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Version vom 26. August 2019, 05:43 Uhr

Theodor Reuss

Theodor Reuß, auch Carl Albert Theodor Reuss (* 28. Juli 1855 in Augsburg; † 28. Oktober 1923 in München) war ein deutscher Opernsänger (Bass), Freimaurer und als Esoteriker Gründer/Mitbegründer zahlreicher okkulter Orden.

Leben

Reuß bis 1880

Reuß war der Sohn des Wirtes Franz Xaver R. und der Eva Barbara Margaret, geborene Wagner. In Augsburg, seiner Heimatstadt, besuchte er die Handelsabteilung der Kreis-Gewerbeschule und schloss eine erfolgreich abgeschlossene Drogeristen-Lehre an. Als professioneller Opernsänger soll er, nach eigenen Angaben, bei der ersten Aufführung Wagners Parsifal in Bayreuth 1882 mitgewirkt haben. Er arbeitete gleichfalls als Varieté-Sänger unter dem Bühnennamen „Charles Theodore“, welchen er u. a. genutzt haben soll um Kontakte zum „Communistischen Arbeiterbildungsverein“ herzustellen. Seine umstrittene Sängerkarriere währte bis zu einer Erkrankung, durch die er partiell „plötzlich seine Stimme verlor“. Angebliche Bekanntschaften mit dem Komponisten Richard Wagner (18131883) und Ludwig II. (1854/18641886) können nicht historisch belegt werden. Als Auslandskorrespondent und Redakteur war er für mehrere englische und deutsche Zeitungen und Nachrichtendienste tätig. Unter anderem in London. 1878 schrieb er für die Times als Kriegsberichterstatter aus dem Gebiet des Balkans; 1882 ging er nach Bosnien und in die Herzegowina. In London wurde er am 9. November 1876 22-jährig in die deutschsprachige „Pilger-Loge“ Nr. 238 aufgenommen, in der er am 8. Mai 1877 zum Gesellen befördert und am 9. Januar 1878 zum Meister erhoben wurde. Aus dieser Loge wurde er am 1. Oktober 1880 ausgeschlossen, nachdem er nach seiner Erhebung die Loge nicht mehr besucht, und die Mitgliedsbeiträge nicht bezahlt hatte. Seitdem gehörte er keinem „regulärem“ Freimaurersystem an.

Kollision mit Anarchisten, Kommunisten und Bakuninisten

Im Frühjahr 1885 war Reuß im Londoner Vollzugsausschuss der anarchistischen Socialist League, in deren Exekutiv-Komitee er gewählt wurde, und wo er auch auf Edward Aveling und dessen spätere Frau Eleanor Marx-Aveling, eine Tochter von Karl Marx traf. Sein Versuch, eine tiefere Freundschaft zu diesen beiden Persönlichkeiten aufzubauen, misslang. Am 10. Mai 1886 wurde er „wegen ehrenrühriger Handlungen“ als „internationaler Polizeischuft“ aus der Socialist League ausgeschlossen und verließ England in Richtung Deutschland.

Solche haltlosen Beschuldigungen waren derzeit nicht ungewöhnlich. Spannungen zwischen dem anarchistischen Kommunisten Josef Peukert und dem 'Bakuninisten' Victor Dave entstanden in der Folge. Diese Beschuldigung kamen aus den Kreisen der belgischen Sozial-Demokraten und wurden besonders von Henry Charles erhoben. Peukert und die Gruppe Autonomie veröffentlichten eine Widerlegung dieser Anschuldigungen, welche in der Zeitschrift 'Anarchist' gedruckt wurde und außerdem Dave der Spionage anklagte. Schließlich nutzte Reuß im Februar 1887 eine Fährte Peukerts, die jener unwissentlich nach Belgien zu Johann Neve gelegt hatte. Neve wurde daraufhin von der deutschen Polizei wegen Waffen-Schmuggels und Propaganda verhaftet und verstarb während der Haft.

