Ägyptische Mysterien

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Ägyptische Sphinx (Louvre)
Thot-Hermes

Die ägyptischen Mysterien, die von Thot-Hermes (Trismegistos) eingesetzt wurden, führten den Geistesschüler auf dem Weg der ägyptischen Einweihung vorbei an dem kleinen Hüter der Schwelle ins eigene Innere des Menschen.

"Den aber, in welchem die Ägypter sozusagen alle ursprüngliche Größe jener alten hellseherischen Weisheit sahen, nannten sie ihren großen Weisen, den alten Hermes. Als dann in einer späteren Zeit wieder ein Erneuerer der altägyptischen Weisheit kam, nannte er sich - wie im Grunde genommen so viele nach einem alten Brauch der ägyptischen Weisen — wieder Hermes. Und seine Bekenner, weil sie sagten, daß des in urferner Vergangenheit lebenden Hermes Weisheit wieder auflebte, nannten jetzt diesen ersten Hermes den Dreimal Großen: Hermes Trismegistos. Doch im Grunde genommen nannte ihn nur der Grieche Hermes, bei den Ägyptern hatte er den Namen Thoth." (Lit.: GA 060, S. 351)

"Schon in den ägyptischen Mysterien konnte nur der eingeweiht werden, der seinen ganzen Astralleib durchgearbeitet hatte, so daß der Astralleib vollständig von dem Ich aus geleitet werden konnte. Ein solcher Mensch stand so vor dem Einweihungspriester: er hatte keinen Einfluß auf den physischen Leib und auch keinen auf den Ätherleib; aber sein Astralleib war sein eigenes Geschöpf. Nun wurde ihm gezeigt, wie er auf den Äther- und auf den physischen Leib einwirken kann. Der physische Leib wurde in einen lethargischen Zustand versetzt - drei Tage und drei Nächte mußte er in diesem Zustand bleiben -, und während dieser Zeit war der Ätherleib herausgehoben. Und da der Einzuweihende mächtig geworden war in bezug auf den Astralleib, so konnte er nun die Macht gewinnen, auf den Ätherleib einzuwirken. Was er im Astralischen hatte, konnte er lernen in den Ätherleib hineinwirken zu lassen. Das waren die drei Tage der Grablegung und Auferstehung in einem Ätherleib, der ganz und gar durchsetzt ist von dem, was man den Heiligen Geist nennt. Man nannte einen solchen Eingeweihten einen mit dem Logos, dem «Wort» begabten Menschen. Dieses «Wort» ist nichts anderes als die Weisheit, Manas, das in den Astralleib hineingearbeitet ist. Niemals kann die Weisheit in den Ätherleib kommen, wenn nicht vorher der Astralleib damit durchdrungen ist." (Lit.: GA 093, S. 178)

"In den alten Einweihungen war es so, daß der Astralleib nur die Kraft hatte auf den Ätherleib zu wirken dann, wenn der Ätherleib herausgehoben war aus dem physischen Leibe. Das geschah deswegen, weil in dieser Zeit der Ätherleib, verbunden mit dem physischen Leibe, zu großen Widerstand geleistet hätte, als daß in ihn sich eingeprägt hätte dasjenige, was der Astralleib in sich gebildet hatte. Daher wurde in den alten Einweihungen durch einen Zeitraum von dreieinhalb Tagen der Einzuweihende in einen todähnlichen Zustand versetzt, in dem der physische Leib vom Ätherleib verlassen war, und der Ätherleib, befreit vom physischen Leibe, sich mit dem Astralleib verband. Und dieser prägte nun dem Ätherleibe dasjenige ein, was ihm selbst eingeprägt worden war durch die Übungen. Wenn dann der Hierophant den Einzuweihenden wiedererweckte, dann war dieser ein Erleuchteter, dann wußte er, was in der geistigen Welt vorgeht, denn er hatte während der dreieinhalb Tage einen merkwürdigen Gang getan. Er war durch die Gefilde der geistigen Welt geführt worden, er hatte gesehen, was da vorgeht, er hatte durch die Erfahrung erlebt, was ein anderer Mensch nur durch die Offenbarung erfahren kann. So daß ein solcher, der eingeweiht worden war, aus seinen eigenen Erlebnissen heraus Kunde geben konnte von den Wesen, die in der geistigen Welt, jenseits des physischen Planes waren." (Lit.: GA 106, S. 144f)

