Kiewer Rus und Kategorie:Schriftsteller als Thema (Barock): Unterschied zwischen den Seiten

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Die '''Kiewer Rus''' ({{ruS|''Киевская Русь''}}, {{ukS|''Київська Русь''}}, {{beS|''Кіеўская Русь''}}, im älteren deutschen Sprachgebrauch auch '''Kiewer Russland'''<ref>Erich Donnert: ''Das Kiewer Russland: Kultur und Geistesleben vom 9. bis zum beginnenden 13. Jahrhundert''. Urania-Verlag, 1983</ref>) war ein [[mittelalter]]liches Großreich, das als Vorläuferstaat der heutigen Staaten [[Russland]], [[Ukraine]] und [[Weißrussland]] angesehen wird. Der Ausdruck kann auch als Bezeichnung der Epoche in der Geschichte der [[Rus]] verstanden werden, in der [[Kiew]] als [[Fürstentum Kiew|Großfürstensitz]] das politische und kulturelle Zentrum der [[Rurikiden]]-Dynastie war.
[[Kategorie:Schriftsteller (Barock)]]
 
== Begriff ==
 
Die Bezeichnung „Rus“ erhielten die Herrschaftsgebiete des [[Waräger]]-Geschlechts der [[Rurikiden]], das nach ihrem Stammesfürsten [[Rjurik]] benannt ist. Die mittelalterlichen Quellen nennen dieses Land [[Rus|„Rus“]] oder „russisches Land“ (''русская земля''). Es bildete eine Handelskette zwischen Ostseeraum, Schwarzem Meer und Bosporus.<ref>Jürgen Hartman: ''Russland: Einführung in das politische System und Vergleich mit den postsowjetischen Staaten'', Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-658-00174-2,  S. 19f.</ref>  Der Begriff „Kiewer Rus“ wurde im 19. Jahrhundert vom russischen Historiker [[Nikolai Karamsin]] geprägt, um dieses Kiewer Reich gegen die späteren Fürstentümer [[Fürstentum Wladimir-Susdal|Wladimirer Rus]] und [[Großfürstentum Moskau|Moskauer Rus]] abzugrenzen.
 
Die modernere russische und weißrussische Wissenschaft tendiert dazu, den Sammelbegriff '''Altrussischer Staat''' (''Древнерусское государство'') zu verwenden. Der Grund dafür ist, dass der Begriff „Kiewer Rus“ den Beginn der Staatlichkeit in [[Nowgorod]] unter [[Rjurik|Rurik]] vor der Verlegung der Hauptstadt nach [[Kiew]] im Jahre 882 traditionell zwar mitumfasst, aber vom Namen her nicht berücksichtigt.
 
Eine [[Nationalstaat|nationalstaatliche]] Sichtweise auf mittelalterliche Vielvölkerreiche wie das Kiewer Reich wird ihrer multiethnischen Zusammensetzung nicht gerecht. Die Kiewer Rus war kein ukrainischer oder russischer Nationalstaat, der ethnisch relativ einheitlich gewesen wäre und aus dem sich im Zuge der weiteren Expansion das spätere polyethnische und multireligiöse Russland entwickelt hätte. Es war selbst schon ein dynastischer Herrschaftsverband, in dem neben Slawen auch [[Finno-ugrische Sprachen|finnugrisch-]],
baltisch- und turksprachige ([[Tataren]]) Stämme lebten. <ref>Andreas Kappeler: ''Rußland als Vielvölkerreich: Entstehung – Geschichte – Zerfall''. München 1992, ISBN 3-406-36472-1, S.&nbsp;19–24 [Neuaufl. 2001: ISBN 3-406-47573-6]. Sowie ders.: ''Kleine Geschichte der Ukraine''. München 1994, ISBN 3-406-37449-2 [Neuaufl. 2000: ISBN 3-406-45971-4], S.&nbsp;37: „Das Kiever Reich war kein ukrainischer oder russischer Nationalstaat, sondern wie die meisten vormodernen Herrschaftsbildungen ein Vielvölkerreich, das nicht nur von Slawen, sondern auch von finnisch-, baltisch- und turksprachigen Stämmen bewohnt war. In der Elite spielten zunächst Normannen, dann auch Griechen und Südslawen eine bedeutende Rolle.“</ref>
 
== Geschichte ==
 
=== Waräger in Gardarike ===
Seit dem 8. Jahrhundert fuhren skandinavische Fernhändler ([[Waräger]]) die Flüsse [[Dnjepr]] und [[Don (Asowsches Meer)|Don]] entlang auf dem [[Weg von den Warägern zu den Griechen|Weg ins Byzantinische Reich]].
Um 750 gründeten sie die erste Siedlung in [[Staraja Ladoga|Ladoga]].
In skandinavischen Texten und Runensteinen wird das Gebiet als [[Gardarike]] bezeichnet.
 