Der OTO und seine Nachfolgeorganisationen

Während er in England weilte, kam er in nähere Bekanntschaft mit William Wynn Westcott, dem Supreme Magus of the Societas Rosicruciana in Anglia, der auch einer der Gründer des Hermetic Order of the Golden Dawn war. Westcott stattete Reuß mit einem Patent vom 26. Juli 1901 aus, das die Autorisierung eines Swedenborg-Ritus der Freimaurer enthielt und einen Brief vom 24. Februar 1902, der ihn dazu berechtigte, ein Hohes Konzil der Societas Rosicruciana in Anglia in Deutschland zu gründen.

1880 versuchte er in München eine Wiederherstellung des Adam Weishauptschen Illuminatenordens zu bewerkstelligen. In Berlin tat er sich (wahrscheinlich 1888) mit dem Dresdener Schauspieler Leopold Engel (18581931), Max Rahn und August Weinholz zusammen, um die Neugründung voranzutreiben. L. Engel standen als gewissenhaftem Forscher, insbesondere der Erforschung des Illuminatenordens, sogar noch die vollständigen(!) Dokumente über die Illuminaten zur Verfügung, die wir heute u. a. mit der Bezeichnung Schwedenkiste kennen.

Reuß meinte die offizielle Berechtigung zur Gründung des Ordens auf ein gewisses Patent stützen zu können, das in seinen Besitz durch den „Prinzen vom Rosenkreuz“, Louis Gabriel Lebauche aus Bezeille bei Sedan gekommen sei. Dieser soll ein Hochgradmaurer im 18. Grad des Memphis-Ritus bzw. im 46. Grad des Misraim-Ritus gewesen sein. Das Patent soll Lebauche während eines Besuches am 19. November 1786 von Adam Weishaupt in Regensburg von diesem persönlich erhalten haben, und soll eine Berechtigung für seinen Eigentümer und seine nachfolgenden Inhaber dazu gewesen sein, das Licht in „Schottische Logen“ einzubringen (vgl. Lit.: Frick).

Engel trennte sich 1901 von Reuß und warf ihm, wie andere Mitglieder des Ordens bestätigten (vgl. Veröffentlichungen von Eberhardt), Betrug hinsichtlich des Patentes vor, nachdem Reuß′ Pläne, seinen Orden unter der Großen Freimaurerloge von Deutschland aufzuziehen, von deren Großmeistern abgelehnt wurden. Reuß berichtete in der Jubiläumsausgabe der Oriflamme 1912 von seiner endgültigen Trennung zwischen ihm und seinem Schüler Leopold Engel im Jahr 1902. Die meisten Mitglieder des Illuminatenordens blieben bei Reuß′ Orden, und Engel versuchte 1927, einen von in- und ausländischen Großlogenbehörden unabhängigen Weltbund der Illuminaten zu errichten, womit der 1776 gegründete, um 1788 jedoch „eingeschlafene“ bayerische Illuminatenorden gemeint ist. Engels Gründung bestand bis zur Löschung aus dem Berliner Vereinsregister 1929. Die betreffenden Unterlagen sind im Preußischen Staatsarchiv einzusehen. Nach 1945 entstand in Zürich eine modifizierte Neugründung des Ordo Templi Orientis, welcher Weltbund der Illuminaten heißt, und der z. B. als sogenannte Adoptionsloge Riten mit beiden Geschlechtern gemeinschaftlich bearbeitet. Reuß arbeitete ab 1902 die wiedererweckten oder auch neu zusammengestellten Hochgradriten des englischen Schriftstellers John Yarker (1833-1913) in Deutschland zu dem komplexen System des Orientalischen Templerordens (OTO) aus. 1903 entwickelte er den Ordo Templi Orientis weiter. Hierbei halfen ihm der Wiener Okkultist Karl Kellner und ein Heinrich Klein, der, wie Reuß, ein ehemaliges Mitglied der Pilger-Loge Nr. 238 war. Reuß war 1906 - 1921 Großmeister des Ordo Templi Orientis (OTO) und baute den Orden zu einer sogenannten „Academia Masonica“ aus.

