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Die '''Kataklysmentheorie''' ([[Latein|lat.]] ''cataclysmus'', zu [[Griechische Sprache|griech.]] ''kataklysmos'' „Überschwemmung“), auch Katastrophentheorie oder [[Katastrophismus]], bezeichnet eine geowissenschaftliche [[Theorie]] des 18. und 19. Jahrhunderts, die sich die innerhalb der oberen [[Erdkruste]] beobachtete Aufeinanderfolge von Lebewesen und Lebensgemeinschaften als Ergebnis von wiederholten weltweiten [[Katastrophe]]n ([[Kataklysmus|Kataklysmen]]) mit jeweils nachfolgender Neuschöpfung dachte.  
Die '''James-Lange-Theorie''' der [[Physiologie|Körperreaktion]]en besagt, dass [[Emotion|Gefühle]] Begleiterscheinungen körperlicher Vorgänge seien.
Die Grundidee dieser Emotionstheorie fand sich bereits bei verschiedenen älteren Autoren, z. B. [[René Descartes]], [[Aristoteles]], [[Hermann Lotze]] und [[Spinoza]]. Allerdings wurde sie erst durch [[William James]]’ Arbeit ''What is an Emotion?'' (1884) populär. Fast zeitgleich, aber unabhängig von James, veröffentlichte auch der dänische Physiologe [[Carl Lange (Psychologe)|Carl Lange]] ein Buch (''Ueber Gemüthsbewegungen'', 1885), das auf ähnliche Art und Weise Emotionen betrachtete, weshalb beide den Namen der Theorie prägten.


== Definition ==
== Grundaussage ==


Die Theorie basiert auf der Annahme, dass der Unterschied der Faunen und Floren zwischen den einzelnen geologischen Zeiten nur durch das Eintreten großer Katastrophen (Kataklysmen) erklärbar sei, die plötzlich und ohne alle Zwischenstufen die Mehrzahl der Lebewesen eines Gebietes vernichtet hätten. Im Anschluss daran seien Tiere und Pflanzen entweder durch Neuschöpfung entstanden oder aus anderen Gebieten eingewandert.
Nach James sind Gefühle die Folge [[Eingeweide|viszeraler]] Veränderungen (vgl. Lange: [[Thermoregulation|vasomotorische]] Reaktionen), die meist reflexartig bei der Wahrnehmung von emotionsauslösenden Sachverhalten auftreten, was aber nur für gröbere Emotionen, wie Zorn, Liebe, Freude, Furcht und Stolz gilt, die mit relativ starken körperlichen Symptomen einhergehen. Zudem seien instrumentelle Handlungen für bestimmte Emotionen charakteristisch. Dafür, dass laut James’ biologischer Emotionstheorie im Gegensatz zu späteren kognitiven Emotionstheorien (u. a. die [[w:Zwei-Faktoren-Theorie der Emotion|Zwei-Faktoren-Theorie der Emotion]] von [[w:Stanley Schachter|Stanley Schachter]] und [[w:Gregorio Marañón|Gregorio Marañón]]) (auch Appraisal-Theorien genannt) keine zusätzlichen Prozesse geistiger Verarbeitung für das Auslösen von Emotionen verantwortlich sind, sprechen nach James drei Sachverhalte, die er introspektiv erfasste:


== Vertreter und Kontrahenten ==
* Die Bewertung eines emotionsauslösenden Objektes erfolgt erst nach dessen Auftreten.
Der exponierteste Vertreter der Kataklysmentheorie war der französische Naturwissenschaftler [[Georges Cuvier]] (1769–1832).<ref>Georges Cuvier: ''Discours sur les Révolutions de la surface du Globe, et sur les changemens qu'elles ont produits dans le règne animal''. Dufour et d'Ocagne, Paris 1825 (deutsch: ''Cuvier's Ansichten von der Urwelt'', Weber, Bonn 1822; ''Die Umwälzungen der Erdrinde in naturwissenschaftlicher und geschichtlicher Beziehung'', 2. Aufl., 2 Bände, Weber, Bonn 1830) - {{Google Buch | BuchID  = o3IOAAAAQAAJ | Linktext = Volltext}}</ref> Cuvier galt lange als der bekannteste Verfechter des Katastrophismus, dem zufolge in der Erdgeschichte wiederholt große Katastrophen einen Großteil der Lebewesen vernichteten und aus den verbliebenen Arten in darauf folgenden Phasen neues Leben entstanden sei. Die Legende, Cuvier habe nach jeder Katastrophe eine Neuschöpfung durch Gott postuliert, wurde von seinem Gegner, dem britischen Geologen [[Charles Lyell]] (1797–1875), verbreitet.  
* Die Bewertung kann im Gegensatz zur Emotion stehen.
* Es kommt durchaus vor, dass Emotionen auftreten, ohne dass eine Bewertung stattfindet.