Das Gebiet wurde in dieser Zeit von [[Finno-ugrische Völker|finno-ugrischen]], [[Balten|baltischen]] und [[Ostslawen|slawischen]] Gruppen besiedelt.
 
=== Nowgoroder Rus ===
862 riefen die Stämme der [[Tschuden]], [[Wes (Stamm)|Wes]], [[Kriwitschen]] und [[Ilmenslawen|Slowenen]] angeblich einen skandinavischen Waräger [[Rjurik]] und seine Brüder [[Truwor]] und Sineus, um über sie zu herrschen. Rjurik begann im Jahr 862 in [[Weliki Nowgorod]] zu herrschen und wurde zum Begründer der [[Rurikiden]]-Dynastie, die Russland bis ins Jahr 1598 regieren sollte.
 
=== Gründung der Kiewer Rus ===
882 eroberte Fürst [[Oleg (Kiewer Rus)|Oleg]] Kiew, das bis dahin von [[Askold und Dir]] beherrscht worden war. Er verlegte die Hauptstadt dorthin und begründete damit die Kiewer Rus.
 
Die Rus kontrollierten nun den gesamten Handelsweg zwischen der Ostsee und dem [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]]. Um diese Hauptader herum wuchs von nun an ihr Staat.
 
[[Datei:Oleg tsargrad.jpg|mini|Olegs Feldzug gegen Konstantinopel 907]]
 
Der Staat umfasste bald alle ostslawischen Gebiete und erstreckte sich von den großen Handelsstädten [[Alt-Ladoga]], [[Weliki Nowgorod|Nowgorod]] und [[Beloosero]] im Norden bis zu den Schwarzmeer-Exklaven [[Beresan (Insel)|Beresan]] und [[Tmutorokan]] im Süden. In Ost-West-Richtung erstreckte es sich von den alten slawischen Städten [[Halytsch|Galitsch]] und [[Isborsk]] im Westen bis zu den Neugründungen [[Jaroslawl]] und [[Murom]] im Osten. Dort stießen die slawischen Siedler zunehmend in dünn besiedelte finno-ugrische Gebiete vor, gründeten neue Städte und assimilierten die lokale Bevölkerung. Im Süden des Reiches lag, nicht weit von [[Kiew]], die Grenze zum sogenannten [[Wildes Feld|Wilden Feld]]. Unter diesem Namen waren die Steppengebiete bekannt, aus denen immer wieder Angriffe der turkstämmigen Reiternomaden erfolgten. Die Rus stellten zunächst den Großteil der Adels-, Händler- und Kriegerschicht des Staates. Die dominierende Kultur und Sprache war Slawisch.
 
=== Blüte ===
 
[[Datei:Vladimir by klodt.jpg|mini|Wladimir-Statue in [[Kiew]] (1853) am Ufer des [[Dnepr]], wo der Legende nach die christlich-orthodoxe Taufe der [[Rus]] stattfand]]
Das 10. Jahrhundert kennzeichnete den Höhepunkt der Kiewer Macht: [[Oleg (Kiewer Rus)|Oleg von Kiew]] konnte nach einem erfolgreichen [[Russisch-Byzantinischer Krieg (907)|Feldzug gegen Konstantinopel]] 907 dem [[Byzantinisches Reich|Byzantinischen Reich]] einen Diktatfrieden mit zahlreichen Handelsprivilegien für Kiew aufzwingen. Fürst [[Swjatoslaw I.|Swjatoslaw]] zerstörte das [[Chasaren]]-Reich und eroberte vorübergehend weite Teile des [[Balkanhalbinsel|Balkans]], unter anderem das [[Bulgarien|Bulgarische Zarenreich]].
 