Die Diskussionen zwischen Reuß und Kellner führten angeblich zu keinem erfolgreichen Resultat, weil Kellner Reuß′ Kontakte mit Engel missbilligte. Gemäß Reuß′ Angaben über seine schließliche Trennung von Engel, kontaktierte Kellner Reuß, und beide beschlossen, damit fortzufahren, einen Orientalischen-Templer-Orden einzurichten und Autorisierungen hierfür aufzusuchen, durch welche sie legitimiert werden würden, unterschiedliche Riten der Hochgradfreimaurerei vereinigt zu behandeln. Westcott stellte für Reuß Kontakt zu dem Freimaurergelehrten John Yarker her. Zusammen mit seinen Verbündeten, Franz Hartmann und H. Klein, führte er die freimaurerischen Riten von Memphis und Misraim ein und stiftete durch Yarkers Patente einen Zweig des Schottischen Ritus in Deutschland. Der Memphis- und Misraim-Ritus stammt aus der Tradition der „Ägyptischen Maurerei“. Reuß erhielt das briefliche Patent eines Sovereign Grand Inspector General 33° des Cerneau Scottish Rite von Yarker am 24. September 1902. Am selben Tag scheint Yarker einen Freibrief an Reuß, F. Hartmann und H. Klein ausgegeben zu haben, der ihnen gestattete, als Sovereign Sanctuary im 33°-95° des schottischen Memphis and Misraim Ritus zu operieren. Das Originaldokument ist nicht erhalten. Eine Abschrift dieses Schriftstückes wurde 1911 in Reuß′ Artikel der Oriflamme veröffentlicht, dem amtlichen Organ des Ordens der Orientalischen Templer, die von 1902 – 1923 publiziert wurde.

Yarker gab ein Garantieschreiben am 1. Juli 1904 heraus, das Reuß′ Autorität hinsichtlich der Behandlung der besprochenen Riten bestätigte. Reuß veröffentlichte dieses Dokument als eine zusätzliche Bestätigungsurkunde am 24. Juni 1905. Zusammen mit Kellner verfasste er 1903 ein kurzes Manifest für ihren gemeinsamen Orden, welches im Folgejahr in der Oriflamme erschien. Diese Ausgabe ist eine der wenigen Quellen, die über den Lehrinhalt der einzelnen Rituale im O.T.O. Aufschluss geben.

Als Kellner 1905 verstarb, scheint er der unsicheren Quellenlage zufolge, die Leitung des Ordens über die ganze Zeit alleine innegehabt zu haben. Nun ging offiziell die Führungsposition des O.T.O. auf Reuß, mit Carl Lauer als Stellvertreter, nach Berlin über, und er vereinigte alle seine anderen Organisationen unter diesem Banner, indem er die drei Grade der Freimaurer zu einem kohärenten Initiationssystem entwickelte, das Frauen wie Männern offenstand. An diesen Bestrebungen ist sein Anteil an der damalig neuaufkeimenden Emanzipation der Frauenbewegung (vgl. hierzu z. B. H.P. Blavatzky) ansatzweise abzulesen. Mitte der achtziger Jahre hatte er Helena Petrovna Blavatzky kennen gelernt und trat unmittelbar später 1885 der Theosophical Society in England bei. Als der deutsche Ableger der Theosophischen Gesellschaft unter der Leitung von F. Hartmann am 30. August 1896 gegründet wurde, ist Reuß Vizepräsident dieses Zweiges. Alle von Reuß geschaffenen Geheimgesellschaften waren in jeweilige Hochgradsysteme strukturiert.

Am 22. Januar 1906 verkündete er in London eine Konstitution für diesen neuen, erweiterten O.T.O. Einen Monat später rief er sich selber zum Outer Head of the Order (O.H.O.) aus. In London war er seit 1905 wohnhaft. 1906 veröffentlichte er „Lingham-Yoni“, eine Übersetzung von Hargrave Jennings' „Phallism“.

Durch Reuß kamen auch der „Alte und Primitive Ritus von Memphis und Misraim“ sowie der „Alte und Angenommene Schottische Ritus“ (AASR) 1902 über Yarker nach Deutschland.

