Common-Sense-Philosophie und 5. August: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:ThomasReid.jpg|mini|[[Thomas Reid]] (1710-1796), Porträt von Sir Henry Raeburn (1796)]]
Der '''5. August''' ist der 217. Tag des [[Gregorianischer Kalender|gregorianischen Kalenders]] (der 218. in [[Schaltjahr]]en), somit bleiben noch 148 Tage bis zum Jahresende.
[[Datei:Five men; Robert Burns, Richard Baxter, Francis Bacon, Wellcome L0038353.jpg|mini|[[Wikipedia:James Beattie (Schriftsteller)|James Beattie]] (1735–1803)]]
[[Datei:Portrait of Thomas Paine.jpg|mini|[[Wikipedia:Thomas Paine|Thomas Paine]] (1737-1809)]]
[[Datei:DugaldStewart.jpg|mini|[[Wikipedia:Dugald Stewart (Philosoph)|Dugald Stewart]] (1753–1828)]]
[[Datei:William Hamilton b1788.jpg|mini|[[Wikipedia:William Hamilton (Philosoph)|William Hamilton]] (1788–1856)]]
[[Datei:George Edward Moore.jpg|mini|[[George Edward Moore]] (1873-1958)]]
Die '''Common-Sense-Philosophie''' ging als Frucht der [[Aufklärung]] im [[Wikipedia:18. Jahrhundert|18.]] und [[Wikipedia:19. Jahrhundert|19. Jahrhundert]] von [[Wikipedia:Schottland|Schottland]] aus, weshalb auch die Bezeichnung '''Schottische Schule''' ({{EnS|}} '''Scottish Common Sense Realism''', '''Scottish School of Common Sense''') gebräuchlich ist. Sie vertrat einen [[Naiver Realismus|naiven Realismus]] und sah den „[[common sense]]“ als natürliche Grundlage des [[Philosophie|philosophischen]] [[Denken]]s an. Dem ''common sense'' entspricht dabei im [[Deutsche Sprache|Deutschen]] in etwa der [[Gesunder Menschenverstand|gesundene Menschenverstand]], verbunden mit einem auf das [[Gemeinwohl]] gerichteten Denken, Fühlen und Handeln ([[Gemeinsinn]]).


Die Common-Sense-Philosophie richtete sich vor allem gegen den von [[David Hume]] vertretenen [[England|englichen]] [[Skeptizismus]] und gegen den [[Frankreich|französischen]] [[Materialismus]]. Als ihr eigentlicher Begründer gilt der schottische [[Philosoph]] [[Thomas Reid]] (1710-1796), der mit seiner [[Wikipedia:1764|1764]] veröffentlichten Schrift „''Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense''“ (''Untersuchung über den menschlichen Geist, nach den Grundsätzen des gemeinen Menschenverstandes'') seinem Zeitgenossen Hume entschlossen entgegentrat.
== Siehe auch ==
* {{WikipediaDE|5. August}}


{{Zitat|Der moderne Skeptizismus ist der natürliche Nachwuchs des neues System; und obwohl das System dieses Monster bis zum Jahr 1739 nicht geboren hat, als Humes „Abhandlung über die menschliche Natur“ veröffentlicht wurde, kann man sagen, dass sie in seinem Schoß von Anfang getragen wurde.
[[Kategorie:Datum|H05]]
 