Durch den hauptsächlich auf Konstantinopel ausgerichteten Handel kam es, trotz anfänglicher Eroberungsversuche seitens der Rus, zu engen Kontakten mit Byzanz, die zur [[Christianisierung|christlichen Missionierung]] und schließlich im Jahre 988 in der Herrschaftszeit [[Wladimir der Heilige|Wladimirs des Heiligen]] zum Übertritt der Rus zum [[Orthodoxe Kirchen|orthodoxen Glauben]] führten (siehe [[Christianisierung der Rus]]).
 
Die Kiewer [[Knjas|Fürsten]] waren hoch angesehen und heirateten in ganz [[Europa]]; so schlossen sie [[Dynastie|dynastische]] Verbindungen unter anderem mit [[Norwegen]], [[Schweden]], [[Königreich Frankreich|Frankreich]], [[Königreich England|England]], [[Königreich Polen|Polen]], [[Königreich Ungarn|Ungarn]], dem [[Byzantinisches Reich|Byzantinischen Reich]] und dem [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]]. Eine kulturelle Blütezeit erreichte die Kiewer Rus unter den [[Großfürst]]en [[Wladimir I.|Wladimir dem Heiligen]] (Herrschaftszeit 978–1015) und [[Jaroslaw der Weise|Jaroslaw dem Weisen]] (1019–1054). Letzterer ließ im ganzen Reich nach byzantinischem Vorbild viele Kirchen, Klöster, Schreibschulen und [[Festung]]sanlagen errichten, reformierte die ostslawische Gesetzgebung, hielt sie erstmals schriftlich fest (''[[Russkaja Prawda]]'') und gründete in Kiew die erste ostslawische [[Bibliothek]].
 
[[Datei:Maket Sofii.JPG|mini|Ein Modell des ursprünglichen Aussehens der [[Sophienkathedrale (Kiew)|Kiewer Sophienkathedrale]], 11.&nbsp;Jahrhundert]]
 
Die Kiewer Rus war jedoch ähnlich wie das [[Heiliges Römisches Reich|Heilige Römische Reich]] kein einheitlicher Staat, sondern bestand aus einer Vielzahl von autonomen Teilfürstentümern, die von den [[Rurikiden]] regiert wurden. Einer von ihnen erbte jeweils nach dem [[Senioratsprinzip]] die [[Großfürst]]enwürde und zog zum Regieren nach Kiew. Zu den russischen Teilfürstentümern zählten im 11. und 12. Jahrhundert [[Fürstentum Kiew|Kiew]], [[Fürstentum Tschernigow|Tschernigow]], [[Fürstentum Perejaslaw|Perejaslaw]], [[Fürstentum Smolensk|Smolensk]], [[Fürstentum Polozk|Polozk]], [[Fürstentum Turow-Pinsk|Turow-Pinsk]], [[Fürstentum Wladimir-Susdal|Rostow-Susdal]], [[Fürstentum Rjasan|Murom-Rjasan]] und [[Halytsch-Wolhynien|Galizien-Wolhynien]] sowie die [[Republik Nowgorod]].
 
=== Zerfall ===
 
Die Kiewer Rus litt während ihres gesamten Bestehens an der geographischen Randlage in Europa an der Grenze zum sogenannten [[Wildes Feld|Wilden Feld]]. Wegen des Fehlens natürlicher Barrieren kamen aus den südlichen und südöstlichen Steppen immer neue Reitervölker wie [[Alanen]], [[Petschenegen]] oder [[Kyptschaken]] (Polowzer), die das Reich mit ihren Überfällen immer im Kriegszustand hielten. Um sich gegen die Nomaden zu schützen, wurden an der Südgrenze neue Festungen gegründet und Verteidigungslinien wie die [[Schlangenwälle]] genutzt. Nicht selten war jedoch die aus Berufskriegern zusammengestellte [[Druschina]] des Großfürsten gegen die riesigen Reiterheere machtlos. Von einem solchen unglücklichen Feldzug gegen die Polowzer handelt das altrussische [[Igorlied]].
 