Seit 1905 in Hamburg sesshaft, ging er 1906 zu seinem Vertrauten Yarker nach England. Er hinterließ in Deutschland eine unklare Situation in Bezug auf die Führung seiner Orden. Auf einem Kongress der „maurerischen Spiritualisten“ (Internationale Konferenz über Freimaurerei und Spiritismus) bei dem Reuß in Paris am 24. Juni 1908 teilnahm kam es zu weiteren Veränderungen. Hier erhielt Gérard Encausse von Reuss unentgeltlich ein Stiftungspatent und Reuß, der deutsche Repräsentant des von Yarker begründeten Memphis-Misraim-Ritus, tauschte mit Jean (Joanny) Bricaud, Papus (Pseudonym für Gérard Encausse) und Charles Téder (Pseudonym für Ch. Détré) laut Frick (s.u.) Würden, Titel und Grade untereinander und Reuß nahm sie in die höchsten Grade des Memphis-Misraim-Ritus auf. Frick zufolge sei ein errichteter Souverain Grand Conseil Généeral du Rite de Memphis-Misraim pour la France et ses dépendances (Höchsten General Groß-Rat der Vereinigten Riten der Alten und Primitiven Freimaurerei für den Grand Orient in Frankreich sowie seiner Tochtergesellschaften in Paris) praktisch an seiner Spitze identisch mit den leitenden Persönlichkeiten des Ordre Mariniste (Martinistenorden) und die Loge Humanidad in Paris wurde zur Mutterloge des Memphis-Misraim-Ritus. Reuß wurde Mitglied der Loge Humanidad Nr. 240 in Paris und alsdann Hon[orar] Fr[ater] und Hochgradinhaber (33.°) spanischer, italienischer, rumänischer, griechischer und amerikanischer Logen. In welchem Ausmaß sich Encausse darüber hinaus für den O.T.O. engagiert hat, ist unklar. Am 1. Juni 1912 wurde unter Czeslaw Czynski eine Nationale Großloge für die slavischen Länder etabliert. Kellner, Reuss und Aleister Crowley wurden 1912 in der Jubiläumsausgabe der Oriflamme als O.T.O. Mitglieder des X.° angeführt.

1913 siedelte er nach Paris über. Reuß übersetzte Crowleys (12. Okt. 1875 - 1. Dez. 1947) Gnostische Messe und wurde 1918 als Souveräner Patriarch und Primat der Gnostisch Katholischen Kirche und Gnostischer Legat der Église Gnostique Universelle für die Schweiz erwähnt. Zur Zeit des Ausbruches des Ersten Weltkrieges war er in Basel. Bekannt geworden ist Reuß auch unter seinem Ordensnamen „Merlin Peregrinus“ (auch: Peregrinus I. Merlin) als „Oberhaupt der Gnostischen Katholischen Kirche“ in Deutschland, zu dem er von J. Bricaud ernannt wurde. Er war enger Freund und Mitarbeiter von Dr. Arnoldo Krumm-Heller (Ordensname: Huiracocha, 1879-1949), einem deutsch-mexikanischem Oberstabsarzt und Rosenkreuzer in Brasilien, welchen er offiziell zum deutschen Repräsentanten für Lateinamerika ernannte. Krumm-Heller gründete seinen eigenen Orden namens Fraternitas Rosicruciana Antiqua (F.R.A.). Nach Aussage von Krumm-Hellers Sohn Parsival hat er weder jemals O.T.O. Logen gestiftet, noch Mitglieder in den O.T.O. initiiert und auch keinerlei O.T.O. Offiziere ernannt.

Beziehung zu Aleister Crowley

Das erste Aufeinandertreffen von Reuß und Crowley ist bezüglich der Zeit und des Ortes ungewiss. Crowley war bereits durch Allan Bennet in den damals noch ziemlich unbekannten Yoga eingeweiht worden und hatte sich früh zum Libertin entwickelt. Es wurde unter anderem behauptet, dass Reuß sich zusammen mit dem Komponisten R. Wagner und dem bayrischen König mit den Schriften Rabelais′ und der darin enthaltenen Abtei Thelema, die bei Crowley eine zentrale Rolle spielt, beschäftigt habe, wofür allerdings kein historischer Nachweis vorliegt.