Das alte System akzeptierte alle Prinzipien des Common Sense als erste Prinzipien, ohne dass sie nachgewiesen werden müssen; und deshalb, obwohl seine Argumentation häufig vage war, analog und dunkel, wurde es auf einem breiten Fundament gebaut und hatte keine Neigung zur Skeptizismus.|Thomas Reid|''Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense'' (1764), Kapitel 7|ref=<ref>„Modern scepticism is the natural offspring of the new system; and although the system didn’t give birth to this monster until the year 1739 when Hume’s Treatise of Human Nature was published, it can be said to have carried it in its womb from the beginning.<br />
The old system accepted all the principles of common sense as first principles, without requiring any proof of them; and therefore, though its reasoning was commonly vague, analogical and dark, it was built on a broad foundation and had no tendency to scepticism.“<br />
[[Thomas Reid]]: [http://www.earlymoderntexts.com/authors/reid ''Inquiry into the Human Mind on the Principles of Common Sense''], Glasgow & London 1764  [http://www.earlymoderntexts.com/assets/pdfs/reid1764.pdf pdf] [https://archive.org/details/inquiryintohuman00reidiala archive.org]
(deutsch: ''Thomas Reid's Untersuchung über den menschlichen Geist, nach den Grundsätzen des gemeinen Menschenverstandes''. Aus d. Engl., nach d. 3.&nbsp;Aufl. übers., Leipzig, im Schwickertschen Verlage, 1782 [https://books.google.at/books?id=js0AAAAAcAAJ google])</ref>}}
 
[[Rudolf Steiner]] schreibt über Reid:
 
{{GZ|Vor dem Eingange der Weltanschauungsentwickelung
des neunzehnten Jahrhunderts steht in England ''Thomas Reid'' (1710—1796). Es bildet den Grundzug der Überzeugung
dieses Mannes, was auch Goethe als seine Anschauung
mit den Worten ausspricht: «Es sind am Ende
doch nur, wie mich dünkt, die praktischen und sich selbst
rektifizierenden Operationen des gemeinen Menschenverstandes,
der sich in einer höheren Sphäre zu üben wagt.»
(Vgl. Goethes Werke, Band 36, S. 595 in Kürschners
Deutscher National-Literatur.) Dieser gemeine Menschenverstand
zweifelt nicht daran, daß er es mit wirklichen,
wesenhaften Dingen und Vorgängen zu tun habe, wenn
er die Tatsachen der Welt betrachtet. Reid sieht nur eine
solche Weltanschauung für lebensfähig an, die an dieser
Grundansicht des gesunden Menschenverstandes festhält.
Wenn man selbst zugäbe, daß uns unsere Beobachtung
täuschen könne, und das wahre Wesen der Dinge ein ganz
anderes wäre als uns Sinne und Verstand sagen, so brauchten
wir uns um eine solche Möglichkeit nicht zu kümmern.
Wir kommen im Leben nur zurecht, wenn wir unserer Beobachtung
glauben; alles weitere geht uns nichts an. Von
diesem Gesichtspunkte aus glaubt Reid zu wirklich befriedigenden
Wahrheiten zu kommen. Er sucht nicht durch
komplizierte Denkverrichtungen zu einer Anschauung über
die Dinge zu kommen, sondern durch Zurückgehen auf
die von der Seele instinktiv angenommenen Ansichten.
Und instinktiv, unbewußt, besitzt die Seele schon das
Richtige, bevor sie es unternimmt, mit der Fackel des Bewußtseins
in ihre eigene Wesenheit hineinzuleuchten. Instinktiv
weiß sie, was sie von den Eigenschaften und Vorgängen
in der Körperwelt zu halten hat; instinktiv ist ihr
aber auch die Richtung ihres moralischen Verhaltens, ein
Urteil über Gut und Böse eigen. Reid lenkt das Denken,
durch seine Berufung auf die dem gesunden Menschenverstand
eingeborenen Wahrheiten, auf die Beobachtung der
Seele hin. Dieser Zug nach Seelenbeobachtung bleibt fortan
der englischen Weltanschauungsentwickelung eigen.|18|445f}}
 