[[Datei:Principalities of Kievan Rus' (1054-1132).jpg|mini|Russische Teilfürstentümer zwischen 1054 und 1132]]
 
Ein anderes großes Problem war die Erbfolgeregelung nach dem [[Senioratsprinzip]], die bei fast jedem Thronwechsel in Kiew zu kriegerischen Feudalfehden unter den rurikidischen Anwärtern und ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts zur zunehmenden Unabhängigkeit der einzelnen Fürstentümer sowie zum Herabsinken der führenden Rolle Kiewer Rus führten. Nach dem Tod der einflussreichen Großfürsten [[Wladimir Wsewolodowitsch Monomach|Wladimir Monomach]] (1125) und seines Sohnes [[Mstislaw I. (Russland)|Mstislaw I.]] (1132), die die zerstrittenen Fürsten noch einmal unter der Oberherrschaft Kiews einen konnten, kam es zum endgültigen Zerfall der Kiewer Rus. Zugleich setzte die Migration großer Teile der Bevölkerung in den Nordosten ein, um den sich häufenden Überfällen der Steppennomaden sowie den tobenden Feudalkriegen um den Kiewer Großfürstenthron zu entgehen. Unter [[Juri Dolgoruki]] wurden in dieser „Salessje“ („Land hinter dem Wald“) genannten Region zahlreiche Städte gegründet, das politische Gewicht der neubesiedelten Gebiete stieg rasant. Sein Sohn [[Andrei Bogoljubski]], Fürst von [[Wladimir-Susdal]], konnte 1169 Kiew einnehmen und die Großfürstenwürde an sich reißen. Als erster Großfürst löste er diese vom Standort Kiew und regierte fortan aus [[Wladimir (Russland)|Wladimir]].
 
Die feudale Zersplitterung der Rus erleichterte es den ab 1223 einfallenden [[Mongolen]], die ostslawischen Fürstentümer nacheinander [[Mongolische Invasion der Rus|zu unterwerfen]].
 
== Zeittafel ==
 
* ca. 750: Skandinavische Siedlung in Staraja Ladoga ([[Alt-Ladoga]]).
* ca. 838: Entstehung eines Staates [[Rus]] am [[Dnepr]]/[[Dnepr|Dnipro]].
* 844: [[Ibn Chordadhbeh]] schreibt nieder, dass die Rus „Eunuchen, männliche Sklaven, weibliche Sklaven, [[Biberfell|Biber]]- und [[Marderfell]]e sowie andere Pelze“ verkaufen.
* 854–856: Wahrscheinliche Ankunft von ‚Fürst‘ [[Rjurik]] aus [[Skandinavien]] in [[Rurikowo Gorodischtsche]].
* ca. 858: Rjurik erobert das Gebiet um [[Kiew]], das zu der Zeit unter [[Magyaren|magyarischer]] und [[Chasaren|chasarischer]] Oberherrschaft stand.
* 859: Laut [[Nestorchronik]] erheben die [[Waräger]] Zins von den [[Slawen]], [[Finnen]] und [[Esten]].
* 860: Erster Angriff der Rus auf Konstantinopel.
* 862: Laut [[Nestorchronik]] kommt es zu Kämpfen zwischen Einheimischen und Warägern, die zur Vertreibung der Waräger führen. Danach reist eine Delegation der Slawen, Finnen und Esten nach [[Schweden]] und lädt die warägischen Rus dazu ein, über die zerstrittenen Stämme zu herrschen.
* 864–883: Die Rus überfällt und plündert islamische Städte am [[Kaspisches Meer|Kaspischen Meer]].
* 865: Erneuter Angriff der Rus auf Konstantinopel.
* ca. 868: Die Rus unter [[Askold (Waräger-Fürst)|Askold]] und Dir übernimmt die Kontrolle über die [[Slawen|slawische]] Stadt Kiew.
* 882: [[Oleg (Russland)|Oleg]]/Helgi wird Fürst von Kiew: Gründung der Kiewer Rus durch die Vereinigung der Warägerherrschaften im Norden (um [[Weliki Nowgorod|Nowgorod]]) mit denen im Süden (um [[Kiew]]).
* 902: 700 Söldner aus der Rus sind in byzantinischen Diensten an einer Militäraktion auf [[Kreta]] beteiligt.
* 907–913: Feldzüge der Rus gegen das Byzantinische Reich sowie gegen islamische Länder. [[Ahmad ibn Rustah]] verzeichnet den Titel Kagan für die Rus-Fürsten.
* 907: Flottenangriff der Rus auf Konstantinopel, der byzantinische [[Kaiser]] zahlt Tribut und bietet Handelsprivilegien an.
* 920: Der [[Araber|arabische]] Handelsreisende [[Ibn Fadlan]] trifft die Rus in [[Bolgar]] an der [[Wolga]] und schreibt seinen berühmten Bericht über die [[Wikinger]] der Rus.
 