1910 soll Crowley durch Reuß in den VII.° des O.T.O. eingeführt worden sein, nachdem Crowley den 33.° im Schottischen Ritus erhalten hatte. Fest steht, dass am 1. Juni 1912 die Gründung einer „National-Großloge des Orientalischen Templer-Ordens für Großbritannien und Irland“ erfolgte. Hierbei vereinigten sich Crowleys Geheimgesellschaft A ∴ A ∴ und Reuß′ O.T.O.. Crowley wurde von Reuß zum „National-Großmeister für Großbritannien und Irland der Mysteria Mystica Maxima [M:.M:.M:.], der englischen Sektion des Orientalischen Templer-Ordens“ ausgerufen und in den 33.°, 90.°, 96.° und X.° des Reußschen Hochgrad-Systems erhoben. Im Manifest des O.T.O. von 1912 erscheint Crowley unter seinem Initiationsnamen Baphomet. Crowley berichtete selber, dass er von Reuß in den O.T.O. und hier in den besonders mit sexualmagischen Riten ausgestatteten IX.° aufgenommen wurde. Am 19. März 1913 stellten Reuss und Crowley gemeinsam eine Charter aus, die James Thomas Windram (Ordensname: Mercurius, 1877-1939) zum offiziellen Repräsentanten des O.T.O. in Südafrika ernannte. Zu einem späteren Zeitpunkt im gleichen Jahr verfasste Crowley während eines Aufenthalts in Moskau die Gnostische Messe, „erstellt zum Gebrauch für den O.T.O. als dessen zentrale Zeremonie, die öffentlich wie intern zu zelebrieren ist und der Messe der Römisch-Katholischen Kirche nachempfunden wurde“.

1913 gab Crowley eine Konstitution für den M:.M:.M:. und das Manifesto des M:.M:.M:. heraus, welche er später als sogenannte Liber LII, dem Manifesto des O.T.O, umarbeitete und publizierte. In einer Anmerkung von Reuß′ Übersetzung der Gnostischen Messe bezeichnet Reuß sich selbst als Sovereign Patriarch and Primate of the Gnostic Catholic Church, and Gnostic Legate to Switzerland of the Église Gnostique Universelle und bestätigte Jean Bricaud (1881 - 1934) als Sovereign Patriarch dieser Kirche. Die Ausgabe dieses Dokumentes kann als Geburtsstunde der Ecclesiae Gnosticae Catholicae als eine unabhängige Organisation unter dem Dachverband O.T.O. mit Reuß als erstem Patriarch betrachtet werden. Crowley widmete Reuß sein Mysterienspiel The Ship (1913) und eine Gedichts-Kollektion The Giant's Thumb (1915). Bis 1914 trat dieser englische Ableger unter der Leitung von Reuß und Crowley mehr als die anderen Sektionen in Erscheinung.

Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges brach die Zusammenarbeit zum Ausbau des O.T.O. zwischen Reuß und Crowley, der auch weiterhin seine deutschfreundliche Haltung journalistisch bezeugte, ab. Das „Hauptquartier“ des O.T.O. wurde in die neutrale Schweiz (Basel) verlegt. Ob ein erneutes persönliches Treffen während oder nach dem Krieg stattgefunden hat, ist nicht bekannt. Während des Krieges, um 1918 publizierte Reuß den Wortlaut einer „Gnostischen Katholischen Messe“. Der Originaltext dieser „Messe“ soll von Crowley stammen. 1920 schreibt Reuß im Aufbauprogramm der gnostischen Neo-Christen: „Freiheit, Gerechtigkeit, Liebe! Tue, was du willst, doch bedenke, dass du Rechenschaft schuldig bist“; ein Zitat, dass indirekt auf Rabelais und Crowley verweist. 1922 soll Reuß aber seine Kooperation mit Crowley sogar widerrufen haben. In Deutschland führte er im Jahre 1925 Gespräche mit dem späteren Leiter des O.T.O. in den USA Karl Germer. Aus Kontakten von Crowley entwickelten sich deutsche Nachfolgeorganisationen und Abspaltungen. So gründete z. B. der Berliner Antiquar Eugen Grosche Ostern 1928 die Fraternitas Saturni nach Crowleyschem Muster. Nachgewiesene Kontakte zwischen verschiedenen Personen aus der theosophischen Richtung zu dem Orden des Golden Dawn können eine Beziehung dieser beiden Weltanschauungen zueinander aufzeigen.