"Wenn der Mensch sich dazumal nicht mit seinem ganzen Ich dem Führer unterworfen hätte, dann hatte er niemals diese Wege gehen können, die jetzt beschrieben worden sind, sondern er wäre in sein Inneres hineingestiegen und hätte die allerschlimmsten Seiten seines Inneren kennengelernt. Er hätte das kennengelernt, was er durch sein selbstsüchtiges Ich aus sich gemacht hat." (Lit.: GA 119, S. 147)

"Gerade aus diesem Grunde mußte in der alten Einweihung die Stärke des Ich- Gefühls und des Ich-Bewußtseins ganz herabgestimmt werden, und es mußte das Ich sozusagen übertragen werden auf den geistigen Führer, wie wir es gestern beschrieben haben. Diese Herabstimmung des Ich wurde zunächst so bewirkt, daß durch die Kraft, welche ausging von dem geistigen Führer, das Ich-Bewußtsein des Betreffenden, der da eingeweiht werden sollte, auf ein Drittel der gewöhnlichen Stärke heruntergestimmt wurde. Das ist schon sehr, sehr viel, denn wir können sagen, daß unser Bewußtsein im Schlafzustande, wenn nicht ganz tiefer Schlaf vorhanden ist, ungefähr auf ein Drittel herabgestimmt ist. In den alten ägyptischen Mysterien wurde diese Herabstimmung noch weiter getrieben. Es wurde jenes Drittel des Bewußtseins nochmals auf ein Viertel reduziert, also auf ein Zwölftel des gewöhnlichen Bewußtseins herabgestimmt, so daß der betreffende Mensch zuletzt wirklich in einem todesähnlichen Zustande war. Vollständig ähnlich einem Toten war er für die äußere Beobachtung.

Worauf ich aber hinweisen möchte, das ist, daß diese elf Zwölftel des Bewußtseins nicht etwa ins Nichts verschwanden. Das war durchaus nicht der Fall. Im Gegenteil, man konnte dann erst durch geistige Wahrnehmung sehen, wie intensiv der menschliche Egoismus ist, denn mit jedem Zwölftel des menschlichen Ich-Bewußtseins kam aus dem Menschen geistig etwas heraus, was ein kräftiges Stück seines Egoismus war. Und so sonderbar es Ihnen klingen mag, es war aber doch so: Um diese aus dem Menschen herausströmenden Egoismen im Zaume zu halten, gleichsam um den Menschen geistig zu halten, wenn er sein Ich heruntergestimmt bekam, waren für den Führer zwölf Gehilfen notwendig. Das ist eines der Geheimnisse der höheren Einweihung des Altertums. Es soll hier nur angeführt werden, um zu zeigen, was der Mensch findet, wenn er in sein Inneres hinuntersteigt. Der Mensch würde, wenn er sich selbst überlassen ohne weiteres in sein Inneres hineingeführt würde, sich in der Tat so gebärden, daß er Eigenschaften bekommen würde, welche zwölfmal schlechter wären als diejenigen, die er im gewöhnlichen Leben hat. Diese Eigenschaften des Menschen, die im gewöhnlichen Leben niedergehalten oder verdeckt werden durch Konvention, durch Sitten, Gewohnheiten oder Gesetze, wurden bei der Einweihung in den alten ägyptischen Mysterien im Zaume gehalten durch die Gehilfen des Hermespriesters." (Lit.: GA 119, S. 151f)

Isis und Osiris

Hauptartikel: Isis- und Osiriskult

Eine spätere Form der ägyptischen Mysterien war der Isis- und Osiriskult, der dann vor allem im spätantiken römischen Reich ein weit verbreiteter Mysterienkult war und von den römischen Legionären bis nach Germanien und Britannien getragen wurde.

"Da spricht zum Beispiel die ägyptische Legende von dem Götterpaare Osiris und Isis, und die ägyptische Legende nennt Hermes den weisen Ratgeber des Osiris. In Osiris sieht die Legende ein Wesen, das in grauer Vorzeit auf dem Gebiete gelebt habe, auf dem nunmehr die Menschen leben. Dieser Osiris, der von der Legende dargestellt wird als der Wohltäter der Menschheit, unter dessen weisem Einfluß Hermes oder Thoth den Ägyptern ihre alte Kultur gegeben hat bis in das materielle Wesen dieser Kultur hinein, dieser Osiris hatte einen Feind. Denselben nannte der Grieche dann Typhon. Dieser Feind stellte dem Osiris nach, tötete ihn, zerstückelte den Leichnam, verbarg ihn in einem Sarg und warf ihn ins Meer. Die Schwester und Gattin Isis suchte den Osiris, suchte lange nach dem Gatten, der ihr durch Typhon oder Seth entrissen worden war, und als sie ihn endlich fand, sammelte sie die Stücke, in die ihn Typhon oder Seth zerstückelt hatte, begrub ihn an verschiedenen Orten des Landes, wo dann Tempel errichtet wurden und gebar wie ein nachgeborenes höheres Wesen den Homs, der also erst entstanden war nach dem Tode des Osiris - nur durch einen geistigen Einfluß, der von dem mittlerweile in eine andere Welt gegangenen Osiris auf die Isis übergegangen war. Und Horus ist nun dazu berufen, Typhon zu besiegen und in einer gewissen Weise die Herrschaft jenes Lebens wieder einzuführen, das - von Osiris ausgehend - in die Menschheit einströmen sollte." (Lit.: GA 060, S. 353f)