Der schottische Dichter und [[Moralphilosoph]] [[Wikipedia:James Beattie (Schriftsteller)|James Beattie]] (1735–1803) beschrieb 1770 in seinem Hauptwerk „''Ein Essay über die Natur und Unveränderlichkeit der Wahrheit''“<ref>James Beattie: ''An Essay on the Nature and Immutability of Truth, in Opposition to Sophistry and Scepticism'', 1770 [https://books.google.at/books?id=xDj74ukDEh8C google]</ref> (''An Essay on the Nature and Immutability of Truth'') den ''common sense'' als instinktive und durch Erziehung nicht veränderbare Fähigkeit, selbstevidente Wahrheiten wahrzunehmen. Auch er wandte sich entschieden gegen den Skeptizismus David Humes und kritisierte insbesondere auch den in dessen Essay „''Of National Characters''“ vertretenen [[Rassismus]] und argumentierte in „''Elements of Moral Science''“<ref>James Beattie: ''Elements of Moral Science'', 2 Bände, 1790–1793 [https://archive.org/details/elementsmoralsci01beatiala Volume 1] [https://archive.org/details/elementsofmoral02beat Volume 2]</ref> gegen die Sklaverei - auch die Briten und Franzosen seien vor 2000 Jahren noch „Wilde“ gewesen.
 
[[Wikipedia:Thomas Paine|Thomas Paine]] (1737-1809), einer der [[Wikipedia:Gründerväter der Vereinigten Staaten|Gründerväter der Vereinigten Staaten]], verurteilte in seiner 1775 veröffentlichten  Schrift „''African Slavery In America''“ wie Beattie die Sklaverei. 1776 griff er während des [[Wikipedia:Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg|Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs]] (1775-1783) in seiner Schrift „''Common Sense''“ die Kolonialpolitik des englischen Königs Georg III. mit scharfen Worten an.
 
Der schottische Philosoph und [[Mathematik]]er [[Wikipedia:Dugald Stewart (Philosoph)|Dugald Stewart]] (1753–1828) warnte allerdings davor, das Prinzip des Common-Sense zu überspannen und schlug vor, nur die allgemeinsten Voraussetzungen, z.B. bezüglich der Existenz der [[materiell]]en [[Dinge]], anzuerkennen. Besser sei es zumeist, von ''Prinzipien des menschlichen Glaubens'' zu sprechen.<ref>[[Wikipedia:Dugald Stewart (Philosoph)|Dugald Stewart]]: ''[http://books.google.de/books?id=lnRBAAAAIAAJ&printsec=titlepage Philosophical essays]'', Edinburgh 1810</ref><ref>Dugald Stewart: ''[http://books.google.de/books?id=3EOhw-djgh0C&printsec=frontcover The Collected Works of Dugald Stewart]'', Gesamtausgabe hrsg. von [[Wikipedia:William Hamilton (Philosoph)|William Hamilton]], 11 Bände, Edinburgh/London 1854 - 60</ref>
 
[[Wikipedia:William Hamilton (Philosoph)|William Hamilton]] (1788–1856) knüpfte die ''Common-Sense-Philosophie'' an die [[Transzendentalphilosophie]] [[Immanuel Kant]]s (1724-1804) an, der in seinem [[Wikipedia:1784|1784]] verfassten Aufsatz „''[[Wikipedia:Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung|Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung]]''“ den Leitgedanken der Aufklärung so charakterisiert hatte: „''Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!''“ Sinngemäß findet sich dieser Ausspruch als „[[sapere aude!]]“ („Wage es, weise zu sein!“<ref>[[Wikipedia:Georg Büchmann|Georg Büchmann]]: ''Geflügelte Worte. Der klassische Zitatenschatz''. 39. Auflage, neu bearbeitet von Winfried Hofmann. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1993, S. 330.</ref>) schon 20 v. Chr. bei dem römischen Dichter [[Wikipedia:Horaz|Horaz]]. In seiner [[Wikipedia:1790|1790]] erschienen „[[Wikipedia:Kritik der Urteilskraft|Kritik der Urteilskraft]]“ formulierte [[Kant]] drei Maximen des ''gesunden Menschenverstands'': „''1. Selbstdenken; 2. An der Stelle jedes andern denken; 3. Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken.''“<ref>Immanuel Kant: ''Kritik der Urteilskraft''. Akademieausgabe von Immanuel Kants Gesammelten Werken, Band V, [https://korpora.zim.uni-duisburg-essen.de/Kant/aa05/294.html S.294f]</ref> Für seine Anknüpfung an die deutsche Philosophie wurde Hamilton später vielfach kritisiert, insbesonder von [[John Stuart Mill]] (1806-1873).
 