Aus Reuß′ Periode in der Schweiz (1915 – 1921 mit kurzen Unterbrechungen) sind die Berichte widersprüchlich. Sein Wirken auf dem Monte Verità bei Ascona ist sicher. Er richtete hier die übernationale Großloge <<Libertas et Fraternitas>> und einen mystischen Tempel des O.T.O. (Anational Grand Lodge and Mystic Temple) ein, sowie die Hermetische Bruderschaft des Lichtes. Dieser Sitz in der Schweiz stellte eine utopistische Kommune dar, welche 1900 von Henri Oedenkoven und Ida Hofmann gegründet wurde und welche als progressive Basis fungierte. Am 22. Januar 1917, veröffentlichte Reuß ein Manifest für diese Groß-Loge, die „Verità Mystica“ genannt wurde. Am selben Tag gab er eine überarbeitete Konstitution des O.T.O. heraus, die in weiten Teilen auf der Konstitution von Crowley für den M:.M:.M:. basierte und eine Zusammenschau der Grade enthielt, und der eine verkürzt Fassung von The Message of the Master Therion beigefügt war. Auf Monte Verità hielt Reuß am 15.25. August 1916 einen Kongress ab, bei dem Crowleys Gedichte am 22. August, und seine Gnostische Messe am 24. vorgetragen wurden. Am 24. Oktober desselben Jahres patentierte Reuß die O.T.O.-Loge <<Libertas et Fraternitas>> auf dem Monte Verità. Erster Stuhlmeister war Tänzer und Choreograph Rudolf Laban de Laban, weiteres Gründungsmitglied die noch berühmtere Tänzerin Mary Wigmann. 1917 verlegt <<Libertas et Fraternitas>> ihren Standort nach Zürich. 1918 sollte die Gnostisch Katholische Kirche nach einem Antrag der Martinisten ab dem 18.° als obligatorische Religion eingeführt werden. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Als Folge entstand ein Zerwürfnis mit Reuß, worauf man sich vom OTO trennte. 1925 gibt diese Loge ihre damaligen Privilegien als Großloge dreier weiterer Logen und eines Zirkels auf und unterstellte sich der „regulären“ Schweizer Großloge Alpina.

In einem undatierten Brief an Crowley (1917) berichtet Reuß, er habe The Message of the Master Therion vor einer Versammlung in Monte Verità gelesen, und dass er The Book of the Law (Das Buch des Gesetzes) ins Deutsche übersetze. Reuß fügte hinzu: „Let this new encourage you! We live in your work!“, Lass Dich durch dies neu ermutigen! Wir leben in deiner Arbeit!. Reuss und Crowley waren im Jahre 1917 augenscheinlich die einzigen aktiven nationalen Oberhäupter des O.T.O., denn in dem Ankündigungstext des Kongresses 1917 in Monte Verita ist zu lesen: „Es gibt zwei Zentren des O.T.O., beide in neutralen Ländern, an die jene, die sich für das Ziel dieses Kongresses interessieren, Anfragen richten können. Das eine befindet sich in New York (U.S. of America), das andere in Ascona (Italienische Schweiz).“ Crowley glaubte im Gegensatz zu Reuss, es sei nicht möglich, Frauen in die Freimaurerei einzuweihen; er glaubte jedoch, dass sie sehr wohl zu Eingeweihten des O.T.O. gemacht werden könnten.