[[Datei:Ostromirovo.jpg|mini|Das [[Ostromir-Evangelium]] aus [[Nowgorod]] (1056/1057) ist das älteste erhaltene Literaturdenkmal der Kiewer Epoche]]
 
* ca. 930: [[Igor]], Fürst der Wolga-Rus, übernimmt die Herrschaft in Kiew.
* 944: Friedensvertrag zwischen der Kiewer Rus und dem Byzantinischen Reich.
* ca. 945: Der aufständische Stamm der [[Drewljanen]] tötet Igor. [[Olga (Russland)|Olga]] wird Fürstin von Kiew.
* 955: [[Swjatoslaw I.|Swjatoslaw]], der Sohn von Igor/Ingvarr und Olga/Helga lässt sich [[taufe]]n, bleibt aber nur oberflächlich christianisiert.
* 957: ernst gemeinte Taufe von Fürstin Olga durch byzantinische Priester.
* 965–969: Die Rus unter Swjatoslaw zerstört die [[Festung]] [[Sarkel (Festung)|Sarkel]] und [[Itil (Stadt)|Itil]], die Hauptstadt des [[Chasaren]]reichs, überfällt islamische Gebiete, erobert Küstengebiete an der [[Ostsee]] und führt Krieg gegen die [[Wolga-Bulgaren]], um die östlichen Handelswege in den [[Orient]] unter ihre Kontrolle zu bekommen.
* 967–969: Feldzug der Rus unter Swjatoslaw quer durch den ganzen [[Balkanhalbinsel|Balkan]]. In [[Bulgarien]] nimmt Swjatoslaw 80 Städte an der [[Donau]] ein und legt sich den [[Zar]]entitel des bulgarischen Herrschers zu, der zum Vasall des russischen Großfürsten degradiert wurde. Swjatoslaw verkündet die geplante Verlegung seiner Hauptstadt von Kiew nach [[Weliki Preslaw|Preslaw]] an der Donau, weil dort „der Mittelpunkt seines Reiches läge“.
* 969: Die Rus vernichtet das Reich der Chasaren, kann es jedoch nicht effektiv unterwerfen.
* 971: nach einer verheerenden Niederlage gegen die byzantinische Armee trifft Swjatoslaw an der Donau mit dem byzantinischen Kaiser [[Johannes Tsimiskes]] zusammen und schließt mit ihm einen Friedensvertrag, der ihn zum Verzicht auf Bulgarien und zur Rückkehr in die Kiewer Rus verpflichtet. Der byzantinische [[Chronist]] [[Leo Diaconus]] schreibt daraufhin sein berühmtes Porträt von Swjatoslaw nieder (‚blond, blauäugig, Schnurrbart, rasiertes Haar bis auf zwei Haarlocken‘).
* 972: Swjatoslaw wird auf dem Rückweg in sein Reich an den Dnjepr-Stromschnellen von [[Petschenegen]] getötet.
* 972–980: [[Jaropolk I.]] ist Fürst von Kiew.
* 980–982: [[Wladimir I.|Wladimir Swjatoslawitsch]] wird [[Großfürst]] von Kiew und schlägt Aufstände slawischer Stämme nieder.
* 987: Wladimir Swjatoslawitsch lässt sich von byzantinischen Priestern in Kiew taufen. Daraufhin heiratet er die [[purpurgeboren]]e byzantinische Prinzessin Anna. Damit wird dem Fürsten der Rus als bis dato einzigem europäischen Herrscher die Ehre zuteil, eine Tochter eines Kaisers von Byzanz zu ehelichen. Dem deutschen Kaiser [[Otto II. (HRR)|Otto&nbsp;II.]] ist diese Ehre kurz zuvor verwehrt worden.
* 988: Großfürst Wladimir I. (der Heilige) bekehrt die Rus zum [[Orthodoxe Kirchen|orthodoxen Glauben]]. In Kiew werden heidnische Tempel zerstört und slawische Götzenbilder in den Dnjepr geworfen (siehe auch [[Slawische Mythologie]]).
* 990–1015: Krieg zwischen der Rus und den Petschenegen.
 