"... da sagt sich der Mensch: Ich trage ein besseres Selbst in mir, aber durch das, was ich im physischen Leibe bin, tritt zunächst dieses bessere Selbst zurück, wird zunächst nicht ganz offenbar. Mir liegt eine Osiris-, eine Isis-Natur zugrunde, aber die gehört den Ursprungswelten, den alten goldenen, heiligen Zeiten an. Für den gegenwärtigen Menschen ist sie durch die Kräfte überwunden worden, die das äußere Physische zum Menschenleib geballt haben und die Osiris- und Isis-Kräfte in den Leib eingekerkert haben, der verweslich ist und der Zerstörung unterliegt wie die äußeren Naturkräfte.

So sehen wir die Legende von Osiris und Isis in Empfindungen umgesetzt. Osiris, des Menschen höhere Kraft, die im Weltenraume ausgebreitet ist, wird von denjenigen Kräften überwunden, welche der Zerstörung in der Menschennatur unterliegen. Von Typhon wird eingekerkert, was als Osiris-Kraft im Menschen lebt. Typhon hängt sogar sprachlich mit dem Worte «auflösen, verwesen» zusammen. Sie wird eingekerkert in das, was wie ein Sarg des geistigen Menschenteiles geformt wird, in welchem - unsichtbar für die äußere Welt - der Osiris-Teil des Menschen verschwindet. Aber es bleibt als ein Geheimnisvolles für die Vorstellungen des alten Ägypters die Seelennatur darin, die für den Menschen die geheimnisvolle Isis-Natur ist. Sie bleibt, um in der Zukunft - und zwar mit Durchdringung der intellektuellen Kraft - das wieder zu erreichen, aus dem der Mensch hervorgegangen ist. So strebt also etwas in dem Menschen Verborgenes darnach, den Osiris wieder zu beleben. Die Isis-Kraft ist in der menschlichen Seele, um den Menschen aus dem, was er gegenwärtig ist, nach und nach wieder zum Osiris hinzuführen. Und diese Isis-Kraft macht es, daß der Mensch, allerdings nicht, solange er physischer Mensch bleibt, sich von der physisch-sinnlichen Natur absondern kann, aber sie macht es, daß der Mensch, ob er zwar ein äußerer, physischer Mensch bleibt und voll in der äußeren, physischen Welt steht, doch in seinem Inneren immerfort den Aufblick hat zu einem höheren Ich, das nach der Anschauung aller bedeutendsten Geister der Menschheit tief verborgen allen menschlichen Kräften zugrunde liegt. Dieser Mensch, der nicht der äußere, physische Mensch ist, sondern der Mensch, der zum geistigen Licht aufzustreben immerfort den Ansporn hat, immer von den verborgenen Isis-Kräften getrieben wird, ist es, der wie der irdische Sohn des nicht in der irdischen Welt aufgegangenen, sondern in den geistigen Welten verborgen gebliebenen Osiris erscheint. Dieser unsichtbare Mensch, der Mensch des Strebens nach dem höheren Selbst, wurde von der ägyptischen Seele als Horus empfunden, als der nachgeborene Sohn des Osiris." (Lit.: GA 060, S. 359ff)

Literatur

  1. Rudolf Steiner: Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins, GA 60 (1983), ISBN 3-7274-0600-3 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  2. Rudolf Steiner: Die Tempellegende und die Goldene Legende , GA 93 (1991), ISBN 3-7274-0930-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  3. Rudolf Steiner: Ägyptische Mythen und Mysterien, GA 106 (1992), ISBN 3-7274-1060-4 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
  4. Rudolf Steiner: Makrokosmos und Mikrokosmos, GA 119 (1988), ISBN 3-7274-1192-9 pdf pdf(2) html mobi epub archive.org English: rsarchive.org
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