Reuß und Rudolf Steiner

Theodor Reuß war seit 1885 Mitglied der Theosophischen Gesellschaft. Rudolf Steiner leitete die Theosophische Gesellschaft ab 1902 als Generalsekretär des deutschen Zweiges. Seine erkenntniskultische Abteilung der Esoterischen Schule, hatte mit demjenigen was Reuß als Freimaurerei vertrat, nichts zu tun.[1][2]

Nach dem Ersten Weltkrieg

Reuß verließ Monte Verità gegen November 1918. Am 10. Mai 1919 übergab Reuß ein Dokument namens „Gauge of Amity“ („Freundschaftsbekundung“) an Matthew McBlain Thomson, dem Gründer der American Masonic Federation. Das Dokument erkannte Thomson als O.T.O.-Mitglied des IX.° an. Am 18. September 1919 empfing Reuß von Bricaud erneut die Weihe und erhielt somit die Antioch-Nachfolge („Antioch-Sukzession“) und wurde als „Gnostischer Legat“ der Schweiz für Bricauds Église Gnostique Universelle ernannt. 1920 gaben Oedenkoven und Hofmann (s.o.) Monte Verità auf, um eine zweite Kolonie in Brasilien zu errichten, und Reuß veröffentlichte ein Dokument namens The Program of Construction and the Guiding Principles of the Gnostic Neo-Christians: O.T.O. (Aufbauprogramm und Leitsätze der Gnostischen Neo-Christen: O.T.O.). In diesem Dokument stellte Reuss seine Ideen im Hinblick auf eine (stark reglementierte) utopistische Gesellschaft vor.

Am 17. Juli 1920 besuchte er den Kongress der World Federation of Universal Freemasonry in Zürich, der in der <<Libertas et Fraternitas>> Loge abgehalten wurde. Mit Bricauds Unterstützung, trat Reuß erfolglos für die Annahme der Crowleyschem Religion als die offizielle Religion für alle Mitglieder der „World Federation of Universal Freemasonry“, die im Besitz des 18.° des Schottisch Ritus sind, ein.

Am 10. Mai 1921 händigte Reuß X°-Patente an Charles Stansfeld Jones (Ordensname: Parzival, 1886-1950) und Heinrich Tränker aus, welche sie als die jeweiligen Großmeister der U.S.A. und Deutschland bestätigten. Zusätzlich gab er ein weiteres „Gauge of Amity“-Dokument an Harvey Spencer Lewis, dem Gründer der Antiquus Mysticusque Ordo Rosæ Crucis (AMORC), der Organisation eines Rosenkreuzerordens im kalifornischem San José heraus. Dieses Dokument erkannte Lewis überdies als ein VII° Mitglied des O.T.O. an. Reuß kehrte wieder nach Deutschland im September 1921 zurück und ließ sich in München nieder. Am 3. September 1921 stellte Reuß eine Charter für Carl William Hansen (Ordensname: Kadosh, 1872-1936) als X.° für Dänemark aus.

Reuß′ Tod und die Folgen

1923 starb Reuß 68-jährig in München. Ein Nachfolger in der Leitung des deutschen O.T.O. wurde Herbert Fritsche unter dem Ordensnamen Basilius (*1911 – †1960).

Reuß-Orden in Deutschland

  • Swedenborg-Ritus („irreguläres“ dreistufiges freimaurerisches Hochgradsystem)
  • Societas Rosicruciana in Anglia (Rosenkreuzer)
  • Adam Weishauptscher Illuminatenorden (Neugründung durch Leopold Engel 1896) (Illuminaten)
  • Weltbund der Illuminaten (Dachverband für initiatische Orden)
  • Orientalischer Templerorden (OTO) (hermetisches „irreguläres“ Freimaurersystem des Memphis-Misraim-Ritus mit 90 und 95 Graden)
  • Alter und Angenommener Schottischer Ritus (AASR) (aktuell in Deutschland verbreitetes „reguläres“ freimaurerisches Hochgradsystem mit 33 Graden)
  • Cerneau-Ritus („irreguläres“ Freimaurer-System mit 33 Graden)

Reuß′ Werke (Auswahl)