Im [[angelsächsisch]]en Sprachraum genießt der ''common sense'' hohe Anerkennung, namentlich im amerikanischen [[Pragmatismus]] und im ''Critical Commonsensism'' von [[Charles Sanders Peirce]] und in der [[Ordinary Language Philosophy]]. Der britische Philosoph [[George Edward Moore]] (1873-1958), einer der Väter der [[Analytische Philosophie|analytischen Philosophie]], verteidigte ihn insbesondere in seiner [[Wikipedia:1925|1925]] erschienen Schrift „''A Defence of Common Sense''“ („''Eine Verteidigung des Common Sense''“):
 
{{Zitat|Ich bin einer jener Philosophen, die dafürhalten, dass die ‚Common Sense Sicht der Welt‘ - bezüglich bestimmter grundlegender Eigenschaften - ''vollkommen'' wahr ist. Aber es muss daran erinnert werden, wie ich meine, dass alle Philosophen, ohne Ausnahme, darin mit mir übereinstimmen: Und dass die reale Differenz, die gemeinhin auf diese Weise ausgedrückt wird, nur eine Differenz zu solchen Philosophen ist, die darüber hinaus ''auch'' Ansichten vertreten haben, die mit diesen Eigenschaften der ‚Common Sense Sicht der Welt‘ nicht vereinbar sind. |George E. Moore|''A Defence of Common Sense''|ref=<ref>„I am one of those philosophers who have held that the 'Common Sense view of the world' is, in certain fundamental features, wholly true. But it must be remembered that, according to me, all philosophers, without exception, have agreed with me in holding this: and that the real difference, which is commonly expressed in this way, is only a difference between those philosophers, who have also held views inconsistent with these features in 'the Common Sense view of the world', and those who have not.“<br />George Edward Moore: [http://selfpace.uconn.edu/class/ana/MooreDefense.pdf ''A Defence of Common Sense''], 1925</ref>}}
 
==Literatur==
 
* [[Thomas Reid]]: ''Untersuchung des menschlichen Geistes entsprechend den Prinzipien des gesunden Menschenverstandes''. Hg. [[Wikipedia:Hans-Peter Schütt|Hans-Peter Schütt]]. [[Wikipedia:Manutius Verlag|Manutius Verlag]], Heidelberg 1992 ISBN 3-925678-27-1 (Zuerst 1764)
* [[Wikipedia:Paul Henri Thiry d’Holbach|Paul Henri Thiry d’Holbach]]: ''Der gesunde Menschenverstand.'' Nach der Übers. von [[Wikipedia:Samuel Ludvigh|Samuel Ludvigh]], Hg. und Kommentar Gottfried Beyvers, Angelika Penzkofer-Beyvers. [[Wikipedia:Alibri Verlag|Alibri Verlag]], Aschaffenburg 2016 ISBN 3865692346 (Zuerst 1772)
* [[George Edward Moore]]: ''Eine Verteidigung des Common Sense. Fünf Aufsätze aus den Jahren 1903–1941'' (Orig. „A Defense of Common Sense“, 1925). Suhrkamp, Frankfurt 1969
*Rudolf Steiner: ''Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt'', [[GA 18]] (1985), ISBN 3-7274-0180-X {{Schriften|018}}
 
{{GA}}
 
== Einzelnachweise ==
 
<references />
 
[[Kategorie:Philosophie]]
[[Kategorie:Naiver Realismus]]

Version vom 2. November 2018, 15:28 Uhr

Der 5. August ist der 217. Tag des gregorianischen Kalenders (der 218. in Schaltjahren), somit bleiben noch 148 Tage bis zum Jahresende.

Siehe auch