geheimnisses innerhalb der Trinität: der Menschwerdung. D. recapitulirt zuerst das Verhältniß der drei Personen V. 124–126: Der Vater ist das in und auf sich selbst ruhende Licht; sich selbst erkennend zeugt er den Sohn; der sich Erkennende und Erkannte, Sohn und Vater, sich selbst in Liebe lächelnd, lassen den Geist hervorgehen. – Dante wendet sich nun insbesondere gegen den mittleren Kreis und sieht diesem in dessen eigener Farbe das Menschenantlitz aufgeprägt, 127–132. Dies ist das Bild der Menschwerdung, zugleich aber auch der ursprünglichen, unauslöschlichen, durch den Sohn wieder erneuten Gottebenbildlichkeit des Menschen. Wie der Geometer die Quadratur des Zirkels sucht, so will nun D. ermessen, warum das Menschenbild dem zweiten Kreise, dem Sohn, zukomme [619] und wie darin die Vereinigung von Göttlichem und Menschlichem zu Stande komme, V. 133–138. Aber so wenig der Geometer je durch all’ sein Forschen jene Aufgabe löst, so wenig der Menschengeist dies Problem, 133, 139. Da plötzlich wird sein Geist von einem unmittelbar der Gottheit entströmenden Offenbarungsblitz, einer höheren Intuition durchdrungen (d. h. zugleich für die Erde: nur der Glaube versteht das Mysterium), unter deren Eindruck das Ersehnte kommt. Nämlich, während die Phantasie zu jeder Wiedergabe und Darstellung dieses Vorgangs unzulänglich ist, fühlt er sein Wollen und jedes daraus hervorgehende Verlangen selbst in jene volle, freie geheimnißvolle Lebenseinigung mit Gott hineingezogen, welche – das letzte und höchste Ziel de Seligkeit und S. 397 des Gedichtes – zugleich vollkommenes Wirken, Erkennen und Genießen ist und in welcher sich dem Dichter also eben jenes Räthsel V. 136 ff. auf eine unaussprechliche Weise löst.]
  18. [144. Räder nennt D. oftmals die Sterne (28, 46 u. a. im Original) mit Rücksicht auf ihr Kreisen durch die ewige Liebe. Diese ist ja die, vom Primum mobile aus, alle Himmelskreise umschwingende Kraft V. 145, welcher nun auch Dante’s Geist freiwillig folgt, wodurch er in die Einheit mit der ganzen göttlichen Weltordnung zurückgekehrt ist; vgl. 1, 103 ff.]
  19. [145. Mit dem Wort „Sterne“ schließt Dante jeden Theil seines Gedichts, um dessen letztes Ziel anzudeuten. – Und wer wäre auch, der sich nicht zur Sonnen- und Sternenhöhe erhabenster Ideale und himmlischer Ahnungen entrückt fühlte durch dies „Wunderlied des Mittelalters“, welches selbst in seiner Dreitheilung ein Symbol der göttl. Dreieinigkeit und der ganzen Weltentwicklung ist: der Gerechtigkeit des Vaters in der „Hölle“, der Weisheit des Sohnes durch die Welterlösung im „Fegfeuer“, der ersten Liebe des Geistes durch die Weltvollendung im „Paradies?“]


Literatur

  1. Dante Alighieri: Die Göttliche Komödie, Übersetzung von Hans Werner Sokop in Original-Terzinen mit Erläuterungen. 100 Bilder von Fritz Karl Wachtmann., Akad. Druck- und Verlagsanstalt, Graz 2014, ISBN 978-3-201-01994-1
  2. Leonardo Olschki, Bernd Payer (Übers.): Der Mythos vom Filz, University of California, Berkeley und Los Angeles 1949
  3. Willem Frederik Veltman: Dantes Weltmission, J. Ch. Mellinger Verlag, Stuttgart 1979, ISBN 9783880690066
  4. Rudolf Steiner: Metamorphosen des Seelenlebens - Pfade der Seelenerlebnisse, Zweiter Teil, GA 59 (1984), Berlin, 12. Mai 1910, Die Mission der Kunst, siehe auch TB 603 (1983), S 175 ff.
  5. Rudolf Steiner: Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft, GA 96 (1989), Berlin, Ostermontag, 16. April 1906
  6. Rudolf Steiner: Das christliche Mysterium, GA 97 (1998), ISBN 3-7274-0970-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  7. Rudolf Steiner: Mitteleuropa zwischen Ost und West, GA 174a (1982), ISBN 3-7274-1741-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  8. Rudolf Steiner: Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge, Sechster Band, GA 240 (1986), Arnheim, 18. Juli 1924
  9. Rudolf Steiner: Vom Leben des Menschen und der Erde. Über das Wesen des Christentums, GA 349 (1980), ISBN 3-7274-3490-2 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
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Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.

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