  • The Matrimonial Question. From an Anarchistic point of view, 1887 (Die Frage der Mutterschaft; Reuß′ als Parteiredner in England; seine erste Publikation in Form einer Broschüre)
  • I.N.R.I. An die freimaurerische Presse Deutschlands! Oriflamme. Amtliches Organ des Ordens der Orientalischen Templer – O.T.O. – Des Souveränen Sanktuariums der alten Freimaurer vom Schottischen, Memphis- und Misraim-Ritus für das deutsche Reich und die deutschsprechenden Länder. (12. Jg. Berlin und London: 1914).
  • Merlin Peregrinus (Pseudonym für Theodor Reuß), I.N.R.I. Ordo Templi Orientis – O.T.O. Ecclesiae Gnosticae Catholicae Canon Missae. Die Gnostische Messe – Aus dem Original-Text des Baphomet (d.i. A. Crowley) übertragen in die deutsche Sprache von Merlin Peregrinus. A.O. 800. Verlag der „Oriflamme“ (ohne Druckort und -jahr).
  • Die Mysterien der Illuminaten (1894)
  • Geschichte des Illuminaten-Ordens (1896)
  • Peregrinus (Pseudonym für Theodor Reuß), Was muss man von der Freimaurerei wissen? Eine allgemeinverständliche Darstellung des Ordens der Freimaurer, der Illuminaten und Rosenkreuzer (Berlin: Hugo Steinitz [1. Aufl.] 1901 und weitere Auflagen).
  • Was ist Okkultismus und wie erlangt man occulte Kräfte? (1903)
  • Was muss man von Richard Wagner und seinen Ton-dramen wissen? (1903)
  • Lingam-Yoni; oder die Mysterien des Geschlechts-Kultus (1906)
  • Allgemeine Satzungen des Ordens der Orientalischem Templer O.T.O. (1906)
  • Parsifal, das enthüllte Gralsgeheimnis von Ur-Uter (1914)
  • Constitution of the Ancient Order of Oriental Templars, O.T.O., Ordo Templi Orientis, with an Introduction and a Synopsis of the Degrees of the O.T.O. (1917)
  • Die Gnostische Messe (Übersetzung) (1920)
  • Das Aufbau-Programm und die Leitsätze der Gnostischen Neo-Christen (1920)
  • Die Arte Magica Ararita (Die Magie des Hochaltars)
  • De Nuptis Secretis Deorum cum Hominibus (Von den geheimen Hochzeiten der Götter mit den Menschen)
  • De Homunculus (Von der Bereitung des Humunkulus)
  • Die Eucharistie, das Geheimnis des Abendmahls
  • Das Erotische in Goethes Faust und die Tantriks
  • Das Kreuz und die Sexual-Religion
  • Das Sexuelle in der Theosophie und Anthroposophie, mit den Gelöbnissen der verschiedenen Führer, im Original
  • Das wahre Geheimnis der Freimaurerei identisch mit den Geheimnissen der römisch-katholischen Messe
  • Übersicht über verschiedene freimaurerische Systeme und Einführung in die sämtlichen Grade
  • Die neuen Illuminaten und ihre Einrichtungen und Händel
  • zahlreiche weitere Artikel wurden in der Oriflamme abgedruckt

Literatur

  • Karl R.H. Frick, Licht und Finsternis, Teil 1 und 2, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1978; ISBN 3-201-00951-2; ISBN 3-201-01062-6; vgl.a. Die Erleuchteten desselben Autors ISBN 3-201-00834-6
  • Peter-R. König, Der kleine Theodor-Reuss-Reader, Arbeitsgemeinschaft für Religions- und Weltanschauungsfragen, Augsburg 1993; ISBN 3-927890-13-8
  • Helmut Möller, Elic Howe: Merlin Peregrinus. Vom Untergrund des Abendlandes, 1985, Verlag Königshausen + Neumann 344 S., ISBN 3884791850

Weblinks

Einzelanchweise

  1. Rudolf Steiner, Mein Lebensgang, Rudolf Steiner Verlag, Dornach, 2000, Seite 482f
  2. Rudolf Steiner, Zur Geschichte und aus den Inhalten der erkenntniskultischen Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914, Rudolf Steiner Verlag, Dornach, 1987, Seite 67ff


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