Cuvier schloss sich dem [[Carl von Linné|Linné]]schen [[Art (Biologie)|Spezies]]begriff an. Die  einzelnen Arten sind bei ihm unabhängig voneinander erschaffen worden und unveränderlich. Er war ein Gegner der [[Jean-Baptiste de Lamarck#Evolutionstheorie|Lamarck]]schen Deszendenzlehre (Abstammungslehre) und der Theorie von der Vererbbarkeit erworbener Merkmale.<ref>Herbert Wendt: ''Ich suchte Adam. Die Entdeckung des Menschen.'' Neu durchges. u. erw. Ausg., Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1978, 502 S.; ISBN 3-499-16631-3 (rororo-Sachbuch)</ref>
Das reflexartige Auslösen impliziert auch, dass durch bloße Vorstellung von emotionsauslösenden Situationen, instrumentelles Handeln oder durch unwillkürliche körperliche Reaktionen, wie Mimik, Gefühle erlebt werden können, was in der modernen Psychologie als [[Rückkopplung|Feedback]]-Effekt bezeichnet wird.
Er vertritt somit konsequent das Prinzip der Artkonstanz. Er erkannte aber bei seinen paläontologischen Forschungen, dass die Formen der einzelnen Schichten der Rezentfauna umso unähnlicher werden, je tiefer gelegene – also ältere – Schichten man betrachtet. Dies interpretierte er so, dass die einzelnen Organismengruppen in den Schichten unabhängig voneinander entstanden seien. Die Geschichte der Erde zerfalle also in völlig voneinander unabhängige, durch Kataklysmen getrennte Perioden. Diese Kataklysmen hätten jeweils zu einem lokalen Massensterben geführt, aus anderen Regionen seien dann fremdartige Formen eingewandert.


Cuvier hatte großen gesellschaftlichen Einfluss (siehe hierzu auch [[Pariser Akademiestreit]] von 1830), und seine Kataklysmentheorie fand während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Epigonen. So ist hier z.&nbsp;B. [[Alcide Dessalines d’Orbigny]] (1802–1857) zu nennen, der nach einer mehrjährigen Reise durch Südamerika an das [[Muséum national d’histoire naturelle]] in Paris zurückkehrte und eine mehrbändige Darstellung über die Fossilien  Frankreichs verfasste, darunter einen Band über den [[Jura (Gebirge)|Jura]]. Diesen teilte er in zehn Etappen, die er im Sinne des Katastrophismus durch Kataklysmen klar voneinander abgrenzte.
Im Jahre 1884 präzisierte James die ursprüngliche Fassung seiner Emotionstheorie, um auf zahlreiche Kritikpunkte einzugehen, u.&nbsp;a. 1893 von [[w:William Leonard Worcester|William Leonard Worcester]] (1845–1901), der der Meinung war, dass die bloße Wahrnehmung einer emotionsauslösenden Situation nicht hinreichend sei und dass willkürliche Handlungen keine spezifischen Emotionen evozieren könnten. James entgegnete in der entsprechenden Gegendarstellung, dass die viszeralen Reaktionen des Körpers nicht durch die Wahrnehmung, sondern durch eine latent vorhandene Idee des lebenswichtigen Elementes der Situation ausgelöst würden, und dass man spezifische Emotionen genau ausdifferenzieren müsse, da z.&nbsp;B. die Angst vor einem angreifenden Bären nicht gleichzusetzen sei mit der Angst vor dem Versagen in einer Prüfung. Echte Emotionen träten nur auf, wenn die viszeralen Veränderungen im Körper diffuser Natur und unspezifisch seien (im Gegensatz zu bspw. Frösteln oder Hunger, welche ja nicht zu Gefühlen im eigentlichen Sinne zu zählen sind). Außerdem hätten viszerale Veränderungen bei der Entstehung von Emotionen einen weitaus größeren Stellenwert als instrumentelle Reaktionen.