[[Datei:Igorsvyat.jpg|mini|[[Igorlied]]: ''Nach der Schlacht Igors gegen die Kumanen''. Gemälde von [[Wiktor Wasnezow]], 1880]]
 
* 1024: [[Schlacht von Listwen]]: Im Kampf der Söhne Wladimirs um die Nachfolge unterliegt [[Jaroslaw der Weise|Jaroslaws]] [[Waräger]]truppe unter Jakun den [[Slawen|slawischen]] Kontingenten seines Bruders [[Mstislaw]].
* 1043: Letzter Flottenangriff der Kiewer Rus auf Konstantinopel, der erfolglos endet.
* 1093: [[Kumanen]] ([[Kiptschak (Volk)|Kiptschaken]]) überrennen kurzzeitig Kiew unter Tugorkhan, dieser fällt jedoch 1096 gegen die Russen.
* 1097: auf dem [[Fürstenrat von Ljubetsch]] wird das [[Senioratsprinzip]] durch die [[Primogenitur]] ersetzt
* 1113–1125: Wiedererstarkung der zentralisierten Macht in Kiew durch [[Wladimir Wsewolodowitsch Monomach|Wladimir Monomach]].
* 1185: Feldzug des Fürsten [[Igor Swjatoslawitsch]] von [[Nowgorod-Sewersk]] gegen die Kumanen, der im [[Igorlied]] beschrieben ist.
* 1223: Zum ersten Mal erscheinen die [[Mongolen]] in der Rus; die [[Schlacht an der Kalka]] endet mit einer bitteren Niederlage für die Rus.
* 1237–1239: Erster Zug der Mongolen unter [[Batu Khan|Batu]] durch die nördliche Rus.
* 1240–1242: Zweiter Zug der Mongolen unter Batu durch die südliche Rus und Zerstörung von Kiew am 6. Dezember 1240 nach [[Belagerung von Kiew (1240)|siebentägiger Belagerung]]. Dieses Ereignis betrachten manche als Ende der Kiewer Rus.
 
== Aktuelle unterschiedliche Interpretationen ==
 
Das Erbe der Kiewer Rus ist heute in der russischen, ukrainischen und weißrussischen [[Historiographie]] teilweise umstritten. Dabei handelt es sich bei dieser Auseinandersetzung nicht um eine wissenschaftliche, sondern eine politische Frage.
 
=== Russische Darstellung ===
 
[[Datei:Yaroslav the Wise.jpg|mini|Darstellung des Kiewer Großfürsten [[Jaroslaw der Weise|Jaroslaws des Weisen]] im russischen ''Titularbuch der Zaren'' aus dem Jahr 1672]]
 
Eine direkte Herrschaftsfolge zwischen dem Kiewer und [[Großfürstentum Moskau|Moskauer Reich]] ist in das russische Geschichtsverständnis eingegangen, da sich die [[Rurikiden|rurikidischen]] Moskauer Großfürsten und Zaren als direkte Nachfahren und die einzig verbliebenen legitimen Erben der Kiewer Fürsten sahen. Darüber hinaus wird in der russischen Historiographie das Kiewer Reich traditionell als einheitliches [[Ostslawen|ostslawisches]] (russisches) Reich verstanden. In der Zarenzeit herrschte die Ansicht vor, dass es sich bei den [[Großrussen|Groß-]], [[Kleinrussen|Klein-]] und [[Weißrussen]] um drei Linien des russischen Volkes handelt, das schon zur Zeit der Kiewer Rus bestand. In der Sowjetunion hatten die Ukrainer und die Weißrussen im Gegensatz dazu den Status eigenständiger Völker, die sich jedoch, wie auch das russische, aus einem zwischenzeitlich vollständig herausgebildeten [[Altrussisches Volk|altrussischen Volk]] entwickelt haben soll. Sowohl das [[Russisches Kaiserreich|Russische Kaiserreich]] als auch die Sowjetunion besaßen das Selbstverständnis eines „gemeinsamen Staates der Ostslawen“ und sahen sich nicht nur dazu berechtigt, sondern auch in der historischen Pflicht, alle ostslawisch geprägten, ehemaligen Gebiete der Kiewer Rus in sich zu vereinen.
 
=== Ukrainische Sichtweise ===
 
Die moderne ukrainische Historiographie beansprucht das Erbe der Kiewer Rus vor allem für die Ukraine und verweist darauf, dass das Gebiet um Kiew deren Kernland war. Die ersten im 18. und 19. Jahrhundert tätigen ukrainischen Historiker bestritten zwar nicht die enge Verwandtschaft der Klein- und Großrussen, kritisierten jedoch den vorherrschenden Moskau-Zentrismus bei der Frage des kulturellen und politischen Erbes der Kiewer Rus. Spätere Historiker wie [[Mychajlo Hruschewskyj]] versuchten hingegen, in teilweiser Anlehnung an die traditionelle polnische Historiographie, die Beziehung der Großrussen zur Kiewer Rus auf ein Minimum zu reduzieren und die Ukrainer ([[Russinen|Ruthenen]]) als die einzig legitimen Erben der Kiewer Rus darzustellen. Vor allem seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 wird die Kiewer Rus in den Werken vieler Publizisten als ukrainischer Staat dargestellt.
 