Lyell führte dagegen den Grundsatz des [[Aktualismus (Geologie)|Aktualismus]] in die [[Geologie]] ein, der besagt, dass in der [[Erdgeschichte]] nur solche Kräfte an der Gestaltung der [[Erde]] gewirkt hätten, die auch heute noch zu beobachten sind. Die oft abrupt wirkenden Übergänge zwischen verschiedenen Schichtfolgen und Faunenschnitte erklärt der Aktualismus nicht als Ergebnis plötzlicher und kurz andauernder weltumwälzender Katastrophen, sondern als Überlieferungslücken und als Folge der außerordentlich langen Dauer geologischer Prozesse. Der Aktualismus war eine der Voraussetzungen für die Entwicklung der [[Evolutionstheorie]] von [[Charles Darwin]].
== Kritik ==
=== Allgemeine zeitkritische Anmerkungen ===
Die James-Lange-Theorie kann als Vorläufer des [[Behaviorismus]] angesehen werden. Psychologische Begriffsbildungen sind jedoch der primär verhaltenstheoretischen Sichtweise eigentlich fremd, da psychologische Tatsachen tendenziell eher aus unmittelbar empirischen Daten erklärt werden. Als Gründer des Behaviorismus gilt [[John B. Watson]] (1878–1958) mit seiner 1919 erschienenen Schrift „''Psychology from the Stand-point of a Behaviorist''“. James vertrat einen [[Darwinismus|darwinistisch]] geprägten [[Funktionalismus (Psychologie)|Funktionalismus]]. Seine fachliche Ausbildung erhielt Watson im Zentrum des amerikanischen Funktionalismus, an der [[w:University of Chicago|University of Chicago]]. Sein Lehrer an dieser Universität war [[James Rowland Angell]] (1869–1949). Angell seinerseits war ein Schüler von James (1842–1910).<ref name="FLP">[[Peter R. Hofstätter]] (Hrsg.): ''Psychologie''. Das Fischer Lexikon, Fischer-Taschenbuch, Frankfurt a.&nbsp;M. 1972, ISBN 3-436-01159-2; S.&nbsp;70-72 zu Lemma „Behaviorismus“.</ref>


== Bewertung aus heutiger Sicht ==
=== Cannons Kritik ===
Eine überraschende Wiederbelebung der Vorstellungen der Kataklysmentheorie und damit eine Relativierung des Prinzips des Aktualismus brachte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Erkenntnis, dass die Erde, wie andere Himmelskörper auch, in ihrer Geschichte viele Male dem [[Impakt|Einschlag]] großer [[Meteorit]]en, [[Asteroid]]en und [[Komet]]en ausgesetzt war, die tatsächlich weltweite Katastrophen allergrößten Ausmaßes bewirkten.


Seit einigen Jahren mehren sich die Hinweise, dass neben kosmischen Katastrophen – wie Asteroiden- und Kometentreffern, Strahlungsausbrüchen erdnaher [[Supernova]]-Ereignisse oder Bahnveränderungen im [[Sonnensystem]] – auch erdgebundene Vorgänge kurzfristig gravierende planetenweite Veränderungen im Sinne der Kataklysmentheorie herbeiführen können. Dazu zählen zum Beispiel Calderenausbrüche ([[Yellowstone (Vulkan)|Yellowstone]]-[[Caldera (Krater)|Caldera]]) mit nachfolgendem [[vulkanischer Winter|vulkanischen Winter]], sowie Super-Erdbeben und damit verbundene [[Tsunami]]s.
Vielleicht gerade wegen ihres kontraintuitiven Charakters versuchten insbesondere [[Walter Cannon]] (1871–1945) und [[Philip Bard]] (1898–1977) ([[Cannon-Bard-Theorie]]) in den folgenden Jahren diese [[Emotionstheorie]] zu widerlegen, da ihrer Meinung nach einige Befunde existierten, die die James-Lange-Theorie nicht erklären könnte. Diese waren im Einzelnen:


Als gesichert gilt heute, dass es wiederholt erdgeschichtliche Katastrophen gab und dass die [[Massenaussterben]] mit ihnen in Verbindung stehen, wobei viele Einzelheiten noch umstritten sind. Als Erklärungsmodell für das Auftreten neuer Arten hat sich demgegenüber die [[Evolutionstheorie]] durchgesetzt.
* Eine Trennung der Viszera vom zentralen Nervensystem hat keine Einschränkungen im emotionalen Erleben zur Folge. Dies wurde durch Cannon anhand von Experimenten mit Hunden und Katzen nachgewiesen, indem er das Rückenmark durchtrennte, aber keine emotionale Veränderung feststellen konnte.
* Die Viszera ist zu unempfindlich, als dass sie starke physiologische Erregung verursachen könnte.
* Veränderung in der Viszera dauern zu lange, als dass sie als Grund für das plötzliche Entstehen von Emotionen herangezogen werden könnten.
* Viele Emotionen haben die gleichen physiologischen Erregungsmuster, weshalb die Wahrnehmung der physiologischen Erregung keine spezifische Zuordnung erlaube.
* Das künstliche Induzieren der emotionsspezifischen Erregungsmuster hat keine wahrgenommene Emotion zur Folge, sondern nur eine Art kalten Erregungszustand (wobei sich Cannon auf Adrenalinexperimente Maranons berief, die später auch Schachter für die Ausarbeitung seiner Zwei-Faktoren-Theorie der Emotion dienten)


Aus heutiger Sicht ist der doktrinär geführte akademische Streit überwunden. Die Kataklysmentheorie (Katastrophentheorie) ist als sinnvolle Ergänzung der Evolutionstheorie anzusehen und für das Verständnis der Entwicklung des Lebens auf der Erde unabdingbare Voraussetzung.
Cannon stellte dementsprechend sowohl hinreichende als auch notwendige Ursachen der James-Lange-Theorie in Frage und bot eine alternative, selbstkonzipierte Theorie an.


== Siehe auch ==
== Neojamesianische Theorien ==
* {{Kataklysmentheorie}}


== Weblinks ==
Selbst in den 1970er Jahren wurde die Auffassung vertreten, dass zumindest ein Teil der James-Lange-Theorie zutreffe. In dieser Zeit wurden die neo-jamesianischen Emotionstheorien begründet, die postulieren, dass körperliche Veränderungen und deren Wahrnehmung eine bedeutende Komponente bei der Emotionsentstehung seien und deren prominentester Vertreter wohl [[w:Silvan Tomkins|Silvan Tomkins]] ist, welcher davon ausging, dass subkortikale Programme existieren, die für die fundamentalen Emotionen essentiell seien. Werden diese Programme abgespielt, so finden Veränderungen in der Mimik und Gestik sowie in der Viszera statt und eben die Wahrnehmung dieser Veränderungen sorgt dafür, dass der Mensch seiner Emotion gewahr wird.
* [https://www.zdf.de/sender/zdfinfo/apokalypse-urzeit-100.html Apokalypse Urzeit], Deutschland 2013, zdf info
 
* [http://www.zdf.de/ZDF/zdfportal/programdata/08f09dee-c131-3898-beea-3efa0cea90b0/20245028 Katastrophen der Erdgeschichte], Großbritannien 2008, zdf info
Seit den 1990er Jahren wurden wieder vermehrt theoretische Konzepte wie die [[Hypothese der somatischen Marker]] entwickelt, wonach Emotionen sich aus der [[interozeption|interozeptiven]] Wahrnehmung von körperlichen Zuständen ableiten. So geht die [[w:Facial-Feedback-Hypothese|Facial-Feedback-Hypothese]] davon aus, dass [[Mimik]] und Gesichtsausdrücke das Emotionserleben beeinflussen, die zuletzt in die Kritik geratene Theorie des [[w:Power Posing|Power Posing]] nimmt dies für Körperhaltungen an.
 
== Literatur ==
* W.-U. Meyer, A. Schützewohl, R. Reisenzein: ''Einführung in die Emotionspsychologie''. Band 1. 2. Auflage. Hans Huber Verlag, Bern 2001, Kapitel 3
* W. L. Worcester: ''Observations on Some Points in James’s Psychology. II. Emotion.'' In: ''The Monist'' 3(2), 1893, S. 287. 8.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


[[Kategorie:Geschichte der Geologie]]
 
[[Kategorie:Geschichte der Paläontologie]]
[[Kategorie:Affekt]]
[[Kategorie:Evolution]]
[[Kategorie:Allgemeine Psychologie]]
[[Kategorie:Überholte Theorie (Geowissenschaften)]]
[[Kategorie:Georges Cuvier]]


{{Wikipedia}}
{{Wikipedia}}

Version vom 7. Dezember 2018, 13:16 Uhr

Die James-Lange-Theorie der Körperreaktionen besagt, dass Gefühle Begleiterscheinungen körperlicher Vorgänge seien. Die Grundidee dieser Emotionstheorie fand sich bereits bei verschiedenen älteren Autoren, z. B. René Descartes, Aristoteles, Hermann Lotze und Spinoza. Allerdings wurde sie erst durch William James’ Arbeit What is an Emotion? (1884) populär. Fast zeitgleich, aber unabhängig von James, veröffentlichte auch der dänische Physiologe Carl Lange ein Buch (Ueber Gemüthsbewegungen, 1885), das auf ähnliche Art und Weise Emotionen betrachtete, weshalb beide den Namen der Theorie prägten.

Grundaussage

Nach James sind Gefühle die Folge viszeraler Veränderungen (vgl. Lange: vasomotorische Reaktionen), die meist reflexartig bei der Wahrnehmung von emotionsauslösenden Sachverhalten auftreten, was aber nur für gröbere Emotionen, wie Zorn, Liebe, Freude, Furcht und Stolz gilt, die mit relativ starken körperlichen Symptomen einhergehen. Zudem seien instrumentelle Handlungen für bestimmte Emotionen charakteristisch. Dafür, dass laut James’ biologischer Emotionstheorie im Gegensatz zu späteren kognitiven Emotionstheorien (u. a. die Zwei-Faktoren-Theorie der Emotion von Stanley Schachter und Gregorio Marañón) (auch Appraisal-Theorien genannt) keine zusätzlichen Prozesse geistiger Verarbeitung für das Auslösen von Emotionen verantwortlich sind, sprechen nach James drei Sachverhalte, die er introspektiv erfasste:

  • Die Bewertung eines emotionsauslösenden Objektes erfolgt erst nach dessen Auftreten.
  • Die Bewertung kann im Gegensatz zur Emotion stehen.
  • Es kommt durchaus vor, dass Emotionen auftreten, ohne dass eine Bewertung stattfindet.

Das reflexartige Auslösen impliziert auch, dass durch bloße Vorstellung von emotionsauslösenden Situationen, instrumentelles Handeln oder durch unwillkürliche körperliche Reaktionen, wie Mimik, Gefühle erlebt werden können, was in der modernen Psychologie als Feedback-Effekt bezeichnet wird.

Im Jahre 1884 präzisierte James die ursprüngliche Fassung seiner Emotionstheorie, um auf zahlreiche Kritikpunkte einzugehen, u. a. 1893 von William Leonard Worcester (1845–1901), der der Meinung war, dass die bloße Wahrnehmung einer emotionsauslösenden Situation nicht hinreichend sei und dass willkürliche Handlungen keine spezifischen Emotionen evozieren könnten. James entgegnete in der entsprechenden Gegendarstellung, dass die viszeralen Reaktionen des Körpers nicht durch die Wahrnehmung, sondern durch eine latent vorhandene Idee des lebenswichtigen Elementes der Situation ausgelöst würden, und dass man spezifische Emotionen genau ausdifferenzieren müsse, da z. B. die Angst vor einem angreifenden Bären nicht gleichzusetzen sei mit der Angst vor dem Versagen in einer Prüfung. Echte Emotionen träten nur auf, wenn die viszeralen Veränderungen im Körper diffuser Natur und unspezifisch seien (im Gegensatz zu bspw. Frösteln oder Hunger, welche ja nicht zu Gefühlen im eigentlichen Sinne zu zählen sind). Außerdem hätten viszerale Veränderungen bei der Entstehung von Emotionen einen weitaus größeren Stellenwert als instrumentelle Reaktionen.