=== Weißrussische Darstellung ===
 
In der weißrussischen Historiographie gibt es verschiedene Sichtweisen auf die Kiewer Rus. Während in der akademischen Geschichtswissenschaft überwiegend die russische und sowjetische Interpretation vertreten wird, messen nationalpatriotische Publizisten der Kiewer Rus eher eine geringe Bedeutung für die weißrussischen Geschichte bei. Die Ethnogenese der Weißrussen wird als ein unabhängiger Prozess auf der Basis der lokalen slawischen und baltischen Stämme angesehen. Politisch und kulturell identifizieren sie sich vor allem mit dem [[Großfürstentum Litauen]], in dem Weißrussland ein [[Goldenes Zeitalter (Weißrussland)|Goldenes Zeitalter]] erlebt haben soll und dessen Errungenschaften sie vor allem den Weißrussen zuschreiben.
 
== Siehe auch ==
* [[Liste der Fürstentümer der Kiewer Rus]]
* [[Liste der Großfürsten von Kiew]]
* [[Liste von Personennamen in der Kiewer Rus]]
* [[Liste von Warägern in Gardarike]]
* [[Waräger-Runensteine]]
* [[Geschichte der Ukraine]]
* [[Geschichte Russlands]]
* [[Geschichte Weißrusslands]]
 
== Literatur ==
 
* {{RGA|16|482|487|Kiew|[[Helmut Castritius]], [[Jürgen Udolph]]}}
* [[Erich Donnert]]: ''Das Kiewer Russland – Kultur und Geistesleben vom 9. bis zum beginnenden 13. Jahrhundert.'' 1. Aufl. Urania-Verlag, Leipzig u.&nbsp;a. 1983.
* Simon Franklin, Jonathan Shepard: ''The Emergence of Rus. 750–1200.'' 1. edition, 2. imprint. Longman, London u.&nbsp;a. 1998, ISBN 0-582-49091-X ''(Longman history of Russia;'' englisch).
* Ernst Kunik: ''Die Berufung der schwedischen Rodsen durch die Finnen und Slawen. Eine Vorarbeit zur Entstehungsgeschichte des russischen Staates.'' W. Graeff’s Erben, St. Petersburg u.&nbsp;a. 1844.
* Janet Martin: ''Medieval Russia. 980–1584'' ''(= Cambridge medieval textbooks).'' 2nd edition. Cambridge University Press, Cambridge u.&nbsp;a. 2007, ISBN 978-0-521-85916-5 (englisch).
* [[David Nicolle]], Angus McBride: ''Armies of medieval Russia. 750–1250.'' Osprey, Oxford 2001, ISBN 1-85532-848-8 ''(Osprey military men-at-arms series'' 333; englisch).
* [[Gottfried Schramm (Historiker)|Gottfried Schramm]]: ''Altrusslands Anfang. Historische Schlüsse aus Namen, Wörtern und Texten zum 9. und 10. Jahrhundert.'' Rombach, Freiburg 2002, ISBN 3-7930-9268-2 ''(Rombach Wissenschaft – Reihe Historiae'' 12).
* Eva Verma: ''Heiratspolitik in der Kiewer Rus.'' In: Eva Verma: ''„… wo du auch herkommst“. Binationale Paare durch die Jahrtausende.'' dipa, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-7638-0196-0 (S. 35–40: Historische Karte).
 
== Weblinks ==
{{Commonscat|Kievan Rus|Kiewer Rus}}
{{Wiktionary}}
 
== Einzelnachweise ==
<references />
 
{{Normdaten|TYP=g|GND=4073393-2|LCCN=n/91/52954|VIAF=138321696}}
 
[[Kategorie:Kiewer Rus| ]]
[[Kategorie:Historischer Staat in Europa]]
[[Kategorie:Geschichte Kiews]]
[[Kategorie:Waräger]]
 
{{Wikipedia}}

Version vom 5. Februar 2020, 15:18 Uhr