Kritik

Allgemeine zeitkritische Anmerkungen

Die James-Lange-Theorie kann als Vorläufer des Behaviorismus angesehen werden. Psychologische Begriffsbildungen sind jedoch der primär verhaltenstheoretischen Sichtweise eigentlich fremd, da psychologische Tatsachen tendenziell eher aus unmittelbar empirischen Daten erklärt werden. Als Gründer des Behaviorismus gilt John B. Watson (1878–1958) mit seiner 1919 erschienenen Schrift „Psychology from the Stand-point of a Behaviorist“. James vertrat einen darwinistisch geprägten Funktionalismus. Seine fachliche Ausbildung erhielt Watson im Zentrum des amerikanischen Funktionalismus, an der University of Chicago. Sein Lehrer an dieser Universität war James Rowland Angell (1869–1949). Angell seinerseits war ein Schüler von James (1842–1910).[1]

Cannons Kritik

Vielleicht gerade wegen ihres kontraintuitiven Charakters versuchten insbesondere Walter Cannon (1871–1945) und Philip Bard (1898–1977) (Cannon-Bard-Theorie) in den folgenden Jahren diese Emotionstheorie zu widerlegen, da ihrer Meinung nach einige Befunde existierten, die die James-Lange-Theorie nicht erklären könnte. Diese waren im Einzelnen:

  • Eine Trennung der Viszera vom zentralen Nervensystem hat keine Einschränkungen im emotionalen Erleben zur Folge. Dies wurde durch Cannon anhand von Experimenten mit Hunden und Katzen nachgewiesen, indem er das Rückenmark durchtrennte, aber keine emotionale Veränderung feststellen konnte.
  • Die Viszera ist zu unempfindlich, als dass sie starke physiologische Erregung verursachen könnte.
  • Veränderung in der Viszera dauern zu lange, als dass sie als Grund für das plötzliche Entstehen von Emotionen herangezogen werden könnten.
  • Viele Emotionen haben die gleichen physiologischen Erregungsmuster, weshalb die Wahrnehmung der physiologischen Erregung keine spezifische Zuordnung erlaube.
  • Das künstliche Induzieren der emotionsspezifischen Erregungsmuster hat keine wahrgenommene Emotion zur Folge, sondern nur eine Art kalten Erregungszustand (wobei sich Cannon auf Adrenalinexperimente Maranons berief, die später auch Schachter für die Ausarbeitung seiner Zwei-Faktoren-Theorie der Emotion dienten)

Cannon stellte dementsprechend sowohl hinreichende als auch notwendige Ursachen der James-Lange-Theorie in Frage und bot eine alternative, selbstkonzipierte Theorie an.

Neojamesianische Theorien

Selbst in den 1970er Jahren wurde die Auffassung vertreten, dass zumindest ein Teil der James-Lange-Theorie zutreffe. In dieser Zeit wurden die neo-jamesianischen Emotionstheorien begründet, die postulieren, dass körperliche Veränderungen und deren Wahrnehmung eine bedeutende Komponente bei der Emotionsentstehung seien und deren prominentester Vertreter wohl Silvan Tomkins ist, welcher davon ausging, dass subkortikale Programme existieren, die für die fundamentalen Emotionen essentiell seien. Werden diese Programme abgespielt, so finden Veränderungen in der Mimik und Gestik sowie in der Viszera statt und eben die Wahrnehmung dieser Veränderungen sorgt dafür, dass der Mensch seiner Emotion gewahr wird.

Seit den 1990er Jahren wurden wieder vermehrt theoretische Konzepte wie die Hypothese der somatischen Marker entwickelt, wonach Emotionen sich aus der interozeptiven Wahrnehmung von körperlichen Zuständen ableiten. So geht die Facial-Feedback-Hypothese davon aus, dass Mimik und Gesichtsausdrücke das Emotionserleben beeinflussen, die zuletzt in die Kritik geratene Theorie des Power Posing nimmt dies für Körperhaltungen an.

Literatur

  • W.-U. Meyer, A. Schützewohl, R. Reisenzein: Einführung in die Emotionspsychologie. Band 1. 2. Auflage. Hans Huber Verlag, Bern 2001, Kapitel 3
  • W. L. Worcester: Observations on Some Points in James’s Psychology. II. Emotion. In: The Monist 3(2), 1893, S. 287. 8.

Einzelnachweise

  1. Peter R. Hofstätter (Hrsg.): Psychologie. Das Fischer Lexikon, Fischer-Taschenbuch, Frankfurt a. M. 1972, ISBN 3-436-01159-2; S. 70-72 zu Lemma „Behaviorismus“.


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